immerhin ein Kernthema gewesen: Wie geht das – deshalb ist die Partei damals gegründet worden – mit dem sozialen Zusammenhalt in dieser Welt, nicht nur bei uns?
Das ist die Kernfrage. Genau wie der Papst – das haben die Vorredner nicht angesprochen – sehr selbstkritisch auf die Katholische Kirche schaut, wie sie in der Vergangenheit mit diesen Themen umgegangen ist, so selbstkritisch schauen wir darauf, wo wir hinter diesem Anspruch auf Solidarität in dieser sozialen Frage zurückgeblieben sind. Das ist eine Frage der Demut, aber es nimmt nichts weg davon, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist.
Von daher hat dieses Rundschreiben den Nerv dieser Zeit getroffen. Es kommt genau zwischen G7 und dem Klimagipfel in Paris. Da ist es angesiedelt,
Herr Kollege Roth, ich habe schon etwas für die Exegese zugegeben. Aber Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.
Letzter Satz. – Dass diese Enzyklika in Anwesenheit von drei namhaften Persönlichkeiten dieses Hauses in Rom verkündet wurde, am Pfingstsonntag in Anwesenheit von Thorsten Schäfer-Gümbel, Gerhard Merz und mir,
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für Kapitalismusgläubige rund um den Globus geht ein Gespenst im Papstgewand um. Franziskus spricht klare Worte. Der globalisierte Kapitalismus steckt in der Krise. Eine allein profitorientierte Marktwirtschaft bringt neben Wachstum mehr Gewalt und Kriege, mehr soziale Ungleichheit, mehr Umweltzerstörung und verstärkten Klimawandel. Er sagt:
Die menschliche Umwelt und die natürliche Umwelt verschlechtern sich gemeinsam, und wir werden die Umweltzerstörung nicht sachgemäß angehen können, wenn wir nicht auf Ursachen achten, die mit dem Niedergang auf menschlicher und sozialer Ebene zusammenhängen.
Weiter betont er, „dass die schwersten Auswirkungen all dieser Umweltverletzungen von den Ärmsten erlitten werden“.
Die Verbindung der sozialen mit der ökologischen Frage – ein großes Defizit grüner Politik – gelingt dem Papst ausgesprochen gut. Er sagt:
Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige und komplexe sozioökologische Krise. Die Wege zur Lösung erfordern einen ganzheitlichen Zugang, um die Armut zu bekämpfen … und sich zugleich um die Natur zu kümmern.
Zur Lösung der Krise wendet sich Franziskus explizit gegen marktbasierte neoliberale Konzepte, wie den CO2-Emmissionshandel, dessen weltweite Einführung Bundeskanzlerin Merkel forderte. Der Markt ist ökologisch blind und sozial rücksichtslos, so lautet ein Standard der Kapitalismuskritik. Franziskus formuliert das so:
In manchen Kreisen meint man, dass die jetzige Wirtschaft und die Technologie alle Umweltprobleme lösen werden, ebenso wie man … behauptet, dass die Probleme des Hungers und das Elend in der Welt sich einfach mit dem Wachstum des Marktes lösen werden.
Es gibt keinen Green New Deal, nicht mehr Markt oder mehr Technik werden den Klimawandel, Hunger und Armut beseitigen. Das kann nur mit politischen Eingriffen gelingen.
Franziskus weiß, wovon er spricht. Er hat die Folgen neoliberaler Schocktherapie, wie sie heute die Griechen über sich ergehen lassen müssen, als Seelsorger in den Armenvierteln seiner argentinischen Heimat in den Neunzigerjahren selbst miterlebt.
Er kritisiert: Daher bleibt heute „alles Schwache wie die Umwelt wehrlos gegenüber den Interessen des vergötterten Marktes, die zur absoluten Regel werden“.
Das sind die Worte von Franziskus. Da steckt mehr Kapitalismuskritik drinnen als in den Wahlprogrammen der hessischen GRÜNEN in den letzten zehn Jahren zusammen.
Ja, Franziskus könnte auch den Weg für Hessen weisen. Weder die GRÜNEN noch die Christlich-Demokratische Union interessieren sich in Wahrheit einen Pfifferling für das, was der Papst ihnen zu sagen hat. Zu Recht fordert Franziskus:
Das hätte die grüne Umweltministerin Priska Hinz am Verhandlungstisch mit Kali + Salz berücksichtigen sollen, um den DAX-Konzern auf eine nachhaltige Kaliförderung zu verpflichten.
Stattdessen verhilft sie ihm zu Extraprofiten. Über Bundeswirtschaftsminister Gabriel will ich an dieser Stelle ganz schweigen.
Unter anderem werden „ökologische“ Wohnanlagen geschaffen, die nur einigen wenigen dienen, wo man zu vermeiden sucht, dass andere eintreten und die künstliche Ruhe stören. Eine schöne Stadt voller gut gepflegter Grünflächen findet man gewöhnlich in einigen „sicheren“ Gebieten, jedoch kaum in weniger sichtbaren Zonen, wo die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen leben.
Es gibt Passivhäuser mit Breitbandanschluss für die, die es sich leisten können. Die sozial Abgehängten bleiben in Offenbach. Das ist grüne Metropolenpolitik.
Anstelle hier mit Bezug auf die Umwelt-Enzyklika Weihrauch zu verströmen, sollten sich die GRÜNEN die Haltung von Franziskus zu eigen machen. Sie ist sozial, ökologisch und technik- und kapitalismuskritisch.
Was setzt der grüne Wirtschaftsminister den Wachstumsansprüchen der Fraport entgegen? Wo sind die schwarzgrünen Initiativen zur Postwachstumspolitik? – Die GRÜNEN haben keine Plan B. Sie haben kein Konzept für eine solidarische Postwachstumspolitik. Aber sie finden den Papst toll, weil er von Ökologie redet. Das ist doch ihr Thema.
(Unruhe – Manfred Pentz (CDU): Ich verstehe Sie überhaupt nicht mehr! – Glockenzeichen der Präsidentin)
Ja, Sie schreien so laut. – Marktapologeten werden sich an der Umwelt-Enzyklika des Papstes wie der Teufel am Weihwasser die Finger verbrennen.
Ohne Wachstum des Frankfurter Flughafens geht in Hessen die Welt unter, hören wir seit Jahren von Mitgliedern der CDU. Jetzt sagt der Papst, dass die Welt wirklich untergeht, wenn wir so weitermachen. Die hessischen Regierungsparteien betreiben mit der Umwelt-Enzyklika Greenwashing. Um im Genre zu bleiben, sage ich: Das ist Blasphemie.
Ich habe nur noch einen Satz. – Die Regierungsparteien haben Glück, denn die Inquisition ist abgeschafft.