Das Einzugsgebiet der Bereitschaftsdienstzentrale hat 80.000 Einwohner. Wenige alte Allgemeinmediziner betreuen viele multimorbide Patienten bei einer sehr ungünstigen Topografie. – Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von einem der niedergelassenen Ärzte in Lindenfels.
Das Krankenhaus hat seit Längerem eine weitreichende Ermächtigung zur ambulanten Behandlung von Patienten. Es gibt so gut wie keine niedergelassenen Fachärzte in der Umgebung mehr. Hier konnte das Luisenkrankenhaus über die Jahre hinweg in der Notfalldiagnostik und -therapie die weggefallenen Fachärzte ersetzen und die niedergelassenen Hausärzte unterstützen.
Ich will noch etwas zu dem Konzept sagen, das man sich vor Ort überlegt hat. Wenn das Krankenhaus wirklich geschlossen wird, dann zieht das eine Kettenreaktion nach sich. Wir haben dort in der näheren Umgebung 27 Seniorenheime, deren Bewohner versorgt werden müssen. Wir werden in der Region über 100 Arbeitsplätze im Krankenhaus verlieren. In der Folge werden natürlich Altenheime geschlossen werden müssen. Viele Apotheken werden schließen, und es wird noch mehr Abwanderung geben.
Das kann man sich doch ausrechnen. Das kann man aus vergleichbaren Zahlen ableiten. – Es gibt ein gutes Konzept, das die Menschen vor Ort erarbeitet haben: ein neues kleines Krankenhaus, angedockt an ein Rehazentrum unter Nutzung von Synergieeffekten.
Wenn Sie sagen, das stimme nicht, dann ist das nicht die ganze Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, dass die WIBank gesagt hat, dass das durchaus im Rahmen des Möglichen liegt.
(Peter Stephan (CDU): Haben Sie das Gutachten wirklich gelesen? Da steht etwas völlig anderes! – Weitere Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)
Der Gesundheitsminister hat hier einen Plan vom Tisch gewischt, ohne mit den Menschen vor Ort wirklich gesprochen zu haben. Ganz im Gegenteil: Die Menschen sind abgekanzelt worden, als sie hier in Wiesbaden waren, um eine Unterschriftenliste zu übergeben. Das war unter aller Würde.
Der Chef der Klinik ist aus zwei Gesprächen wieder ausgeladen worden. Das ist keine Form des Dialogs mit den Bürgern. Das ist kein Zeichen dafür, dass Sie die Menschen ernst nehmen und nach Lösungen suchen.
Die Lösungen, die von den Betroffenen angeboten worden sind, sind gut und beratenswert. Man hätte sich sehr viel ernsthafter damit auseinandersetzen müssen; denn es gibt ein Gesamtkonzept, das von diesen Menschen durchge
rechnet wurde und das tragfähig ist. Man hätte es ernst nehmen müssen. – Sie brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln, Herr Stephan.
Wenn man das Krankenhaus nicht will, hätte man den Menschen von vornherein sagen können: „Bemüht euch nicht, wir werden dieses Krankenhaus in keinem Fall erhalten, egal was passiert.“ – Dann hätten sich viele Menschen viel Mühe, viel Arbeit und auch viel Frust ersparen können. Das wäre hilfreich gewesen. Aber erst das Signal auszugeben, man könne darüber reden, wenn die Betroffenen einen Lösungsvorschlag vorlegen, und dann zu sagen, es sei aus – –
(Judith Lannert (CDU): Kommen Sie aus der Region? Wissen Sie Bescheid? – Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Grüttner, Sie werden gleich viele Punkte aufzählen, warum das Krankenhaus geschlossen werden muss. Wenn ich mehr Redezeit hätte, könnte ich Ihnen alle diese Punkte widerlegen.
(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Sie hätten einen Setzpunkt daraus machen können, wenn Ihnen das wichtig genug gewesen wäre!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kein Krankenhausträger schließt gerne seine Klinik. Der Bürger reagiert mit Wehmut und stellt kritische Fragen. Das ist sehr gut nachvollziehbar. Der Bürger fragt sich aber auch, wie er sich verhalten soll, wenn er ein Krankenhaus wählt, in dem er sich operieren lassen muss oder eine Krankheit behandeln lässt. Er wird den Hausarzt fragen oder das Internet konsultieren, um festzustellen, wer die größte Erfahrung hat und wo die höchste Reputation vorhanden ist. Das führt zu einer verminderten Nachfrage in kleineren Krankenhäusern der Allgemeinversorgung.
