Protocol of the Session on April 2, 2014

Auch wenn wir bei dem speziellen Fall der Wohnungseinbrüche noch lange nicht angekommen sind, wo wir hin möchten, sind wir im bundesweiten Vergleich noch immer deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Mit unserer Aufklärungsquote liegen wir im Ländervergleich sogar im oberen Drittel. Auch das sollte nicht unerwähnt bleiben. Natürlich wird sich angesichts dieser Zahlen von uns niemand entspannt zurücklehnen. Wir werden uns in den kommenden fünf Jahren sehr ambitioniert um die Sicherheit in Hessen kümmern; und die Anzahl der Wohnungseinbrüche zu verringern ist unser klares Ziel.

Meine Damen und Herren, bei aller Bescheidenheit:

(Günter Rudolph (SPD): Oh!)

Diese Statistik ist ein gutes Ergebnis und eine prima Leistungsbilanz der polizeilichen Arbeit in Hessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man der Aufklärungsquote von fast 60 % und weniger Straftaten nichts Positives abgewinnen kann, dann liegt das wohl weniger an der Statistik selbst als vielmehr an der Tatsache, dass Sie diesen Erfolg nicht mit zu verantworten haben.

Aber – ich komme zum Schluss – Zahlen und Daten sind nur abstrakte Größen. Entscheidend ist, was diese Zahlen ausdrücken; denn hinter diesen Zahlen stehen Menschen, und um diese Menschen geht es. Es geht um individuelle Schicksale. Hinter jeder verhinderten Straftat steht ein Mensch, der nicht geschädigt wurde, und hinter jeder aufgeklärten Straftat steht ein Mensch, der nicht mehr nur Opfer ist, sondern auf die Bestrafung des Täters hoffen darf. Das ist es, was der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern schuldig ist: ein Leben in Freiheit und in Sicherheit zu gewährleisten. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Mutklatschen!)

Herzlichen Dank. – Als Nächste hat Kollegin Faeser von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss dem neuen Innenminister zugutehalten, dass er bei der Präsentation der diesjährigen Statistik durchaus differenzierter war. Das kann man vom CDU-Kollegen Bauer heute leider nicht behaupten.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das habt ihr doch gar nicht nötig!)

Herr Irmer, ich kann nur empfehlen, nächstes Jahr einmal einen Schnitt zu machen und möglicherweise eine andere

Darstellung zu wählen, um aus dieser Mühle herauszukommen und hier Jahr für Jahr ein noch besseres Ergebnis präsentieren zu müssen.

(Holger Bellino (CDU): Wenn wir doch so gut sind!)

Denn gerade mit Blick auf diesen offensichtlich bestehenden Druck, den Sie sich selbst aufbauen, nehmen wir jedenfalls zur Kenntnis, um ein Beispiel herauszugreifen, dass es dieses Jahr einen massiven Anstieg von Asylmissbräuchen und Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht gibt. Es handelt sich allein im letzten Jahr immerhin um einen Anstieg um 2.657 Fälle oder, um es anders auszudrücken, um 13,4 %.

(Clemens Reif (CDU): Rosinenpickerei!)

Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes Kontrolldelikt. Das heißt, je mehr Kontrollen ich durchführe, desto mehr Straftaten werden aufgeklärt, da der Täter gleich mitgeliefert wird.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Deshalb haben wir auch – Frau Lannert – eine Anfrage gestellt. Wir wollen wissen, ob die vermehrten Kontrollen die Ursache sind oder ob es dafür andere Gründe gibt. Vielleicht kann der Innenminister das heute beantworten.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte an Sie appellieren, denn Jahr für Jahr werden die Zahlen insbesondere der Stadt Frankfurt nicht gerecht, die sich jährlich der Diskussion stellen muss, ob sie Kriminalitätshauptstadt Deutschlands ist. Besonderheiten wie der Flughafen und die Dichte der externen Besucher in Frankfurt werden in der Aufstellung schlicht nicht berücksichtigt. Hierzu muss ich heute ehrlich sagen, und ich hoffe, es findet Ihre Zustimmung: Besonders die Polizei in Frankfurt hat dieses Bild nicht verdient, denn sie leistet hervorragende Arbeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Auch wir begrüßen, dass sich die Aufklärungsquoten auf ein gutes Niveau erhöht haben und die Straftaten insgesamt zurückgegangen sind. Dafür gilt unser Dank den hessischen Polizistinnen und Polizisten, denn sie leisten unter sehr schwierigen Bedingungen sehr gute Arbeit. Dafür gebührt ihnen unsere Wertschätzung.

