Protocol of the Session on July 22, 2015

Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Hier oben wurde gerade darüber diskutiert, dass einige lieber an der Nordsee als hier im Plenarsaal wären. Ich denke, das gilt auch für einen Teil der Abgeordneten. Trotzdem stelle ich jetzt die Beschlussfähigkeit fest und eröffne die Sitzung.

Zur heutigen Tagesordnung. Erledigt sind die Punkte 1, 2, 14, 63 und 76.

Es gibt aber noch einige Punkte mehr abzuarbeiten. Eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend keine Kürzung bei den Stundenzuweisungen, Drucks. 19/2267. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 78 und kann mit den Tagesordnungspunkten 66, 53 und 61 zu diesem Thema aufgerufen werden.

(Günter Rudolph (SPD): Wir sind einverstanden!)

Es ist sehr schön, dass auch die SPD-Fraktion einverstanden ist.

Außerdem eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen – weitere Erstaufnahmeeinrichtungen für Menschen, die bei uns Schutz suchen, Drucks. 19/2268. – Auch hier sehe ich keinen Einspruch gegen die Dringlichkeit. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 79 und kann mit den Tagesordnungspunkten 65 und 56 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Weiterhin eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bildungsgipfel liefert zahlreiche wertvolle Impulse und Anregungen zur künftigen Ausgestaltung der hessischen Bildungspolitik, Drucks. 19/2269. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 80 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 66, 53, 61 und 78 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Des Weiteren ist eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend extremistischem Salafismus und Islamismus insbesondere präventiv entgegentreten – Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Präventionsinstanzen und Sicherheitsbehörden stärken, Drucks. 19/2270. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 81 und kann mit den Tagesordnungspunkten 58 und 57 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Außerdem ist eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend K+S AG als selbstständiges Unternehmen mit Sitz in Hessen erhalten – Arbeitsplätze sichern und Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie ausbauen, Drucks. 19/2271. – Wie ich sehe, wird auch hier die Dringlichkeit bejaht. Der Dringliche Antrag wird Tagesordnungspunkt 82 und kann mit den Ta

gesordnungspunkten 60 und 64 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Herr Kollege Bellino.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir einen gemeinsamen Antrag zum Thema K+S haben, den wir gerade auf die Tagesordnung gehoben haben, können wir Tagesordnungspunkt 60, den ursprünglichen Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zurückziehen. Das tun wir hiermit.

Vielen Dank, Kollege Bellino. – Damit ist Tagesordnungspunkt 60 zurückgezogen.

Gestern Abend hat der Haushaltsausschuss getagt und eine weitere Beschlussempfehlung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen erarbeitet. Die dritte Lesung des Gesetzentwurfs steht als Punkt 77 auf der Tagesordnung.

Zu dem dazu gehörenden Antrag und dem Dringlichen Antrag wurden ebenfalls Beschlussempfehlungen erarbeitet. Diese wurden als Punkt 83 und Punkt 84 auf die Tagesordnung genommen.

Zum Ablauf der Sitzung. Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit den Tagesordnungspunkten 82 und 64, also den Themen K+S und Kaliförderung. Dann folgt Tagesordnungspunkt 66, Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Bildungsgipfel ist gescheitert, Drucks. 19/2214. Hiermit werden die Tagesordnungspunkte 53, 61, 78 und 80 aufgerufen, ebenso die Mündliche Frage der Kollegin Kerstin Geis zum Thema.

Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 65, Drucks. 19/2213, der mit Punkt 56 aufgerufen wird.

Jetzt haben wir noch die Entschuldigungen abzuarbeiten. Entschuldigt fehlen heute Herr Staatsminister Prof. Dr. Alexander Lorz von 15 bis 17 Uhr sowie die Kolleginnen Faeser, Öztürk und Wallmann ganztägig.

Ich darf noch darauf hinweisen, dass zu Beginn der Mittagspause, gegen 13 Uhr, die Ausstellung „Wege zur Selbstständigkeit – Kunst aus Werkstätten für Menschen mit Behinderung der WFB Rhein-Main e. V.“ in der Ausstellungshalle eröffnet wird. Gezeigt werden Gemälde und Skulpturen von Beschäftigten der WFB – Werkstatt für Menschen mit Behinderung – Rhein-Main e. V.

Ich komme zum Highlight. Heute Abend wird die Fußballmannschaft des Hessischen Landtags um 19:30 Uhr gegen die Frankfurter Parlamentself in Frankfurt antreten. Ich wünsche besseren Erfolg als in Offenbach.

(Heiterkeit)

Zu den Ausschusssitzungen. Zu Beginn der Mittagspause trifft sich der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung im Sitzungsraum 204 M. Im Anschluss an die Plenarsitzung kommt der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss in Sitzungsraum 501 A zusammen.

