Wer Herrn Eckert zugehört hat, wird vielleicht gedacht haben, er spricht von einem anderen Land. Aber nein, wir reden von demselben Land. Der Arbeitsmarkt ist in ganz Hessen in hervorragender Verfassung. Die Landesregierung nimmt gerade deshalb besonders diejenigen in den Blick, die davon bisher noch nicht so profitieren können, beispielsweise Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte.
Hessen ist traditionell das Land der Automobilindustrie, der pharmazeutischen Chemie, der Finanzdienstleistungen und der Logistik. In Hessen sind gerade in diesen Branchen große und namhafte Unternehmen tätig. Sie sind wichtig für unser Land, das wie kein anderes exportorientiert ist.
Gleichzeitig arbeiten die allermeisten Menschen in Hessen in Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten. Deshalb ist für uns die Bedeutung der kleinen und der mittelständischen Unternehmen nicht zu unterschätzen. Im Gegenteil, gerade für sie und gerade auch für diejenigen, die vielleicht im Moment im Entstehen begriffen sind – die Gründer –, schaffen wir noch bessere Bedingungen.
Das lässt sich auch ablesen. Das Land Hessen ist im KfWGründungsmonitor 2016 nicht zufällig auf den dritten Platz unter den Bundesländern vorgerückt, sondern es wurden genau die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt. Wir haben passgenau neue Förderprodukte der WIBank geschaffen, durch die sichergestellt wird, dass das Potenzial junger Unternehmen und Gründungen eben nicht mangels Kapital in der Anfangsphase auf der Strecke bleibt. Endlich bringt Hessen sein Potenzial als Gründerstandort besser zur Entfaltung. Das ist ein wichtiger Baustein für mehr Kreativität und für mehr Innovation. Die Mikrodarlehen und die Innovationskredite, die wir geschaffen haben, sind ganz wichtige Instrumente dafür, die in der Verantwortung des grünen Wirtschaftsministers ausgebaut wurden.
Der Megatrend Digitalisierung und der Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur bleiben ganz oben auf unserer Agenda. Wir sind da bereits sehr gut. In den letzten drei Jahren sind wir immer besser geworden, gerade was das Schließen des digitalen Grabens zwischen Ballungsräumen und ländlichen Räumen angeht. Es ist doch kein Zufall, dass sich die drei am besten mit Breitband erschlossenen Landkreise Deutschlands in Hessen befinden. Aber gerade angesichts des Tempos, das die Digitalisierung an den Tag legt, dürfen wir in diesem Punkt nicht nachlassen; denn was gestern eine herausragende Übertragungsgeschwindigkeit war, ist heute schon Durchschnitt und wird morgen veraltet sein.
Der digitale Wandel betrifft aktuell in besonderem Maße den Finanzsektor, der für uns – Frankfurt/Rhein-Main – eine besondere Bedeutung hat. Es sind längst nicht mehr nur die klassischen Großbanken – die wohl immer weniger –, die uns interessieren. Gerade die Fintechs müssen uns in Zukunft interessieren. In der vergangenen Woche hat Minister Al-Wazir das Tech Quartier im Pollux eröffnet. Das ist ein wichtiger Bestandteil unserer Rahmensetzungen in diesem Bereich. Nicht von ungefähr hat die Bundesregierung entschieden, dass Frankfurt der Fintech-Standort ihrer Digital Hub Initiative wird.
Da ich jetzt beim Finanzplatz bin, füge ich an dieser Stelle hinzu: Auch der Hauptsitz der Deutschen Börse ist ein wesentlicher Bestandteil für die weitere Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt. Dass die fixe Idee der Verlagerung auch nach der Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, noch nicht vom Tisch ist, ist in meinen Augen absurd.
Trotz der positiven Zustandsbeschreibung muss uns Wirtschaftspolitikerinnen und Wirtschaftspolitiker die internationale Entwicklung besondere Sorge bereiten, denn wir leben hier nicht auf einer Insel. Für ein Land wie Hessen, das so stark in das globale Handelsnetz eingebunden ist, sind der erstarkende Nationalismus in Europa und die bevorstehende Isolationspolitik der USA ein hohes Risiko, und es bedarf aller Wachsamkeit in Bezug darauf, was das für die künftige Entwicklung in Hessen bedeutet.
