Protocol of the Session on September 14, 2016

Ich will allerdings auch etwas zur Überraschtheit der Unionsreihen sagen. Der Kollege Warnecke hat im Dezember letzten Jahres in der Debatte hier gesagt: Wenn Sie das so machen, wird es am Ende zu Produktionsstilllegungen kommen.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau!)

Der Kollege Landau hat im April dieses Jahres von diesem Podium aus gesagt, man sei überrascht davon, dass es Produktionsstilllegungen gibt, und das sei alles ganz schwierig. – Ich sage Ihnen: Auch das gehört zur Redlichkeit dazu. Wenn man Entscheidungen trifft, die manchmal schwierig sind, dann muss man auch dazu stehen und darf nicht anschließend so tun, als sei das irgendwie ganz überraschend gewesen. Das, was da passiert, ist alles, aber nicht überraschend. Das sage ich wirklich mit Nachdruck.

(Beifall bei der SPD)

Letzter Satz, Herr Präsident. – Da bin ich in der Tat wieder sehr bei Ihnen. Aber ich glaube, dass wir sehr Unterschiedliches darunter verstehen. Solche Debattenbeiträge sind für die Bewältigung der Zukunftsängste der Beschäftigten, der Mitarbeiter des Unternehmens und der Menschen in der gesamten Region in der Tat nicht hilfreich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Schäfer-Gümbel. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, sich hierhin zu stellen und einen großen Teil der Verantwortung auf die Nachbarländer abzuwälzen, heißt, es sich an der Stelle ziemlich einfach zu machen. Hier entsteht nämlich das Problem, und hier wäre das Problem lösbar, wenn Sie es denn lösen wollten. Aber dem verweigern Sie sich. Dass Sie sich hierhin stellen und sagen: „Das, was die Fraktion DIE LINKE sagt, nehme ich sowieso nicht ernst, weil es einfach schrecklich ist“, und fünf Sätze beklagen, dass Ihnen hier niemand ein alternatives Entsorgungskonzept vorlegt, ist ebenfalls eine Methode, sich Lösungen vom Hals zu schaffen.

Sie werfen den anderen vor, dass sie mit gespaltener Zunge sprechen. Ja, das stimmt. Aber ich erwarte, dass man die Probleme der Menschen im nördlichsten Zipfel Hessens genauso ernst nimmt wie die der Kalikumpel; denn dort gibt es nicht einmal mehr ein großes Werk, das man schließen könnte. Dort gibt es schon jetzt nicht mehr viel. Die Menschen haben in den letzten zehn Jahren sehr mühsam Arbeitsplätze im sanften Tourismus geschaffen, und um die fürchten sie jetzt. Sie fürchten sicherlich ein Stück weit zu Recht darum, und auch das muss man ernst nehmen. Zudem gibt es keine Notwendigkeit, diese Ängste zu schüren; denn man könnte die Entsorgung auch auf andere Weise regeln.

Sich dann hierhin zu stellen und im landesväterlichen Ton darüber zu sprechen, ob die Kalikumpel nach dieser Debatte genauer wüssten, woran sie sind, halte ich für einen absolut unangemessenen Umgang mit dem Thema; denn die Kalikumpel wissen deshalb nicht, woran sie sind, weil Ihre Landesregierung vor fünf Jahren versäumt hat, die richtigen Wege zu gehen. Wir waren uns in diesem Haus alle einig – davon können Sie und Ihre Ministerin sich jetzt nicht freisprechen –, dass die Versenkung ein Ende haben muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann hätte man mit dem notwendigen politischen Nachdruck dafür sorgen müssen, dass das Unternehmen genau in diese Richtung geht, statt immer wieder mit Zusagen, Versprechungen und Sondergenehmigungen Türen aufzumachen, wodurch die Illusion erzeugt wird, dass es immer so weitergeht. Wenn sich die Vertreter von Kali + Salz hierhin stellen und sagen, Arbeitsplätze seien in Gefahr, wird jede Genehmigung erteilt: Dieses Bild haben Sie jahrzehntelang erzeugt, und dieses Bild ist dafür verantwortlich, dass wir jetzt in dieser Sackgasse stecken. Da hilft auch kein altväterlicher Ton, um dieses Bild zu beseitigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Ende der Debatte.

Es wird vorgeschlagen, alle vorliegenden Anträge an die Ausschüsse zu überweisen. Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann werden alle Anträge an die Ausschüsse überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2017 (Haus- haltsgesetz 2017) – Drucks. 19/3674 –

in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 40:

Antrag der Landesregierung betreffend Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2016 bis 2020 – Drucks. 19/3762 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 30 Minuten je Fraktion. Der Gesetzentwurf wird vom Finanzminister eingebracht. Herr Finanzminister Dr. Schäfer, Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir befinden uns in turbulenten Zeiten. Kaum waren die schwerwiegendsten Auswirkungen der Finanzkrise überwunden, hat uns im Jahr 2015 die große Herausforderung der Unterbringung, Versorgung und Integration, aber auch der Rückführung von vielen zu uns kommenden Flüchtlingen getroffen. Diese Aufgabe wird noch viele Jahre unseren engagierten Einsatz erfordern.

