Protocol of the Session on July 23, 2015

Wir erleben immer wieder, dass auch Kinder aus Familien – egal welcher Herkunft –, die wir für gesettelt erachten, kriminell oder drogenabhängig werden und Dinge tun, die wir alle nicht wollen. Ich glaube, wir werden nicht verhindern können, dass so etwas passiert. Aber wir können schon sehen, dass ein großer Teil der jungen Menschen, die hier in Gefahr geraten, in dieser Gesellschaft nicht integriert und nicht beruflich erfolgreich sind, nicht aus Familien kommt, die in dieser Gesellschaft integriert und beruflich erfolgreich sind.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Daran müssen wir arbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Beuth. Bitte schön, Sie haben das Wort, Herr Minister.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist immer die Frage, ob man einen solchen Redebeitrag nicht überhöht, indem man auf ihn eingeht.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ehrlich gesagt, natürlich ist es so: Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Aber Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit in Deutschland ist: Unsere Gesellschaft ist stabil. Wir leben in einem großartigen Land, in einem Rechtsstaat, in einer Demokratie, in Wohlstand.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nicht alle!)

Die jungen Menschen in diesem Land haben wunderbare Perspektiven. Wir sind hoch attraktiv für viele Menschen aus der ganzen Welt. Deshalb sollten wir mit der Wirklichkeitsbetrachtung beginnen und erst einmal darüber glücklich sein, dass wir in einem wirklich großartigen, wunderbaren Land leben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das war der Werbeblock, den ich nach dem Vortrag der LINKEN für angemessen hielt.

Meine Damen und Herren, man merkt, bei dieser Debatte über das Thema Salafismus und politisch-religiösen Extremismus geht es an die Grundfeste, da geht es an das Fundament unseres Staates. Ich finde, abgesehen vom letzten Wortbeitrag, ist das bei allen anderen Rednern deutlich geworden. Die Debatte war ernsthaft, sie war bedächtig, und sie war das, was wir nicht immer haben, nämlich einer solchen Situation sehr angemessen. Es war der Versuch, Gemeinsamkeiten zu suchen und zu finden. Das ist gut, aber – angesichts der Herausforderungen, die sich bei diesem Thema stellen – auch angemessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Die Anhörung war gut; dies machen nicht nur die Redebeiträge und die Vielfalt der angesprochenen Themen in den unterschiedlichen Redebeiträgen deutlich. Sie dauerte 16 Stunden, in denen es eine Menge Inhalt gab. Sie hat aber auch jedem Redner erlaubt, die Facetten und Blickwinkel herauszuarbeiten, die für ihn eine besondere Bedeutung hatten. Auch das zeigt, dass wir mit den einfachen Lösungsmitteln, die wir ansonsten in der Politik immer haben – mal hier eine Stelle mehr und dort einen Euro mehr oder weniger, oder dort noch eine Einrichtung –, dieses Problems nicht Herr werden. Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass sich die demokratischen Fraktionen hier dafür ausgesprochen haben, zu versuchen, Gemeinsamkeiten zu finden, zu betonen und etwas Gemeinsames auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Salafismus gilt nach wie vor als die dynamischste, schnell wachsende islamistische Bewegung. Salafisten glauben, die Einzigen zu sein, die den wahren Willen Allahs erkennen. Deshalb lehnen sie jegliche Normen und Handlungsweisen ab, die sich nicht aus Koran und Sunnah ableiten lassen. Das Landesamt für Verfassungsschutz geht aktuell in Hessen von rund 1.600 Salafisten aus. Die Zahl der gewaltbereiten Salafisten oder Islamisten, die aus Hessen in die Kampfgebiete nach Syrien und in den Irak ausgereist sind, liegt bei etwa 120. Bundesweit liegen derzeit Erkenntnisse zu mehr als 700 Personen vor, die in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese zu unterstützen. Zu ca. 100 Personen liegen Hinweise vor, dass sie dort ums Leben gekommen sind.

Meine Damen und Herren, hinter diesen schlichten Zahlen verbirgt sich viel Leid, insbesondere auch bei den Familien und Freunden der Betroffenen.