Wir alle möchten bei einer Notfalleinweisung in eine Klinik gebracht werden, in der bei Verdacht auf einen Herzinfarkt die Herzkatheteruntersuchung schnell durchgeführt werden kann und bei Verdacht auf einen Schlaganfall das Computertomogramm schnell vorliegt. Das führt zu Strukturveränderungen der Krankenhauslandschaft. Meine Da
men und Herren, wer den Leuten etwas anderes erzählt, streut ihnen Sand in die Augen und ist unseriös.
So hat das Luisenkrankenhaus in Lindenfels derzeit nur noch eine Auslastung von 39 % der 110 vorhandenen Betten. Wir haben heute 45 Betten bei 120 Angestellten, seit mehreren Jahren Defizite und einen sehr hohen Investitionsbedarf.
Frau Schott, die Träger des Hauses waren immer gemeinnützig. Es waren der Hessische Diakonieverein, Agaplesion, die kirchlichen Träger und zuletzt der Südhessische Klinikverbund mit dem Mehrheitseigner Universitätsklinikum Mannheim. Es waren keine Renditejäger, die jetzt ein unprofitables Haus abstoßen. Auch mit einem starken Partner wie dem Universitätsklinikum Mannheim war es innerhalb des Verbundes nicht möglich, eine Perspektive zu entwickeln.
Der Südhessische Klinikverbund musste Anfang des Jahres Insolvenz anmelden. Die anderen Häuser – Bensheim und Lampertheim – werden voraussichtlich einen neuen Träger finden. Lindenfels wird den Klinikbetrieb einstellen müssen.
Es wurde noch versucht, den Betrieb in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten fortzusetzen. Für dieses Engagement ist zu danken. Das genossenschaftsähnliche Konzept erlangte aber nie eine Umsetzungsreife. Insbesondere fehlte das Eigenkapital zur Gründung einer Trägerschaft.
Meine Damen und Herren, da die kirchlichen Träger gefragt worden sind und dies abgelehnt haben oder unter Gremienvorbehalt gestellt haben, können Sie jetzt nicht davon sprechen, dass private Träger oder Profitgier zu dem Einstellen des Betriebes geführt haben.
(Marjana Schott (DIE LINKE): Ein Signal des Landes wäre durchaus hilfreich gewesen an der Stelle! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Weitere Zurufe)
Der nötige Neubau an der benachbarten Eleonoren-Klinik befand sich allenfalls in der Vorplanung. Vom Ministerium und insbesondere auch von den Wahlkreisabgeordneten, Frau Lannert und Herrn Stephan, wurden diese Kliniken besucht, und es wurden umfangreiche Fragen gestellt, was noch machbar ist.
Dass das Land in dieser Situation die Übernahme einer Bürgschaft über 3 Millionen € ablehnt, ist richtig. Eine andere Entscheidung wäre nicht zu verantworten.
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Zukunft ist festzustellen: Erstens. Die stationäre Versorgung ist durch die Kreisklinik in Heppenheim gesichert. Das ist ein Haus der Vollversorgung, und es hat eine enge Vernetzung mit dem Universitätsklinikum Heidelberg. Im Umfeld gibt es
weitere Kliniken: in Bensheim und in Lampertheim sowie das Kreiskrankenhaus Erbach und die Unikliniken in Heidelberg und in Mannheim.
Zweitens. Bei der Auflösung des Südhessischen Klinikverbunds müssen die Belange der Arbeitnehmer des Luisenkrankenhauses beachtet werden. Die neuen Träger der Klinik in Bensheim und Lampertheim sowie der bisherige Mehrheitseigner, das Universitätsklinikum Mannheim, müssen hier in die Pflicht genommen werden. Statt Luftschlösser zu bauen, sollten Sie sich um die Belange der Arbeitnehmer kümmern.
Drittens. Der durch das Bundesgesetz zu schaffende Strukturfonds kann bei der Umwandlung des Luisenkrankenhauses in eine soziale Einrichtung, z. B. in eine Altenwohnanlage, finanziell helfen.
Der Insolvenzverwalter des Klinikverbunds wird mit einem Konzept einen Antrag stellen können. Wir werden das von der politischen Seite – wenn gewünscht – helfend begleiten.