Natürlich gibt es religiöse und andere Wertevorstellungen, die das Patriarchat stärken. Diese sollten aber umfassend angegangen werden und nicht, wie in Ihrem Antrag, Menschen mit Einwanderungsgeschichte zugeschrieben werden.
Die christlichen Kirchen haben dabei eine unrühmliche Geschichte und Gegenwart. Der Missbrauch von Kindern, besonders von Mädchen, ist auch Teil dieser Kultur. Soll dies auch als Wert angenommen werden? Ist das kein Ausdruck des Patriarchats? Welche Überlegenheit wollen Sie denn gegenüber anderen Kulturen demonstrieren? Was bezwecken Sie damit? – Ich kann Ihnen sagen, zu was diese derartige Diskussion geführt hat: zu einem zweistelligen AfD-Ergebnis.
Mit der Zuschreibung von patriarchalischen Strukturen an eine eingewanderte Bevölkerung verstärken Sie den rassistischen Diskurs. Selbstverständlich darf es keine sexuellen und anderen Übergriffe auf Frauen geben, aber durch nichts und niemanden, weder von Deutschen, deren Vorfahren schon lange hier gelebt haben und eindeutig patriarchalisch geprägt sind, noch von Menschen in zweiter Generation, noch von Menschen, die eben eingewandert sind. Da müssen wir den Blick auf die nordischen Länder werfen, da ist die Situation deutlich besser.
Selbstverständlich soll darüber informiert und diskutiert werden, dass Frauen gleiche Rechte haben und ihre sexuelle Selbstbestimmung leben sollen. Das soll aber allgemein und universal diskutiert und dabei nicht mit Unterstellungen gearbeitet werden.
Lassen Sie uns lieber daran arbeiten, wie wir einen tatsächlichen Wertewandel zu einer Gesellschaft erreichen, in der sexuelle Gewalt geächtet ist, Frauen gleiche Rechte und gleiche Möglichkeiten wie Männer haben und Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen sozialen Status ebenso die gleichen Voraussetzungen zur Gestaltung ihres Lebens haben. Dann sind wir dabei. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Kollegin Dorn gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort. Zwei Minuten.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Schott, ich möchte Ihnen den Antrag noch einmal vorlesen, denn Sie missinterpretieren – ich weiß nicht, ob absichtlich, oder weil Sie es nicht genau verstanden haben – genau diese Sätze. Ich lese sie noch einmal vor:
Der Landtag stellt fest, dass Gewalt gegen Frauen durch patriarchalische Strukturen begünstigt werden kann. Diese können individuell, sozial, kulturell oder religiös verstärkt werden und sind weltweit in unterschiedlich starker Ausprägung verbreitet. Das Ausüben von Macht und Dominanz gegenüber Frauen kann in körperliche und sexualisierte Gewalt münden, ebenso die Tabuisierung von Sexualität. Menschen, die aus patriarchalisch geprägten Milieus oder Kulturen kommen, müssen unsere Wertevorstellungen und Gesetze anerkennen und beachten, egal ob sie bereits in Deutschland leben oder zu uns kommen.
Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, wir kommen aus der Frauenbewegung, und wir kämpfen, seitdem es uns gibt, gegen patriarchalische Strukturen in Deutschland und weltweit. Genau das steht in diesem Antrag.
Es ist wichtig, dass wir dieses Phänomen ganzheitlich betrachten. Wir müssen überall hinschauen, wo patriarchalische Strukturen verstärkt werden. Diese gibt es in Deutschland, diese gibt es in anderen Kulturen. Es gibt Milieus, es gibt religiöse Begründungen, genau das steht in diesem Antrag.
Bei diesem Thema sollten wir sehr ehrlich und sehr sensibel argumentieren. Deswegen finde ich es sehr enttäuschend, dass Sie genau nur diese Worte lesen, die Sie lesen wollen, statt genau hinzuschauen. – Vielen Dank.
Ich freue mich sehr, wenn Sie das, was ich vorgetragen habe, genau nicht gemeint haben. Dann bin ich auch ein ganzes Stück beruhigter. Dann müssen Sie es aber auch so formulieren, dass klar wird, dass Sie es so nicht gemeint haben.
