Protocol of the Session on December 13, 2016

So ist es die vornehme Aufgabe einer Landeskulturpolitik, diesem Trend entgegenzuwirken. Das ist ein gefährlicher Trend; denn oftmals erschweren eine mangelnde Infrastruktur, eine desolate Mobilitätssituation, ein damit einhergehender immer höherer Zeitaufwand und damit natürlich auch hohe Fahrtkosten zu den weit entfernten Infrastrukturen kultureller Bildungsangebote den Zugang zu kultureller Bildung. Das will diese Landesregierung ändern.

Wir wollen das ändern mit dem neuen Modellprojekt mit dem schönen Namen „Landsichten“, das wir gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auflegen: mit konkreten unterschiedlichen Projekten, mit verschiedenen Ansätzen der Etablierung kulturel

ler Bildung im ländlichen Raum. Das Konzept bietet unterschiedliche Modelle an, und zwar passgenau für die jeweilige Modellregion und speziell abgestimmt auf die dortigen Bedürfnisse.

Ein anderes Kulturangebot, das in dieser Legislaturperiode eine neue Schwerpunktsetzung erfahren hat, ist die Soziokultur. Die Angebote nutzen jährlich mehr als 700.000 Menschen quer durch alle Altersgruppen und quer durch alle sozialen Schichten in Hessen. Die Initiativen und Zentren der Soziokultur organisieren in unserem Land jedes Jahr rund 4.000 Veranstaltungen zu allen möglichen Themen, zu Literatur, zu Musik, zu Film, zu Theater, zu Tanz oder zu Kleinkunst. Auch hier gilt wieder: Soziokultur findet überall statt. Soziokultur erreicht die verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Soziokultur fördert und stärkt die Attraktivität des ländlichen Raums und trägt dazu bei, Hessen lebenswert zu erhalten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der Grund, warum CDU und GRÜNE nicht nur den Landesetat für Soziokultur verdoppelt, sondern zugleich das Vergabeverfahren der Landesförderung auf neue Füße gestellt haben. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren hat das als einen Meilenstein bezeichnet, und das ist es bundesweit auch.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz besondere Erlebnisse hessischer Landeskultur bieten unsere hessischen Theater und Museen. Allein ein Blick auf die Besucherzahlen macht das unmissverständlich deutlich. Mittlerweile ist es Allgemeinwissen, dass wir jährlich mehr Besucher in Museen haben als in Fußballstadien. Aber nicht Allgemeinwissen ist, dass 2015 rund 745.000 Menschen die drei hessischen Staatstheater besucht haben. Ein Viertel davon, also etwa 185.000, waren Kinder und Jugendliche.

Es ist keine Frage, dass auch das wieder Geld kostet. Wir lassen uns das eine Menge Geld kosten. Ich glaube, wir müssen uns das auch eine Menge Geld kosten lassen, wenn wir unseren Anspruch, Bildung über Kultur zu vermitteln, nicht nur auf dem Papier, sondern auch tatsächlich in der Praxis ernst nehmen wollen. Insofern stemmen wir gemeinsam mit den Sitzstädten nahezu 100 Millionen € in diesem Themenbereich.

Ich will in diesem Zusammenhang einen ganz besonderen Schatz in Hessen nicht unerwähnt lassen. Das sind die Bad Hersfelder Festspiele.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Ich muss gestehen, ich habe mich über die eine oder andere unsachliche Diskussion über die Finanzierung der Bad Hersfelder Festspiele durch das Land schon wirklich wundern müssen. Da wurde von Ungerechtigkeiten gesprochen, oder es wurde der Vorwurf erhoben, man müsse nur einen großen Namen haben, um gefördert zu werden.

Meine Damen und Herren, das ist alles Unsinn. Es ist falsch.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Oh!)

Getroffene Hunde bellen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Die Festspiele gelten neben Bayreuth als herausragendes Beispiel deutscher Festspielkultur. Insoweit muss es doch uns allen ein gemeinsames Anliegen sein, diese Marke der Landesfestspiele auch besonders zu pflegen, lieber Herr Kollege Hahn.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen versichern: Die Entscheidung, in den vergangenen beiden Jahren den Zuschuss zu den Festspielen in Bad Hersfeld um insgesamt rund eine halbe Million Euro zu erhöhen, wurde bewusst und zielgerichtet getroffen. Es ist eine Entscheidung, die wir sachorientiert getroffen haben – gerade auch, um Hochkultur außerhalb des Ballungsraums, in dem wir als Land Hessen im Übrigen mit dem Kulturfonds zu 50 % zufinanzieren, zu fördern und um ein kulturelles Highlight unseres Landes zu retten, das internationale Aufmerksamkeit genießt. Ohne unseren Einsatz – das gehört auch zur Wahrheit – hätten die Bad Hersfelder Festspiele möglicherweise vor dem Aus gestanden. Ich glaube, hier haben wir kulturpolitische Förderung ersten Ranges unternommen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich trifft es auch zu, dass an vielen anderen Orten in Hessen Festspiele zu Recht eine große Rolle spielen. Genau deswegen haben wir auch dieses Budget spürbar erhöht, beispielsweise durch den Sondertopf „Sommerfestspiele“. Von den Aufwüchsen haben 2016 ganz großartige Festspielorte wie Bad Vilbel, Hanau oder eben auch Wetzlar profitiert.

