Protocol of the Session on October 13, 2016

Sie selbst haben 2009, als Sie noch die für die Luftreinheit zuständige Abgeordnete der GRÜNEN waren, den Umstand als Armutszeugnis bezeichnet, dass in Hessen die EU-Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Jetzt – sieben Jahre später, und die GRÜNEN sind unterdessen in der Regierungsverantwortung – frage ich: Was haben Sie zustande gebracht? Die schwarz-grüne Landesregierung verklagt VW – aber nicht dafür, dass deren Dieselfahrzeuge den Menschen in den Städten das Atmen schwermachen, weil sie die Grenzwerte nicht einhalten. Nein, das Land verklagt VW wegen der ca. 4 Millionen € hohen Verluste, die durch den Verfall des Aktienkurses entstanden sind. Die Klage wegen der 4 Millionen € ist sicher wichtig für die Pensionskassen. Darüber will ich nicht streiten. Der Skandal ist aber, dass Schwarz-Grün nicht VW wegen fortgesetzter Gesundheitsschädigung verklagt und versucht, auch andere Konzerne für diese Dinge mit haftbar zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wobei ich an dem Verklagen von Konzernen auch meine Zweifel habe, wenn wir hinterher wieder überlegen müssen, wie wir die Arbeitsplätze retten. Das will ich einmal in aller Deutlichkeit dazusagen.

(Zuruf von der CDU: Und was würden Sie jetzt tun?)

Aber es kommt noch besser. Statt dass das Umweltministerium die geforderten Luftreinhaltepläne mit geeigneten Maßnahmen nachbessert, ist es damit beschäftigt, Klagen wegen Untätigkeit abzuwehren. Für Limburg läuft mittlerweile ein Zwangsvollstreckungsverfahren für saubere Luft gegen das Umweltministerium. Ich würde z. B. versuchen, darauf zu achten, dass Dinge, wenn sie überprüft werden, auch wirklich überprüft werden und nicht Pseudoprüfungen stattfinden, bei denen von allen weggeschaut wird und sich die Politik wegduckt und den Deckel mit draufhält,

(Lachen der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und dass an den Stellen, wo die Probleme entstehen, gleich dagegen angegangen wird und nicht erst gewartet wird, bis die Skandale durch Dritte aufgedeckt werden.

(Beifall bei der LINKEN – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sind alles transparente Dinge im Internet! Die sind doch drin!)

Ja, vielleicht im Nachhinein, aber nicht vorneweg. – Das heißt, Sie haben bei den Dieselfahrzeugen weggeschaut.

(Fortgesetzte Zurufe der Abg. Angela Dorn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie haben VW verklagt, aber nicht für die Gesundheit der Menschen. Jetzt sollen noch die betrogenen Dieselfahrzeugnutzer dafür herhalten, das Ganze wieder in Ordnung zu bringen. Sie lassen sie lieber verklagen, anstatt sinnvolle Maßnahmen für saubere Luft zu ergreifen.

Wir hatten das vorhin schon einmal: Was muss man an der Stelle denn tun? Man braucht eine gute Verkehrspolitik. Der Gesundheits- und Klimaschutz ist dabei zu berücksichtigen. Das heißt, man braucht eine andere Verkehrspolitik, die deutlich mehr Geld in die Förderung von Elektrofahrzeugen steckt, deutlich besser den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs fördert und darauf achtet, dass die Busse keine Dieselschleudern sind. Es wäre genau der richtige Weg, viel mehr zu tun und zu schauen, dass wir von dieser hohen Belastung herunterkommen.

Der öffentliche Nahverkehr muss qualitativ und quantitativ ausgebaut werden. Es muss so sein, dass er für Menschen bezahlbar ist – am besten zum Nulltarif. Das wäre die Variante, bei der viel mehr Menschen auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen würden. Denken Sie einmal darüber nach, wie sich Ihr eigenes Fahrverhalten gestaltet. Immer dort, wo es einen guten öffentlichen Personennahverkehr gibt, benutzen ihn auch Menschen; überall da, wo man dreimal so lange braucht wie mit dem Pkw oder wo es gar keinen öffentlichen Nahverkehr gibt, tun sie es nicht. Deshalb müssen wir einen Ausbau haben. Wir müssen ihn sowohl in der Anzahl in bereits dicht besiedelten Gebieten als auch in der Fläche haben, wo es fast gar nichts mehr gibt. Damit schaffen wir dann etwas zur Luftreinhaltung, was wirklich Sinn ergibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Kollegin Schott, kommen Sie bitte zum Schluss.

