Deswegen müssen wir uns am Ende des Tages Gedanken über die Frage machen: Wie bekommen wir es angesichts der unterschiedlichen Interessen hin, das aus hessischer Sicht Schlimmste zu verhindern und dabei die Gesamtsituation im Auge zu behalten?
Genau das haben wir getan. Ich finde, wir sind dabei auf einem bisher ganz guten Weg, wobei wir an manchen Punkten nach wie vor unzufrieden sind. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Ich verstehe z. B. nicht, warum es keinen Ausbaudeckel bei der Offshorewindenergienutzung geben soll, bei der Energieerzeugung aus Windkraft an Land, die kostengünstiger ist, hingegen schon. Ich verstehe ebenfalls nicht, warum die Bundesregierung, obwohl wir uns 2014 auf einen Ausbaukorridor mit einer Nettoleistung von 2.500 MW geeinigt haben, diesen Wert einfach auf eine Bruttoleistung umstellt, obwohl man weiß, dass es in den nächsten Jahren sehr viele Repowering-Maßnahmen geben wird.
Ich verstehe übrigens auch den nachträglichen Eingriff in die 2016 erteilten Genehmigungen nicht. Es ist das Gegenteil von Vertrauensschutz, wenn man einfach sagt: „Wir nehmen da 5 % heraus.“
Der Vertrauensschutz ist für die Investitionssicherheit – egal, worum es geht – das A und O. Auch an dieser Stelle sind wir daher nicht zufrieden.
Aus meiner Sicht ist es ebenfalls falsch, dass man bei der Fotovoltaik an dem Ausbaudeckel von 52 GW festhält. Man hat diesen Ausbaudeckel zu einem Zeitpunkt in das EEG geschrieben, als die Fotovoltaik ein Kostentreiber war. Die Fotovoltaik ist inzwischen aber so günstig geworden, dass sie kein Kostentreiber mehr ist. Vielleicht haben Sie wahrgenommen, dass wir im letzten Jahr weltweit einen Solarboom hatten – außer in Deutschland. An dieser Stelle müssen wir also etwas verändern.
Jetzt zu einer weiteren Frage, die wichtig ist und wo wir darum kämpfen, dass auf der Bundesebene etwas verändert wird, zur sogenannten De-minimis-Regel. Ich bin dafür, dass wir dafür sorgen, dass es weiterhin eine regionale Verankerung der Energiewende gibt und dass sich die Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende beteiligen können. Wir müssen natürlich aufpassen, dass sich keine Umgehungstatbestände entwickeln. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger weiterhin die Chance haben, sich zu beteiligen, und wir müssen sicherstellen, dass die Energiewende eine Wertschöpfung vor Ort mit sich bringt und damit auch eine Akzeptanz vor Ort erzeugt. Daher hoffen wir darauf, dass sich in den nächsten Wochen auf der Bundesebene etwas ändert.
Ich komme zum Thema Netzausbau. Herr Rock, an einer Stelle will ich Ihnen recht geben. Es ist natürlich ein Riesenproblem, dass wir 1 Milliarde € für sogenannte Redispatchkosten ausgegeben haben. Ich muss Sie aber ein bisschen korrigieren: Es ist nicht nur für die Abregelung von Windkraftanlagen bezahlt worden, sondern auch für das Hochfahren konventioneller Kraftwerke im Süden. Das musste man machen, weil die nötigen Energienetze fehlen. Früher hat die FDP den GRÜNEN vorgeworfen, der Strom komme nicht aus der Steckdose. Sie wollten uns damit sagen, dass der Strom erst produziert werden muss. Das wissen wir. Ich sage Ihnen jetzt: Man muss zwischen der Produktionsstätte des Stroms und der Steckdose eine Leitung haben, sonst nützt es auch nichts, Herr Kollege Rock.
Deswegen sind wir darauf angewiesen, dass wir an den richtigen Stellen eine Vernetzung bekommen, um den Strom von A nach B bringen zu können.
Deswegen sage ich an dieser Stelle ausdrücklich: Ich kann mich mit dem Gedanken anfreunden, dass man, solange der Netzausbau noch nicht den Stand erreicht hat, den wir brauchen, den Ausbau der Windkraftnutzung an den Orten reduziert, wo Abregelungen zu erwarten sind, wo also klar ist, dass man viel Geld dafür ausgeben muss, dass kein Strom produziert wird. Es wäre aber absurd, auf die Idee zu kommen, Hessen zu solch einem Ort zu erklären.
In Hessen sind keine Abregelungen zu erwarten; denn der Strom, der in Hessen produziert wird, wird in Hessen auch verbraucht. Ich habe vor einigen Wochen in Hessisch Lichtenau einen Windpark eröffnet. Von den Anlagen, die dort stehen, wird der Strom direkt in das Verteilnetz der Stadt Kassel geliefert. Dieser Strom sieht niemals ein Übertragungsnetz. Wir Hessen sind also nicht Teil des Problems.
Wenn wir nicht Teil des Problems sind, dann können wir auch nicht Teil der Lösung sein. Deswegen sagen wir: Eine Drosselung des Ausbaus muss dort erfolgen, wo das Problem entsteht. Deswegen wollen wir, dass sich an dieser Stelle etwas verändert, und setzen dabei auf allseitige Unterstützung.
Ein letzter Punkt, der mir an dieser Stelle wichtig ist. Am Ende wird auch ein Großprojekt durch viele kleine Maßnahmen umgesetzt. Dass es an der einen Stelle ein Problem gibt, dass man an einer anderen Stelle etwas verändern muss, dass man an einer dritten Stelle nachsteuern muss, ist völlig normal, wenn man ein ganzes System umstellt. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es ein Ziel gibt,
nämlich die Produktion von Energie aus erneuerbaren Energien. Die ist kein Selbstzweck, sondern hat etwas damit zu tun, dass wir unsere Ressourcen nicht weiter so verbrauchen können, wie wir das in den letzten 100 Jahren gemacht haben. Deshalb müssen wir die Energiewende zu einem Erfolgsprojekt machen. Wir werden das auch erreichen, selbst wenn die FDP weiterhin gegen Windmühlenflügel kämpft.
Danke, Herr Staatsminister. – Wir debattieren munter weiter. Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Abg. Rock zu Wort gemeldet.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Wirtschaftsminister – Antiwirtschaftsminister –, Herr Al-Wazir, das erste Interessante, was ich heute in Ihrer Rede gehört habe, war, dass Sie vom Windrad ein Kabel zur Steckdose ziehen wollen. Das ist das erste überzeugende Bekenntnis zur Infrastruktur, das Sie im Hessischen Landtag abgegeben haben.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der SPD – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)
Von daher hat unser Antrag heute etwas gebracht. Der Ehrlichkeit halber: Es war ein Einwurf von Herrn SchäferGümbel, den ich benutzt habe. Aber er ist an dieser Stelle nun einmal einfach zutreffend.
Herr Al-Wazir, ich möchte Ihnen den Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorhalten – vielleicht kommunizieren Sie nicht miteinander –: Sie haben ausgeführt, dass Hessen beim Stromnetz überhaupt kein Problem habe, sondern dass es bei der Diskussion völlig außen vor sei. Das sei Ihr eigentlicher Kritikpunkt an der Vorgabe aus Berlin. Aber in dem Antrag schreiben Sie:
Der Landtag unterstützt daher die Positionierung des Bundesrates auf Antrag Hessens, wieder auf die Abregelungen abzustellen …
Das bedeutet, Sie wollen weiter Windräder abregeln, anstatt die Netzauslastung als Grundlage für die Entscheidung zu nehmen, ob Windkraft hinzugebaut werden kann.
Es ist eine positive Innovation aus Berlin, zu sagen: Wir haben eine Menge Kosten, weil die Windräder, die gebaut worden sind, nicht in der Lage sind, Strom zum richtigen Zeitpunkt einzuspeisen.
Sie wollen zu einer Regelung zurück, die nicht von der Netzauslastung, sondern wieder von den Abregelungen abhängig ist – eine völlig sinnfreie Überzeugung, die zu unglaublich vielen Kosten führt.
Natürlich ist es nicht so, dass die 300 Millionen € vor zwei Jahren ausschließlich Gelder waren, die Windkraftbetreiber fürs Abregeln bekommen haben. Ein Jahr später sind es 1 Milliarde € – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist mehr als eine Verdreifachung der Kosten, nur deswegen, weil wir den Strom nicht ableiten können.
Wollen Sie immer noch an dem Verfahren festhalten, dass Sie einfach weiter zubauen und dann abregeln, wenn der Zubau nicht ordentlich funktioniert? Man kann vielleicht über die Frage diskutieren, wie man die Netzgebiete zuschneidet, aber man kann nicht über die Frage diskutieren, dass der Netzausbau die Grundlage dafür bilden muss, ob man Windkraftanlagen errichtet oder nicht. Genau das fordert die Koalition in ihrem Antrag. Von daher steht das auch ein Stück weit Ihrer Argumentation entgegen.
Ihnen geht es einfach um einen massiven Ausbau, egal wo und wie. Es ist egal, ob der Strom verwertet werden kann oder nicht. Dieser Strom wird dann einfach vergütet. Was das kostet, ist Ihnen in der Regel völlig egal. Dass wir innerhalb von vier Jahren 5 Milliarden € dafür aufwenden müssen, ist Ihnen auch egal. Ich glaube, dass Sie an der Stelle die Kosten, den Markt oder die wirtschaftlichen Überlegungen berücksichtigen, kann man Ihnen nicht mehr unterstellen. Von daher haben Sie in Ihrer Rede meine Erwartungen, dass Sie ein Antiwirtschaftsminister sind, eindeutig erfüllt.
Ich möchte auch das Argument im Zusammenhang mit den Stadtwerken aufgreifen. Das ist ein wichtiger Player, an den Sie denken müssen. Der Stadtwerkeverbund Thüga hat in einem Interview mit der „Welt“ darüber berichtet, wie die Situation bei den Stadtwerken aufgrund der Energiewende ist. Denen geht es mit der Energiewende nämlich nicht gut. Sie haben riesige Probleme: Sie haben riesige Investitionsprobleme und können ihr Geschäft nicht fortführen.
Die Stadtwerke sind nicht die Gewinner der Energiewende, sondern sie haben die Probleme mit der Erzeugung. Das können Sie in der „Welt“ vom Samstag, 18. Juni 2016, nachlesen. Ich kann es Ihnen gerne geben, wenn Sie es nachlesen wollen. Die Stadtwerke sind nicht die Profiteure.
Frau Wissler, wenn ich Sie wieder die Beschlüsse aus Paris zitieren höre, kann ich Ihnen dazu nur sagen: Das ist echt spannend, wenn man das ernst nimmt. Wir wissen, dass wir die 2 Grad nicht erreichen können, also beschließen wir, 1,5 Grad zu erreichen. – Wir wissen, was das bedeutet. Es würde bedeuten, dass wir bereits im Jahr 2040 70 % unserer Energie CO2-frei erzeugen müssten – nicht den Strom, die Energie. Das würde bedeuten, dass im Jahr 2040 in Deutschland – jetzt halten Sie sich fest –