(Beifall des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich bedanke mich sehr bei Ihnen, Herr Abg. Hahn. – Wir investieren aber auch intensiv in unser historisches Erbe. Mit dem neu aufgelegten Kulturinvestitionsprogramm fließen 10 Millionen € zusätzlich in 28 Liegenschaften, für Erhaltung und Sanierung, für Schutz und für Barrierefreiheit. Erst vor wenigen Wochen habe ich mit den Abg. Lortz und Rock Kloster Seligenstadt besucht. Wie viele Jahre hat es gedauert, bis wir den Klosterhof endlich für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Behinderungen besser zugänglich machen konnten? Jetzt ist es so weit, jetzt haben wir es mit dem Kulturinvestitionsprogramm hinbekommen.

Ich war vor Kurzem mit dem Abg. Hofmeister in Weilburg und habe mir die notwendigen Arbeiten am Schloss Weilburg angeschaut, ohne die wir gar nicht mehr die dortigen Festspiele hätten organisieren können – das Kulturinvestitionsprogramm machts möglich. Ich bin mit dem Abg. Armin Klein – pardon, Armin Schwarz – im Schlosspark Wilhelmstal gewesen.

(Zurufe von der CDU)

Ja, tut mir schrecklich leid, Armin weiß, wer es gewesen ist. Ich gebe eine Runde aus. – Im Schloss Erbach habe ich mit der Abg. Lannert kürzlich das Deutsche Elfenbeinmuseum eröffnen können.

(Beifall der Abg. Judith Lannert (CDU) – Janine Wissler (DIE LINKE): Sie müssen jetzt auch nicht alle aufzählen!)

Ich höre jetzt auf, sonst komme ich mit der Redezeit in der Tat nicht hin. Es würde mir aber zu jedem der Orte et

was einfallen. Aber ich will es bei den bislang genannten Namen belassen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Mit der Einrichtung des Deutschen Elfenbeinmuseums im Erbacher Schloss kehrt das Thema „Elfenbein“ an seinen Ursprungsort zurück. Ich finde, es ist beeindruckend, was mit den rund 1,25 Millionen €, die das Land aus dem Kulturinvestitionsprogramm für dieses Projekt zur Verfügung gestellt hat, geschaffen worden ist. Es ist beeindruckend, kann man nur sagen. Auch das ist ein Beleg für die Wirkung von Landeskulturpolitik außerhalb des Ballungsraums für den ländlichen Raum.

Hessen ist heute ein profilierter Filmstandort. Wir bilden in unseren Hochschulen die Spezialisten für die Branche aus. Wir haben das, was man interessante Locations nennt – nordhessische Wälder und Landschaften für Katja von Garniers „Ostwind“, Animationsexperten für „Pettersson und Findus“, die Skyline von Frankfurt und das Marburger Schloss für „Alles ist Liebe“ und Til Schweigers „Conni & Co“. Aber, meine Damen und Herren, wir haben vor allem eines: Wir haben eine attraktive Filmförderung. Wir bündeln die Filmförderung, wir haben klare Strukturen geschaffen, wir haben einen zentralen Ansprechpartner geschaffen. Wir haben aber nicht nur das, sondern wir haben mit dem Haushalt 2017 auch ein wirklich kräftiges Signal für den Filmstandort Hessen gesendet – ein Signal, das auch die Branche anerkennt. Wir haben die Mittel um 1 Million € gesteigert. Wir wandeln eine weitere Million von einer Darlehens- in eine Zuschussförderung um. Umso mehr freue ich mich, dass wir offensichtlich wirklich alles richtig gemacht haben.

(Widerspruch des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Na ja, das kann man schon sagen. – Anders ist es nicht zu erklären, dass wir, lang ersehnt, in den Verband Focus Germany aufgenommen worden sind. Ich wundere mich, dass sich gerade die SPD dazu äußert, und dann aus dem Munde von Norbert Schmitt, der sich bislang zu den Themen Film und Filmförderungskultur nicht sehr eingelassen hat.

(Norbert Schmitt (SPD): Vielleicht zur hessischen Glühweinkultur!)

