Protocol of the Session on October 11, 2016

Herr Wirtschaftsminister Al-Wazir.

Sehr geehrter Herr Abg. Weiß, Gewitter und zu starker Rückenwind haben in der Nacht vom 22. Juli den Flugbetrieb so beeinträchtigt, dass trotz erteilter Ausnahmegenehmigungen 41 Maschinen mit mehreren Tausend Passagieren am Frankfurter Flughafen nicht mehr starten konnten. Daraufhin haben mein Ministerium und der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport die Bildung einer Arbeitsgruppe vereinbart, um die Abläufe in der Gewitternacht zu untersuchen und zu beraten, wie sie weiter verbessert werden können.

Die Arbeitsgruppe ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es notwendig ist, in solchen Ausnahmesituationen bereits bei der Beantragung von Ausnahmegenehmigungen seitens der Luftverkehrsgesellschaften eine Priorisierung vorzunehmen. Dies soll dazu beitragen, dass möglichst viele Fluggäste durch Ausnahmegenehmigungen vor 24 Uhr abreisen können.

Vereinbart wurde ferner, dass alle Beteiligten in den nächsten Wochen die Kommunikationswege auf weiteres Optimierungspotenzial prüfen werden. Zusammenfassend hat die Arbeitsgruppe festgestellt, dass die operativen Abläufe im Zusammenhang mit der seit nunmehr nahezu fünf Jahren bestehenden Nachtflugregelung weitestgehend optimiert worden sind. Die genannten Verbesserungen können Ereignisse, wie sie am 22.07.2016 eingetreten sind, nicht

verhindern, aber deren negative Auswirkungen möglicherweise reduzieren.

Zusatzfrage, Herr Kollege Weiß.

Herr Minister, die Ausnahmegenehmigungen dürfen nur erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass die genehmigten Flüge auch vor 24 Uhr starten. Die Genehmigungsbehörde hat da eine Prüfungspflicht. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass gewährleistet ist, dass die genehmigten Flüge dann auch vor 24 Uhr starten?

Herr Wirtschaftsminister Al-Wazir.

Entschuldigung, ich korrigiere Ihre Fragestellung ungern; aber Ihre Fragestellung geht von falschen Voraussetzungen aus. Die Fluggesellschaften müssen es beantragen, wenn sie aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, eine Ausnahmegenehmigung brauchen. Die Luftaufsicht hat zu prüfen, ob man am Ende einer solchen Antragstellung diesem Antrag stattgibt – falls die Gründe nicht im Einflussbereich der Fluggesellschaft sind – oder nicht.

Bei der Frage, wie viele Ausnahmegenehmigungen beantragt werden, gab es offensichtlich – das darf ich in diesem Fall einmal sagen – beim größten Kunden, bei der Lufthansa, keine Priorisierung, mit dem Ergebnis, dass teilweise innerdeutsche Flüge gestartet sind, aber Langstreckenflüge nicht. Genau das soll jetzt verändert werden.

Zusatzfrage, Kollege Weiß.

Herr Minister, es gab im Zusammenhang mit diesem Ereignis nachher in der öffentlichen Diskussion den Vorschlag, dass man es so handhaben könnte, dass man sagt, alles, was ab 23:30 Uhr die Position verlassen hat, darf noch starten. Wie steht die Landesregierung zu diesem Vorschlag?

Herr Kollege Al-Wazir.

Die Priorisierung ist nicht unsere Aufgabe, sondern Aufgabe der Luftverkehrsgesellschaften. Weiter wäre es eine Veränderung des Planfeststellungsbeschlusses, und ich habe nicht vor, an dieser Stelle das Nachtflugverbot aufzuweichen. Ich weiß, dass diese Fragestunde bedeutet: Parla

ment befragt Regierung – nicht: Regierung befragt Parlament. Aber ich hatte die SPD bisher auch nicht so verstanden, als wollte sie das Nachtflugverbot aufweichen.

Zusatzfrage, Herr Abg. Kummer.

Herr Minister, finden Sie es richtig, dass in diesen Witterungssituationen dem Bedürfnis der Passagiere, nachts noch starten zu dürfen, Priorität vor dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung in unserer Region eingeräumt wird? Wenn man die Zahlen miteinander vergleicht, erkennt man, das betrifft ein Vielfaches der Menschen, die in ihrem Schlaf gestört werden, um es einer viel geringeren Zahl von Passagieren zu ermöglichen, nachts noch zu starten.

Herr Staatsminister Al-Wazir.