Sie dürfen es nicht so formulieren, dass es aus unserer Sicht Missverständnissen Tür und Tor öffnet. Sie sprechen von „unseren Wertevorstellungen“. Was sind denn unsere Wertevorstellungen? Ich frage mich seit vielen Wochen, seitdem wir diese Diskussion über unsere Werte führen, was denn unsere Wertevorstellungen sind. Sind das die Gesetze, nach denen es zurzeit möglich ist, Frauen zu vergewaltigen, ohne dafür bestraft zu werden?
Oder ist es eine Kultur, in der Frauen gleichberechtigt sind? Dieselbe Kultur, in der es möglich ist, dass Frauen auf Kirmesfeiern, auf Faschingsfeiern begrapscht werden, ohne sich wehren zu können? Wenn sie sich wehren, werden sie noch als grüne Langweilerin dargestellt. Ist das unsere Kultur? Was ist denn diese unsere Kultur, die es zu verteidigen gilt?
Oder Wertevorstellungen. – Sie können dieses Wort „Wertevorstellungen“ an dieser Stelle noch einmal unterfüttern oder beleuchten. Was ist dieser Wert, und wer trägt diesen Wert? Haben wir ihn in dieser Gesellschaft als universellen Wert, oder hätten wir ihn gerne als universellen
Eine Kultur, in der es einen Wert gibt, der nicht von den Menschen getragen wird – das ist an vielen Stellen in der Frauenfrage leider so, dass der Wert von vielen nicht getragen wird –, birgt Konflikte.
Wenn es nicht stimmen würde, hätten wir keine Vergewaltigungen, wir hätten keinen Kindesmissbrauch, wir hätten keine Gewalt gegen Frauen in allen möglichen Kneipenund Kirmessituationen. Das ist doch das Problem, und das müssen wir uns vor Ort eingestehen, dass wir dieses Problem nach wie vor haben.
Wir sind auf dem Weg, aber der Weg ist weit, und es gibt noch eine Menge zu verbessern. Wir müssen sehr genau aufpassen, dass wir nicht in die Falle tappen, das Fremde gegen das Eigene und das, was wir können und was andere angeblich nicht können, auszuspielen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich, dass wir anlässlich des Weltfrauentags in diesem Plenum über Frauenpolitik diskutieren; das finden wir gut. Staatsminister Al-Wazir wollte gerne Lob hören,
und erstaunlicherweise hat mich sogar – obwohl es ein frauenpolitisches Thema ist – mein parlamentarischer Geschäftsführer vorgestern dazu aufgefordert, diesen Antrag zu loben.
Ich will es aber gerne tun: Dieser Antrag hat nicht nur eine hervorragende Rechtschreibung, sondern ruft auch einige wichtige frauenpolitische Punkte auf. Allerdings ist ihm auch anzusehen, dass er – ich weiß es nicht – aus zwei verschiedenen Federn zu stammen scheint, von zwei Gruppen, die frauenpolitisch auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen agieren
und die jetzt einen Kompromiss finden mussten. Man könnte es sogar absatzweise zuordnen, obwohl ich jetzt nicht mehr ganz so sicher bin, weil eben die Falschen den entsprechenden Absatz verteidigt haben, den ich anders zugeordnet hätte.
Wir freuen uns auch immer, zu hören, dass bei uns das Grundgesetz gilt – daran müssen wir im Hessischen Landtag immer mal erinnert werden. Deswegen ist es gut, dass es im Antrag formuliert wurde.
Vor einem halben Jahr haben wir hier gestanden und über den Gleichberechtigungsbericht der Landesregierung gesprochen. Dabei haben wir festgestellt, dass es erstens nicht so schnell vorangeht und zweitens bei der Besetzung von Führungspositionen im öffentlichen Dienst noch deutlich Luft nach oben ist.
Da könnte ein Hessisches Gleichberechtigungsgesetz natürlich eine Vorbildfunktion haben, wie Sie zu Recht sagen. Aber es muss dann auch ein weitgehendes, modernes Gleichberechtigungsgesetz sein.
Ich gehe davon aus, dass die Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die diese Postkartenaktion für ein gutes Gleichberechtigungsgesetz unterschrieben haben, nicht gedacht haben, dass ihr Gesetzentwurf damit gemeint sei, sondern, dass es sich auf unseren Gesetzentwurf bezogen habe.