Vielen Dank, Frau Dr. Sommer. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Kollege Rock. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen uns hier sozusagen mit einem Heimgesetz auseinandersetzen, das noch gar nicht so alt ist und aufgrund der Tatsache, dass die Zuständigkeit auf die Länder übergegangen ist, erstmalig von uns auf den Weg gebracht worden ist. Es gab eine intensive Debatte über dieses Gesetz.
An die Kollegin von der SPD gewandt, möchte ich gleich sagen: Ja, man kann mit Gesetzen neue Regelungsbereiche schaffen. Aber muss man das machen? – Das ist eine Frage, die man sich stellen sollte. Einer der Punkte, über den über alle Fraktionen hinweg diskutiert wurde, war nämlich das Thema Bürokratie. Es ging um die Frage, ob die Arbeitszeit der Pflegerinnen und Pfleger sowie der Helferinnen und Helfer mit Dokumentationen und Ähnlichem gut ausgefüllt ist oder ob sie besser genutzt wird, wenn sie sich um die Menschen kümmern. Wir hatten das hehre Ziel, ein vorbildliches Gesetz zu machen, sind aber schnell an unsere Grenzen gestoßen.
Warum sind wir an unsere Grenzen gestoßen? Wir sind an unsere Grenzen gestoßen, weil weniger Dokumentation natürlich auch mehr Eigenverantwortung heißt. Das wollen viele Träger gar nicht. Viele Träger wollen das lieber vom Gesetzgeber vorgeschrieben haben, in der Art: „Wenn jemand stürzt, du dort aber einen Griff hattest, bist du frei von Schuld“ – egal ob der Griff sinnvoll war. Von daher war es relativ schwierig, in der Debatte mit den Vertretern der Träger überhaupt solche Vereinfachungen der Regeln hinzubekommen.
Jetzt wissen wir bei der Novellierung von Gesetzen: Es gibt neue Anregungen, es gibt neue Ideen, und es gibt wichtige Hinweise darauf, wo man Regelungen treffen könnte. Darum wird meine Fraktion bei den weiteren Regelungen, die hier getroffen worden sind, genau darauf schauen, was ihre Folgen sind. Hat eine Regelung z. B. zur Folge, dass wir sinnvoll oder eher weniger sinnvoll Bürokratie aufbauen? Das ist immer eine schwierige Abwägungsfrage.
Da bin ich auch auf die Anhörung gespannt. Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, dass wir uns in einem Spannungsfeld zwischen denen befinden, die die Leistung erbringen – die Träger –, und denen, die die Leistungen nachfragen. Zu dem Spannungsfeld gehört auch der Kostenträger, der mit seinen Bedenken und Anregungen ebenfalls berücksichtigt sein möchte.
Von daher bin ich sehr traurig – und muss dies in Form einer deutlichen Kritik an den Herrn Minister weitergeben –, dass wir bei der Rechtsverordnung immer noch nicht weiter sind.
Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, dass das ein Spannungsfeld ist, bei dem es unmöglich ist, es allen recht zu machen. Dennoch: Es ist an der Zeit, dieses Thema anzugehen. Es auszusitzen ist sicherlich nicht immer die klügste oder sinnvollste Methode. Da bin ich einmal gespannt. Es ist auch nicht ein Kennzeichen des Ministers Grüttner, dass er Probleme immer aussitzt, sondern da erwarten wir irgendwann einmal Lösungsvorschläge, über die wir in unserer Rolle als Opposition kritisch diskutieren können.
Wir haben uns damals über freiheitsentziehende Maßnahmen sehr intensiv Gedanken gemacht. Darüber haben wir im Zusammenhang mit der Verabschiedung des ursprünglichen Gesetzes schon intensiv nachgedacht. Um sicherzustellen, dass die erweiterten Regelungen wirklich die Ultima Ratio sind, werden wir das positiv begleiten.
Wir werden erst einmal die Anhörung abwarten. Wir werden uns auch interessiert anschauen, wie die Änderungen am Einrichtungsbeirat angenommen und in der Anhörung bewertet werden. Ich habe in den Regelungen eine Menge Umgehungstatbestände gefunden: wie man doch wieder darum herumkommt. Das wollen wir uns einmal genauer anschauen.