Jetzt kommt die alte Haltung der SPD wieder heraus, im Gegensatz zur Frage vorher. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen – um das vielleicht einmal einzuordnen –: Wir hatten am 22.07. eine Situation, in der wahnsinnig viel zusammenkam;

(Norbert Schmitt (SPD): Jetzt kommt die neue Position der GRÜNEN heraus!)

es gab Gewitter, es gab eine Einstellung der Abfertigung wegen Blitzeinschlägen auf dem Vorfeld – zweimal: zwischen 20:30 Uhr und 21:32 Uhr sowie zwischen 22:27 Uhr und 22:48 Uhr –, es gab verschiedene Anflugsteuerungen wegen dieser Gewitter von 16:30 Uhr bis 22 Uhr, es gab eine völlige Einstellung der Anflüge zwischen 19:45 Uhr und 20:15 Uhr, es gab gleichzeitig die Situation, dass der Nordwind so stark war – das kommt in dieser Kombination selten vor –, dass die Startbahn West von 18:22 Uhr bis 23:02 Uhr überhaupt nicht genutzt werden konnte und dann auch wegen südlich stehender Gewitter teils nicht mehr genutzt werden konnte, als der Nordwind nicht mehr so stark war – jedenfalls bis 23:40 Uhr. Am Ende gab es, weil alles zusammenkam, eine Art Verstopfung auf den Zurollwegen zu den Startbahnen, wo Luftfahrzeuge ohne Startfreigabe standen, die andere Flugzeuge blockiert hatten, die eine Ausnahmegenehmigung hatten.

Das hatte viel damit zu tun, dass die Luftverkehrsgesellschaften quasi für alle Flüge Ausnahmegenehmigungen beantragt hatten, und im Ergebnis kam es zu dieser Situation. In der Arbeitsgruppe wurde unter anderem auch über die Frage geredet, wie in Zukunft dafür gesorgt werden kann, dass man weniger Zeit für die Kommunikation untereinander braucht und dass die Luftverkehrsgesellschaften im Interesse der Passagiere die Flugzeuge, in denen die meisten Leute sitzen und die am weitesten fliegen wollen, vielleicht vor anderen priorisieren. Ich will es einmal so sagen: Ich kann es nicht beschwören, aber ich würde einmal behaupten, in den letzten fünf Jahren – seitdem es die Nachtflugregelungen gibt – gab es eine Situation in der Kombination noch nicht. Ich gehe einmal davon aus, dass man von einer

solchen Ausnahmesituation in fünf Jahren keine generelle Veränderung der Nachtflugregelungen ableiten sollte.

Frage 614, Herr Abg. Bauer.

Ich frage die Landesregierung:

Unterstützt sie zur Öffentlichkeitsbeteiligung und zur Projektbegleitung der Bahnneubaustrecke Rhein-Main – Rhein-Neckar die frühzeitige Einbindung der betroffenen Gemeinden und engagierten Bürgerinitiativen?

Herr Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung.

Sehr geehrter Herr Abg. Bauer, die Landesregierung begrüßt und unterstützt nachdrücklich eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit zur Begleitung von Bahnprojekten wie der Neubaustrecke Rhein-Main – Rhein-Neckar. Derzeit wird bereits der Planungsprozess der Aus- und Neubaustrecke Hanau – Würzburg – Fulda auch auf Initiative der Landesregierung durch eine Beteiligung der Öffentlichkeit begleitet.

Im Mai 2014 wurde mit der konkreten Umsetzung des Modellprojekts eine Öffentlichkeitsbeteiligung begonnen. Dessen Besonderheit besteht, ähnlich wie bei Rhein-Main – Rhein-Neckar, darin, dass die Öffentlichkeit unmittelbar, also vom ersten Tag der Planung an, einbezogen wurde. Mit dieser Vorgehensweise wird die Öffentlichkeit über die Ziele und Auswirkungen von Vorhaben von Anfang an informiert und der Planungsprozess transparent und nachvollziehbar gestaltet.

Wir haben uns als Landesregierung im Spitzengespräch mit der Deutschen Bahn gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten im Januar darauf geeinigt, auch die Gemeinden und Bürgerinitiativen bei der Neubaustrecke Rhein-Main – Rhein-Neckar in einer ähnlichen Weise frühzeitig einzubinden, um sicherzustellen, dass sie nicht mit einer verfestigten Planung konfrontiert werden, sondern sich bereits an den ersten Planungsüberlegungen beteiligen können.

So wollen wir verhindern, dass an den betroffenen Menschen und ihrer Sachkunde vorbei geplant wird. Wir wollen also die Menschen mitnehmen und so die Akzeptanz für Projekte verbessern. Am 30. September ist in Darmstadt der Startschuss für genau dieses Beteiligungsforum gefallen. Es wird dort von der Bahn organisiert, unter Moderation eines Dritten, nämlich dem IFOK, dem Institut für Organisationskommunikation. Ich bin zuversichtlich, dass das in eine gute Richtung geht.

Zusatzfrage, Herr Abg. Schmitt.

Herr Minister, Sie haben gerade das Stichwort Moderatoren angesprochen. Wird die Landesregierung sicherstellen, dass die Federführung des Beteiligungsforums durch einen echten, neutralen Moderator erfolgt und nicht durch jemanden, der von der Deutschen Bahn beauftragt wird?

Herr Staatsminister Al-Wazir.

