Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Haushaltsentwurf ist die Fortsetzung des Nachtragshaushalts 2014 und des Haushalts 2015. Die Entwürfe bzw. die beschlossenen Haushalte in den vergangenen zwei Jahren haben eines gemeinsam: Es hat sich nichts geändert. Es gibt nichts Neues. Die Haushalte tragen dazu bei, dass die hessische Infrastruktur weiter verkommt und dass der Geist von Roland Koch in Hessen weiter regiert.
Der Regierungswechsel von Schwarz-Gelb zu SchwarzGrün hat keinen neuen Schwung, keine Veränderungen in die Grundlinien der Politik in Hessen gebracht. Eine traurige und abgenutzte Fassade wurde neu gestrichen. Die GRÜNEN haben dazu die Farbe geliefert und die Leiter gehalten, damit die CDU ihre dicken Pinselstriche anbringen kann.
Meine Damen und Herren, was hat sich denn eigentlich unter Schwarz-Grün geändert? Das ist doch eine legitime Frage. Auf der Positivseite, damit will ich durchaus beginnen, steht das Sozialbudget. Das steht auf der Positivseite, das hat sich geändert. Wir haben Ihnen aber vorgerechnet und belegt, dass es sowohl im Volumen als auch im Inhalt mehr vortäuscht, als es ist. Es ist und bleibt eine Mogelpackung.
In das Sozialbudget sind Programme eingeflossen, die eigentlich mit der Kürzungsorgie, die mit der „Operation düstere Zukunft“ verbunden war, gar nichts zu tun haben. Vieles, was noch vor der „Operation düstere Zukunft“ finanziell unterstützt wurde, wie z. B. die Erziehungsberatung oder die Obdachlosenhilfe, bleibt nach wie vor ohne Landeszuschuss. Immerhin wurde Roland Koch an dieser Stelle etwas korrigiert, umso mehr lebt aber der unsägliche Geist der Politik von Roland Koch an anderen Stellen weiter.
Der Sozialbereich wird insgesamt lustlos und ideenarm weiter verwaltet. Hessen ist weit davon entfernt, in diesen Bereichen vorne zu sein. Wenn Sie die bundesweiten Analysen und Statistiken zur Fortentwicklung der Inklusion oder der U-3-Betreuung sehen, stellen Sie fest, dass Hessen nicht vorne liegt. Das Gegenteil ist der Fall. Hessen liegt in den Statistiken zur Inklusion und zur U-3-Betreuung weit hinten.
Arbeitsmarktpolitische Instrumente wurden nicht weiterentwickelt. Im Gegenteil, mit diesem Haushaltsentwurf sollen sogar noch die Mittel für Altbewerberprogramme und für Ausbildungsplätze reduziert werden.
Im Umweltbereich gibt es ebenfalls keine bedeutsame Fortentwicklung. Im Haushaltsausschuss hatten wir eine Große Anfrage der CDU zu den Energiesparprogrammen in landeseigenen Gebäuden. Aus dieser Anfrage geht hervor – ich habe sie hier –, dass kein einziger neuer Impuls, keine ehrgeizigeren Ziele von Schwarz-Grün gesetzt worden sind als unter Schwarz-Gelb. Alle dargestellten Projekte sind aus den Jahren 2010 bis 2013. In diesem Bereich gibt kein einziges neues schwarz-grünes Projekt.
ohne Ehrgeiz, ohne Ambitionen, ohne Tatkraft und anpasserisch – das ist die Bilanz dieses Haushalts.
Auch in einem anderen Bereich schaut Roland Koch noch immer um die Ecke. Die Beamten werden wie in der KochÄra gepiesackt: keine Gehaltssteigerungen, nicht einmal in den unteren Besoldungsgruppen, dafür Mehrbelastungen, z. B. bei der Beihilfe, durch Überstunden oder durch die Intensivität der Arbeit. Das ist die Bilanz. Sie gehen mit den Beamten weiter um wie unter Roland Koch, und das mit Zutun der GRÜNEN. Das ist keine gute Vorgabe.
