Protocol of the Session on April 21, 2016

(Manfred Pentz (CDU): Sie haben das bewusst unterschlagen!)

Herr Ministerpräsident, das sind schwerwiegende Anschuldigungen,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die muss man belegen!)

weshalb ich Sie bitten möchte, das entweder zu belegen oder zurückzunehmen. Das ist Ihrer nicht würdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweite Bemerkung. Ich glaube Ihnen, wenn Sie sagen, wir müssen zusammenführen und dürfen diese Gesellschaft nicht spalten. Da gehe ich wieder mit Ihnen. Aber dann unterlassen Sie bitte auch diese Gleichsetzungen, die mit diesen unseligen Extremismusansätzen angelegt werden, Politikerinnen der AfD in einem Atemzug mit Politikerinnen der LINKEN zu nennen und sie damit in deren politische Nähe zu stellen. Auch das ist Ihrer nicht würdig.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Heike Haber- mann (SPD))

Herr Kollege Dr. Wilken, vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Abg. Günter Rudolph für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben mit der Ausführung begonnen: Wir wollen hier keine Rituale machen. – Dem ersten Teil Ihrer Ausführungen können wir ausdrücklich zustimmen. Wenn es eine Erkenntnis aus der deutschen Geschichte hinsichtlich der Entstehung des Nationalsozialismus und des Faschismus gibt, dann kann auch ich nur sagen: Wehret den Anfängen. – Daraus müssen wir gemeinsam lernen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das, was wir erleben, ist nicht nur die Auseinandersetzung mit der AfD. Das ist es auch. Natürlich müssen uns die Wahlergebnisse Sorgen bereiten. Herr Ministerpräsident, natürlich betrifft das vom Grundsatz her alle Parteien. Die Mitglieder keiner Partei können sagen: Wir sind von der AfD nicht betroffen.

Natürlich haben es Populisten, die zum Teil menschenverachtende Parolen äußern, heute in dieser Gesellschaft einfach. Auf die schwierige Frage, wie wir mit der Flüchtlingssituation umgehen sollen, haben die Vertreter dieser Parteien vermeintlich einfache Antworten. Das macht sie für Leute interessant und wählbar, die sich von den etablierten Parteien nicht angesprochen fühlen.

Wir haben in dieser Gesellschaft einiges auf den Weg gebracht, und zwar hier im Land Hessen und in der Bundesrepublik. Das ist gut und richtig. Herr Ministerpräsident Bouffier, ich frage Sie eines. Es muss doch in diesem Hessischen Landtag möglich sein, klar und deutlich zu sagen: „Wir stehen zusammen“, wenn es darum geht, wie es in dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE heißt:

Aufstehen gegen Rassismus – wehret den Anfängen!

In dieser Resolution, in diesem Entschließungsantrag steht nicht ein Wort, das falsch ist. Warum gelingt es uns nicht, gemeinsam ein Signal zu geben, dass wir dagegen aufstehen? Warum gelingt uns das nicht?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich finde, es wäre glaubwürdiger, wenn wir das einmal darlegen könnten.

Herr Ministerpräsident, das zeigt dann schon, dass es auch bei Ihnen parteipolitische Spielchen gibt. Sie werfen Herrn Schäfer-Gümbel vor, er hätte das unterzeichnet, obwohl es da auch Personen gebe – –

(Zurufe)

Herr Kollege Bellino, ich trage das ganz – –

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Es wäre zulässig, einen Vorwurf zu erheben. Das stellen wir gar nicht in Abrede. Aber er hat explizit Herrn SchäferGümbel genannt. Weitere sehr prominente Personen, wie etwa die gesamte Bundesspitze der GRÜNEN – die haben Sie nicht explizit erwähnt –, haben unterschrieben. Die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Pinneberg haben unterschrieben. Es sind sehr honorige Personen und Organisationen, die das unterschrieben haben. Sie haben sich explizit Herrn Schäfer-Gümbel herausgegriffen.

Sie machen selten etwas ohne Bedacht. Herr Ministerpräsident, um das zu wissen, kenne ich Sie lange genug. Warum haben Sie das getan?

Wenn es um das Thema Distanzierung von Gewalt geht, kann ich sagen, haben die Sozialdemokraten, allen voran ihr Vorsitzender, bei der Blockupy-Debatte bewiesen, wo sie stehen. Gewalt geht niemals in dieser Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, deswegen war diese Attacke unnötig. Gemeinsam gegen Rassismus vorzugehen, wäre ein gutes Signal, wenn der Landtag es einmal aussenden könnte. Solange es uns nicht gelingt, solche Anträge gemeinsam

auf den Weg zu bringen, so lange kann diese Debatte auch nicht glaubhaft geführt werden. Es hätte dann eine andere Wirkung.