Die Deutsche Bahn wird an dieser Stelle in Hessen etwas machen, und zwar als Pilotprojekt im Bereich Frankfurt – Fulda und im Bereich Rhein-Main – Rhein-Neckar, was es vorher noch nie so gab, nämlich die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger von Anfang an – nicht erst dann, wenn sozusagen der konkrete Plan fertig ist und dann vom Vorhabenträger verteidigt wird, sondern von Anfang an.

Herr Abg. Schmitt, ich kann hinzufügen: Das Wort „Beteiligungsforum“ geht mit auf meinen Wunsch zurück. Bei Hanau – Fulda hieß es noch Dialogforum, und es gab jetzt den Wunsch nach einem Projektbeirat. Ich habe ausdrücklich gesagt, es soll schon im Namen klar sein, dass es nicht nur um ein nettes Miteinander-Reden geht, sondern wirklich um Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, Beteiligung der Kommunen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das auch gelingt.

Wenn jetzt die Kritik an der Bahn ist, dass die Bahn das Verfahren bezahlt, muss ich Ihnen einmal nicht als Mitglied der Landesregierung, sondern als Mitglied der GRÜNEN sagen: Ich habe als ordentlicher GRÜNER gelernt, dass das Verursacherprinzip im Umweltrecht gilt. Deswegen finde ich es völlig richtig, dass die Bahn das Ganze bezahlt und jemanden beauftragt. Wer denn sonst?

Zusatzfrage, Herr Abg. Bauer.

Herr Minister, bei der von Ihnen erwähnten Informationsveranstaltung am 30.09. in Darmstadt wurde von Vertretern aus Südhessen massivst die Forderung nach einem Projektbeirat erhoben. Ist das mit Ihren Äußerungen zu einer bestmöglichen Beteiligungs- und Mitbestimmungsmöglichkeit kompatibel?

Herr Staatsminister Al-Wazir.

Sie müssen sehen, dass der Wunsch nach einem Projektbeirat, der diesen Namen trägt, von dem Projekt Rheintalbahn rund um Karlsruhe kommt. Dazu muss man wissen, dass die Rheintalbahn in Karlsruhe so geplant wurde, wie man halt früher geplant hat: erst eine Planung fertig ma

chen und dann die Öffentlichkeit beteiligen. Im Ergebnis ist dieses Projekt nach zehn Jahren gescheitert. Als es gescheitert war, als es schon richtig vor die Wand gefahren war, hat man einen Projektbeirat eingesetzt.

Wir sind hier glücklicherweise in einem viel früheren Stand des Verfahrens. Deswegen ist völlig klar, dass an dem Beteiligungsforum, wie es jetzt heißt, Vertreter aus Bürgerinitiativen, Wirtschaft, Politik, Naturschutzverbänden, Fahrgastverbänden insgesamt und in den jeweiligen Arbeitsgruppen teilnehmen. Denn ich gehe davon aus, die Bürgerinitiative aus Lorsch-Einhausen wird sich weniger mit der Weiterstädter Frage beschäftigen. Die Weiterstädter werden sich weniger mit dem Zulauf auf den Knoten Mannheim beschäftigen. Deswegen ist es richtig, das in unterschiedlichen Arbeitsgruppen zu machen.

Wir werden alle beteiligen, bzw. die Bahn wird alle beteiligen. Aber wir werden dabei sein und darauf achten, dass es kein Kaffeekränzchen wird, sondern wirklich ein Beteiligungsforum. Am Ende muss allerdings der Vorhabenträger entscheiden – und letztlich sogar die Volksvertretung, der Deutsche Bundestag, bei der Frage, für welche Projekte das Geld bereitgestellt wird. Das ist klar.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Zusatzfrage, Herr Abg. Kummer.

Herr Minister, werden Sie sich dafür einsetzen, dass bei der beabsichtigten Bürgerbeteiligung die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger an den Bestandsstrecken, beispielsweise an der Riedbahn, ebenfalls in diesen Prozess einbezogen werden? Denn es ist abzusehen, dass sich an den Bestandsstrecken durch die Neubaustrecke ebenfalls erhebliche Veränderungen in der Verkehrsabwicklung ergeben werden.

Herr Verkehrsminister Al-Wazir.

Ich habe dort nicht nur den Bürgermeister von Lorsch, sondern beispielsweise auch den Bürgermeister von Lampertheim gesehen. Wenn ich ins Audimax der TU Darmstadt am 30. September geschaut habe, habe ich viele gesehen, die insgesamt betroffen sind. Natürlich werden die alle miteinander beteiligt, so sie betroffen sind.

Ich will das an dieser Stelle sagen: Für die Anwohnerinnen und Anwohner an den Bestandsstrecken – der Riedbahn und der Main-Neckar-Bahn – ergeben sich durch die Neubaupläne große Chancen, dass der Güterverkehr nachts auf der Neubaustrecke fährt,

(Norbert Schmitt (SPD): Der Plan sieht mehr Güterverkehr auf der Riedbahn vor!)