Das Gleiche gilt für die Finanzierung unserer Kommunen. Mit der Neuordnung des KFA, der in diesem zu beratenden Haushalt erstmals kassenwirksam und umgesetzt wird, geben Sie von CDU und GRÜNEN den Kommunen Steine
statt Brot. Die Kommunen sind in Hessen unterfinanziert, das liegt auf der Hand. Sie wissen das selbst. Weil sie von CDU und GRÜNEN das wissen, haben Sie nun ein Investitionsprogramm aufgelegt. Noch vor drei Monaten, vor der Sommerpause, hatten wir einen Antrag zur Neuordnung des KFA gestellt, der die Investitionsförderung beinhaltete. Das haben wir damit begründet, dass die Investitionstätigkeit der hessischen Kommunen auf dem Tiefststand ist. Allein in den letzten vier Jahren ist sie um 750 Millionen € zurückgegangen.
Damals haben Sie diesen Bedarf bestritten und unseren Änderungsantrag abgelehnt. Das neue Programm kann man mit einem Wort umschreiben: Das ist ein SchlechtesGewissen-Programm. Die richtige Abkürzung wäre SGP – Schlechtes-Gewissen-Programm.
Wenn sie die Haushaltsansätze dort sehen, z. B. aus dem Hessen-Programm, dann sagen die Bürgermeister: Das, was darin steht und 30 Jahre wirken soll, brauchten wir eigentlich jährlich. – Das ist auch das Thema, über das wir reden müssen.
Das Programm wird jetzt ins Schaufenster gehängt, dabei wird es in diesem Jahr überhaupt noch nicht haushaltswirksam. Mit der Haushaltsberatung hat es nichts zu tun. Morgen wird es eingebracht, dann werden wir dazu noch einmal intensiver reden.
Meine Damen und Herren, der Haushalt 2016 ist sicherlich in einem noch größeren Umfang als in den Vorjahren mit Unsicherheiten belastet. Es liegt auf der Hand. Neben den Fragen der Konjunktur sind die Kosten der Flüchtlingsunterbringung und Flüchtlingsbetreuung derzeit schwer zu beziffern. Der Minister hat das dargestellt. An der Stelle gibt es in der Tat einen Konsens und keine Kritik. Herr Minister, die Ausgaben sind schwierig zu beziffern.
Eines steht allerdings jetzt schon fest, die im Haushalt veranschlagten Mittel reichen nicht aus. Ich glaube, davon gehen Sie auch aus. Die Annahme von 66.000 Flüchtlingen ist zu gering. Das ist kein Vorwurf. Zu dem damaligen Zeitpunkt, als Sie den Haushalt aufgestellt haben, war das die greifbare und richtige Zahl.
Was Sie zu der Frage der Humanität ausgeführt haben – Sie reden von Warmherzigkeit, wir reden von Solidarität und Gerechtigkeit –, das muss auch ein Haushälter zur Grundlage nehmen. Das muss die Grundlage für die Entscheidungen sein. Natürlich müssen wir das dann auch in nüchterne Zahlen übersetzen.
Herr Minister, wenn ich aber von nüchternen Zahlen rede: Sie haben es eben selbst dargestellt, dass leider das Versprechen, das die kommunalen Spitzenverbände Ihnen bei der Neuordnung des KFA mit einer Vereinbarung abgerungen haben – nämlich dass angemessene Pauschalen bezahlt werden – in diesem Haushalt nicht zum Ausdruck kommt. Sie haben versprochen, dass Sie noch in diesem Jahr eine Regelung herbeiführen. Umso mehr müssten doch für nächstes Jahr angemessene Pauschalen im Haushalt berücksichtigt sein. Sie haben sie aber auf dem bisherigen Stand weitergerechnet. Das steckt also noch einiges drin, was zu finanzieren ist.
Ich bleibe dabei: Sie haben recht, wir werden versuchen, einen Konsens zu erreichen. Wir werden alles dafür tun. Sie haben völlig recht, da gehört faires Verhalten von beiden Seiten dazu. Dazu gehört, dass Sie Zahlen offenbaren
Herr Reif. Die unreifsten Zwischenrufe kommen von Herrn Reif. Das ist doch immer so, das wissen wir doch.
(Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Er wollte gerade auf das Angebot des Ministers eingehen!)
Herr Reif, ausgerechnet bei dem Thema. Herr Reif, ich will noch einmal einen Punkt unterstreichen. Wir sind uns darüber einig, dass eine Grundvoraussetzung für einen Konsens ist, dass das, was Sie gegenüber den Kommunen zugesagt haben, dass angemessene Pauschalen gezahlt werden, sich in der Tat im Haushalt abbildet. Das ist die Grundlage für einen Konsens.
