Meine Damen und Herren, die Handlungsempfehlungen des Deutschen Bundestages stammen immerhin schon aus dem Jahr 2013, und wir haben immer noch keinen Gesetzentwurf vorliegen. Deswegen besteht hier dringender Handlungsbedarf. Ich möchte Ihnen kurz aufführen, in welchen Bereichen.
Zunächst brauchen wir dringend mehr Transparenz und Öffentlichkeit. Das verloren gegangene Vertrauen in den Verfassungsschutz kann nur durch ein Mehr an Offenheit zurückgewonnen werden. Während das in anderen Bundesländern und im Bundestag schon der Fall ist, darf man in Hessen nicht einmal sagen, wann die Parlamentarische Kontrollkommission überhaupt tagt. So geheim wird das hier gehandhabt.
Herr Bauer, das ist ein schöner Hinweis, wer da die Vorsitzende ist. Wenn ich wagen sollte, hier zu sagen, wann und wo wir tagen – dafür bin ich schon kritisiert worden. Herr Bauer, deswegen ist das ein schöner Hinweis, vielen Dank. Schön, dass Sie es angesprochen haben.
Ich will Ihnen sagen: Komplett geschwärzte Akten, beschränkte Akteneinsicht – nur für Abgeordnete –, zögerliche Herausgabe von Akten, eingeschränkte Aussagegenehmigungen für Beamte und Einschüchterungsversuche gegenüber Mitarbeitern sind nicht geeignet, verloren gegan
Wir brauchen vielmehr eine gute Aufgabenbeschreibung, wofür der Verfassungsschutz tätig ist. Wir brauchen dringend rechtsstaatliche und transparente Regelungen zu Voraussetzungen, Zuverlässigkeit und Führung von V-Leuten. Wir brauchen mit Sicherheit nach den Pannen, die auch hier in Hessen passiert sind, zurückgewonnenes Vertrauen.
Meine Damen und Herren, wenn man sieht, mit welcher Qualität dort gearbeitet wurde, kann man sehr wohl verstehen, dass viele Menschen den Glauben daran verloren haben, dass V-Leute überhaupt noch notwendig sind. Wir meinen, sie sind es. Wir können nicht auf menschliche Quellen verzichten. Aber wir brauchen dazu dringend rechtsstaatliche Regelungen.
Wir müssen gewährleisten, dass diese V-Leute keinen maßgeblichen Einfluss auf die zu beobachtende Organisation haben. Wir müssen mit den Mitteln des Rechtsstaats effektiv kontrollieren, und bei dem Verfassungsschutz – das ist beim Nachrichtendienst nicht ganz so einfach – brauchen wir zwingend eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. Das ist einer der wesentlichen Punkte, die sowohl der Deutsche Bundestag als auch die Expertenkommission in Hessen herausgestellt haben. Wir brauchen Akteneinsichts- und Befragungsrechte. Wir brauchen Mitarbeiter für die Abgeordneten.
Bislang besteht die Parlamentarische Kontrollkommission in Hessen lediglich aus fünf Parlamentariern. Im Übrigen sind dort nicht einmal alle Fraktionen vertreten.
(Alexander Bauer (CDU): Gott sei Dank! – Gegenruf des Abg. Gerhard Merz (SPD): Was soll das denn heißen?)
Ah, Gott sei Dank? Das betrifft offensichtlich auch die FDP, die dort nicht vertreten ist? Das finde ich schon ein starkes Stück, ehrlich gesagt.
(Beifall bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): Arroganz der CDU! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Wollen Sie die LINKEN drin haben? – Weitere Zurufe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Herr Kollege Bellino, ich glaube, wir sind uns einig, dass die Expertenkommission zum NSU hier parteiübergreifend gute Arbeit geleistet hat.
Wunderbar, Herr Bellino. Offensichtlich kann es nur dann in Hessen eine gute Idee sein, wenn es von Ihnen kommt. Das wissen wir mittlerweile.
