Protocol of the Session on December 17, 2015

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden heute mit Ihrer Mehrheit Ihren Gesetzentwurf zur hessischen Kommunalverfassung beschließen. Das ist schade. Denn mit dieser Entscheidung verpassen Sie es erneut – und vor allem verpasst es die Hessische Landesregierung –, weitere Fortschritte in der Kommunalverfassung in Hessen zu verankern.

Ihr Gesetzentwurf wird die kommunale Selbstverwaltung eher verkomplizieren und teurer machen. Denn genau dazu

wird die Ausweitung der Möglichkeit führen, ehrenamtliche Bürgermeister in Kommunen bis zu 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zu bestimmen. Gerade in kleineren Gemeinden ist der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin zugleich auch erste Sachbearbeiterin. Fällt dies weg, wird dies vielerorts zu Neueinstellungen von entsprechendem Personal führen müssen, das die betreffenden Aufgaben dann hauptamtlich übernimmt. Damit sparen Sie an dieser Stelle nichts.

Ihr Volksvertreterbegehren führt zu einer Verantwortungsverschiebung bei besonders schwierigen kommunalen Entscheidungen und wird von uns als eher scheindemokratisch abgelehnt. Es ist deshalb das Gegenteil von konsequenter Bürgerbeteiligung, wie wir sie in unserem Gesetzentwurf detailliert beschrieben haben. Es reicht nicht aus – wie im Regierungsentwurf vorgesehen –, die Quoren für Bürgerentscheide nur leicht zu senken, wenn gleichzeitig keine Reduzierung des unangemessen großen Ausschlusskatalogs mit Themen, zu denen eben keine Bürgerentscheide durchgeführt werden dürfen, erfolgt.

Auch der weitere Ausschluss von Nicht-EU-Bürgern vom kommunalen Wahlrecht und Ihr Festhalten am Wahlrecht ab 18 Jahren sind aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäß. Hier wollen wir, wie in anderen Bundesländern, auf 16 Jahre heruntergehen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Im Gesetzentwurf unserer Fraktion ist ein hohes Maß an direkt-demokratischen Beteiligungsformen beschrieben, die in anderen Bundesländern in vielen Teilen längst gang und gäbe sind und durchweg positive Effekte erzielen konnten. In der zweiten Lesung habe ich das ausgeführt: Gerade die Bayern sind da sehr maßgebend und auch sehr erfolgreich, was die direkt-demokratische Beteiligung angeht.

Es liegt Ihnen ebenfalls ein zumindest in Teilen zustimmungswürdiger Antrag der SPD-Fraktion vor. Bei aller Differenz, die wir hinsichtlich der Seniorenbeiräte haben, hätte er den Regierungsentwurf zumindest deutlich verbessert. Auch den werden Sie vermutlich ablehnen.

So bleibt es am Ende bei Ihrem Entwurf. Der setzt die völlig verkorkste Kommunalverfassung von Schwarz-Gelb unter Schwarz-Grün konsequent fort.

(Widerspruch bei der CDU)

Schade, denn Hessens Kommunen, deren Einwohner und vor allem die künftigen Kommunalpolitikerinnen und -politiker hätten Besseres verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Bauer für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich müsste man eine vierte Lesung beantragen, um Herrn Schaus zu erklären, welch gute Regelungen dieser Gesetzentwurf enthält

(Zurufe – Christoph Degen (SPD): Das war ein Antrag!)

und wie wir die Hessische Gemeindeordnung fortschrittlich und gut weiterentwickeln. Aber ich will uns das ersparen und auf die wesentlichen Eckpunkte zurückkommen, was wir durch diesen Gesetzentwurf verbessern, welche Erleichterungen wir einführen und wie wir damit den Interessen der Kommunen, der Städte und Gemeinden, auch entgegenkommen.

Wir erleichtern die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene. Das ist in der Tat ein moderater Vorschlag, aber das ist auch der Ausgleich zwischen dem, was man maximal fordern kann, zwischen direkter und indirekter Demokratie. Wir bewegen uns hier im Mittelfeld. Mit der Absenkung der Zustimmungsquoren in den Großstädten tun wir einen richtigen Schritt.

Wir erlauben es auch – und das machen viele andere Flächenländer schon längst –, die Initiative für Bürgerentscheide auch der Gemeindevertretung zu überlassen. Ein hohes Quorum zur Einleitung – von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mandatsträger – ist eine auskömmliche Hürde, um dieses Instrument nicht zu missbrauchen. Das ist keine Abwälzung von unangenehmen Entscheidungen, sondern das ist das Einbeziehen des Souveräns in wichtige Entscheidungen vor Ort. Was kann besser sein, als den Bürger direkt an gewissen Verfahren und Entscheidungen zu beteiligen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ein zweiter Schwerpunkt ist die Unterstützung von freiwilligen Zusammenschlüssen von Städten und Gemeinden durch eine partielle Entschuldung der Kernhaushalte – eine wichtige Maßnahme, bei der wir Restmittel verwenden können, um freiwillige Kooperationen zu fördern, aber auch Fusionen finanziell schmackhaft zu machen. Dazu werden gut 27 Millionen € freier Mittel aus dem Kommunalen Schutzschirm verwendet. Im Einzelfall können diese Gemeinden um bis zu 46 % entschuldet werden. Das ist ein wichtiges Signal für ein freiwilliges Zusammengehen von Gebietskörperschaften.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil wir die interkommunale Kooperation fördern wollen und z. B. auch Verwaltungsgemeinschaften ermöglichen wollen, ist es auch ein sinnvoller Weg, die Möglichkeit für ehrenamtliche Bürgermeister – das ist bisher nur für fünf Gemeinden möglich; wir haben gerade einmal fünf Gemeinden unter 1.500 Einwohnern – auf eine vertretbare Grenze auszuweiten, dass man dann vor Ort entscheiden kann, ob man das möchte. Denn wenn Kommunen kooperieren und Verwaltungsgemeinschaften bilden, dann kann durchaus vor Ort entschieden werden, dass einer der Bürgermeister – der, wie gesagt, in die Verwaltungsgemeinschaft eingeht – dieses Amt dann auch ehrenamtlich ausübt. Meine Damen und Herren, das ist durchaus eine praktikable Möglichkeit vor Ort, für ein besseres Miteinander von Städten und Gemeinden.