Meine Damen und Herren, eine Reise durch Hessen macht besonders deutlich, wie breit dieses Kulturland aufgestellt ist. Sie beginnt im Landesmuseum in Darmstadt – eines der letzten großen Universalmuseen Europas, das das Land Hessen mit 80 Millionen € saniert und renoviert hat. Hier finden Sie wirklich alles, von der naturkundlichen Sammlung über den größten zusammenhängenden Werkkomplex von Joseph Beuys bis hin zu den bedeutendsten Werken von Gerhard Richter.

Danach können Sie ins Staatstheater gehen, es ist mit seinen 50.000 m² nach Berlin und Frankfurt die drittgrößte Bühne Deutschlands. Dort gibt es mittlerweile fantastische Aufführungen, es wird Tolles dargeboten. Ich kann derzeit Eva-Maria Höckmayrs „Tosca“ empfehlen, eine Regisseurin, die kürzlich dort einen „Freischütz“ inszeniert hat, der es in sich hatte.

Machen wir weiter mit der Reise, und zwar auf der hessischen Route der Romantik. Sie beginnt, wenn es dann so weit ist, in Frankfurt im Deutschen Romantik-Museum, unterstützt mit 4 Millionen € des Landes. Wenn es die nicht gegeben hätte – ich will nicht über die Irrungen und

Wirrungen der Frankfurter Kommunalpolitik sprechen –, hätten wir diese Route der Romantik nicht einrichten können. Der Weg führt weiter in das Brentano-Haus – ein einzigartiger Ort, 1,2 Millionen € haben wir als Land Hessen in die Hand genommen, um dieses Kleinod zu sichern –, und wenige Kilometer weiter ist Rheinromantik pur zu sehen und in echt erlebbar: Hier hat das Land Hessen für 10 Millionen € saniert und revitalisiert.

Wenn Sie nach Wiesbaden kommen, haben Sie ein Landesmuseum mit rasch wechselnden und spannenden Sonderausstellungen. Was nicht wechselt, sondern bleibt, das ist die Tatsache, dass hier – neben dem Norton Simon Museum in Pasadena – die größte Jawlensky-Sammlung der Welt vorhanden ist. All das wurde mit einer Landesinvestition in Höhe von 42 Millionen € für die Gesamtsanierung des Hauses möglich gemacht.

Fahren Sie 200 km weiter und kommen in die Museumslandschaft Hessen Kassel. Es ist eine der größten Museumslandschaften Deutschlands. Sie steht in einer 600-jährigen Tradition des Sammelns, des Bewahrens und des Gestaltens. Das Zusammenspiel von Kunst- und Wissenschaftssammlungen und einzigartigen historischen Schloss- und Parkanlagen ist wirklich beeindruckend.

Es war eine wegweisende Entscheidung, die damals getroffen worden ist, mit einem Einsatz von 200 Millionen € ein Kulturinvestitionsprogramm zu starten. Nun wird Frau Beer einwenden, das sei zur Amtszeit der Kollegin Ruth Wagner gewesen. Das mag sein, und das ist auch okay – eine sehr geschätzte Vorgängerin –,

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

aber so etwas geht immer nur im Zusammenspiel. Deswegen will ich sehr deutlich sagen: In diesem Zusammenspiel haben Udo Corts und Eva Kühne-Hörmann, meine beiden Vorgänger der CDU, eine ganz großartige Rolle gespielt. Nicht anders war es möglich, den Grundstein des Bergfrieds der Löwenburg zu legen – 30 Millionen € –, nicht anders war es möglich, das Haus der Geschichte, Kunst und Kultur, nämlich das neue Landesmuseum, für rund 31 Millionen € zu eröffnen. Meine Damen und Herren, demnächst kommt ein neues Highlight in Kassel dazu; denn daneben entsteht mit dem Neubau des Deutschen Tapetenmuseums ein wirklich ganz herausragender Ausstellungsort für eine Spezialsammlung von Weltgeltung.

(Beifall der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im Untertitel werden wir natürlich auch schreiben, dass es ein Museum für Raumkunst ist. Mit Landesmuseum, mit Torwache, mit dem Museum für Tapeten und Raumkunst und mit der Murhardsche Bibliothek entsteht am BrüderGrimm-Platz ein außergewöhnlicher kultureller Hotspot.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, die Redezeit ist eigentlich abgelaufen.

Herr Präsident, ich bedanke mich für den Hinweis. Ich werde so schnell wie möglich zum Ende kommen und das eine oder andere überspringen.

Ich will noch zu einer Zeitung des Deutschen Kulturrats kommen. Es ist eine interessante Zeitung, die der Kulturrat herausgibt. Dort steht:

Die Hessen sind anders als die anderen Kinder. Im Hessischen Landtag z. B. geht es im Kulturpolitischen Ausschuss gar nicht um Kulturpolitik: … Die „Kultur“, im landläufigen wie im kulturpolitischen Sinne, beschäftigt stattdessen den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst …