Die Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen fordert angesichts der von Stadtentwicklungsministerin Priska Hinz vorgestellten Wohnungsbedarfsprognose eine Landtagsdebatte zur Programmatik des Wohnungsbaus. „Eine Hochrechnung ist keine politische Leitlinie. Wir wissen nun, dass pro Jahr 37.000 Wohnungen in Hessen fehlen“, so die Präsidentin der Architektenkammer, Brigitte Holz, „aber wir wissen nicht, für wen in welcher Größe wo und von wem gebaut werden soll. Die reinen Zahlen reichen nicht, wir müssen uns auch qualitativ mit den Herausforderungen im Wohnungsbau auseinandersetzen. Schließlich haben Menschen ganz unterschiedliche Vorstellungen von ihrem Zuhause.“
Mit Verlaub, es sind nicht nur die Architekten und Stadtplaner, die eine solche Debatte wünschen. Es ist ein großes und breites Interesse vorhanden. Ich reise als wohnungsbaupolitischer Sprecher mindestens zweimal pro Woche durch das Land Hessen und gehe auf Veranstaltungen. Es ist überall ein Thema, wie wir sozialen Wohnungsbau und Wohnungsbau für mittlere Einkommen schaffen können. Das ist nicht nur in den Metropolen so, sondern z. B. auch in kleinen Gemeinden im Main-Kinzig-Kreis. Es sind nicht nur die Verbände, sondern auch die Menschen in unserem Land, die auf diese große Herausforderung, die bisher noch nicht gelöst worden ist, Antworten haben wollen.
Ich möchte Ihnen noch einmal einige Mängel und Versäumnisse der Landesregierung vor Augen halten. Aber keine Angst, Sie kennen mich ja; ich werde am Ende auch eigene Vorschläge der SPD benennen.
Ach so, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben auch einen Antrag vorgelegt. Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wenn es nicht den Antrag der SPD gegeben hätte, hätte ich dafür Verständnis, dass Sie einen solchen Antrag, der von Allgemeinsätzen nur so strotzt, geschrieben haben. Da es eine Vorlage mit konkreten Vorschlägen gab, ist es unter Ihren Möglichkeiten, so etwas abzuliefern.
Ach so, das sind Textbausteine aus Ihrem Computer. Jetzt habe ich es verstanden, wie Sie Anträge schreiben: Textbausteine aus Ihrem Computer.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte einige Dinge erneut kritisieren, zuallererst die Festlegungen im Hessischen Wohnraumfördergesetz. Ich kann Sie nur auf
fordern: Ändern Sie endlich die Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen, und verlängern Sie endlich die Bindungsdauern für Sozialwohnungen. Es ist mir nicht verständlich, warum sich gerade die GRÜNEN in diesem Punkt von der CDU Monat für Monat in der Koalition mit dem Nasenring durch die Arena ziehen lassen. Ich verstehe es nicht.
Verlängern Sie die Bindungsdauern. Das ist eine der notwendigen Voraussetzungen. Es ist auch gar nicht so schwer zu verstehen, das verstehe ja sogar ich. Das verstehen auch alle Leute draußen. Zu diesem Punkt der Verlängerung der Bindungsdauer komme ich nachher noch einmal.
Zweiter Punkt: Finanzierung. Wir, SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, loben uns gemeinsam für den großen Schritt, dass wir die Eigenkapitalaufstockung bei der Nassauischen Heimstätte um 50 Millionen € beschlossen haben. Das ist der politische Beschluss. Mit Verlaub, es ist aber die Aufgabe der Regierung, solche Beschlüsse auch umzusetzen. Deshalb fordere ich Sie auch auf: Melden Sie Vollzug in dieser Angelegenheit.
Sie als Landesregierung haben die Aufgabe, Beschlüsse zu administrieren. – Herr Boddenberg, weil Sie heute so einen lustigen Tag haben und offenbar einen Schalk gefrühstückt haben:
(Michael Boddenberg (CDU): Was macht Oberbürgermeister Feldmann? – Gegenruf der Abg. Nancy Faeser (SPD): Wer ist dagegen, mehr Ausweisungen zu machen?)
Es ist die Aufgabe der Landesregierung, Beschlüsse zu administrieren, oder zu erklären, warum es nicht geht.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist echt schwach! – Gegenruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU): Schauen Sie in den Terminkalender des OB! – Gegenrufe von der SPD – Glockenzeichen der Präsidentin)
Dritter Punkt: Allianz für Wohnen. Wir halten es nach wie vor für dringend geboten und notwendig, eine Koordinatorin oder einen Koordinator für den Wohnungsbau zu benennen, um die Ergebnisse der Allianz für Wohnen umzusetzen. Ich habe mir die Ergebnisse noch einmal angesehen. Darüber bin ich etwas erschrocken und werde deswegen etwas ausführlicher darauf eingehen, was da alles aufgeschrieben ist.
