Herr Abg. Quanz, es kann keine Rede davon sein, dass die Kultusminister der Länder Ländervergleiche in der Bildungspolitik aktuell oder zukünftig verhindern.
Die Kultusminister der Länder lassen ganz im Gegenteil seit Mitte der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts die Leistungen der Schulsysteme der Länder umfangreich und regelmäßig überprüfen und vergleichen. Allein in diesem Jahr wurde im Juni der „Nationale Bildungsbericht“ vorgestellt und wird im Oktober der Ländervergleich des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen für die Sekundarstufe I in Deutsch, Englisch und Französisch erscheinen. Im kommenden Jahr wird der Ländervergleich für die Grundschulen veröffentlicht werden, der zurzeit durchgeführt wird.
Mit der überarbeiteten Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring vom 11. Juni 2015 hat die Kultusministerkonferenz ihre diesbezüglichen Aktivitäten klar definiert sowie ihr bisheriges Engagement bestätigt und für die Zukunft abgesichert.
Seit der sogenannten empirischen Wende in der Bildungsforschung sind – auch mit Unterstützung der Länder – die Bestände an Bildungsdaten enorm gewachsen. Die Daten werden in sehr unterschiedlichen Formen, z. B. in großen nationalen und internationalen Bildungsstudien – wie IQBLändervergleichen, PISA, TIMSS und IGLU –, aber auch in anderen Formaten erhoben.
Sie werden auf unterschiedlichen Wegen publiziert, z. B. im Rahmen international abgestimmter Veröffentlichungen, etwa bei PISA, aber auch in Publikationen der statistischen Ämter des Bundes und der Länder, in statistischen Schriftenreihen der Kultusministerkonferenz, in nationalen Bildungsberichten, in Länderbildungsberichten und regionalen Bildungsberichten, im Bildungsfinanzbericht, in wissenschaftlichen Publikationen und in vielen anderen mehr.
Alle diese Daten sind zugänglich und für Forschungszwecke nutzbar. Viele wissenschaftliche Einrichtungen und Forschende arbeiten auch mit diesen Daten und unterstützen so die Weiterentwicklung des Bildungswesens.
Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne aus dem „Handelsblatt“ vom 11. Mai 2016 den renommierten Schulforscher Wilfried Bos wie folgt zitieren:
Es ist manchen Politikern vielleicht peinlich, wenn ihr Bundesland auf dem Niveau von Mexiko landet. Ein Teil der Länder hat offenbar kein Interesse daran, von Wissenschaftlern in der Öffentlichkeit vorgeführt zu werden.
Wir können gemeinsam durchaus sicher sein, dass Hessen besser als Mexiko abschneidet, und das ist gut so.
Ich lasse aber nicht locker. Herr Präsident, ich würde mit Ihrer Erlaubnis gerne nochmals aus dem „Handelsblatt“ zitieren, diesmal Marcel Helbig, der im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung tätig ist. Er sagt:
Keiner weiß, woran es liegt, dass die Schüler in Bremen oder Hamburg so viel schlechter sind als jene in Bayern oder Baden-Württemberg …
Weiter heißt es: „Die Folge: bildungspolitischer Blindflug.“ – Das ist doch eine massive Kritik. Können Sie dazu etwas sagen?
Herr Abg. Quanz, das ist in der Tat eine Frage, die wir vonseiten der Kultusministerkonferenz mittlerweile regelmäßig mit der empirischen Bildungsforschung auch in entsprechend großen Foren erörtern.
Die Herausforderung besteht darin, von der Ebene der Diagnostik zur Ebene der Verhaltensratschläge zu kommen. Das heißt, die empirische Bildungsforschung ist dahin gehend sehr weit entwickelt, dass wir Bestandsaufnahmen machen können, dass wir sehen, wo wünschenswerte Stände erreicht worden sind und wo Defizite bestehen. Die Gründe für diese Defizite zu benennen und gar Handlungsstrategien zu ihrer Überwindung zu formulieren, damit tut sich die empirische Bildungsforschung aber nach wie vor sehr schwer.
Deswegen ist das ein Rätsel, an dessen Lösung wir vonseiten der Politik und der Wissenschaft nach wie vor gemeinsam arbeiten.