Jetzt können wir in die Tagesordnung eintreten. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 82 und 64 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend K+S AG als selbstständiges Unternehmen mit Sitz in Hessen erhalten – Arbeitsplätze sichern und Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie ausbauen – Drucks. 19/2271 –

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Erhalt der Kaliförderung im hessisch-thüringischen Kalirevier – Drucks. 19/2212 –

Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten je Fraktion. Ich gebe das Wort dem Kollegen Boddenberg, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die aktuellen Ereignisse um K+S zum heutigen Setzpunkt gemacht, weil wir ein Zeichen setzen und deutlich machen wollen, dass dieses Thema und insbesondere die Sicherheit der Arbeitsplätze und der Standorte in Hessen, aber auch in Deutschland insgesamt, für uns erste Priorität haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte einige wenige Vorbemerkungen machen. Die erste und wichtigste Vorbemerkung: Das Allerwichtigste, was uns umtreibt – ich habe darüber letzte Woche auch mit dem Kollegen Schäfer-Gümbel gesprochen –, sind die Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus der Zeitung erfahren haben, dass ihr Unternehmen möglicherweise neue Eigentümer bekommt. Sie machen sich deswegen Sorgen, weil sie in den vergangenen Jahren verfolgen konnten, was das bedeuten könnte. Ich sage – ich glaube, da spreche ich für uns alle –, dass uns jedes einzelne Schicksal und die Sorge um die persönliche und private Existenz der Mitarbeiter Herzensanliegen sind. Allein das ist Grund genug, dass wir uns heute mit den Ereignissen dort befassen.

Ich will eine zweite Bemerkung machen, die, glaube ich, vor dem Hintergrund der Ereignisse in den letzten Wochen sehr wichtig ist: Uns allen muss bewusst sein, dass wir es mit einer sehr sensiblen Materie zu tun haben: dass wir es mit einem Kapitalmarkt zu tun haben, der, wie wir sehen konnten, sehr sensibel reagiert, und dass wir als Politiker trotzdem deutlich machen müssen, dass wir Einfluss nehmen und helfen können bei dem, was das Unternehmen vorhat. Wir haben eine ganze Reihe von kartellrechtlichen, handelsrechtlichen und aktienrechtlichen Spielräumen, die wir nutzen wollen und werden.

Lassen Sie mich drittens sagen – Herr Schäfer-Gümbel, ich glaube, auch darin waren wir uns einig –: Dieses Thema eignet sich nicht zum üblichen Parteienstreit. Vielmehr muss nicht nur vonseiten der Landesregierung – oder der Landesregierungen –, sondern auch vonseiten des gesamten Hessischen Landtags ein deutliches, geschlossenes Signal ausgehen. Deshalb bin ich Ihnen, insbesondere den Sozialdemokraten, sehr dankbar, dass es uns gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag mit einem gemeinsamen Text zu formulieren, der für das Unternehmen, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wichtig ist.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Unternehmen K+S bewegt sich in einem schwierigen Umfeld.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir haben schwierige Jahre hinter uns. Das Unternehmen hat schwierige Jahre hinter sich, weil es auf einem heiß umkämpften Markt mit Überkapazitäten agiert, die in der Vergangenheit zu einem Preisverfall geführt haben, der sich selbstverständlich auch in den Jahresabschlüssen der Unternehmen, allen voran K+S, niedergeschlagen hat.

Umso mehr sind wir erschrocken – ich auch, das gebe ich zu –, als wir von diesem Angebot gehört haben; denn wir haben natürlich Sorge, dass das gute Miteinander zwischen Politik, Unternehmen und allen Betroffenen zukünftig möglicherweise nicht so fortgesetzt werden kann, wie es bisher der Fall war.

Wir machen uns Sorgen um die Standorte, wir machen uns, wie erwähnt, Sorgen um Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und wir machen uns Sorgen, dass sich neue Eigentümer möglicherweise mehr mit den operativen Ergebnissen beschäftigen – was in einer Aktiengesellschaft grundsätzlich der Fall sein muss – als mit den nachhaltigen, politischen und unternehmensstrategischen Maßnahmen, die K+S in den vergangenen Jahren ergriffen hat und die dazu geführt haben, dass das Unternehmen mittlerweile wieder auf einem sehr erfolgreichen und ertragreichen Kurs ist.

(Beifall bei der CDU)

Alle diese Sorgen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einerseits, wie es von vielen Analysten vorgetragen wird, wahrscheinlich ist, dass es zu Unternehmensänderungen und zu Änderungen in der Eigentümerstruktur kommen kann, und dass es andererseits durchaus Möglichkeiten gibt, zu helfen, die wir auch nutzen wollen.

Wir haben – das muss man, wenn man sich mit dieser Frage beschäftigt – einige aktuelle Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen. Zunächst einmal ist zur Kenntnis zu nehmen, dass das Unternehmen im Streubesitz ist: Die Eigentümer dieses Unternehmens sind weltweit verteilt und eher anonym, bis auf einige institutionelle Anleger, die, mit einem Anteil von immerhin 21 %, in erster Linie aus den Vereinigten Staaten kommen, aber auch aus Deutschland: 18 %. Übrigens wird 1 % der Aktien von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehalten.