Aufgeschrieben ist dort: Modellprojekte für kostengünstiges Bauen, genossenschaftliches Wohnen fördern, Kam
pagne „Wohnqualität“, Konzeptvergabe muss auch für Schutzschirmkommunen möglich sein, sozialen Wohnungsbau fördern – mehr Geld, dazu kommen wir noch –, Prüfung der Einbeziehung von Bauträgerprojekten, Überarbeitung der Mustersatzung „Stellplätze“, Leitfaden zur Nachverdichtung – Stichwort: Untersuchung von Prof. Tichelmann, der z. B. für meine Heimatkommune ausgerechnet hat, dass dort 7.000 Wohnungen durch Nachverdichtung und Aufstockung geschaffen werden können; was heißt das für ganz Hessen? –, EnEV 2016: Wirkung, Bedarf und Ausnahmeregelungen empfehlen, Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnflächen fördern, Kenntnisse über Flächenpotenziale.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Allianz für Wohnen ist herausgekommen, dass das Land Hessen nicht einmal weiß, wo es Flächen hat, die potenziell für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden können, und die Kommunen fragt, wo das Land eigentlich Flächen hat. Daran sehen Sie, wo die Bedarfe sind und dass dort etwas passiert. Wir wissen nicht einmal, welche Flächen das Land hat, die potenziell zur Verfügung gestellt werden könnten.
Weiter ist dort aufgeschrieben: regionale Wohnungs- und Infrastrukturkonferenzen, Sternverfahren bei der Bearbeitung von Bauakten, Brandschutzmaßnahmen überarbeiten – z. B. solche Fragen, ob Zufahrtswege für Rettungsfahrzeuge geschottert oder geteert werden müssen –, Außentreppen als Rettungswege, Landesentwicklungsplan, Verdichtung entlang der ÖPNV-Trassen – alte Forderungen, die damals von Jörg Jordan im Landesentwicklungsplan manifestiert waren –, Einbeziehung privater Eigentümer in den sozialen Mietwohnungsbau, serielles Bauen.
Meine Damen und Herren, das ist nur ein sehr kleiner Auszug aus der Liste der Präsentation der Allianz für Wohnen. Das belegt, dass noch einiges getan werden muss.
Ich will nun dazu kommen, was zu tun ist. Unsere zentrale Forderung in dieser Debatte ist: Wir müssen dafür sorgen, dass auch privates Kapital mobilisiert wird, um den sozialen Wohnungsbau zu aktivieren.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir private Kleinund Kleinstanleger motivieren können, in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Bei den bestehenden niedrigen Zinssätzen ist es für private Kleininvestoren attraktiv, ihr Privatvermögen für den Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Dies könnte passieren, indem bei der Bank für Wirtschaftsförderung und Infrastruktur ein Bankenprodukt aufgelegt wird, mit dem das private Kleinstkapital durch eine direkte öffentliche Förderung ergänzt wird und dafür Wohnungen mit einer längeren Bindungsdauer von etwa 15 Jahren gebaut werden können. Das wäre dann eine Ausnahmegenehmigung zum Wohnraumförderungsgesetz, damit für diese Anleger eine langfristige Sicherheit geschaffen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass private Klein- und Kleinstanleger das auch deshalb tun, weil Menschen eine soziale Verantwortung für ihr Land haben und auch bereit sind, sie beim Thema Wohnungsbau einzubringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus schlagen wir vor, die Grunderwerbsteuer für Investitions
projekte des sozialen Wohnungsbaus von 6 auf 4 % zu reduzieren. Das kann Hessen alleine und ohne den Bund machen. Damit würde ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, in den Wohnungsbau zu investieren.
Ich fordere die Landesregierung auf – ich mache das Gleiche mit der Bundesregierung –, eine Debatte zur Wiedereinführung der Eigenheimzulage anzustoßen. Das war in der Vergangenheit ein sehr erfolgreiches Projekt. Es ist des Schweißes der Edlen wert, darüber nachzudenken, sie wieder aufleben zu lassen.
Fazit: Wir haben begonnen, den öffentlichen Wohnungsbau zu fördern. Die Rahmenbedingungen in der Wohnraumförderung in Hessen sind noch nicht optimal. Lassen Sie uns bitte gemeinsam daran arbeiten und darüber nachdenken, um es dann auch umzusetzen, privates Kapital mit direkten Zuschüssen und nicht mit Darlehensprodukten zu aktivieren, um den sozialen Wohnungsbau und den Bau von Wohnungen für mittlere Einkommen weiter voranzubringen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Priska Hinz hat jüngst eine Wohnungsbedarfsprognose vorgelegt. Damit wurde deutlich, wie viel Wohnraum in Hessen noch geschaffen werden muss. Da sind noch viele Anstrengungen nötig, darin sind wir uns mit der SPD einig. Die Bedarfsprognose hat darüber hinaus gezeigt, dass die Bedarfe in Hessen sehr unterschiedlich sind.
Auf der einen Seite haben wir den Ballungsraum mit den Großstädten, wo bezahlbarer Wohnraum fehlt und es einen Wohnungsmangel gibt. Auf der anderen Seite haben wir Mittelhessen und Nordhessen, wo es in den meisten Gebieten sogar einen Wohnungsüberschuss gibt. Auch darauf möchte ich in dieser Debatte hinweisen.
Meine Damen und Herren, genau aus diesem Grund ist es notwendig, dass man zielgenau und passgenau auf diese unterschiedlichen Bedarfe reagiert. Man sollte nicht wie die SPD immer pauschal mehr, mehr, mehr fordern oder in die Mottenkiste des Wohnungsbaus greifen. Herr Siebel, Sie haben es gerade gesagt und die Eigenheimzulage aus dieser Mottenkiste der Sozialwohnungsbaupolitik herausgekramt. Damit wollen Sie den Wählerinnen und Wählern suggerieren: Die SPD ist gut für sie, die SPD sorgt dafür, dass sie ein Eigenheim bauen können. – Meine Damen und Herren, das ist nicht unsere Politik.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Die Reaktion habe ich erwartet!)