Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Plenarsitzung, begrüße Sie alle sehr herzlich und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.
Ich stelle auch fest, dass noch einige Punkte offen sind: 6, 10 bis 21, 23 bis 25, 27 bis 29, 31 bis 34, 36, 38 bis 40, 43, 52 bis 56 und 60. Es ist also noch einiges offen. Sehen Sie zu, dass wir gut durchkommen.
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas Ruhe. Beruhigen Sie sich wieder. Dortmund hat in Berlin gewonnen.
(Günter Rudolph (SPD): Nicht immer gibt es geschenkte Elfmeter! Manchmal geht es auch mit rechten Dingen zu! – Weitere Zurufe)
Wir sind hier völlig neutral, was Fußball angeht. Auch wenn Gegner nicht berührt werden: Es kann Luftwirbel geben, die dafür sorgen, dass die Leute umfallen.
Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entschieden bekämpfen, Drucks. 19/3308. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 61, und wir können ihn nach den Tagesordnungspunkten 52 und 53 abstimmen.
Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von einer Stunde. Wir beginnen mit den Anträgen für eine Aktuelle Stunde. Die Tagesordnungspunkte 52 und 53 rufen wir gemeinsam auf. Bei gemeinsam aufgerufenen Anträgen beträgt die Redezeit 7,5 Minuten je Fraktion; bei den anderen Aktuellen Stunden sind es, wie immer, fünf Minuten. Danach geht es mit den Tagesordnungspunkten 43 und 61 weiter: zwei Entschließungsanträge zum Thema, die ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt werden. In Verbindung mit Tagesordnungspunkt 54 wird die mündliche Frage 530 aus der Fragestunde vom Dienstag gestellt und beantwortet werden. Dann geht es mit Tagesordnungspunkt 51 weiter.
Entschuldigt fehlen heute ganztägig Frau Abg. Brigitte Hofmeyer, Frau Abg. Nicola Beer und Herr Abg. ErnstEwald Roth. Ihm geht es wieder besser. Ich habe gestern mit ihm gesprochen. Er hat die Operation gut überstanden und ist auf dem Weg der Besserung. Das wünschen wir
Entschuldigt fehlen der Herr Ministerpräsident ab 13:15 Uhr, Frau Staatsministerin Puttrich ganztägig, Herr Staatsminister Dr. Schäfer bis 14 Uhr, Herr Staatsminister Al-Wazir ab 13 Uhr und Herr Staatsminister Axel Wintermeyer ab 16 Uhr. Aber da sind wir vielleicht schon fertig; sehen wir zu.
Das waren die Entschuldigungen. Wenn es keine weiteren Vorbemerkungen gibt, können wir in die Tagesordnung einsteigen.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Aufstehen gegen Rassismus – Aktionskon- ferenz in Frankfurt unterstützen) – Drucks. 19/3294 –
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Programmentwurf der AfD – keine Hetze gegen Muslime in Hessen und über- all) – Drucks. 19/3297 –
Die Redezeit beträgt 7,5 Minuten je Fraktion. Es beginnt Frau Kollegin Janine Wissler, Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Tagtäglich finden Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte statt. Allein im ersten Quartal dieses Jahres waren es laut BKA 268 Anschläge, im Durchschnitt also drei pro Tag. Anfeindungen gegen Muslime und Migranten nehmen zu, und erschreckend viele Menschen nehmen an rassistischen Demonstrationen wie Pegida teil. Mit Pegida und AfD ist ein Sammelbecken für diejenigen entstanden, die fremdenfeindliche und rassistische Positionen vertreten, sowohl auf der Straße als auch bei Wahlen mit zweistelligen Ergebnissen für die AfD, die offen rassistisch ist sowie für soziale Kälte und nationale Enge steht.
In der aktuellen Programmdebatte der AfD zeigt sich, dass sich diese Partei immer weiter nach rechts außen radikalisiert. Der Flügel der großbürgerlichen Ur-AfDler, die offen ihre Verachtung für Arme und Erwerbslose zeigen und einen neoliberalen, antisozialen Kurs fahren, wird schwächer. Der Flügel um den Thüringer AfD-Chef Höcke setzt sich zunehmend durch.
Dieser Teil der AfD versucht gar nicht mehr, im bürgerlichen Gewand daherzukommen; er ist offen rassistisch und verbindet das mit pseudosozialen Forderungen, was leider auch verfängt, wie man feststellt, wenn man sieht, dass die AfD zunehmend auch von Erwerbslosen und Arbeitnehmern gewählt wird – und das, obwohl sich große Teile ihres Programms gegen ihre Interessen richten. Der Kitt, der die AfD zusammenhält, besteht aus Rassismus und einem erzreaktionären Gesellschafts- und Familienbild, mit dem Ziel, die Errungenschaften der Frauenbewegung zurückzudrängen. Ich denke, dieser Bedrohung von rechts muss dringend entschieden entgegengetreten werden.
AfD-Vize Alexander Gauland hat die zunehmende Zahl von Flüchtlingen einmal als „Geschenk für die AfD“ bezeichnet. Nachdem die Flüchtlinge wegen der Schließung der Balkanroute und des Türkei-Deals zwischen Erdogan und Merkel weit vor der deutschen Grenze gestoppt werden und deshalb auch das Geschrei wegen der angeblichen Überschreitung der deutschen Aufnahmekapazitäten leiser wird, wendet sich die AfD jetzt der Hetze gegen Muslime zu. Dabei malt die AfD das Schreckensbild von einer islamischen Invasion und einem Deutschland, in dem Frauen bald nur noch vollverschleiert auf die Straße gehen dürfen und die Scharia gilt. Es wird der Eindruck erweckt, man müsse etwas gegen den ach, so gefährlichen Islam tun, bevor es zu spät ist.