Meine Damen und Herren, da zu der Schuldengrenze – der Minister hat es angesprochen – lediglich ein Puffer von 45 Millionen € besteht, die Mehrforderungen aber sicherlich im dreistelligen Millionenbereich liegen, sind die Probleme augenscheinlich. Realistische Haushaltsansätze zum jetzigen Zeitpunkt – Herr Minister, das möchte ich betonen – würden offenbaren, dass die Schuldenbremse gerissen wird. Das gehört auch zur Wahrheit dazu. Realistische Zahlen zu den Flüchtlingen und angemessene Pauschalen würden deutlich machen, dass die Schuldenbremse gerissen ist.
Dabei hat der Finanzminister sogar Glück; denn die Steuereinnahmen des Landes befinden sich auf einem Rekordniveau: 1,1 Milliarden € mehr als im vergangenen Jahr, nach Länderfinanzausgleich. Zudem – das hat der Minister dargestellt, ich will aber noch einmal die Summe nennen – sind die Zinsausgaben um 121 Millionen € zurückgegangen. Sie haben recht: Das niedrige Zinsniveau, das Sparer nervt, erfreut den Finanzminister und all die anderen Schuldner natürlich auch. Aber in der Tat bedeutet es ein hohes Handicap für die Wirtschaft und natürlich auch für diejenigen, die durch Sparen möglicherweise ihre Altersruhe finanzieren wollen.
Trotz dieser Rekordmehreinnahmen von über 1 Milliarde € werden die Investitionen in Hessen um 100 Millionen € gekürzt – aus unserer Sicht ein schwerer Fehler. Investitionen der mittelfristigen Finanzplanungen sollen sogar noch weiter gekürzt werden. Aus unserer Sicht ist das ein schwerer Fehler.
Die Rücklagenzuführung für die sogenannte Weimar-Pensionsrücklage, mit der wir die Ausgaben für Pensionslasten untertunneln wollen, wird wiederum nicht in den Haushalt eingestellt, sondern sie bleibt beliebig – je nach Haushaltslage wird sie kommen oder nicht. Und trotz hoher Mehreinnahmen werden die Beamtinnen und Beamten zu Sparopfern der Landesregierung. Das ist eine nüchterne Feststellung.
Die Rekordeinnahmen hätten eigentlich noch viel höher ausfallen können. Sie hätten sogar höher ausfallen müssen. Aber seit 1999 ist die wirtschaftliche Entwicklung in Hessen im Vergleich zu den anderen Bundesländern höchstens durchschnittlich. Hessen war einst unter sozialdemokratischen Ministerpräsidenten beim Wirtschaftswachstum immer vorn, immer unter den ersten dreien. Heute freut sich
die Landesregierung, wenn sie den Bundesdurchschnitt erreicht. Das war im letzten Jahr so, und die Prognose für dieses Jahr lautet, dass wir uns etwa im Bundesdurchschnitt bewegen.
Die zentralen wirtschaftspolitischen Probleme des Landes werden von dieser Regierung aber nicht thematisiert. Noch immer wird so getan, als seien wir spitze – das sind wir aber nicht.
Eigentlich müsste es zu diesem Fragenkomplex eine intensive Arbeit unter Einbeziehung von Wirtschaftswissenschaftlern und der Wirtschaft geben. Sie von CDU und GRÜNEN schweben anscheinend noch immer auf Wolke sieben und profitieren immer noch von dem Ruf vergangener Zeiten, während tatsächlich eine harte und nüchterne Analyse notwendig wäre.
Dass die VhU, die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände, in dieser Frage auch weggetaucht ist, macht die Verknüpfung der CDU mit dieser Wirtschaftsvereinigung deutlich. Aber gute Interessenvertretung sieht anders aus, meine Damen und Herren.
Gute Interessenvertretung würde so aussehen, dass man sich diesem Fragenkomplex endlich einmal nähert und über die Ursachen redet, darüber, dass Hessen in Wirklichkeit höchstens noch durchschnittlich ist und weit, weit hinter den erfolgreichen Zeiten roter und rot-grüner Wirtschaftspolitik hinterherhängt.
Ich möchte noch einmal über die Einnahmeseite reden, die Debatte zum Haushalt des vergangenen Jahres aufgreifen und zwei, drei Sätze zum werten Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN, Herrn Wagner, sagen – er ist leider nicht da. Er hat uns im vergangenen Jahr in seiner ihm eigenen Theatralik heftig dafür kritisiert, dass wir die Erhöhung der Grunderwerbsteuer nicht mitgetragen haben.