Damit komme ich zum Feld der Energie. Nach dem Atomausstieg ist der Kampf gegen den Klimawandel aus meiner Sicht eine Aufgabe unserer Generation. Früher hat sich die Umweltbewegung auf die Fahnen geschrieben: „global denken – lokal handeln“. In Paris wurde jetzt endlich einmal global gehandelt. Das Klimaabkommen wurde unterzeichnet, und es ist eine Verpflichtung im Interesse der uns
nachfolgenden Generationen, die wir jetzt vor Ort in konkretes Handeln umsetzen müssen. Das heißt: Wir brauchen einen starken Klimaschutzplan für Hessen, der dafür sorgt, dass wir unserer Verantwortung und unserer Verpflichtung nachkommen.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein zentraler Baustein für mehr Klimaschutz; denn wir müssen mittelfristig weg von der Kohle, weg von den fossilen Energieträgern. Mit uns GRÜNEN ist in Hessen endlich richtig Schwung in den Ausbau der erneuerbaren Energien gekommen. Das gilt in besonderem Maße für die mit Abstand effizienteste Form der Erzeugung erneuerbarer Energie. Es ist gut und vorbildlich, dass von den Regionalversammlungen in Nord- und Mittelhessen endsprechende Pläne beschlossen worden sind und dass damit klar ist, wo sich dort die Vorranggebiete befinden. Beide Pläne haben die 2-%-Marke überschritten, die wir auf dem Energiegipfel gemeinsam vereinbart haben. Ich möchte mich ausdrücklich auch bei allen ehrenamtlich in den Regionalversammlungen Tätigen für den häufig schwierigen Abwägungsprozess bedanken; denn sie machen die Energiewende vor Ort konkret.
Meine Damen und Herren, seit wir GRÜNE mitregieren, sind in Hessen 160 neue Windräder errichtet worden. Die Menge des aus Wind erzeugten Stroms konnte um 74 % gesteigert werden. Ja, wir hätten gern mehr, und wir hätten es gern schneller; aber zur Wahrheit gehört leider auch, dass die Bundesregierung durch ihren Umgang mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz Investoren nicht nur massiv verunsichert, sondern Investitionen sogar aktiv abwürgt. Wer so agiert, will dem schmutzigen Kohlestrom eine Abnahmegarantie verschaffen, will aber keine Wende hin zu sauberen erneuerbaren Energien.
Es ist diese Landesregierung, die gemeinsam mit überschaubar vielen anderen für die Energiewende und damit für die Vereinbarungen des Hessischen Energiegipfels von 2011 kämpft. Das ist politische Verantwortung.
Ich will aber auch den Verkehrssektor zumindest kurz streifen. Mit den Lärmobergrenzen wird endlich die letzte große offene Wunde des Mediationsverfahrens behandelt. Niemals zuvor wurde so viel dafür getan, die Lärmbelastungen der Anwohnerinnen und Anwohner aufgrund des für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Bundeslandes so wichtigen Flughafens zu senken, wie seit dem Amtsantritt von Tarek Al-Wazir.
Viel zu lange haben wir aber nur auf den motorisierten Individualverkehr gestarrt, was die Mobilität betrifft, und die Infrastruktur für Bus- und Bahnfahrer, Radfahrer und Fußgänger vernachlässigt. Wir haben dieses Ungleichgewicht endlich beseitigt. Wir setzen eine echte, nachhaltige Mobilitätspolitik um, die die unterschiedlichen Verkehrsträger aktiv vernetzt. Dazu gehört unser Grundsatz „Erhalt vor Neubau“, was die Landesstraßen angeht; denn der Erhalt des Bürgervermögens muss Vorrang haben vor der Neuerrichtung immer neuer Asphaltpisten, die dann wiederum
einen Pflegebedarf nach sich ziehen. Herr Eckert, das ist selbstverständlich eine nachhaltige Verkehrspolitik.