Wir haben in den letzten Jahren auch verfolgen müssen, dass die schwierige Branche, die unterschiedlichen Kostenstrukturen und auch Wettbewerbsverzerrungen in dieser Branche dazu geführt haben, dass der Aktienkurs der K+S eine durchaus turbulente Entwicklung nahm. Zuletzt hat er sich allerdings, natürlich aufgrund der Offerte von Potash, auf einem Niveau bewegt, das, wie Analysten glauben, einigermaßen dem Marktwert und dem Preis des Unternehmens mit diesen positiven Zukunftserwartungen entspricht.

In der Vergangenheit gab es eine Reihe von Kartellbildungen, um den Preisverfall durch Verknappung der Mengen aufzuhalten bzw. zu verlangsamen. Diese Kartellbildungen sind zum Teil aufgekündigt worden, insbesondere im Jahr 2014, sodass zu diesem Zeitpunkt erst recht erhebliche Preiseinbrüche und Gewinneinbußen zu verzeichnen waren. Das ist die eine Seite.

Erschwerend kommt auf der anderen Seite hinzu, dass die Produktionsstätte in Deutschland – das haben wir nicht nur dort, sondern auch in vielen anderen Branchen – deutlich teurer ist als beispielsweise die in der Ukraine, in Weißrussland, in Russland oder auch in Kanada. In Deutschland haben wir pro Tonne Kosten in Höhe von ca. 218 €. Im Vergleich dazu: In Nordamerika sind es 90 €; in Russland und in Weißrussland liegen die Preise noch darunter. Das bedeutet bei einer Ertragssituation, die nun einmal an den Weltmarktpreis gekoppelt ist, für ein Unternehmen in einem solchen Wettbewerb schlicht und einfach geringere Erträge und eine geringere Ertragskraft.

Das wiederum muss heißen, wir als Politiker müssen im Blick haben, dass die Kostenstruktur des Unternehmens – auch anderer Unternehmen, aber insbesondere dieses Unternehmens – bewältigbar ist und nicht mit zusätzlichen politischen Ereignissen unnötig belastet wird, jedenfalls mehr belastet wird, als es unbedingt sein muss.

Sorgen machen darüber hinaus beispielsweise die Energiepreise, die Arbeitskosten, das Alter der Stollen – das einen erheblichen Aufwand bei der Gewinnung der Rohstoffe bedingt – und auch Wechselkursereignisse. Da sind wir wieder einmal bei dem Thema Stabilisierung von Währungen, das für die Unternehmen von großer Bedeutung ist, insbesondere für solche, die auf dem Weltmarkt tätig sind.

Kurzum: Wir haben auch jenseits der aktuellen Ereignisse eine ganze Reihe von Hausaufgaben zu machen, mit denen wir dazu beitragen können, dass sich die Situation bei K+S stabilisiert, was dazu führt, dass das Unternehmen durchaus mit dem einen oder anderen Instrument der Abwehr in Richtung potenzieller Interessenten erfolgreich sein kann.

Wir haben auf der anderen Seite ein klares Regelwerk. Das ist zum einen ein Kartellrecht, das sehr klare Auflagen hat. Übrigens gab es – auch daran muss erinnert werden – 1997 schon einmal die Absicht einer Fusion zwischen K+S, damals anders strukturiert, und Potash. Dem Minister – es war damals FDP-Wirtschaftsminister Rexrodt – wurde vom Kartellamt untersagt, die Erlaubnis zu erteilen. Es gab also auch in dem Unternehmen schon einmal die Idee, durch Größenwachstum eine stärkere Position auf dem Markt zu erlangen.

Es gibt zum anderen klare Regelwerke für die Übernahme solcher Unternehmen. Im Wertpapierübernahmegesetz heißt es, erst ein Anteil von 30 % bedeutet, dass der Eigentümer eine beherrschende Stellung im Unternehmen hat. Wir wissen nicht, was Potash will: ob sie darüber nachdenken, in dieser Größenordnung zu investieren, oder ob sie sogar in der Lage sein wollen, eine Sperrminorität zu verhindern, was wiederum bedeutet, dass sie 75 % der Aktien besitzen müssten. Das ist sicherlich ein schwieriges Unterfangen, auch angesichts dessen, dass mit einer solchen Offerte viele Risiken verbunden sind.

Ende Juni gab es kein Angebot, sondern zunächst einmal eine Ankündigung an die Unternehmensleitung, und seitdem ruht der See. Seitdem gibt es viele Gespräche; von dem einen oder anderen konnte man in der Zeitung lesen. Aber ich glaube, es besteht nach wie vor die große Chance – das Management von K+S hat sich klar dahin gehend positioniert, dass es mit der vorgelegten Offerte, die einen Aktienpreis von 40 € einschließt, nicht einverstanden ist und sie den jetzigen Eigentümern nicht empfehlen kann –, dass sich diese Gespräche stabilisieren, wenngleich in den

nächsten Wochen noch das eine oder andere auf uns zukommen wird, möglicherweise auch neue Angebote.

Das Unternehmen hat eine Reihe von Instrumenten: von der Kapitalerhöhung über die schon erwähnten kartellrechtlichen Regelungen bis zur Akquisition weiterer Interessenten. Das wäre der berühmte „Weiße Ritter“. All das ist zurzeit Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen des Unternehmens – auch auf dem Kapitalmarkt.