Ansonsten ist es nur die Fortschreibung eines an sich relativ guten Gesetzes. Aus meiner Sicht gibt es keine signifikanten Änderungen, sondern Ergänzungen. Wir werden noch einmal genau schauen, wie sich das auf die Ausweitung der Bürokratie auswirkt. Daher warten wir die Anhörung ab und sind gespannt. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Schott von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jetzt behandeln wir den nächsten Gesetzentwurf, der hier mit Hochdruck durchgeschleust wird, und ich frage mich, wie wir die ganzen Anhörungen bis zum Ende des Jahres schaffen sollen. Aber das werden wir heute Abend ja noch beraten.
Ich habe gehört, dass es zu dem Gesetzentwurf eine Evaluation gab. Ich frage mich: Warum bekommt man dazu nicht rechtzeitig die Unterlagen? Warum kann man nicht im Vorfeld schon einmal darüber diskutieren, wie eine solche Verlängerung aussehen müsste? – Der Ausschuss wäre der richtige Ort, um festzustellen, was an einem Gesetz geändert werden sollte. Oder geht es nur darum, das Verfallsdatum um ein paar Jahre zu verschieben? Aber bei so viel Regierungsschlauheit sind die Positionen von Verbänden und anderen Organisationen vermutlich wieder überflüssig.
Das Hessische Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen hat zum Ziel, ältere und betreuungsbedürftige sowie andere pflegebedürftige Menschen in ihrer Würde zu schützen und zu achten. Das ist ein hehres Ziel, das wir mit vollem Bewusstsein und Einsatz unterstützen.
Es ist ein Ziel, das heute nicht in allen Pflegeeinrichtungen gewährleistet ist. Da wir die Pflegebedürftigen meist nicht fragen können, die Angehörigen aber nur teilweise informiert sind, sind die Pflegekräfte eine wesentliche Quelle, um zu erfahren, wie es um die Qualität in der Pflege steht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat einen Index entwickelt, um gute Arbeit von schlechter Arbeit unterscheiden zu können. Während gute Arbeit in nur 3 % der Arbeitsverhältnisse in der Pflege vorkommt, findet schlechte Arbeit in 40 % der Fälle statt. Insgesamt liegt der Index bei 52 Punkten. Es liegt nicht am Sinn der Arbeit. Dieser wird von den Pflegekräften sehr hoch bewertet. Es liegt an der Arbeitsintensität und am Einkommen, an den körperlichen und emotionalen Anforderungen sowie an den fehlenden betrieblichen Sozialleistungen. Dies führt zu den besagten Ergebnissen.
87 % der Pflegekräfte müssen seit Jahren immer mehr Arbeit in der gleichen Zeit leisten. 84 % geben an, dass sie sich bei der Arbeit sehr häufig oder oft gehetzt fühlten. Man könnte natürlich ganz zynisch sagen: Was interessiert uns die Arbeitssituation? Der Output ist wichtig. Wenn gute Pflege herauskommt, könnte es ja Leute geben, die damit zufrieden sind. – Das ist aber leider nicht der Fall. Fast die Hälfte der Pflegekräfte gibt an, oft bis sehr häufig Abstriche bei der Qualität der Pflege machen zu müssen, um das Arbeitspensum zu bewältigen. Fast alle Pflegkräfte leiden hierunter stark oder sehr stark.
Interessant ist auch das Ergebnis im Hinblick auf den Verbleib im Beruf, was bei akutem Pflegekräftemangel ein wichtiges Kriterium ist. Nur 20 % sind der Meinung, dass sie die derzeitigen Anforderungen bis zur Rente ausfüllen können. Das muss sich ändern, wenn wir Pflegekräfte halten wollen.
Stattdessen sagen nur 74 %, dass sie dies eben nicht können werden. Die Pflegekräfte wurden auch gefragt, was helfen könnte, den Arbeitsstress zu reduzieren. – Das sind mehr Personal, mehr Zeit für die Arbeit und mehr Einfluss auf die Arbeitsmengen und -organisation.
