Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist ein richtiges Zeichen, wenn das hessische Parlament an einem solchen Tag klarmacht, dass es den Schulterschluss gegen Populisten sucht. In Zeiten, in denen auf die Politik große Herausforderungen zukommen, kann man nicht mit einfachen Antworten agieren.
Deshalb sage ich: Man muss sich einmal die sogenannte Alternative für Deutschland und deren Struktur anschauen. Das sage ich auch an große deutsche Zeitungen gerichtet,
in deren Leitkommentaren immer noch darüber debattiert wird, ob dies die rechtskonservativ-intellektuelle Partei ist, die von der Eurodebatte jetzt zu der Frage übergegangen ist, wie sich Deutschland weiterentwickeln kann. Nein, das ist nicht mehr die Partei von Herrn Lucke und anderen, sondern das ist eine Partei, in der Menschen übriggeblieben sind, die – das finde ich jedenfalls – mit Rechtskonservativismus wenig zu tun haben.
Ich glaube, deshalb ist es richtig, dass wir dieser Partei ein bisschen den Boden nehmen, aus dem sie ihre Energie zieht, nämlich die Verschwörungstheorien. Wir erleben, dass die AfD an vielen Stellen versucht – ich habe das in Diskussionen, auch in den letzten Monaten, immer wieder gemerkt –, mit Darstellungen, die Halbwahrheiten oder gar keine Wahrheiten beinhalten, die Menschen zu verunsichern und ihnen dann zu suggerieren, sie habe möglicherweise Antworten und Lösungen für die Probleme – auch für solche, die so gar nicht bestehen.
Deshalb sind wir bei allen Debatten, die wir hier führen, aufgefordert, zwischen den AfD-Politikern und den Menschen zu differenzieren, die sich zurzeit aus Sorge – was auch immer sie treibt – als Wähler bei der AfD versammeln wollen. Ich glaube, da muss differenziert werden. Wir sehen, woher die Wähler kommen, die zurzeit zur AfD strömen. Darunter sind frühere Anhänger aller großen und kleineren deutschen Parteien. Das sage ich ganz offen. Alle sollten sich Gedanken darüber machen: Warum ist das so? Warum wenden sich Wähler von den etablierten Parteien ab?
Ich glaube auch, deshalb ist es richtig, dass wir über den richtigen Weg streiten, wenn es um die Transparenz der Debatte in den letzten Monaten geht und darum, wie man mit solchen Sachverhalten umzugehen hat. Deshalb sage ich: Verschwörungstheorien werden letztendlich aus Intransparenz gespeist. Als Demokraten sind wir aufgefordert, diesen Verschwörungstheorien den Boden zu entziehen. Ich glaube, das ist ein zentraler Punkt.
Ich will offen sagen, dass das, was wir bei der AfD mittlerweile an Ideologie erkennen, eine aus völkischen Theorien gebildete Struktur hat. Man sollte sich das, was dort mittlerweile verbreitet wird, wirklich einmal anschauen.
Ich stimme dem Kollegen Wagner zu, der zu Recht gesagt hat: Dass Herr Gauland als Grundlage für den Erfolg seiner Partei letztendlich die Krise beschreibt, in der sich Deutschland befindet, bedeutet, dass sie sozusagen Krisen als Energieschub braucht, um sich selbst zu etablieren. Dann aber, muss man sagen, ist sie nicht am Wohl dieses Landes interessiert, sondern nur an ihrem eigenen. Dagegen müssen die Demokraten aber definitiv zusammenstehen.
Wenn man die Person Gauland betrachtet, muss man sagen: Es ist interessant, zu beobachten, dass ein Mann, der, glaube ich, im linksliberalen Spektrum der Union angesiedelt war, eine solche Wandlung vollzogen hat. Was ihn
treibt – ich habe jetzt den Artikel in der „FAZ“ gelesen, den ich spannend fand –, kann man nicht richtig nachvollziehen. Man weiß nicht, welche Ereignisse in seinem Leben ihn dorthin gebracht haben.
