Protocol of the Session on May 19, 2016

Ich sage ausdrücklich „Konsolidierung“. Es ist in einigen Redebeiträgen angesprochen worden: das Thema, wie wir mit unseren Unterbringungskapazitäten umgehen und Ähn

liches. Da sind wir im Moment mit Standortkonzepten und Ähnlichem dabei, eben in eine Konsolidierungsphase einzutreten. Das trifft übrigens auch die Städte und Gemeinden, die ebenfalls noch mit den Flüchtlingsherausforderungen, die sich im vergangenen Jahr ergeben haben, umgehen müssen.

Wir haben mittlerweile die Situation, dass wir bei der Registrierung, und zwar bei der wertigen Registrierung, vorankommen. Aber auch da müssen wir noch konsolidieren und das aufholen, was wir im vergangenen Jahr aufgrund der hohen Zugangszahlen nicht geschafft haben.

Wir sind noch dabei, das Bundesamt zu ertüchtigen, das die Fälle der Flüchtlinge am Ende mit Asylanträgen und Ähnlichem verwaltungsmäßig behandeln muss. Das alles tun wir im Moment in dieser Konsolidierungsphase. Diese Konsolidierungsphase ist uns ermöglicht, weil wir die Situation haben, dass wir durch das Abkommen mit der Türkei und auch dadurch, dass die Balkanroute faktisch zu ist, nur noch reduzierte Zugangszahlen haben. Heute waren es 135, aber im Mai waren es im Durchschnitt 53, und im April waren es 48. Das ermöglicht uns, zu konsolidieren.

Ich finde schon, dass wir uns darauf einigen sollten, dass die Norm der Humanität eben nicht nur ein hessischer und nicht nur ein deutscher Wert, sondern auch ein europäischer Wert ist. Das bindet uns in die Verpflichtung ein, den Griechen wie auch immer beizustehen und zu helfen – nicht indem wir Flüchtlinge aufnehmen, sondern indem wir ihnen dabei Unterstützung angedeihen lassen, wie sie mit der Grenzsicherung und möglicherweise auch mit Flüchtlingslagern umgehen. Das tun wir bereits. Das tun wir auch als Hessen, indem wir beim Thema Grenzsicherung hessische Polizeibeamte abstellen, die mit dafür Sorge tragen, dass wir die Außengrenzen von Schengen entsprechend sichern.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, diese Bilder aus Idomeni müssten nicht sein. Wir haben in Griechenland bereits Flüchtlingslager, in denen die Menschen eine Unterbringung finden können. Sie gehen aber nicht hin, weil sie sich erhoffen, dass irgendwie die Grenze in Mazedonien geöffnet wird. Das wird nach meiner vorsichtigen Einschätzung zumindest in absehbarer Zeit nicht passieren.

Deswegen, glaube ich, ist es am Ende auch wichtig, dass wir deutlich machen: Wir haben im Moment die Konsolidierungsphase im eigenen Land der Situation zu verdanken, dass wir ein Abkommen mit der Türkei gefunden haben und am Ende die Balkanroute zu ist.

(Zurufe von der LINKEN)

Dies ermöglicht uns, dass wir konsolidieren – das tun wir – und dass wir unserem europäischen Partner helfen, am Ende eine besondere Herausforderung zu stemmen. Das ist für uns eher eine Selbstverständlichkeit. Ich wünschte mir, diese Selbstverständlichkeit würde für alle anderen europäischen Partner ebenfalls gelten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit stelle ich fest, dass die Aktuelle Stunde der LINKEN abgehalten ist.

Wir kommen zu den dazugehörenden Anträgen.

Über Tagesordnungspunkt 64 wird abgestimmt:

Dringlicher Antrag der Abg. Cárdenas (DIE LINKE) und Fraktion und der Abg. Öztürk (fraktionslos) betreffend Initiative „Züge der Hoffnung“ – Drucks. 19/3390 –

Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen?

(Mürvet Öztürk (fraktionslos): Halt!)

Wie bitte? Entschuldigen Sie bitte, Frau Kollegin. – Auch Frau Kollegin Öztürk stimmt zu. Wer stimmt dagegen? – Das waren die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wer enthält sich? – Das ist die Fraktion der SPD. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

(Dr. Ulrich Wilken: Sehr bedauerlich!)