Wir alle müssen uns auf Dauer der mühevollen und langwierigen Aufgabe stellen, präventiv gegen diese Form des Extremismus vorzugehen.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Dafür haben wir bereits ein Netzwerk geknüpft. Unser Präventionsnetzwerk gegen Salafismus ist eine Antwort. Ja, selbstverständlich ist es so, dass man immer noch Facetten findet, wo man es verbessern kann, wo man vielleicht Punkte heranziehen kann, die man bisher noch nicht betrachtet hat. Dafür haben wir eine 16-stündige Anhörung durchgeführt. Aber wir haben eine gute Basis. Wir haben eine sehr gute Basis. Ob wir es jetzt Aktionsplan nennen, ob es eine Rahmenkonzeption ist für das, was bundesweit gemacht wird – dann könnte man es Masterplan nennen –, unser Präventionsnetzwerk ist etwas wie ein Aktionsplan. Es ist so etwas wie ein Masterplan. Es ist sehr breit aufgestellt und versucht, in alle möglichen Facetten der Gesellschaft hineinzuwirken, die irgendwie mit der Problematik des Salafismus zusammenhängen. Wir arbeiten bereits gut und erfolgreich. Das schließt nicht aus, dass wir noch besser und noch erfolgreicher sein können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will vielleicht exemplarisch meinen Besuch auf dem Präventionstag unserer Landeshauptstadt am vorletzten Samstag anführen. Hier hat z. B. eine Klasse 10 der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kooperation mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und dem Ordnungsamt Wiesbaden die Ergebnisse eines Workshops zum Thema Salafismus vorgestellt.

Die Schülerinnen und Schüler – viele selbst Muslime – haben auf dem Präventionstag beeindruckende Plakate zu den Themen Demokratie und Extremismus vorgestellt und mit Passanten darüber diskutiert. Ein Plakat zeigt z. B., wie Menschen zu Marionetten in der Hand von salafistischen Demagogen werden.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, so kann Prävention aussehen. Aus meiner Sicht ist dies ein leuchtendes Beispiel. Es ist ein beeindruckender Beleg dafür, dass unsere Gesellschaft dem Treiben der Salafisten in unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht sprachlos und passiv gegenüberstehen wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Hessische Landesregierung hat das Thema des extremistischen Salafismus seit Längerem im Blick. Hierfür gilt mein ausdrücklicher Dank dem Landesamt, welches seit Jahren die Szene beobachtet und in Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen, z. B. in Schulen oder in Justizvollzugsanstalten, das Thema behandelt. Wir haben dabei gemerkt, dass wir von staatlicher Seite allein das Problem nicht werden lösen können. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sodass wir nur gemeinsam tragfähige Lösungen finden können. Die Debatte heute macht mir Mut, dass wir da ordentlich vorankommen werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun ist es so, dass wir in der Debatte schon über einige Punkte gesprochen haben, sodass ich mich darauf beschränken möchte, dass wir uns für die Zukunft – um das von vornherein zu erklären – natürlich vorgenommen haben, die Beratungsstelle und unser Präventionsnetzwerk entsprechend mit Mitteln auszustatten. Das ist doch selbstverständlich. Ohne der Beschlussfassung über den Haus

halt vorzugreifen, wird es auch im nächsten Jahr so sein, weil wir erkennen, dass wir Erfolg haben mit den Projekten, die wir durchführen.

Ich finde den Vernetzungsgedanken dort sehr gut aufgegriffen. Die Hinweise aus den unterschiedlichen Beiträgen der Kollegen, von Herrn Bauer, Herrn Frömmrich, Herrn Merz oder auch von Florian Rentsch, wer alles zu berücksichtigen ist – Justiz, Schule, Jugendarbeit usw. –, das haben wir versucht, in diesem Präventionsnetzwerk, im Fachbeirat bereits zu verankern. Ich will hier nicht verteidigen, dass alles gut ist, was wir machen. Aber dass erkannt worden ist, worum es geht, wird dadurch deutlich, wenn man weiß, dass der Fachbeirat sich selbst die Aufgabe gestellt hat – dort sind alle gesellschaftlichen Gruppen, Religionsgemeinschaften usw. vertreten –: Wir müssen zusehen, dass wir uns in bestimmten Arbeitsbereichen noch mehr bemühen.