Ich glaube, dass seine Positionierungen damals eher revolutionär waren. Herrn Wallmann erst als Oberbürgermeister und dann als Ministerpräsidenten mit zu positionieren war, glaube ich, auch für die Parteienstruktur in Hessen überraschend, und es war interessant, wie sich das damals entwickelt hat. Fakt ist aber, dass das, was Herrn Gaulands Positionierung mittlerweile ausmacht, eigentlich nur noch als indiskutabel zu bezeichnen ist.
In der jetzigen Debatte gibt es noch einen zentralen Punkt, der mir wichtig ist. Der Herr Ministerpräsident hat sowohl gestern in seiner Rede beim Handwerk als auch in seinem Pressestatement zutreffend gesagt, wie wir mit der AfD umzugehen haben. Trotzdem rate ich uns allen eines: Wir sollten keine Chance auslassen, die AfD inhaltlich zu stellen, auch in Debatten mit ihren Vertretern, nicht nur in den Debatten über sie.
Eines darf uns nämlich nicht passieren: dass in einer solchen Situation der Eindruck entsteht, wir würden quasi mithilfe von staatlichen Organen versuchen, eine berechtigte Diskussion unter dem Motto „Das wird man doch einmal sagen dürfen“ totzumachen, Nein, wir alle sind gut beraten – ich glaube, jeder in diesem Parlament ist dazu auch in der Lage –, wenn wir uns argumentativ mit der AfD auseinandersetzen und sie inhaltlich stellen. So sollten wir das angehen.
Was die Fernsehdebatten betrifft: Ich traue jedem Spitzenkandidaten einer demokratischen Partei in Rheinland-Pfalz und auch in Baden-Württemberg zu, die Kollegen von der AfD in einer inhaltlichen Debatte zu stellen, darauf zu achten, was dort vorgetragen wird, und im wahrsten Sinne des Wortes Alternativen aufzuzeigen zu den plumpen Parolen, die wir von der AfD in den letzten Monaten gewohnt sind.
Dazu kann ich nur raten, wenn wir in Hessen in eine solche Diskussion kommen. Solche Diskussionen werden im Rahmen der anstehenden Wahlkämpfe kommen: im nächsten Jahr der Bundestagswahlkampf, danach der Landtagswahlkampf.
Wenn es solche Veranstaltungen gibt, kann ich für meine Person nur sagen: Ich habe keine Probleme damit. Dann sollen Vertreter der AfD eingeladen werden, und wir diskutieren mit ihnen. Ich bin mir sicher, dass sich zum Schluss diejenigen durchsetzen, die nachhaltig die besseren und seriöseren Argumente haben, nicht aber die, die populistische Theorien vertreten. Da haben wir definitiv einen Vorteil.
Deshalb sage ich abschließend: Dieses Parlament ist gut beraten – daher bin ich den Kollegen auch dankbar –, in solchen Situationen, auch bei Naziaufmärschen, klare Zeichen zu setzen. Das ist es, was diese Demokratie ausmacht,
auch wenn wir heftig streiten. Das ist bekannt. Aber es ist auch der Ort dafür, um heftig zu streiten und die Situation letztendlich doch so zu organisieren, dass diejenigen, die Verantwortung tragen – in diesem Haus haben fast alle Fraktionen schon einmal die Regierungsverantwortung getragen –, zeigen, dass sie in der Lage sind, zu agieren.
Ja, wir streiten über den richtigen Weg. Ich denke, das ist auch definitiv die richtige parlamentarische Vorgehensweise. Fakt ist aber, wir sollten zusammenstehen, wenn an den Rändern dieser Republik versucht wird, die Demokratie, wie wir sie in diesem Lande haben, zu bekämpfen.