Herr Abg. Yüksel, die Schulinspektion – künftig soll sie Schulevaluation heißen – soll sich ab dem Schuljahr 2016/2017 auf zwei Arbeitsfelder konzentrieren, erstens auf eine begleitende interne Evaluation, d. h. eine Evaluation, die durch die Schule verantwortet und durchgeführt wird. Diese soll Unterstützung durch nachfrageorientierte, passgenaue Angebote des Dezernats I.3 – systematische Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht – der Hessischen Lehrkräfteakademie erhalten. Es wird verbindliche Kooperationsbeziehungen mit der Schulaufsicht geben.
Das Angebot umfasst eine datenbegründete Schulentwicklungsberatung, die an die Fragen der Schule anschließt und Mittel der internen Evaluation als verbindliche Bestandteile zur Sicherung und Steuerung der Prozesse implementiert. Den Schulen wird eine Plattform zur Verfügung gestellt, die Zugriff auf eine Vielzahl von Erhebungsinstrumenten zur Durchführung interner Evaluationen ermöglicht und anschauliche Auswertungen vorsieht. Darüber hinaus erhält die Schule Unterstützung bei der Datenerhebung, der Auswertung und Interpretation vorhandener Daten sowie vor allem Beratung.
Zweitens soll es eine externe Evaluation auf Abruf geben – eine Evaluation, die entweder durch die Schulaufsicht, durch die Schulleitung oder durch die Schulkonferenz veranlasst werden kann. Die externe Evaluation – das ist quasi der unmittelbare Nachfolger der bisherigen Schulinspektion – versteht sich künftig dabei noch stärker als Dienstleis
tung für die Schule, um eine kritische, fundierte Rückmeldung zu konkreten schulischen Fragen zu erhalten.
Herr Kultusminister, ist damit zu rechnen, dass die bisher der Schulinspektion zur Verfügung stehenden Stellen in gleichem Maße für die Schulevaluation zur Verfügung stehen werden, oder werden es möglicherweise weniger Stellen sein?
Herr Abg. Degen, diese Frage kann ich Ihnen aus dem Stand nicht beantworten. Ich kann Ihnen aber versichern: Die Entwicklung dieses Modells ist ausschließlich auf die Bedarfe der Schulen ausgerichtet. Es handelt sich nicht um ein Stellensparmodell.
Zu welchen Ergebnissen ist sie bei der von ihr angekündigten Überprüfung der gesetzlichen Regelungen bzw. Erlasse zum sogenannten „Kopftuchverbot“ an hessischen Schulen gekommen?
Herr Abg. Rentsch, das Hessische Kultusministerium hat bereits mit Erlass vom 4. September 2015 auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 – Aktenzeichen 1 BvR 471/10 – reagiert. Dadurch wurde für die praktische Anwendung entsprechende Klarheit geschaffen.
Darüber hinaus sind die fachlichen und juristischen Prüfungen für eine Schulgesetznovelle durch das Kultusministerium noch nicht abgeschlossen. Sobald dies erfolgt ist, wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, der dann in ein Anhörungsverfahren geht.
Die Frage nach einer Änderung des § 86 Hessisches Schulgesetz wird dabei hinreichend beantwortet werden.
Herr Minister, Sie haben uns eine mehr oder weniger gleiche Antwort schon am 10. September 2015 im Kulturpolitischen Ausschuss gegeben. Mittlerweile ist ein Dreivierteljahr vergangen. Die Schulleitungen haben bis heute über den Erlass hinaus keine Hinweise bekommen, wie sie im Einzelfall tatsächlich verfahren sollen. Wie lange gedenken Sie die Prüfung denn noch voranzutreiben?
Herr Abg. Greilich, die in dem Erlass gegebenen Hinweise sind, jedenfalls von der rechtlichen Seite her, vollkommen ausreichend.
Herr Staatsminister, ich möchte noch einmal fragen – wir haben gerade eine formale Diskussion geführt –, wie es bei dem Thema inhaltlich steht. Wo tendiert die Landesregierung hin, wenn ich das fragen darf? Wie ist Ihre persönliche Einschätzung? Wird es, vom materiellen Gehalt her gesehen, bei der Erlasslage bleiben, oder wird die Landesregierung bei diesem Thema eine Ausweitung vornehmen?
Herr Abg. Rentsch, diese Frage ist durch das Bundesverfassungsgericht ziemlich detailliert beantwortet worden. Es steht mir als Landesminister nicht an, diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in irgendeiner Form zu modifizieren oder zu hinterfragen.