Es sind Arbeitsgruppen gegründet worden. Eine Arbeitsgruppe im Fachbeirat wird sich um Schule kümmern. Eine Arbeitsgruppe wird sich um politische Bildung und Jugendarbeit kümmern. Das sind genau die Punkte, die eben schon angesprochen worden sind. Daneben gibt es eine eigene Arbeitsgruppe der Justiz.

Natürlich sind wir nicht alleine in Hessen. Die Problematik, die sich beim Salafismus stellt, stellt sich tatsächlich im Rhein-Main-Gebiet in einer besonderen Form, aber eben auch in anderen Ländern. Deswegen haben wir uns länderübergreifend zusammengetan. Es gibt viele Arbeitsgruppen, die länderübergreifend arbeiten, um des Problems insgesamt Herr zu werden.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt aufgreifen, der mir wichtig ist. Wir haben die Situation, dass die Moscheegemeinden oder Moscheevereine erkannt haben, dass es dort ein paar Menschen gibt, die ihre Religion und ihre Form des Zusammenlebens durch ihre Aktivitäten diskreditieren. Das müssen wir nutzen. Wir dürfen nicht das Problem dorthin schieben. Aber wir müssen es nutzen, wir müssen das aufgreifen. Wir müssen ihnen helfen, mit dieser Frage umzugehen, mit dem Salafismus in ihren Reihen umzugehen. Dafür müssen wir sie ausstatten, und das machen wir.

Wir haben ein Sicherheitsforum Salafismus gegründet. Das wirkt nicht in der Öffentlichkeit. Wir sprechen mit einzelnen Vereinen, wir sprechen mit den Organisationen, um sie auf die Problematik hinzuweisen und ihnen Hilfe anzubieten, damit umzugehen.

Ich darf Sie an die Redezeit der Fraktionen erinnern.

Ich glaube, das ist der richtige Weg. Der richtige Weg ist insbesondere, wenn wir hier gemeinsam erkennen, dass das keine Frage ist, die wir dem kleinlichen politischen Streit anheimfallen lassen dürfen. Vielmehr müssen wir versuchen, gemeinsam eine Lösung für die Problematik zu finden, zumindest Aktionsformen zu finden, mit denen wir darauf eingehen können und erfolgreich wirken können.

Die Herausforderungen sind groß. Ich finde, es ist in dieser Debatte deutlich geworden, dass die politischen Unterschiede nicht so groß sind. Sie sind eher klein. Dann lassen

Sie uns gemeinsam unsere Verantwortung annehmen. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Beuth. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Alle drei Anträge gehen an den Innenausschuss. Er ist federführend, begleitend sind der Sozialpolitische Ausschuss und der Kulturpolitische Ausschuss damit befasst.

Wir sind am Ende der Tagesordnung für heute Vormittag. Ich unterbreche die Sitzung, und wir sehen uns um 14:30 Uhr wieder. – Vielen Dank.

(Unterbrechung von 13:27 bis 14:31 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend qualitativer und quantitativer Ausbau der Kindertagesstätten statt Betreuungsgeld, Drucks. 19/2297. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 91 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 85 aufgerufen werden. Wir machen das so.

Außerdem ist noch eingegangen und an Sie verteilt, zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Erleichterung der Bürgerbeteiligung auf Gemeindeebene und zur Änderung kommunalrechtlicher Rechtsvorschriften, Drucks. 19/2220, unter Tageordnungspunkt 11, ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/2298.

Weiterhin eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist der Dringliche Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld, Drucks. 19/2299. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Ich sehe, das ist auch hier der Fall. Damit wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 92 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, ebenfalls mit Tagesordnungspunkt 85 aufgerufen werden. Das ist ebenfalls der Fall. Dann machen wir das so.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ schafft Grundlage für weitere erfolgreiche Bekämpfung des Extremismus – Drucks. 19/1869 –

Er wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 87:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte sind Angriffe auf unsere freie und offene Gesellschaft – Drucks. 19/2289 –