Protocol of the Session on May 19, 2016

Wenn Sie mich hätten zu Ende reden lassen – ich war gerade dabei.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 70 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hessen reagiert auf Risiken von Glyphosat – Drucks. 19/ 3407 –

Wer diesem Antrag zustimmt, bitte das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen von FDP und SPD. Enthaltungen? – Das sind die Abg. Öztürk und die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 59:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessen hat Platz für Flüchtlinge und will sichere Reisewege statt weiterer Aushöhlung des Asyl- rechts) – Drucks. 19/3398 –

Anschließend rufen wir die Tagesordnungspunkte 64, 73 und 66 auf.

Die erste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Cárdenas.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation der ca. 50.000 Flüchtlinge in Griechenland, besonders in Idomeni, ist eine humanitäre Katastrophe. Die Flüchtlinge sitzen in Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen fest. Sie müssen wegen des Abkommens der EU mit der Türkei, dem sogenannten Türkei-Deal, mit einer Rückführung in die Türkei rechnen.

In Griechenland gibt es nicht genug Plätze für Flüchtlinge. Die Camps auf den Inseln nehmen immer mehr den Charakter von Haftanstalten an.

Die Türkei ist kein sicheres Herkunftsland. Die Türkei dokumentiert jeden Tag, dass sie nicht bereit ist, die Menschenrechte zu respektieren. Sie weist Flüchtlinge bereits an der Grenze ab. Sie inhaftiert im Land selbst und schiebt viele Flüchtlinge rechtswidrig in ihre zerrütteten Herkunftsländer ab, auch in Länder, in denen ihnen Tod und Folter drohen.

In der Türkei findet weiterhin ein Krieg im eigenen Land gegen die größte Minderheit, die Kurden, statt. Sie werden verfolgt, inhaftiert und gefoltert. Mit ihrer menschenverachtenden Vorgehensweise hebelt die Türkei das Recht auf Asyl aus. Unsere Position wird von Pro Asyl und der deutschen Sektion von Amnesty International geteilt. Sie erklären darüber hinaus, dass die Genfer Flüchtlingskonvention in der Türkei nur für europäische Flüchtlinge angewendet wird, also nicht für Syrer und Afghanen – die eine Aussicht hätten, in Deutschland anerkannt zu werden.

Meine Damen und Herren, die Anzahl der ankommenden Geflüchteten in Deutschland ist deutlich gesunken, auf 50 Menschen täglich.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Gut so!)

Die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes ist nur noch zur Hälfte belegt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wunderbar!)

Aufgrund dessen hat die Landesregierung ein neues Standortkonzept erlassen, nach dem weiterhin 20.000 Plätze an 19 Standorten und 20 passive Standorte mit 15.000 Plätzen beibehalten werden sollen, die bei Bedarf reaktiviert werden können.

Die gesunkene Zahl der Flüchtlinge ermöglicht jetzt aber auch ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik. Wir fordern in unserem Antrag, in Reserve gehaltene Plätze zur Aufnahme von weiteren Flüchtlingen über die Verteilungsquote in Hessen hinausgehend bereitzustellen.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das fehlt noch!)

Gerade weil die Kapazitäten in den Einrichtungen nachweislich vorhanden sind, muss die Landesregierung nicht nur mit Schließungen reagieren, sondern kann die Initiative „Züge der Hoffnung“ unterstützen, um so ihre Bereitschaft zu Mehraufnahmen zu signalisieren. Diese Initiative setzt sich dafür ein, Flüchtlingen aus Griechenland eine neue Hoffnung zu geben und ihnen die Weiterreise zu ermöglichen, statt sie dauerhaft und unter elendsten Bedingungen in Griechenland dahinvegetieren zu lassen.

Wir wissen: Gerade in den kleineren Erstaufnahmeeinrichtungen herrscht zurzeit noch eine gute Infrastruktur vor. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die engagierten und gut eingearbeiteten Ehrenamtlichen, die inzwischen ein unverzichtbarer Bestandteil der Flüchtlingsarbeit geworden sind.

Sie haben die Zeitungsberichte verfolgt und wissen, die Verärgerung der Ehrenamtlichen war riesengroß, als ihnen ohne Vorankündigung das Standortkonzept und gleichzeitig die Schließung vieler Unterkünfte mitgeteilt wurden. Das Gefühl, dass ihre Arbeit äußerst gering geschätzt wird, hat sich ausgebreitet. Ihr Engagement – so denken wir – sollte und darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Für die sogenannten „Züge der Hoffnung“ können nicht genutzte Züge eingesetzt werden, die wenigstens 3.000 Flüchtlinge auf sicheren Reisewegen nach Deutschland bringen könnten, gerne auch mehr. Ähnliche Anträge wurden bereits in Offenbach und Frankfurt gestellt.