Natürlich schaffen wir auch neue Angebote, gerade im ÖPNV. Das landesweite Schülerticket – es ist bereits angesprochen worden – kommt. Dies wurde gestern verkündet. Es gibt eine Jahresfahrkarte für ganz Hessen; Schülerinnen und Schüler können es für ihren Schulweg, aber eben auch in ihrer Freizeit nutzen. Das erinnert an die Erfolgsgeschichte des Semestertickets vor 20 Jahren. Es ist ein echter Meilenstein.
Schließlich erhalten unsere erfolgreichen Verkehrsverbünde mit der gestern unterzeichneten Finanzierungsvereinbarung bis 2021 die Rekordsumme von 4 Milliarden €. Erstmals seit 15 Jahren sind es wieder originäre Landesmittel. Ohne leistungsfähigen ÖPNV gibt es auch keine Verbesserung bei dem Verkehrsdruck auf den Straßen, insbesondere im Ballungsraum.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Nicht ohne Grund hat der Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes die Unterzeichnung dieser Vereinbarung gestern „ein verfrühtes Weihnachtsmärchen“ genannt; denn diese 4 Milliarden € sind 24 % mehr als in der letzten Finanzierungsperiode. Das zeigt, wie wichtig dieser Landesregierung der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs ist. Sie sehen, wir setzen die richtigen Prioritäten im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, der hier ansässigen Unternehmen und der uns nachfolgenden Generationen. Das ist im besten Sinne „grün aus Verantwortung“. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Klose. – Als Nächste spricht nun Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Situation im Land mag – hierauf ist mehrfach hingewiesen worden – auf dem Papier gut sein. Aber ich stelle fest: Der Wohlstand kommt eben nicht gleichermaßen bei allen an. Weiterhin ist die Ungleichheit in Hessen immens. In Frankfurt beispielsweise steigen die Mieten schneller als die Einkommen. In Nordhessen sind dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zufolge derweil 17 % der Bevölkerung armutsgefährdet, in Offenbach bezieht mehr als jedes dritte Kind Hartz IV.
Einer aktuellen Studie zufolge ist die Zahl der Minderjährigen in Hartz-IV-Familien in den letzten fünf Jahren um traurige 7,5 % gestiegen. Insgesamt sind über 14 % der hessischen Kinder und Jugendlichen betroffen, in einigen
Regionen sogar deutlich mehr. In der Stadt Offenbach sind es, wie gesagt, mehr als 34 % und damit jedes dritte Kind. Die Armen werden mehr, während die Reichen reicher werden. Es ist auch eine Aufgabe der Wirtschaftspolitik eines Landes, hier gegenzusteuern. Das tut Schwarz-Grün aber leider nicht.
Wir teilen die vor einiger Zeit geäußerte Kritik des DGBVorsitzenden Reiner Hoffmann voll und ganz, der gesagt hat, dass die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der schwarzgrünen Landesregierung erschreckende Leerstellen aufweise. In der Tat müsste sehr viel mehr getan werden, um „gute Arbeit“ zu stärken und unlautere, auf Niedriglöhnen und befristeten Jobs basierende Geschäftsmodelle unattraktiver zu machen. Um prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse dauerhaft zu bekämpfen, muss der Arbeitsmarkt wieder reguliert werden. Die Position der Beschäftigten muss wieder systematisch gestärkt werden. Ich würde mir in Hessen einen Wirtschaftsminister wünschen, der sich schützend vor die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellt, wenn sie von Massenentlassungen oder Niedriglöhnen bedroht sind, und den prekären Beschäftigungsverhältnissen den Kampf ansagt.
Gerade weil die Unternehmen in Hessen wirtschaftlich gut dastehen – das haben wir ja gehört –, müssen wir sie auch in die Pflicht nehmen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen, in ausreichender Anzahl Ausbildungsplätze zu schaffen. Hier haben wir nach wie vor ein Problem; hier haben wir nach wie vor ein Ungleichgewicht. Gerade die großen Unternehmen in Hessen kommen dem nicht in ausreichendem Umfange nach.