Mir wurde mitgeteilt, dass Tagesordnungspunkt 73:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Flüchtlinge in Deutschland und Europa menschenwürdig aufnehmen und versorgen – Drucks. 19/3412 –

sowie Tagesordnungspunkt 66:

Dringlicher Antrag der Abg. Merz, Alex, Decker, Di Benedetto, Gnadl, Roth, Dr. Sommer (SPD) und Fraktion betreffend „Züge der Hoffnung“ – Drucks.

19/3400 –

federführend an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss überwiesen werden soll. Mitberatend ist der Innenausschuss. – Dann machen wir das so. Vielen Dank.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich noch eine ehemalige Kollegin von uns begrüßen. Sie sitzt auf der Besuchertribüne, wie ich festgestellt habe. Liebe Karin Neipp, herzlich willkommen.

(Beifall)

Auch möchte ich den ehemaligen Kollegen Hans-Dieter Schnell ganz herzlich im Landtag begrüßen.

(Beifall)

Nun kommen wir zu Tagesordnungspunkt 37:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Sicherung der Aufgaben von Grundschulen in Hessen – Drucks. 19/3366 –

Dieser wird aufgerufen mit Tagesordnungspunkt 72:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Bildungsgerechtigkeit von Anfang an – Grundschulen als ganztägige inklusive Bildungseinrichtungen brauchen eine finanziell und personell den Anforderungen entsprechende Ausstattung – Drucks. 19/3411 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. – Es liegt mir jetzt die Wortmeldung des Antragstellers vor. Frau Kollegin Cárdenas, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unseren Setzpunkt haben wir wohlüberlegt gewählt. In den letzten Monaten hat es so viel geballte Wut und Enttäuschung vonseiten der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler und der Eltern gegeben, dass es in der Tat an der Zeit ist, sich mit den verschiedenen Missständen auch und vor allem an Grundschulen auseinanderzusetzen. Es ist aber gar nicht so leicht, überhaupt einen Anfangspunkt zu finden. Wo sollen wir beginnen? – Bei den Überlastungsanzeigen der Lehrerinnen und Lehrer, die schon seit Jahren mit öffentlichen Hilferufen auf sich aufmerksam machen, da sie im Kultusministerium kein Gehör finden? Das allein wäre Grund genug. Bei den stetig fortschreitenden Kürzungen im Bereich der Inklusion, die sich seit mehr als 15 Jahren auf sämtlichen Ebenen, und zwar entgegen allen Verlautbarungen des Kultusministeriums, konsequent fortsetzen? Bei dem stagnierenden Ausbau echter Ganztagsschulen nach dem Profil 3, von denen wir in Hessen nach wie vor kaum welche vorfinden? Bei der Nullrunde der Beamtinnen und Beamten, von der in Hessen etwa 50.000 Lehrkräfte betroffen sind? Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Liste lässt sich leider über Seiten hinweg fortführen. Wir haben uns entschieden, die aktuellsten Missstände zu thematisieren.

Vorweg: Ihnen, Herr Kultusminister, wird nicht zu Unrecht ein Zickzackkurs vorgeworfen. Ich weiß nicht, ob Sie persönlich zu Schnellschüssen neigen oder einfach schlecht beraten werden, aber dieses Hin und Her der letzten Monate hätte den Betroffenen erspart bleiben können. Ich rede nun nicht nur von den geplanten Kürzungen bei den Stellenzuweisungen für die Grundschulen und Oberstufen, die zumindest für die gymnasialen Oberstufen wieder vom Tisch sind. Hier haben Sie beinahe ein Jahr nach dem Bekanntwerden der Pläne eingelenkt, weil all die Befürchtungen, die die Schulen sofort nach dem Bekanntwerden geäußert haben, keineswegs Hirngespinste waren, wie es die Landesregierung so gern hingestellt hat. Nein, sie waren begründet. Tatsächlich ging es in den gymnasialen Oberstufen um die Aufrechterhaltung auch kleinerer und spezifischer Kurse und um eine erträgliche Kursgröße. Herr Kultusminister, hätten Sie auf diejenigen gehört, die unmittelbar von den Kürzungen betroffen waren, hätten Sie sich und den Betroffenen ein Jahr Wut und Empörung sowie Hunderte von Beschwerdebriefen ersparen können.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ersparen sollten Sie sich, nicht nur um Ihrer selbst willen, unbedingt auch die Kürzungen der Förderstunden an den Grundschulen,