Aber diese großen Herausforderungen und Unwägbarkeiten machen eines deutlich: Die schwarz-grüne Landesregierung sucht auch in dieser schwierigen Phase nach Lösungen, trifft Entscheidungen und wird ihrer Regierungs

verantwortung in verlässlich, solider und innovativer Weise gerecht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Land hält Kurs in Richtung Schuldenabbau. Das zeigen der Haushaltsplanentwurf für das kommende Jahr und die darauf fußende mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahr 2020. Die Nettokreditaufnahme sinkt im Haushaltsplanentwurf 2017 auf 350 Millionen €. Sie liegt damit um fast 300 Millionen € unter dem Wert für das laufende Jahr. Wir bleiben damit punktgenau auf dem Kurs, den wir uns für unseren Abbaupfad selbst vorgegeben haben. In turbulenten Zeiten steht der Haushaltsplanentwurf 2017 damit zuallererst für Verlässlichkeit.

In den kommenden Jahren bleiben wir bei unserem ehrgeizigen Abbaupfad. Dieser sieht vor, dass wir bereits im Jahr 2019 ohne neue Schulden auskommen – also ein Jahr früher, als es uns die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Schuldenbremse vorgegeben haben.

Ich bin guter Dinge, dass wir das hinbekommen. Wir machen also nach 50 Jahren Schluss mit einer Politik, die kommenden Generationen immer neue Schulden aufbürdet. Wir wollen ab dem Jahr 2019 nicht nur auf das Aufnehmen neuer Schulden verzichten, sondern wir werden die günstigen Rahmenbedingungen auch dazu nutzen, in eine Nettotilgung der Altschulden einzutreten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums 2020 soll die Schuldenlast des Landes damit um insgesamt 200 Millionen € reduziert werden. Angesichts einer Gesamtverschuldung am Kapitalmarkt in Höhe von rund 44 Milliarden € ist das sicherlich erst ein erster kleiner Schritt. Aber er ist ein Anfang, und er ist etwas, was die Finanzpolitik in Hessen ein halbes Jahrhundert lang nicht geschafft hat.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

Solide Finanzen sind die beste Grundlage dafür, für die künftigen Generationen Handlungsspielräume zu bewahren. Wir wollen unseren Kindern keinen Schuldenberg mit dem Risiko erdrückender Zinslasten hinterlassen. Dabei bleiben wir in stürmischen Zeiten auf Kurs. Wir machen dies, weil wir unseren Kindern und Enkeln eine gute Zukunft in einem starken Hessen ermöglichen wollen. Meine Damen und Herren, dafür steht diese Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach wie vor ist die Bewältigung der Flüchtlingsfrage das beherrschende Thema in der politischen Diskussion. Ich bedauere, dass dabei allzu oft aus dem Blick gerät, was in den vergangenen Monaten alles geleistet und erreicht worden ist. Viele Menschen sind vor Krieg und Terror nach Deutschland – auch nach Hessen – geflohen. Sie haben alles verloren und durften bei uns Schutz und Hilfe erfahren. Das ist unsere humanitäre Verpflichtung und – ich sage das ganz bewusst – auch ein Gebot christlicher Nächstenliebe.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viele Menschen in den Verwaltungen, vor allem aber auch viele Ehrenamtliche haben in den vergangenen Monaten

durch ein beispielloses Engagement Hervorragendes geleistet. Für diese Hilfsbereitschaft gebührt ihnen unser aller Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber auch die Hessische Landesregierung tut zusammen mit unseren kommunalen Partnern alles dafür, die vielen Flüchtlinge zu versorgen, unterzubringen und möglichst rasch zu integrieren. Dieses Engagement schlägt sich auch in den nüchternen Zahlen des Haushaltsplanentwurfs nieder. Für das kommende Jahr belaufen sich die Kosten für Versorgung und Integration der zu uns gekommenen Flüchtlinge auf insgesamt 1,6 Milliarden € – eine riesige Summe. Vor allem die Ausgaben für Sprachkurse, Schulbildung, Vorbereitung auf das Berufsleben und Wertevermittlung sind für eine schnelle Integration unverzichtbar. Genau dies, nämlich eine schnelle und erfolgreiche Integration der zu uns kommenden Menschen, ist der Schlüssel, um den hier lebenden Menschen einen Teil ihrer Sorgen zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Klar muss aber auch sein: Integration ist keine Einbahnstraße. Es ist bei den Flüchtlingen auch der Wille zur Integration gefordert. Wer in Deutschland leben will, muss sich an unsere Regeln halten. Ein antiquiertes Frauenbild, Unterdrückung, Intoleranz oder gar Gewalt haben in unserem Land keinen Platz.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass wir nicht jedem helfen können, der hierher kommt. Wer nicht vor politischer Verfolgung, Krieg oder Terror flüchtet und keine Aussicht auf ein Bleiberecht hat, muss schnellstmöglich und konsequent in seine Heimat zurückgeführt werden. Nur so haben wir die Kapazitäten, den wirklich Bedürftigen zu helfen. Alles andere würde unser Gemeinwesen überfordern.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das glaubt Ihnen keiner!)