Wenn wir über die Wirtschaftspolitik in Hessen für die nächsten Jahre reden, dann müssen wir natürlich auch über CETA und TTIP reden. Man darf nicht so tun, als würden diese Freihandelsabkommen nicht auch die Wirtschaftspolitik in einem Bundesland wie Hessen massiv verändern können. Im Rahmen von CETA und TTIP wurde in intransparenten Gremien mit fragwürdiger Legitimation über fast alles verhandelt, was unser staatliches Gemeinwesen ausmacht: Finanzmarktregeln, Arbeitnehmerrechte, Umweltstandards, Verbraucherschutz und vieles mehr. Das heißt: Unternehmen, Banken und Konzernen sollen mehr Möglichkeiten und Rechte gegeben werden; umgekehrt sollen Regeln abgeschafft werden, die als sogenanntes Handelshemmnis gelten. Wir sind gegen diese Entmachtung der demokratischen Parlamente, und wir sind der Meinung, ein hessischer Wirtschaftsminister sollte es auch sein.
Wer die Absenkung von Standards verhindern will, sowohl beim Thema Umwelt als auch bei der kommunalen Daseinsvorsorge, wer die Demokratie, den Sozialstaat und den Verbraucherschutz erhalten will, muss TTIP und CETA verhindern und ablehnen.
Ich sage umgekehrt: Wer zu einer Demonstration gegen TTIP und CETA aufruft und dann mit demonstriert, von dem würde ich mir auch wünschen, dass er sich im Parlament und in der Regierung entsprechend verhält; sonst macht er sich unglaubwürdig. Es ist gut, dass so viele Menschen gegen TTIP und CETA demonstriert haben. Diese Hessische Landesregierung sollte es als Auftrag nehmen, sich TTIP und CETA entgegenzustellen.
Herr Minister, gut, dass Sie darauf hinweisen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es keine Beruhigung ist, dass TTIP jetzt vom Tisch sein könnte. In dem Moment, in dem CETA durchgesetzt ist und die meisten amerikanischen Unternehmen in Kanada Niederlassungen haben, kann quasi über CETA durch die Hintertür TTIP genauso greifen. Man sollte sich also nicht freuen, dass man TTIP verhindert hat, wenn man am Ende CETA durchwinkt.
In der Energiepolitik wurde im letzten Jahr viel geredet, aber leider nicht ganz so viel umgesetzt, weil einige lieber auf die Bremse treten, statt die notwendige Beschleunigung bei den grünen Energien einzuleiten. Hier im Haus ist das weniger überraschend. Die FDP macht weiterhin lieber Politik für Energiekonzerne und SUV-Fahrer. Dabei entdeckt sie plötzlich ihr Herz für Bürgerbeteiligung im Sinne von Antiwindkraftinitiativen.
Es ist aber nicht nur die FDP, das wäre nicht so problematisch. Es sind auch CDUler, die zwar im Hessischen Landtag die Hand für die Energiewende heben, aber dann nach Hause in ihren Wahlkreis fahren und dort Kampagnen gegen Windkraftanlagen machen.
Das bezeichne ich als unglaubwürdig und heuchlerisch, wenn man im Landtag etwas anderes macht als zu Hause im Wahlkreis.
Herr Lenders, der Landesentwicklungsplan, der gerade umgesetzt wurde, wurde von einem FDP-Minister beschlossen. Also machen Sie auch gerade Opposition gegen das, was Sie in der Regierung einmal durchgesetzt haben. – So viel zum Thema Glaubwürdigkeit.
Ich würde mir wünschen, dass die Parteien ihr Herz für den Wald und das Landschaftsbild entdecken, wenn es um Autobahnen, Gewerbegebiete und Landebahnen geht. Da könnten Sie Ihr Herz für den Naturschutz, für den Artenschutz und für die Wälder entdecken.
Die Gründe, warum wir die Energiewende brauchen, sind offensichtlich. Die Atomkraft ist ebenso unverantwortlich wie die Kohlekraft. Beide haben unberechenbare Langzeitfolgen. Ich gehe davon aus, dass unsere Enkel und Urenkel uns später nicht fragen werden, ob Finanzminister Schäfer die „schwarze Null“ geschafft hat oder nicht. Sie werden uns fragen, warum Kassel am Meer liegt, wenn es mit der Klimaerwärmung so weitergeht.