Ich glaube, das ist einer der zentralen Punkte. Insofern sollten wir gemeinsam daran arbeiten, der AfD ihre Verschwörungstheoriestruktur durch Transparenz und durch ein Agieren gegen diese Politik zu nehmen. Ich glaube, dieser Landtag ist ein Beispiel dafür, dass sich Demokratie lohnt. Auch wenn sie von außen nicht immer nur gelobt wird, glaube ich, Demokratie ist die beste Form auf der Welt, wie Menschen miteinander umgehen können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Hessen darf es keinen Platz für Ausgrenzung, Gewalt und Hass geben. Das muss immer und in alle Richtungen gelten. Wenn wir uns heute Morgen die Gelegenheit nehmen, das wieder einmal zu bestätigen – möglichst über alle Reihen hinweg –, machen wir das nicht aus Angst vor der AfD, sondern weil wir überzeugt sind, dass in einer freiheitlichen Demokratie an diesem Grundfundament nicht gerüttelt werden darf, egal von welcher Seite.
Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, klarzumachen – nicht nur vor Wahlen, sondern jederzeit, auch dann, wenn es schwierig ist –: Eine freiheitliche Demokratie muss den Widerspruch ertragen, und sie muss auch die Feinde der Demokratie ertragen; aber sie braucht nicht sprachlos zu sein, und sie muss vor allen Dingen die Gemeinschaft der Demokraten in den Mittelpunkt rücken. Die Debatte führen wir nicht aus Angst vor etwas, sondern aus Sorge um die Demokratie und um unser Land. Genau das ist der Grund, warum wir das machen.
Deshalb freue ich mich, dass es z. B. in Büdingen gelungen ist, zu zeigen, dass Menschen diesem Treiben nicht gleichgültig zuschauen, dass sie sagen, was sie davon halten, dass es uns gelingt, auch in einer schwierigen Situation deutlich zu machen, wo die Grenzen verlaufen.
Meine Damen und Herren, es gab hier eine große Übereinstimmung. Das kann ich für die Landesregierung nur unterstreichen – Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben auch
davon gesprochen –; auch ich habe sehr deutlich gemacht, und ich mache das heute für die gesamte Landesregierung wieder: Es gibt Situationen, wo man sich ganz besonders deutlich artikulieren muss. Sie haben in Ihren Beiträgen alle ein wenig zwischen der Führung, denen, die da hineingerutscht sind, und den Wählerinnen und Wählern differenziert. Das ist zwar immer klug, aber wir haben auch eine politische Führungsaufgabe. Daher kann man nicht schweigen, wenn an der Spitze einer Partei – es ist mir relativ wurscht, ob die abgeglitten sind oder nicht –, und zwar nicht nebenbei und mit unglücklichen Formulierungen, sondern nach meiner Überzeugung durch ganz bewusste Provokationen, alle Grenzen des Anstands überschritten wurden. Das geht nicht.
Die AfD hat sich entlarvt als eine Organisation, die in einer Mischung aus Angst, Abgrenzung, Ausgrenzung und der sprachlichen Ebnung, dass man sich doch gegebenenfalls wehren müsse, den Rubikon überschritten hat. Diese Mischung ebnet verbal den Weg zur Gewalt, und wer diesen Weg ebnet, nimmt bewusst in Kauf, dass aus Worten Taten werden. Genau das muss verhindert werden.
Das ist nicht nur unanständig, sondern es ist gefährlich. Nicht zuletzt schadet es unserem Land sowie dem Ansehen unseres Landes in der Welt. Es ist mehrfach gesagt worden: Die AfD ist jetzt die zweite Partei nach der SED, die den Schießbefehl für richtig hält. Ich sage sehr deutlich, auch eingedenk eines Erlebnisses von gestern Abend, über das ich berichten will: Eine solche Partei ist für jeden aufrechten Demokraten unwählbar.