Der Hinweis an die GRÜNEN, falls Sie vergessen haben sollten, wie man das macht – weil eben noch nachgefragt worden ist –: Lesen Sie doch einmal in Ihrem eigenen alten Wahlprogramm nach. Da steht einiges drin.

(Beifall bei der LINKEN – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben wir alles umgesetzt!)

Vielen Dank. – Der nächste Redner ist Kollege Caspar, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die FDP hat heute eine Aktuelle Stunde aufgerufen. Dort heißt es im Titel unter anderem, die Regierung Bouffier würde Handwerker und Mittelstand im Stich lassen. Das wäre ein erneuter schwerer Eingriff in die Eigentumsrechte. Wenn das so ist, wäre das tatsächlich ein Unding. Dann würde ich die Meinung der FDP teilen. Aber den Beweis für diese Aussage haben Sie hier nicht erbracht.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Denn man muss eines feststellen: Diesen erneut schweren Eingriff in die Eigentumsrechte hat es doch gar nicht gegeben.

(Florian Rentsch (FDP): Weil Sie gescheitert sind! – Lachen des Abg. René Rock (FDP))

Herr Rentsch, wenn Sie sagen „gescheitert sind“, dann müssen Sie sich doch einmal vor Augen halten: Wie war denn die Beschlusslage im Bundesrat? Im Gegensatz zu dem, was Herr Gremmels hier erzählt hat, nämlich dass es zwei Beschlüsse im Bundesrat gegeben habe, hat es nicht zwei gegeben. Es hat nur einen einzigen gegeben.

(Timon Gremmels (SPD): Das ist ein Unterschied!)

Der Beschluss war am 23. September. Da ging es um das Thema emissionsfreie Fahrzeuge. Dieser Beschluss wurde tatsächlich im Bundesrat gefasst, aber nicht mit den Stimmen von Hessen. Das ist doch das Faktum. Deswegen kann man in der Aktuellen Stunde solche Aussagen machen. Das hat aber mit der Regierung von Hessen und dem Bundesratsverhalten überhaupt nichts zu tun. Insoweit ist mir der Zusammenhang so nicht erklärlich.

(Timon Gremmels (SPD): Ha, ha, ha!)

Worum geht es inhaltlich? – An die FDP gerichtet: Wenn Sie die Interessen von Mittelständlern vertreten und sagen, es gehe um Eingriff in Rechte, dann ist es sicherlich gut, dass Sie sich da engagieren. Aber es wäre natürlich genauso gut, zur Kenntnis zu nehmen, dass die gleichen Menschen auch großen Wert darauf legen, dass sie im späteren Leben nicht Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt sind. Deswegen muss man sehen, dass es nun einmal eine europäische Richtlinie gibt, die übrigens damals im großen Konsens über Parteigrenzen hinweg unterstützt und beschlossen wurde. Diese Europäische Luftqualitätsrichtlinie gibt strenge Grenzwerte für Feinstaub, Stickoxide, Schwefeldioxid, Kohlenstoffmonoxid, Benzol und Blei vor. Wir müssen sagen: Es gab nicht nur die Richtlinie, sondern sie war auch sehr erfolgreich. Wir konnten in vielen dieser Bereiche eine erhebliche Reduzierung der Belastung durch Schadstoffe erreichen. Unter anderem wurden gerade im Bereich der Feinstaubimmissionen die Grenzwerte im Jahresmittel 2014 in ganz Deutschland eingehalten. Das war vor einigen Jahren noch kaum denkbar. Insofern ist das eine sehr erfolgreiche Richtlinie, die auch umgesetzt worden ist.

Bei den Stickstoffoxiden, die hier zur Diskussion stehen, muss man auch sehen, dass diese seit 1990 um etwa 56 % reduziert werden konnten. Auch das ist ein Erfolg. Zudem hat die EU eingeführt – auch das ist ein großer Konsens gewesen –, dass Dieselfahrzeuge ab 2015 nur noch zugelassen werden bzw. neu auf den Markt kommen dürfen, wenn diese die Vorgaben der Euro-6-Norm erfüllen. Euro6-Norm bedeutet, dass Fahrzeuge pro gefahrenen Kilometer nicht mehr wie früher 180, sondern nur noch maximal 80 mg Stickstoffoxid ausstoßen dürfen. Man muss also erkennen, dass bei der Umsetzung schon sehr viel getan worden ist und auch erfolgreich getan worden ist, um das Ziel zu realisieren, die Schadstoffbelastungen zu reduzieren.

(Marius Weiß (SPD): Sind Sie jetzt für oder gegen die blaue Plakette?)