Meine Damen und Herren, dieses Horrorszenario ist absurd. Seit Jahrzehnten leben Musliminnen und Muslime in großer Zahl in Deutschland. Sie sind ein Bestandteil dieser Gesellschaft und keine Bedrohung für sie.
Aber die AfD legt den Koran so wörtlich aus, wie es sonst nur die fundamentalistischsten Islamisten machen, und erklärt, der Islam sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar – was im Übrigen auch für viele Bibelpassagen gilt, wenn man sie wörtlich auslegt.
„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, steht im AfDProgrammentwurf. Minarette und Muezzins will die AfD verbieten. Der Islam sei keine Religion, sondern eine politische Bewegung. Teile der AfD fordern sogar ein Verbot neuer Moscheen, und Herr Gauland sagt: „Ich will nicht, dass der Islam in Deutschland ist“.
Worauf läuft das denn hinaus? – Auf ein Verbot islamischer Glaubensgemeinschaften und darauf, dass 5 % der Bevölkerung an der Ausübung ihrer Religion gehindert werden. Ich finde, Heribert Prantl kommentiert in der „Süddeutschen“ treffend, Verfassungsfeinde seien nicht die Muslime, sondern die AfD, die ihnen das Recht auf Religionsausübung streitig mache.
(Beifall bei der LINKEN, bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))
Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke sagt der AfD eine Entwicklung in Richtung FPÖ und Front National voraus, und er fügt hinzu, das wäre die erste klar gegen eine einzelne Religionsgemeinschaft gerichtete Partei in Deutschland seit 1945. Deshalb ist es wichtig, dass der Landtag heute Solidarität mit den Muslimen zeigt und jede Form des Rassismus zurückweist.
(Beifall bei der LINKEN, bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))
Wenn Muslime und Migranten angefeindet werden und wenn ihre Glaubensfreiheit eingeschränkt werden soll, ist das ein Angriff auf die Demokratie insgesamt. Der Sprecher des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es schon länger aus der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft geschürte Stimmungsmache gegen Muslime gibt, auf die sich die AfD stützen kann. Muslime sind verstärkt religiösen und rassistischen Vorurteilen ausgesetzt, und dazu tragen leider
auch die Politiker bei, die seit Jahren Stimmung gegen Muslime machen – um nur Namen zu nennen wie Sarrazin und manch einen Innenminister.
Herr Ministerpräsident, deshalb würde ich mich freuen, wenn Sie heute deutliche Worte gegen die AfD finden. Aber das Problem sitzt auch hier im Landtag, und ich finde, wer über die Hetze der AfD spricht, sollte zu den islamfeindlichen und migrantenfeindlichen Äußerungen eines Herrn Irmer nicht schweigen. Ich finde, gerade von Ihnen als dem CDU-Landesvorsitzenden wären hier deutliche Worte und vor allem auch Konsequenzen angebracht.
Meine Damen und Herren, das Problem ist nicht allein der Wahlerfolg rechter Parteien. An vielen Stellen bricht sich ein pogromartiger Rassismus Bahn, denken wir an Clausnitz, an Bautzen oder an Freital, wo in dieser Woche ein GSG-9-Einsatz gegen fünf mutmaßliche Rechtsterroristen stattfand.
Auch in Hessen gab es Angriffe: Es wurde auf Flüchtlingsunterkünfte geschossen und Feuer gelegt, es wurden Gasleitungen angesägt, Hakenkreuze und Tierkadaver sowie Morddrohungen hinterlassen.
Rechtsterrorismus ist kein neues Phänomen. Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Anschläge von Neonazis; erinnert sei an das Oktoberfestattentat 1980, bei dem 13 Menschen getötet wurden – das schlimmste terroristische Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik. Spätestens mit dem Auffliegen des NSU ist klar, dass Naziterror in Deutschland eine Realität ist, die viel zu lange ignoriert, kleingeredet und verharmlost wurde, leider auch von hessischen Innenministern.
Im Fall des NSU wurden die Opfer und ihre Familien verdächtigt, statt dass Hinweisen in die rechte Szene nachgegangen wurde. Ich denke, diesem Rechtsterrorismus sollten alle Demokratinnen und Demokraten etwas entgegensetzen. Wer über Neonazis spricht, darf über den Rassismus der sogenannten Mitte nicht schweigen.
(Beifall bei der LINKEN, bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))
Die Landtagswahlen haben aber auch gezeigt: Man gräbt AfD und Pegida nicht das Wasser ab, indem man ihre Parolen übernimmt, indem man das Asylrecht immer weiter aushöhlt oder indem man rechtspopulistische Forderungen in Gesetze gießt, wie das durch das Asylpaket passiert ist. Das ermutigt die AfD. Das macht sie stark.
Kampf gegen rechts bedeutet, rassistischen Ressentiments etwas entgegenzusetzen. Aber er bedeutet auch, dass man den Nährboden bekämpfen muss, auf dem solche Stimmungen gedeihen können. Wer die soziale Spaltung vertieft und Existenzängste schürt, bereitet den Boden für Hass und Verachtung in der Gesellschaft. Deshalb gehören der Kampf gegen Rassismus und der Kampf für soziale Gerechtigkeit untrennbar zusammen.
Was wir brauchen, ist eine breite Bewegung gegen rechts. Es gibt einen bundesweiten Aufruf „Aufstehen gegen Rassismus“, der von zahlreichen Organisationen sowie von 20.000 Einzelpersonen unterschrieben wurde. Zu den Erst