Aber manchmal empfiehlt es sich, Herr Bellino, das dann zu lesen, was eine solche Expertenkommission auf den Tisch gelegt hat.
Ich will Ihnen vorlesen, was sie auf Seite 203 zur parlamentarischen Kontrolle und zur Stärkung derselben gesagt hat.
Zudem ist nach Überzeugung der Kommission ein Mindestmaß an politischer Distanz zur Exekutive unerlässlich. Daher müssen in der Parlamentarischen Kontrollkommission insbesondere auch die Oppositionsfraktionen angemessen vertreten sein.
Es wird hier sogar noch Bezug darauf genommen, dass in anderen Bundesländern speziell dazu gesetzliche Regelungen geschaffen wurden, dass alle Oppositionsfraktionen vertreten sind. Denn nur durch Transparenz und Offenheit gewinnen Sie das verloren gegangene Vertrauen zurück, meine Damen und Herren.
Das ist auch überall anders der Fall. Es ist in anderen Bundesländern der Fall. Das parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages wurde schon entsprechend geändert. Aber hier in Hessen, Herr Bellino, haben Sie es tatsächlich bei einer der letzten Gesetzesnovellen fertiggebracht, die parlamentarische Kontrolle mehr zu kontrollieren.
Das ist wirklich eine Einmaligkeit in der Bundesrepublik Deutschland, dass in Hessen Regelungen geschaffen wurden, um die Abgeordneten in der Parlamentarischen Kontrollkommission besser zu kontrollieren. Das will ich Ihnen noch einmal mitgeben: Die Abgeordneten waren beim Versagen des Staates im Zusammenhang mit dem NSU nicht das Problem.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir brauchen auch einen umfangreichen Mentalitätswechsel. Die gesetzlichen Grundlagen sind ein Baustein, ein Bereich der Handlungsempfehlungen sowohl des Deutschen Bundestages als auch der Expertenkommission. Wir haben hier dringenden Handlungsbedarf. Deswegen fordern wir Sie heute nochmals auf: Legen Sie einen verfassungskonformen modernen Gesetzentwurf vor. Stärken Sie die parlamentarische Kontrolle. Tragen Sie mit dazu bei, dass das Vertrauen in die Behörden wieder zurückkehrt. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für eine so schwache Rede so viel Applaus – ich bin leicht irritiert.
Frau Faeser, ich habe Ihre Pressemitteilung aus dem Jahr 2014 dabei. Da schrieben Sie noch, wir würden die Expertenkommission brüskieren, weil wir einen Gesetzentwurf unterbreitet hatten.
Heute stellen Sie sich hin und fragen: Wo ist er denn? – Wir sollen ihn schnell beschließen. Dabei wissen Sie selbst ganz genau, dass wir vor wenigen Wochen einen Termin hatten, zu dem die Expertenkommission eine Bewertung vorlegen sollte.
Wir haben den Termin auf den 1. September 2016 verschoben. Frau Faeser, dass Sie das nicht wahrhaben wollen, ist eine erneute Brüskierung der Expertenkommission, die wir nicht mitmachen.
Freiheit und Sicherheit werden in unserer Gesellschaft in diesen Zeiten von verschiedenen Seiten bedroht. Die Sicherheitsarchitektur steht bekanntlich vor großen Herausforderungen. Für uns ist das Landesamt für Verfassungsschutz ein unverzichtbarer Teil der hessischen Sicherheitsarchitektur.
Dem Hass und der Gewalt muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats begegnet werden. Zu diesen Mitteln zählt für uns auch der Verfassungsschutz. Ohne einen starken Verfassungsschutz kann es keine Sicherheit geben.
Es ist der Verfassungsschutz, der Extremisten jedweder Couleur beobachtet. Die Aufgabe des Landesamtes ist es, zu ermöglichen, dass zusammen mit den zuständigen Stellen die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung rechtzeitig eingeleitet werden.