(Beifall bei der SPD, der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der großartige Einsatz der Polizistinnen und Polizisten ist nicht selbstverständlich, denn die Arbeitsbedingungen sind in Hessen nicht so gut, vor allen Dingen, weil wir immer noch einen sehr großen Personalmangel zu verzeichnen haben. Herr Bauer, dazu haben Sie leider nichts gesagt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Auf die Ausstattung der Polizei müssen gerade Sie eingehen!)

Herr Irmer, bei der „sicheren Zukunft“ wurde unter Bedarf eingestellt. Das wissen gerade Sie sehr genau. Es sind jahrelang nur 200 oder 250 Polizeianwärter eingestellt worden, obwohl mehr als 400 Polizeibeamte jährlich gegangen sind.

Auch 2013 wurden nur 460 Polizeianwärter eingestellt. Für dieses Jahr hat der Ministerpräsident, der heute nicht da ist, im Wahlkampf 500 Einstellungen angekündigt. Wir sind gespannt, ob diese Zahl auch eingehalten wird; vielleicht

kommt es ja schon in den Nachtragshaushalt. Wir werden jedenfalls 550 Einstellungen im Haushalt beantragen, damit der Personalmangel ausgeglichen wird. Wir sind der Auffassung, dass die beste Kriminalitätsbekämpfung ausreichend Personal ist.

(Beifall bei der SPD)

Auch das Projekt „Regionale Sicherheit“ ändert daran nichts. Es handelt sich um 100 Beamtinnen und Beamte der Bereitschaftspolizei, die im Zweimonatsrhythmus in den Polizeipräsidien eingesetzt werden. Das schwächt die Bereitschaftspolizei. Der Innenminister hat dies bereits selbst in einem Interview mit der „FNP“ vor wenigen Tagen gesagt. Strukturell hilft dies im ländlichen Raum überhaupt nicht weiter.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu Ihnen war ich sehr viel unterwegs, und ich weiß, was die Überalterung der Polizei in den sogenannten Endverwendungsdienststellen bedeutet. Dort herrscht großer Personalmangel.

(Beifall bei der SPD)

Hessen hängt immer noch zurück bei den Bemühungen, die Fehler des zurückliegenden Personalabbaus aufzufangen. Erhöhen Sie also besser die Einstellungszahlen bei der Polizei, anstatt sich auf das gute Verkaufen der Kriminalstatistik zu konzentrieren.

Schauen wir uns die Kriminalstatistik noch einmal genau an. Herr Bauer, Sie haben es erwähnt, zurückgegangen sind der Leistungsbetrug und das Erschleichen von Leistungen. Diese Delikte sind im Übrigen auch klassische Kontrolldelikte. Erfreulich ist sicherlich der Rückgang um 7,3 % bei den Vermögens- und Fälschungsdelikten. Auch die Zahlen der Körperverletzungen – auch das haben Sie erwähnt – sind leicht zurückgegangen. Herr Bauer, dabei muss ich allerdings sagen, die Gesamtzahl ist immer noch sehr bedenklich. 1994 hatten wir Fallzahlen von 17.798, 2013 sind es 28.952. Das ist ein Anstieg um 60 %. Das ist nichts, was man hier als besonders verkaufen sollte.

(Beifall bei der SPD)

Herr Bauer, Sie sollten darauf verzichten, zu betonen, dass die Straftaten des sexuellen Missbrauchs zurückgegangen sind. Sie sollten es eigentlich wissen, dass es sich hierbei um Antragsdelikte handelt. Das hat mit dem Anzeigeverhalten der Betroffenen zu tun und nicht mit einer verstärkten Bekämpfung. Das finde ich persönlich nicht in Ordnung. Darauf sollten Sie künftig verzichten.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es gesagt, wir haben ein sehr hohes Niveau bei den Zahlen der Wohnungseinbrüche. Sie sind erneut um 225 Fälle auf insgesamt 10.795 Fälle gestiegen. Die Aufklärungsquote ist um 1,3 Prozentpunkte auf 19,4 % gesunken. Ich will das nur noch einmal ins Verhältnis setzen zur Aufklärungsquote insgesamt, die bei 59,5 % liegt. 19,4 % sollten uns also große Sorge bereiten. Deswegen sollten wir auch darüber sprechen – das haben Sie auch gesagt –, dass dieses schlimme Kriminalitätsfeld zurückgedrängt werden muss. Es handelt sich in der Tat nicht um ein hessisches Phänomen, sondern um ein bundesweites. Wir müssen unsere Anstrengungen auf den Weg bringen.

Wohnungseinbrüche greifen tief in die Persönlichkeitssphäre der Bürgerinnen und Bürger ein und hinterlassen

tiefe Unsicherheit in ihren eigenen vier Wänden, in denen man sich eigentlich am sichersten fühlen sollte. Deswegen ist es auch so wichtig, hier die Bemühungen zu verstärken. Aus diesem Grund begrüßen wir ausdrücklich die zaghaften Ansätze von Selbstkritik in Ziffer 3 des Antrags. Wir führen das auf den Einfluss der GRÜNEN zurück. Das hat es in den letzten Jahren bei der Vorlage der Kriminalstatistik nicht gegeben.

Wir hatten die Wohnungseinbrüche 2012 im Plenum zu einem Thema gemacht, weil wir an der Bekämpfung besonders interessiert sind. Hier erfordert es präventive Maßnahmen zur Eigensicherung, Konzepte mit den Wohnungsbaugesellschaften, strukturelle Verbesserung der Ermittlungsarbeit, die Heranziehung von Best-Practice-Modellen aus allen Bundesländern, länderübergreifende Zusammenarbeit, um Mehrfach- und Intensivtäter besser verfolgen zu können, und eine bessere Personalausstattung.

Wenn man das Vergleichsjahr 1994, das Sie zugrundegelegt haben, mit den aktuellen Zahlen der Wohnungseinbrüche vergleicht, stellt man eine Steigerung um 40 % fest. Das sollte uns insgesamt große Sorge bereiten. Hier müssen wir die Bemühungen gemeinsam verstärken. Unsere Unterstützung haben Sie dabei.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein paar Zahlen zum Schluss. Bei der Straßenkriminalität ist die Aufklärungsquote gesunken, sodass wir auch dort unsere Bemühungen verstärken sollten. Auch das hat große Auswirkungen auf das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. Beachtlich sind die Zahlen beim Waren- und Warenkreditbetrug. Dort ist eine Zunahme von 6,8 % zu verzeichnen. Das ist immerhin eine Zunahme um 1.163 Fälle. Das bezieht sich insbesondere auf Betrugstaten im Internet. Deswegen müssen wir auch dort die Präventionsarbeit verstärken, aber auch das Personal verstärken, weil sich die Straftaten immer weiter entwickeln und hohe Anforderungen gerade in technischen Fragen an die Polizistinnen und Polizisten gestellt werden.

Wir sollten gerade den Phänomenen, die die älteren Menschen unserer Bevölkerung betreffen, besondere Aufmerksamkeit widmen, sei es der Enkeltrick, der inzwischen bei vielen bekannt ist, oder seien es neue Phänomene. Beispielsweise werden Schreiben von Staatsanwaltschaften gefälscht und den Betroffenen mit der Bitte zugesandt, Geldbeträge zu überweisen. Das wird leider sehr häufig gemacht. An dieser Stelle brauchen wir dringend mehr Präventionsarbeit, um das zu verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Die Wirtschaftskriminalität ist erneut nach oben gegangen. Auch die absoluten Zahlen sind sehr bedenklich. 1994 waren es noch 1.760 Fälle, 2013 sind es bereits 5.583 Fälle. Das hat zum einen auch mit Ermittlungserfolgen zu tun, aber die Zunahme der Delikte spricht insbesondere dafür, dass wir uns darum besonders kümmern müssen. Dabei ist der finanzielle Schaden für die Gesellschaft insgesamt extrem hoch.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es gibt keinen Grund, sich zu feiern. Ich kann Sie nur abschließend auffordern: Machen Sie Ihre Hausaufgaben bei der Personalausstattung, und investieren Sie in Präventionsarbeit, dann wird es diesem Land deutlich besser gehen.

(Beifall bei der SPD)