Das sind also alles Maßnahmen, die bereits laufen, die auch hervorragend vorangebracht werden.

Herr Kollege Caspar, gestatten Sie eine Zwischenfrage am Ende Ihrer Redezeit?

Da ich nur noch sieben Sekunden Redezeit habe, ist das nicht möglich.

Sie sehen, dass die Maßnahmen realisiert werden und greifen werden. Sie dienen dazu, die Schadstoffbelastungen zu reduzieren. Ob hierfür das Mittel einer blauen Plakette benötigt wird, hängt sicherlich davon ab, in welchem Umfang wir weitere Fortschritte in diesem Bereich erzielen. Insofern müssen wir in nächster Zeit entscheiden, ob das notwendig ist.

Kollege Caspar, ich habe die Störung ja zugegeben, aber Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

(Florian Rentsch (FDP): In der Zeit hätten Sie die Frage auch beantworten können!)

Bisher ist es so, dass wir auch ohne dieses Instrument gut vorankommen. Wir hoffen, dass wir bald die Grenzwerte in jeder Stadt in jeder Hinsicht erreichen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Staatsminister Al-Wazir.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, dass wir es hier mit einer sehr ernsthaften Debatte zu tun haben.

(Gerhard Merz (SPD): Na ja! Die Debatte war aber noch nicht so!)

Genau. Das wollte ich gerade sagen. Die Debatte war bisher aber nicht so ernsthaft, wie die Lage eigentlich ist. Ich will darauf hinweisen, dass wir zwei sehr ernsthafte Probleme haben.

Das erste sehr ernsthafte Problem, das wir haben, ist, dass Menschen zu Recht Sorgen haben, wenn sie in den Innenstädten wohnen, ob die Atemluft, die sie tagtäglich einatmen, ihre Gesundheit gefährdet. Das zweite Problem ist – das will ich an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich erwähnen –, dass zunehmend mehr Menschen – Sie wissen, wir haben in Deutschland einen sehr hohen Dieselanteil – Sorgen haben mit Blick auf die Frage, ob sie morgen noch mit ihrem Auto fahren können. In dieser Situation sind wir derzeit. Ich finde, dass man das Schritt für Schritt betrachten und auch Lösungen finden muss, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen halte ich fest – das hat in dieser Debatte bisher leider kaum jemand gesagt –, dass wir immer noch eine zu hohe Schadstoffbelastung in den hessischen Innenstädten haben. Wir brauchen weitere Schritte zur Verbesserung der Luftqualität. Kaum erwähnt wurde bisher zudem, dass das Land am Ende die staatliche Institution ist, die verklagt wird, wenn diese Grenzwerte nicht eingehalten werden. Gerichte haben dem Land Hessen bereits mehrfach aufgetragen, eine Lösung zu finden für das Problem der immer noch zu hohen Grenzwerte. Das müsste eigentlich unstreitig sein.

Unstreitig ist außerdem, dass insbesondere der Dieselverkehr für die hohe Stickstoffdioxidbelastung in den Innenstädten verantwortlich ist. Ich muss ausdrücklich sagen, dass das Land an dieser Stelle vor einem Dilemma steht.

Die EU setzt aus guten Gründen Grenzwerte fest, die nicht überschritten werden sollen, weil es ansonsten zu Gesundheitsgefährdungen kommen könnte. Der Bund setzt diese Grenzwerte dann in bundesdeutsches Recht um. Die Städte sollen Luftreinhaltepläne aufstellen. Das Land wird am Ende verklagt, wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Wir haben teilweise aber gar nicht die Instrumente, die wir bräuchten, um dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Grenzwerte eingehalten werden können.

Herr Kollege Gremmels, ich finde es schön, dass Sie gesagt haben, ich solle mal eben eine Umgehungsstraße für Limburg aus dem Ärmel schütteln.

(Timon Gremmels (SPD): Die höchsten Belastungen gibt es in Limburg!)

Ja, natürlich. Die Gerichtsverfahren laufen aber jetzt. Deshalb brauchen wir jetzt Antworten, wie wir die Grenzwerte in Limburg einhalten können. Wenn vielleicht in zehn oder 15 Jahren eine Umgehungsstraße gebaut würde, hilft uns das im jetzt laufenden Gerichtsverfahren aber überhaupt nicht.

(Timon Gremmels (SPD): Sie können doch beides tun, Herr Al-Wazir! Lassen Sie uns beides tun!)

Deswegen ist das, was da gesagt wurde, nicht wirklich sehr ernsthaft gewesen.