Diese große Herausforderung können wir als Land nur im Schulterschluss mit dem Bund und den Kommunen stemmen. Die Beteiligung des Bundes mit rund 25 % an den flüchtlingsbezogenen Ausgaben des Landes ist ein wichtiger Beitrag. Dies zeigt aber auch deutlich, dass das Land den Großteil seiner Kosten, rund 1,2 Milliarden €, selbst tragen muss. Der aktuell zu beobachtende spürbare Rückgang der Flüchtlingszahlen schafft etwas Luft bei allen, die auf diesem Gebiet engagiert sind. Zu einer kurzfristigen, durchgreifenden Entlastung des Landeshaushalts führt er allerdings nicht.

Zunächst dominieren noch die Belastungen, die insbesondere aus dem Aufbau und dem Unterhalt der flüchtlingsbezogenen Infrastruktur resultieren. Erst mittelfristig kann mit einem merklichen Absinken dieser Ausgaben gerechnet werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die verantwortungsbewusste Anpassung der Unterbringungskapazitäten für Flüchtlinge im Rahmen der sogenannten Standortkonzepte. Aber selbst im Jahr 2020 werden die Flüchtlingsausgaben noch bei fast 1 Milliarde € liegen. Im Vergleich dazu: Die Ausgaben im Jahr 2014, vor zwei Jahren, betrugen nur ein Sechstel davon. Die im Haushaltsentwurf

enthaltenen Kosten für Flüchtlinge basieren auf den sogenannten „technischen Annahmen“ der Bundesregierung im Rahmen ihrer eigenen Frühjahrsprojektion. Ob das alles so kommt, kann niemand mit Gewissheit sagen. Ich kann daher auch nicht ausschließen, dass sich im Laufe der Haushaltsberatungen noch ein Anpassungsbedarf, wohlgemerkt: in beide Richtungen, ergeben kann. Da setze ich wiederum auf Ihre pragmatische Mitwirkungsbereitschaft, so wie wir das im letzten Jahr schon einmal parlamentarisch gelebt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Finanzpolitik dieser Landesregierung lässt sich jedoch nicht nur auf Konsolidierung und Krisenbewältigung reduzieren. Vielmehr achten wir darauf, durch eine Vielzahl neuer Impulse unsere Heimat noch sicherer, noch schlauer, noch gerechter und noch lebenswerter zu machen. Das zeigt auch der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr, mit dem wir wieder einen klaren Schwerpunkt beim Thema Sicherheit setzen. Die Ausweitung von Polizei und Verfassungsschutz wird auch 2017 konsequent vorangetrieben. Wir schaffen 500 neue Stellen bei der Polizei und dem Verfassungsschutz. 100 neue Stellen entstehen in der Justiz, und zudem stellen wir 35 weitere Steuerfahnder ein. All das sorgt dafür, dass unser Land noch sicherer wird. Daneben werden z. B. die Finanzmittel zur Optimierung der Schutzausstattung und Bewaffnung unserer Polizeibeamten auf hohem Niveau fortgeführt. Zudem legen wir ein besonderes Augenmerk auf die Extremismusbekämpfung, denn wir wollen, dass Hessen ein weltoffenes und tolerantes Land bleibt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Dauerschwerpunkt im Haushalt der schwarzgrünen Landesregierung sind Bildung und Wissenschaft. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir wollen, dass Hessen noch schlauer wird. So sind im Haushaltsplan 2017 weitere 1.100 neue Lehrerstellen vorgesehen. Durch die zusätzlichen Lehrer reagieren wir auf die steigenden Schülerzahlen und wollen dabei den Flüchtlingskindern die Chance geben, alles Wichtige für ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu erlernen, ohne dass schon länger hier Lebende das Gefühl bekommen, die Ausbildung ihrer Kinder leide unter den Neuankömmlingen. Das ist ein zentraler Baustein für eine schnelle und erfolgreiche Integration.

Für den weiteren Ausbau der Ganztagsangebote haben wir im Haushaltsentwurf 6 Millionen € zusätzlich veranschlagt. Auch hier sind wir auf einem guten und erfolgreichen Weg.

Zur Finanzierung, Weiterentwicklung und Stärkung der hessischen Hochschullandschaft stehen 2,1 Milliarden € bereit. Im Ländervergleich ist das – das hat zuletzt die PwC-Studie gezeigt – ein äußerst beachtlicher Wert. Daneben wollen wir durch die Schaffung von 100 neuen Stellen für Professorinnen und Professoren die Studienbedingungen weiter verbessern. Schließlich werden wir die freiwilligen Leistungen für die Studentenwerke zur Förderung der sozialen Belange der Studierenden um nochmals 1 Million € auf über 12 Millionen € aufstocken.