Ich hatte gestern Abend eine Veranstaltung, wo es auch um Fragen ging, die uns alle tagtäglich bewegen. Ich habe meine Meinung sehr deutlich gesagt. Anschließend kam ein älterer Herr zu mir, sichtlich aufgebracht, und sagte: „Sie grenzen mich aus!“, „Das lasse ich mir von Ihnen nicht gefallen!“, „Wir stehen auch für dieses Land!“, „Ihr habt versagt!“ Ich habe den Mann reden lassen. Es hätte überhaupt keinen Sinn gehabt, seine Erregung zu stoppen. Ich habe ihn daher erst einmal reden lassen.
Dann habe ich gesagt: „Ich muss akzeptieren, dass Sie das so sehen, aber ich habe eine Frage an Sie: Sind auch Sie der Auffassung, wie es z. B. Frau von Storch auf Nachfrage erklärt hat, auf Kinder dürfe man vielleicht nicht schießen, aber auf Frauen schon?“ Das hat ihn irritiert, und dann hat er gesagt: „Das hat mit mir gar nichts zu tun; das ist nicht mein Thema.“ Das war eine unangenehme Begegnung für beide. Aber ich habe mich entschieden, ihr nicht auszuweichen, weil ich glaube, dass wir beides tun müssen:
Erstens. Wir dürfen das, was diesen Mann und viele andere bewegt, nicht ignorieren. Ich empfehle uns, diejenigen trotzdem zu konfrontieren, die glauben, dass das eine politische Lösung, dass diese Partei eine bessere Lösung für unser Land sei. Wir dürfen uns die Konfrontation mit diesen Grenzüberschreitungen nicht ersparen. Deshalb bin auch ich bei denen, die die Auffassung vertreten, man müsse sich stellen. Ich bin froh, dass diese Posse und die spannende Frage, wer denn im Fernsehen mit wem diskutiert, doch irgendwie gelöst wurde.
Meine Damen und Herren, wenn wir nicht die Kraft haben, dorthin zu gehen, wenn wir nicht die Kraft haben, uns auch denen zu stellen, die wir in jeder Hinsicht nicht mögen und deren Positionen wir verabscheuen, dann überlassen wir ihnen nicht nur die Bühne, sondern, viel schlimmer, dann betreiben wir ihr Geschäft, weil sie sagen werden: „Seht ihr, die haben sogar Angst vor uns, und sie haben keine Argumente.“ Wir haben aber die besseren Argumente, und deshalb stellen wir uns.
Das Zweite ist, auch darüber müssen wir reden: Wir dürfen uns sozusagen nicht in Beschwörungsformeln erschöpfen. Wir reden heute wieder unter uns. Ein Großteil der Menschen, die wir meinen, nimmt an dem hiesigen Diskurs in gar keiner Weise teil. Ein Blick in die sozialen Netzwerke offenbart Ungeheuerliches. Er offenbart Schändliches, ungebremsten Hass, Ungezügeltes, und man könnte es, wie es der Bundespräsident genannt hat, als „Dunkeldeutschland“ bezeichnen. Es muss uns aufrütteln, dass wir viele Menschen nicht mehr erreichen. Unsere Debatten, diese habituellen Geschichten, die wir hier drei Tage lang machen, erreichen viele Menschen überhaupt nicht. Hieran immer wieder zu arbeiten, damit wir das nicht vergessen und die Menschen erreichen, die wir eigentlich erreichen müssen, ist auch Teil der Aufgabe.
Es wird Menschen geben, die wir als Demokraten nicht mehr erreichen. Das ist bedauerlich, aber da sollte man sich nichts vormachen. Aber es muss uns um diejenigen gehen, die auf dem Weg sind, Vertrauen zu verlieren, und deshalb glauben, mit ihrer nachvollziehbaren Sehnsucht nach einfachen Lösungen dort anzukommen. Jede Gesellschaft hat extreme Ränder – alle. Unsere Aufgabe muss es sein, diese extremen Ränder immer so klein wie möglich zu halten. Deshalb müssen wir den Ideologen, den Scharfmachern entgegentreten; diese werden wir nie überzeugen. Aber wir müssen ihnen klar Grenzen aufzeigen.