In einem dritten Bereich geht es um das Geld. Wir verbieten die innovativen Finanzierungselemente. Im Zuge der Finanzkrise gab es hier durchaus einige Schadensmeldungen. Wir werden dafür sorgen, dass die Kommunen keine Kredite mehr in Fremdwährungen aufnehmen dürfen und dass, wenn sie das überhaupt tun, das Währungsrisiko ab

zusichern ist. Wir haben auch eine Erleichterung bei der Aufnahme von Kreditmöglichkeiten: Die Eilzuständigkeiten und die Kassenkredite können hier neu geregelt werden.

Meine Damen und Herren, ich denke, das sind wichtige Maßnahmen, die wir hier ermöglichen. Wenn ich mir die Änderungswünsche der SPD anschaue, dann muss ich in der Tat einmal fragen:

(Zuruf des Abg. Christoph Degen (SPD))

Was soll denn hier geändert werden, das nicht schon längst auf freiwilliger Basis möglich ist? Der Kollege Rudolph, der gleich nach mir spricht, ist ein langjähriger Kommunalpolitiker in Edermünde.

(Günter Rudolph (SPD): Stimmt! Und erfolgreich!)

Ich habe einmal nachgeschaut, ob das in Edermünde überhaupt schon realisiert wird, was er hier fordert. Gibt es in Edermünde ein Kinder- und Jugendparlament? – Nein. Das gibt es nicht.

(Zurufe von der CDU)

Gibt es dort einen Seniorenbeirat? – Nein, das gibt es nicht. Sie haben schon längst die Möglichkeit, mit Ihrer Mehrheit so etwas einzurichten.

(Zurufe von der CDU)

Wir wollen die Kommunen nicht verpflichten, so etwas zu tun, aber auf freiwilliger Basis können sie das jetzt schon realisieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um die vorweihnachtliche Stimmung nicht zu strapazieren, will ich einmal sagen:

(Günter Rudolph (SPD): Machen Sie ruhig weiter, Herr Kollege!)

Im Wege eines Änderungsantrags eine so grundsätzliche Frage des Wahlalters hier hereinzuspielen – ob man mit 16 oder mit 18 wählen darf –, das wird mit uns nicht zu machen sein.

(Günter Rudolph (SPD): Vielleicht sollten Sie einmal bei der Wahrheit bleiben!)

Das ist eine grundsätzliche Frage. Wir haben dazu eine grundsätzliche Antwort. Es ist immer noch nicht erklärbar: Warum soll man mit 16 wählen dürfen und nicht mit 15?

(Günter Rudolph (SPD): Oder mit 18 oder mit 17?)

Weil man mit 18 volljährig wird, Herr Kollege Rudolph. Wir knüpfen das Wahlalter an die Volljährigkeit. Solange die Volljährigkeit in Deutschland mit 18 erlangt wird, soll auch die Bestimmung im Wahlgesetz so bleiben.

Zu der Frage, ob man für jede Gruppe ein eigenes Gremium braucht, für die Jungen, für die Alten, für die Immigranten, für Alteingesessene: Das kann man machen, wenn man das vor Ort tun möchte. Das ist schon jetzt möglich. Wir wollen jedoch die Gemeindevertretungen stärken und lehnen deshalb eine „Zwangs-Vergremisierung“ – so nenne ich es einmal – ab. Wir haben aber nichts dagegen, wenn z. B. Seniorenbeiräte eingerichtet werden.

Die Ausländerbeiräte müssen zu Integrationsbeiräten weiterentwickelt werden. Hierbei kann ein Benennungsverfahren funktionieren; wir können Menschen, die sich bereit er

klären, sich für Integration einzubringen, auch ohne ein aufwendiges Wahlverfahren benennen. Da können übrigens auch Deutsche mitmachen.

Wir haben einen guten und ausgewogenen Gesetzentwurf vorgelegt, dem wir heute in dritter Lesung zu Gesetzeskraft verhelfen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abg. Gnadl, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Ihnen mit unserem Änderungsantrag am Dienstag noch einmal die Chance gegeben, für mehr Beteiligung und Mitwirkungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern zu sorgen. Das haben Sie allerdings abgelehnt. Die Überschrift Ihres Gesetzentwurfs – „Erleichterung der Bürgerbeteiligung“ – ist und bleibt damit ein Placebo.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Was die Senkung der Quoren angeht, die für einen erfolgreichen Bürgerentscheid notwendig sind, liegt Hessen im bundesweiten Vergleich mit den höchsten Zustimmungsquoren weit hinten. Deshalb ist es wichtig und richtig, die Quoren für Bürgerentscheide zu senken. Wenn man das aber macht, dann bitte schön so, dass es eine Wirkung entfaltet. Die Anhörung hat gezeigt, dass von der von Ihnen vorgesehenen Absenkung nur sehr, sehr wenige Kommunen überhaupt betroffen sind. Das zeigt, dass das, was Sie vorschlagen, weitgehend wirkungslos ist und bleibt. Von einer echten Erleichterung der Bürgerbeteiligung kann in Ihrem Gesetzentwurf nicht die Rede sein.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)