Ich sage: Im Deutschen Bundestag ist so etwas möglich, im Hessischen Landtag nicht. Die Sozialdemokratische Fraktion ist dazu bereit. Wir rufen die anderen Fraktionen auf: Lassen Sie uns gemeinsam gegen Rassismus jeder Art aufstehen! Wehret den Anfängen! – Das ist eine Erfahrung aus der deutschen Geschichte. Deswegen sollten wir gemeinsam wachsam sein. Das ist kein Platz für parteipolitische Spielchen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Kollege Rudolph, vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Abg. Boddenberg, der Fraktionsvorsitzende der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will gar nicht auf die vorhergehenden Wortbeiträge eingehen, sondern etwas sehr Grundsätzliches sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien wir doch einmal ehrlich: Wir alle, die Mitglieder des Hessischen Landtags, der Parteien in Hessen, aber auch im Bund, haben uns zu Beginn dieser Entwicklung, die wir seit einem Jahr, zwei oder drei Jahren in unserem Land haben, mit der Frage des Umgangs damit und mit dem, was wir auf der Straße teilweise erlebt haben, schwergetan. Ich erinnere einmal an das Verhalten gegenüber Pegida und die Diskussion, die Herr Gabriel und Volker Kauder in der eigenen Partei geführt haben. Da ging es nämlich um die Frage: Setze ich mich mit solchen Leuten auseinander, ignoriere ich sie, oder stigmatisiere ich sie?

Ich glaube, wir alle miteinander sollten zunächst einmal feststellen, dass es eine gewisse Zeit gebraucht hat, bis wir uns zu klaren Haltungen durchringen konnten, nicht, weil wir anfangs keine inhaltliche Haltung hatten, sondern weil es eine Strömung war und weil es Menschen waren, die aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus den Falschen – aus heutiger Sicht können wir das sicher sagen – hinterhergelaufen sind.

Jetzt hat es diese Abspaltung innerhalb der AfD gegeben. Hinsichtlich Politikern wie Herr Lucke, die Mitbegründer dieser Partei waren, sage ich: Es muss legitim sein, dass sich Menschen wie Herr Lucke und seine damaligen Partner und Freunde beispielsweise europakritisch äußern. Ich habe das inhaltlich immer scharf kritisiert. Aber es muss möglich sein, dass man das tut.

Insofern ist meine Bitte, dass wir uns vornehmen, diese Frage differenzierter zu diskutieren, als wir das da und dort tun. In der heutigen Debatte will ich sagen, dass ich den Eindruck habe, dass das in weiten Teilen gelingen kann. Wir sollten uns allesamt vornehmen, die Sorgen und Nöte dieser Menschen vor einer anonymisierten und digitalisierten Welt, vor der Globalisierung und vor Terrorismus ernst zu nehmen. Die Menschen haben Verlustängste. Denn sie merken, dass diese Welt in weiten Teilen in Unordnung geraten ist. Wir müssen uns dieser Menschen annehmen und aufhören, von vornherein zu tabuisieren, wenn sich diese Menschen vielleicht nicht so, wie wir es erwarten würden, artikulieren.

Lasst uns aufhören – ich appelliere da deutlich an die Medien in unserem Lande –, ständig denjenigen in eine rechte Ecke zu rücken, der erklärt hat, dass er ein Problem und Sorgen habe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam diese Sorgen aufgreifen und klare Antworten und Lösungen suchen.

Ich will als Letztes sagen: Die große Hoffnung, die ich habe und die wir haben müssen, ist, dass 75 bis 80 % der Wählerinnen und Wähler der AfD sagen: Wir wollten gar nicht deren Inhalte. Wir glauben nicht, dass die die besseren Lösungen hat. – Aber diese 75 oder 80 % haben erklärt: Wir müssen den Parteien einmal einen Denkzettel verpassen. – Ich sage sehr deutlich: Das ist die völlig falsche Adresse für einen Denkzettel. Das kann man logischerweise auch anders machen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass 75 bis 80 % der Menschen sagen: Ihr etablierten Parteien müsst das in Ordnung bringen. – Ich will einmal selbstkritisch sagen – auch in Richtung meiner eigenen Partei und der Bundesregierung, der wir nun einmal angehören –: Wir haben seit dem Sommer 2015 nicht immer klar erkennen lassen, wofür wir eigentlich stehen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. René Rock (FDP))

Deswegen stehen wir vor einer großen Herausforderung. Wir haben die wichtige Aufgabe, diese Gesellschaft zusammenzuhalten und alles daranzusetzen, dass die Menschen, die beispielsweise in Baden-Württemberg zu Hundertausenden zur AfD gewechselt haben – 70.000 grüne Wähler, 190.000 Wählerinnen und Wähler der CDU, 100.000 Wähler der SPD – –

Herr Boddenberg, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wir müssen versuchen, diese Menschen nicht nur zurückzuholen, indem wir sagen: Kommt zurück, wir hätten euch gerne wieder. – Vielmehr müssen wir diesen Menschen Lösungen anbieten und ihnen vor allen Dingen sagen: Ihr dürft uns mitteilen, wenn ihr Probleme habt. Wir nehmen diese Probleme ernst. – Aber wir müssen mehr über die Lösungen dieser Probleme reden, statt von vornherein diejenigen zu beschimpfen, die sie artikulieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Boddenberg. – Es spricht Abg. Wagner, Fraktionsvorsitzender des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich nur zu Wort gemeldet, weil es meiner Fraktion und mir

wichtig ist, dass die große Gemeinschaft in diesem Hause bei dieser Debatte, in der wir uns gegen Rassismus und die Entgleisungen der AfD wenden, nicht aus dem Blick gerät.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Weil es um dieses Zeichen geht, habe auch ich persönlich den Aufruf für die Konferenz am Samstag unterschrieben. Ich finde es gut, dass das viele Kollegen hier im Hause auch getan haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und der FDP)

Ich akzeptiere aber auch ausdrücklich, dass andere Kolleginnen und Kollegen andere Ausdrucksformen gegen Rassismus und gegen den Populismus der AfD finden.