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

die einen Umfang von 140 wegfallenden Stellen zur Folge haben werden. Herr Kultusminister, wenn Sie schon einknicken, dann auch richtig: Nehmen Sie auch diese Kürzungen zurück, denn die Förderstunden sind wichtig. Sie bieten einzelnen Kindern schon zu Beginn ihrer Schullaufbahn in kleinem Rahmen individuelle Förderung an. Bei diesen Kürzungen wird unter anderem unseres Erachtens an einem völlig falschen Hebel angesetzt; denn ausgerechnet die Kinder schulisch weiter auszugrenzen, die Hilfe brauchen, ist, kurz- und langfristig gesehen, ziemlich dumm. Dummheit an Schulen auch noch zu befördern, sollte nicht unbedingt das Geschäft des zuständigen Kultusministers sein. Da werden Sie mir sicher recht geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Würdigen Sie also bitte die Arbeit an den Grundschulen, statt sie abzustrafen. Jedoch sind dies nicht die einzigen Stellschrauben. Besonders deutlich wurde Ihr Zickzackkurs bei den etwa 6.000 eingeleiteten Disziplinarverfahren gegen Ihre eigenen Lehrerinnen und Lehrer.

(Alexander Bauer (CDU): Zu Recht!)

Am 16. Juni des vergangenen Jahres gingen genau diese auf die Straße, um sich gegen die Nullrunde in der Beamtenbesoldung zur Wehr zu setzen. Neben all den zusätzlichen Aufgaben, die in den letzten Jahren an die Schulen herangetragen wurden, neben der deutschlandweit höchsten Arbeitszeit aufgrund der 42-Stunden-Woche mussten die verbeamteten Lehrerinnen und Lehrer in Hessen auch noch hinnehmen, dass die Erhöhung ihrer Besoldung ausgesetzt wurde. Die Wut und Enttäuschung, die dort ausgedrückt wurden, ist für uns mehr als verständlich. Herr Kultusminister, und was tun Sie? – Sie holen in einzigartiger Manier die große Keule heraus und leiten gegen Ihre eigenen Leute Disziplinarverfahren ein.

(Alexander Bauer (CDU): Beamte dürfen nun mal nicht streiken! Man kann ja auch Angestellter bleiben!)

Das halten wir für unglaublich.

(Beifall bei der LINKEN – Armin Schwarz (CDU): Es wird keiner gezwungen, Beamter zu werden! Es kann jeder Angestellter bleiben!)

Auch diese sind nun erst einmal vom Tisch, nach ebenfalls beinahe einem Jahr, aber vergessen werden sie nicht, da können wir sicher sein. Wirklich perfide daran ist, dass die Lehrkräfte abgestraft wurden, weil angeblich kein Geld da war. Dennoch war innerhalb kürzester Zeit Geld da

(Holger Bellino (CDU): Was heißt denn hier „perfide“?)

Herr Bellino –, um Juristen einzustellen, die die Verfahren bearbeiten.

(Beifall bei der LINKEN – Alexander Bauer (CDU): Das ist strafbar! Beamte dürfen nicht streiken!)

Herr Kultusminister, wir fordern auch hierzu eine Kehrtwende von Ihnen. Nicht nur ist der vorliegende Gesetzentwurf zur Beamtenbesoldung völlig inakzeptabel, nein, auch die Eingruppierung von Grundschullehrkräften ist doch unbedingt reformbedürftig. In den Grundschulen werden die Grundsteine gelegt. Noch sind die Kinder nicht nach angeblicher Begabung oder Eignung getrennt. Die Arbeit ist so vielfältig und muss so differenziert angelegt werden, wie auch die jungen Schülerinnen und Schüler vielfältig sind. Wenn die Möglichkeiten, die das gemeinsame Lernen über alle Unterschiede hinweg und das gemeinsame Leben in gut ausgestatteten und die Eltern entlastenden Ganztagsgrundschulen bieten könnten, wenigstens schon in den ersten vier Jahren genutzt werden könnten – zu einem längeren gemeinsamen Lernen werden Sie sich sicherlich nicht durchringen können –, dann hätten wir zumindest eine Basis gelegt, auf der sich das weitere Lernen eventuell entspannter und individuell erfolgreicher abspielen könnte.