Liebe Kolleginnen, unser Antrag wurde von der SPD aufgegriffen. Auch dort wird die Landesregierung – mit einer Erweiterung: „gemeinsam mit dem Bund und den Bundesländern“ – aufgefordert, die Initiative „Züge der Hoffnung“ umzusetzen. Die Spezifizierung „insbesondere im Hinblick auf Kinder und Frauen“ und die Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel sind eine Auskleidung des von uns vorgelegten Antrags. Auch die SPD drängt auf eine schnelle Lösung und Entscheidung.

Vielleicht haben Sie heute schon die Nachrichten verfolgt: Aktualität gewinnt dieser Antrag durch die heutigen, erschreckenden Nachrichten, wonach die Polizei in Idomeni wieder Tränengas und Blendgranaten gegen die Flüchtlinge einsetzt, um sie am Weiterkommen zu hindern. Deshalb ist unseres Erachtens ein schnelles Handeln der Landesregierung erforderlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb bitten wir auch für unseren Antrag um eine direkte Abstimmung. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Wallmann, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2015 hat unser Land mit einem beispiellosen Flüchtlingsansturm konfrontiert. 1 Million Menschen sind nach Deutschland gekommen, davon 80.000 nach Hessen. Das sind die höchsten Zahlen in der Geschichte unserer Bundesrepublik.

Welcher Anstrengungen es bedurfte, den Angekommenen nicht nur ein festes Dach über dem Kopf zu garantieren, sondern eben auch die Erstversorgung zu gewährleisten, wissen wir alle miteinander nur zu gut. Die Kommunen, die Länder, alle beteiligten Organisationen und natürlich auch die ehrenamtlichen Helfer führte dies an ihre Belastungsgrenze und mitunter auch darüber hinaus.

Die Schließung der sogenannten Balkanroute und das am 18. März 2016 zwischen der EU und der Türkei beschlossene Flüchtlingsabkommen haben in diesem Jahr zu einer spürbaren Entlastung geführt. Das ist ganz wichtig, auch für Deutschland.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr gut!)

Die Akzeptanz der Bevölkerung muss gewährleistet bleiben.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Es darf keine Spaltung geben. Deswegen sage ich für die CDU-Fraktion auch ganz klar: Es ist gut, dass die Balkanroute geschlossen ist, und es ist gut, dass sie geschlossen bleibt.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Nicola Beer und Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich persönlich glaube und sage auch im Namen der CDUFraktion, dass es wichtig ist, dass die Sport- und die Mehrzweckhallen, die zur Unterbringung der Flüchtlinge benutzt worden sind,

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

aufgrund der Entspannung jetzt auch wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden.

In den ersten Monaten dieses Jahres, von Januar bis April, waren wieder 15.000 Neuzugänge zu verzeichnen. Die Entspannung in der Erstaufnahme und sicherlich auch das Nachlassen der medialen Berichterstattung dürfen uns aber doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die eigentliche Herausforderung noch vor uns liegt, nämlich die Integration der hierhergekommenen Menschen – und vor allem der Menschen, die eine Bleibeperspektive haben. Dazu gehören Wohnungsuche, Sprachkurse, Schule und Ausbildung. Das ist eine Aufgabe, die uns noch sehr, sehr viel abverlangen wird. Wir haben in Hessen schon viel geleistet, aber die Herausforderungen sind nach wie vor groß.

Im Übrigen sage ich: Wir müssen die Menschen, die keine Bleibeperspektive haben, in ihr Heimatland zurückführen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Eine Rede voller christlicher Nächstenliebe!)

Kommen wir noch zum Thema Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dort waren 176.000 Asylanträge aus dem letzten Jahr zu verzeichnen. 100.000 Entscheidungen wurden in den ersten zwei Monaten dieses Jahres getroffen, und man ist nach wie vor dabei, diesen Berg an Anträgen abzuarbeiten. Auch wir wollen, dass diese Anträge gründlich bearbeitet werden, und wir wollen natürlich auch, dass sich die Bearbeitungszeiten positiv verändern. Zusätzliche Belastungen würden dieses Ziel konterkarieren.

In genau dieser Gesamtgemengelage wird uns jetzt ein Antrag der LINKEN vorgelegt, die noch mehr Menschen ins Land holen wollen, die noch mehr draufsatteln wollen und die mit Macht die Zugangszahlen nach oben treiben wollen.

(Beifall bei der CDU – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Die ein christliches Herz haben!)

Das geht aus meiner Sicht an den Interessen unseres Landes vorbei. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Sie greifen in Ihrem Antrag eine Forderung von Gewerkschaften und von globalisierungskritischen Organisationen, unter anderem von Attac, auf. Sie wollen allen Ernstes freie Kapazitäten der Deutschen Bahn AG dafür nutzen, aus Griechenland Flüchtlinge nach Deutschland zu transportieren.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Wie schrecklich! Eine grauenvolle Vorstellung! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Damit sie nicht laufen müssen, denn das ist wohl unwürdig!)

Ich finde bei diesem Antrag, den ich durchaus als eine Provokation empfinde, zumindest eines bemerkenswert: