geraten, die nicht an die Öffentlichkeit gehören, weil damit Interessen von anderen oder sogar deren Leib und Leben bedroht sind.
Nur, der hessische Untersuchungsausschuss ist der einzige Untersuchungsausschuss, in dem solche Fragen nicht sachlich erörtert, sondern skandalisiert werden. Das ist der Unterschied hier in Hessen, wo selbst die Schwärzungen skandalisiert werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Nancy Faeser (SPD): Das liegt an der Landesregierung, Herr Wagner, nicht am Parlament!)
Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Sind denn die hessischen Behörden die einzigen Behörden, die schwärzen, so wie hier manchmal der Eindruck erweckt werden soll? – Nein, meine Damen und Herren, auch andere Behörden schwärzen. Ist der hessische Untersuchungsausschuss denn der einzige, in dem es geschwärzte Akten gibt? – Nein, meine Damen und Herren, es ist auch in anderen Ausschüssen so. Und kann es Gründe für Schwärzungen geben? – Ja, die kann es geben. Das bestreitet hoffentlich hier niemand. Dennoch wird ständig versucht, einen anderen Eindruck zu erwecken.
Jetzt kommt die entscheidende Frage: Können in Hessen alle Abgeordneten, die in diesem Ausschuss sind, die Akten vollständig, ohne Schwärzung, einsehen und sich ein eigenes Bild verschaffen? – Ja, das können sie. Da frage ich Sie: Worüber reden wir hier eigentlich noch, meine Damen und Herren?
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU – Günter Rudolph (SPD): Wo leben Sie denn eigentlich? Das ist ja unglaublich!)
(Günter Rudolph (SPD): Dass der hessische Innenminister die Quelleneinvernahme abgelehnt hat, das ist die Besonderheit in Hessen!)
dass nicht zuerst versucht wird, eine Frage, die zwischen Parlament und Regierung zu klären ist, nämlich die Einsicht ohne Schwärzungen für die Abgeordneten, im Konsens zu lösen
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Der Unterschied besteht darin, dass Hessen das einzige Land ist, das erklärt hat, dass es keinen Fehler gemacht hat, und das durch den hessischen Innenminister!)
hören Sie zu –, sondern dass, bevor diese Frage zwischen Regierung und Parlament im Ausschuss erörtert wird, die Kolleginnen und Kollegen der SPD eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragen. Bevor die Frage sachlich erörtert werden kann, wird diese formale Frage von den Kolleginnen und Kollegen der SPD skandalisiert. Das ist der einzige Unterschied in der Arbeit des hiesigen NSU-Untersuchungsausschusses.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Günter Rudolph (SPD): Nur weiter so! – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Dann wird die Frage am Montag im Ausschuss erörtert, und der Ausschuss sagt einvernehmlich: Wir wollen uns vertagen und es weiter beraten. – Das ist aber nicht Anlass,
diese Debatte heute mit Verweis darauf, dass man diese Fragen klärt, ausfallen zu lassen, sondern man führt die Debatte trotzdem. Da frage ich: Steht wirklich das Aufklärungsinteresse im Vordergrund, oder geht es darum, Formalfragen auf Biegen und Brechen zu skandalisieren, meine Damen und Herren?
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU – Zurufe von der SPD und der LINKEN – Glockenzeichen der Präsidentin)
In diesem Ausschuss wurden, entgegen dem Bild, das gezeichnet wurde, alle Fragen bislang einvernehmlich geklärt. Wir haben uns einvernehmlich auf die Grobstruktur verständigt. Wir haben uns einvernehmlich auf die Feinstruktur verständigt.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir haben uns einvernehmlich auf Termine verständigt, und wir werden uns auch einvernehmlich darauf verständigen können, wie wir mit den Schwärzungen umgehen. Der einzige Unterschied ist, dass vor den Fernsehkameras immer etwas anderes erzählt wird, als tatsächlich im Ausschuss gemacht wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Günter Rudolph (SPD): Falsch! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das stimmt leider nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)
Wenn es andere Vorschläge gibt, dann müssen sie endlich auf den Tisch. Aber eines geht nicht: dass die einen die Vorschläge machen und die anderen immer sagen, diese Vorschläge habe es nicht gegeben, und keine eigenen machen. So können wir nicht konstruktiv zusammenarbeiten.