Bei alldem hilft uns dieses Gesetz aber überhaupt nicht. Eher im Gegenteil: Hessen steht ziemlich am Ende der Kette. Der Richtwert liegt bei nur 30,4 Pflegekräften für 80 Bewohnerinnen und Bewohner. Er liegt damit unter dem Bundesdurchschnitt, wobei man nie weiß, inwiefern zumindest dieses Zahlenverhältnis überall verwirklicht ist.
Dieses Gesetz gilt seit 2012. Bisher hat die Landesregierung aber noch keine der darin vorgesehenen Rechtsverordnungen erlassen, was zu Unsicherheiten bei Heimträgern und anderen Beteiligten führte. Ein zentrales Thema ist die Frage: Welche Einrichtungen, welche Angebote unterliegen dem Hessischen Gesetz für Betreuungs- und Pflegeleistungen? – Die Landesregierung will mit dieser Gesetzesänderung alle Einrichtungen der Altenpflege und Behindertenhilfe diesem Gesetz unterwerfen. Dass Bewohnerinnen und Bewohner vor Gewalt geschützt werden sollen, ist ein gutes Ziel, wobei ein Gesetz davor auch nur teilweise schützt.
Vielmehr müssten die konkreten Bedingungen in den Einrichtungen so gestaltet werden, dass Gewalt möglichst nicht vorkommt. Daher ist in erster Linie ein ausreichender Einsatz von gut qualifiziertem Personal erforderlich. Wenn dies anders wäre, hätten wir sicherlich weniger Gewalt – egal, ob es um strukturelle, körperliche oder psychische
Gewalt geht und von wem sie ausgeht. Die Förderung von Wohngemeinschaften in der Alten- sowie Behindertenhilfe sollte das Ziel der Landesregierung sein, nach dem Grundsatz: „ambulant vor stationär“. Hier legt die aktuelle Gesetzeslage erhebliche Steine in den Weg, beispielsweise bei der Gründung von Pflegewohngemeinschaften. Andere Bundesländer sind da viel weiter.
Selbstverständlich sollen auch diese der Kontrolle unterliegen. Sie müssen aber nicht alle Vorschriften einer vollstationären Einrichtung erfüllen. Deshalb sind es ja Wohngemeinschaften. Bereits 2011 wurde darum gebeten, dass das betreute Wohnen von suchtkranken Menschen aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausgenommen werden soll. Ich bin einmal auf die Begründung gespannt, warum dies nicht erfolgen soll, sowie auf die Anhörung der Expertinnen und Experten.
Wir begrüßen den neuen § 8 als einen ersten Schritt, mit dem gerichtlich genehmigte freiheitsentziehende Maßnahmen auf das notwendige Maß beschränkt werden sollen. Allerdings sollten auch die nicht gerichtlich genehmigten Maßnahmen – und das sind mehr – beschränkt werden. Wir sehen die Landesregierung in der Pflicht, hierzu Alternativen anzubieten und sowohl Träger als auch Pflegekräfte in die Lage zu versetzen sowie zu verpflichten, dies auch anzuwenden. Das ist nur eines von vielen Beispielen. Nicht selten werden nachts Bettgitter hochgezogen. Das ist für einen Menschen, der davon betroffen ist, nicht schön. Es gäbe die Alternative, dass man ein Bett ganz niedrig stellte und davor eine Matratze legte. Der Arbeitsaufwand ist aber unwesentlich höher, und deshalb werden alte Menschen wie kleine Kinder in Gitterbetten gestopft. Das kann doch niemand wollen.
Zu dem Stand des Hessischen Aktionsplans zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen habe ich zu diesem Thema nichts gefunden. Das ist komisch, denn schließlich steht doch in den abschließenden Bemerkungen des UN-Ausschusses als Auftrag an die Regierungen, „die Verwendung körperlicher und chemischer Freiheitseinschränkungen in der Altenpflege und in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zu verbieten“. Jemanden in ein Gitterbett zu stopfen, aus dem er nicht herauskann, ist nichts anderes. So weit sind wir mit diesem Gesetzentwurf aber leider noch lange nicht.
Manche Vorschriften in dem Gesetzentwurf, beispielsweise in den §§ 9 und 11, erscheinen mir sehr bürokratisch. Aber dazu werde ich die Anhörung abwarten. Dass sich hernach an dem Gesetzentwurf noch etwas ändert, würde uns doch sehr wundern. Aber vielleicht hören Sie ja einmal auf die Meinung der Expertinnen und Experten. Bei der Evaluation hat es ja nicht – –
Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht nun Herr Kollege Bocklet von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, es hat mich beeindruckt, dass Sie sagten, es seien 102 Organisationen angehört worden. Frau Kollegin Schott, daher verstehe ich die Kritik zunächst einmal nicht, dass gesagt wird, die Landesregierung habe sich abgeschottet oder würde Kritik nicht ernst nehmen.
Wer die Begründung des Gesetzentwurfs liest, kann auch erkennen, dass viele der Anregungen übernommen worden sind. Ich will nur zwei Punkte herausgreifen:
Erstens. Natürlich waren die freiheitsentziehenden Maßnahmen eines der ganz großen Themen, so auch schon in der Diskussion über das PsychKG. Wir befinden uns da in einem Dilemma: Wir wissen genau, dass nicht nur in Psychiatrien, sondern auch in Altenpflegeheimen und in Behindertenheimen ganz viele freiheitsentziehende Maßnahmen, Fixierungen oder andere Sachen gemacht werden. Wir würden dies in Hessen gern regulieren – darüber haben wir schon oft gesprochen –, aber es ist leider eine bundesrechtliche Regelung. Das ist in § 1906 BGB geregelt. Ich würde mir da mehr wünschen.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir bei der Bundesregierung noch einmal intervenieren, damit sie da viel klarere Vorgaben macht, so klare Vorgaben, wie wir sie nachher, beim nächsten Tagesordnungspunkt, diskutieren. Das wäre notwendig, weil Fixierungen und freiheitsentziehende Maßnahmen für Behinderte oder alte Menschen klare, transparente Regeln brauchen. Ich finde, es ist schon ein erster richtiger und wichtiger Schritt, dass mit dieser Vorschrift klargestellt wird, dass es tatsächlich nur eine Ultima Ratio, dass es auf ein notwendiges Maß zu reduzieren ist.
Die Vorschrift stellt auch klar, dass Einrichtungsträger verpflichtet sind, eine Personal- und Sachausstattung vorzuhalten, die auf eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung ausgerichtet ist. Das hat Frau Dr. Sommer angesprochen. Das sehe ich in dem Gesetz, genauso wie den von Frau Dr. Sommer vorgebrachten Kritikpunkt, das betreffe nur bestimmte Einrichtungen der Behindertenhilfe. Auf Seite 16 der Begründung können Sie zu Nr. 11 lesen:
Die Vorschrift trifft Regelungen für Einrichtungen der Behindertenhilfe. Für diese Einrichtungen werden Anforderungen aufgestellt, die für alle Einrichtungen der Behindertenhilfe gelten sollen. Damit wird in der Behindertenhilfe die bisher bestehende Trennung nach Einrichtungstypen aufgehoben.
Das Gesetz reagiert auf die bundesweite Tendenz zum betreuten Wohnen in der Behindertenhilfe. Menschen, die früher in stationären Einrichtungen gelebt haben, werden zunehmend mit Maßnahmen des betreuten Wohnens versorgt.
Sie sehen, die Kritik, die Sie vor wenigen Minuten geäußert haben, wird mit diesem Abschnitt widerlegt. Diejenigen werden auch bedacht.
Die Diskussionen, die im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf stehen, treffen weitere Bereiche, beispielsweise die Frage der Gewaltprävention. Ich finde es richtig und wichtig, dass jetzt konkrete Anforderungen an die Träger hinsichtlich Schulungsverpflichtungen und Erstellung von Konzeptionen gestellt werden. Das Thema Gewaltprävention wird bearbeitet. Es gibt auch Kritik an erweiterten Führungszeugnissen. Das wird eine spannende Diskussion. Zur Debatte steht auch, wie weit der Anwendungsbereich bei der Palliativversorgung ist. Das ist eine fachpolitisch komplexe Diskussion.