Vielmehr geht es um eine Frage, die die Rechte des Parlaments betrifft. Es geht um elementare Rechte des Parla
Sie wissen ganz genau, was das nach sich zieht. In dem Moment, in dem ganze Aktenordner als geheim eingestuft werden, weil einzelne Seiten darin geheim und geschwärzt sind, bedeutet das, dass große Teile der Zeugenvernehmungen nicht mehr in öffentlicher Sitzung werden stattfinden können. Das bedeutet nicht nur, dass das Parlament, das ein Aufklärungsinteresse hat, diesem nicht nachkommen kann, sondern auch, dass die Öffentlichkeit an der Aufklärung überhaupt nicht teilhaben kann. Das ist genau das Problem, um das es hier geht.
(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt ganz einfach nicht! – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo steht denn das?)
Ich habe der Debatte jetzt lange zugehört und muss ganz ehrlich sagen: Angesichts der Tatsache, dass wir hier über die Ermordung von zehn Menschen reden, dass deren Angehörige über Jahre hinweg verdächtigt wurden, anstatt Hilfe zu erfahren, dass man den Angehörigen versprochen hat, aufzuklären, ist es eine unwürdige und in Teilen unterirdische Debatte, die wir hier führen.
Ja, es stellen sich Fragen, insbesondere an die Sicherheitsbehörden, allen voran an das Landesamt für Verfassungsschutz. Ich will schon deutlich machen, dass es in Hessen natürlich Besonderheiten gibt, weshalb wir in Hessen auch besonders nachfragen müssen.
Es gab kein anderes Bundesland, in dem ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes am Tatort war und sich danach nicht bei der Polizei gemeldet hat. Einen solchen Fall gab es nirgendwo sonst. Dass der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident das Parlament über die Anwesenheit des Verfassungsschützers zunächst gar nicht und dann falsch informiert hat, ist auch eine hessische Besonderheit.
Ich finde, auch das weitere Verfahren in all den Jahren danach, bei dem dann V-Männern Rechtsanwälte, bezahlt vom Landesamt, zur Seite gestellt werden, mit dem Verweis auf den Quellenschutz nur eingeschränkte Aussagegenehmigungen ausgestellt werden, V-Männer zum NSUProzess nach München fahren und dort nur eingeschränkt aussagen dürfen, obwohl es um Mordermittlungen geht, müssen wir doch im Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Dabei geht es darum, dass das Parlament volle Rechte haben muss.
Ich sage Ihnen: Ich war häufig im NSU-Untersuchungsausschuss; ich habe mir beispielsweise die Aussagen von Temme und von Herrn Hess angehört, und ich finde wirklich, da tun sich Abgründe auf, und zwar auch im Hinblick darauf, in welch unwürdiger Art und Weise Mitarbeiter des Verfassungsschutzes über Morde sprechen.
Herr Wagner, gehen Sie wirklich öfter in den NSU-Untersuchungsausschuss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das, was dort passiert, wirklich im Sinne der GRÜNEN ist. Wir haben erlebt, wie Herr Bellino heute aufgetreten ist. Sie ha
ben erlebt, welche Rolle er hier und heute gespielt hat. Diese Rolle spielt er auch im NSU-Untersuchungsausschuss. Genau das ist das Problem.
Das begann schon bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Anders als in anderen Bundesländern haben wir ihn nicht einstimmig eingesetzt, sondern nur die SPD und die LINKEN haben für die Einsetzung gestimmt. Dieser Umstand setzt sich in der Arbeit dieses Ausschusses leider darin fort, dass wir kein Miteinander und kein gemeinsames Aufklärungsinteresse haben – anders, als das in anderen Bundesländern und auch im Bund der Fall ist.
Herr Bellino, die Aufklärung wird doch nicht durch die Opposition verzögert, sondern die wird dadurch verzögert, dass man einfach nicht aufklären kann, wenn ganze Akten geschwärzt sind, wenn man auf einer Seite drei Wörter erkennen kann und der Rest geschwärzt ist. Kollege Rock hat ein solches Blatt hochgehalten.
Da frage ich mich schon: Wer wird denn hier geschützt? Da wird doch nicht das Staatswohl geschützt. Am allernotwendigsten wäre jetzt doch, aufzuklären und vor allen Dingen dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert, dass sich eine solche Mordserie niemals wiederholen kann. Dazu muss man doch aufklären, was hier falsch gelaufen ist.
Herr Innenminister, Herrn Bellino, ich finde es schäbig, wenn Sie unter Verweis auf die aktuellen Anschläge unterstellen, die Opposition würde die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gefährden, und damit den Quellenschutz für V-Leute rechtfertigen. Das finde ich schäbig und unangemessen, denn das Problem ist doch gerade, dass alle V-Männer, die nahe am NSU dran waren, nicht einen der Morde verhindert haben. Deshalb muss doch endlich eine Aufklärung erfolgen. Man kann doch nicht weiterhin den Schutz der V-Männer über die Aufklärung einer Mordserie stellen.