Protocol of the Session on March 11, 2014

Gleichzeitig – das habe ich bei Ihnen ein bisschen vermisst, Frau Wissler – werden wir höchste Maßstäbe an die Transparenz öffentlicher Auftragsvergaben im Lande Hessen anlegen; denn Transparenz über die Vergabe von Aufträgen ist gerade für die konkurrierenden Anbieter die zentrale Voraussetzung für fairen Wettbewerb und damit für den wirtschaftlichen und verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln. In allererster Linie dafür ist das Vergaberecht da.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir werden auch dafür sorgen, dass die Folgekosten – Sie hatten sie kurz angesprochen – künftig stärker berücksichtigt werden können.

Wir wollen, um den fairen Wettbewerb sicherzustellen und neuen Unternehmen bessere Chancen einzuräumen, die öffentliche Ausschreibung von Aufträgen durchaus zur Regel und zum Mittel der Wahl machen. Unter anderem werden wir den Schwellenwert beim Interessenbekundungsverfahren absenken und dafür sorgen, dass künftig fünf statt bisher drei mögliche Anbieter angefragt werden müssen.

Meine Damen und Herren, das werden die Eckpunkte eines neuen hessischen Tariftreue- und Vergabegesetzes sein, das beides schafft – den wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Mitteln einerseits und gleichzeitig den fairen und transparenten Wettbewerb, und zwar ohne zum bürokratischen Monstrum zu werden.

Beim Stichwort „bürokratisches Monstrum“ sind wir bei Ihrem Gesetzentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN. Ihr Gesetzentwurf steht in der Tradition der Gesetzentwürfe, die Sie in den vergangenen Jahren zu dem Bereich vorgelegt haben, noch mehr: Er ist nahezu identisch mit dem Entwurf, über den wir zuletzt debattiert haben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wir müssen unsere Meinung nach der Wahl nicht ändern!)

Frau Wissler, wir GRÜNE waren schon damals der Auffassung – das können Sie gerne nachlesen –, dass Ihr Entwurf weit über das Ziel hinausschießt. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie haben das Problemfeld, in dem wir uns hier bewegen und wo es durchaus eine Regelungsnotwendigkeit gibt, in Teilen richtig beschrieben. Aber Sie müssen doch endlich zur Kenntnis nehmen, wie breit das Spektrum ganz unterschiedlicher Sachverhalte ist, die das Vergaberecht regeln muss. Es muss die Beauftragung von Bauleistungen regeln, aber auch den Bezug unterschiedlichster Dienstleistungen und Waren. Es regelt genauso die Auftragsvergaben größter Landesbehörden wie die kleinster Kommunen, und es muss nicht nur mit den Regelungen des Bundes, sondern auch mit den europäischen Richtlinien übereinstimmen. Ein so breites Spektrum kann man nicht mit starren, verpflichtenden Regeln abdecken, die bei manchen Aufträgen passen und bei vielen anderen eben nicht. Solche starren Regeln schaffen lediglich eine umfangreiche, aber leider weitgehend sinnfreie Bürokratie, insbesondere zulasten kleiner und mittlerer Unternehmen und der kleineren Kommunen.

Deshalb gehört, ehrlich gesagt, kein besonderes Talent dazu, vorherzusagen, dass die Bewertung Ihres heute erneut eingebrachten Gesetzentwurfs bis zur zweiten Lesung genauso ausgeht wie vergangenes Mal. Schon deshalb scheuen wir den Wettbewerb um das bessere Konzept für die hessischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die hessische Wirtschaft nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Dann bringt mal was ein!)

Vielen Dank, Kollege Klose. – Das Wort hat Frau Abg. Barth, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Gesprächen mit den Kreishandwerkskammern und mittelständischen Unternehmen zum Thema „Tariftreue und Vergabe“ wurde mir häufig berichtet, dass mittlere und erst recht kleinere Unternehmen vor Ort kaum noch an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genau!)

Alleiniger Grund hierfür ist, dass sie dem Preisdruck, dem Preisdumping bei öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr standhalten können.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Fazit: Für kleinere, für lokale, für mittelständische Unternehmen ist die öffentliche Hand mit ihren Ausschreibungen in Hessen kein attraktiver Arbeitgeber. Sie zahlt einfach zu schlecht. Das sollte uns zu denken geben.

Insofern war ich schon ziemlich überrascht, weshalb Sie Ihr Vergabegesetz im vergangenen Jahr „Mittelstandsförderungsgesetz“ genannt haben, meine Damen und Herren von CDU und FDP; denn Mittelstandsförderung bei Ausschreibungen ist nur mit einem funktionierenden Tariftreuegesetz möglich. Nur so können Sie die Preisspirale nach unten aufhalten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Nachdem die SPD auf Bundesebene in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU den Mindestlohn mühsam durchgesetzt hat – liebe Janine Wissler, ohne die SPD hätten wir 2020 noch keinen Mindestlohn –

(Beifall bei der SPD)

und die GRÜNEN nun in ihrem Koalitionsvertrag auf Landesebene dankenswerterweise die Tariftreue, hoffe ich doch, dass uns allen klar ist, dass das Vergabegesetz, welches hier im letzten Jahr verabschiedet wurde, noch um wesentliche Punkte zu erweitern ist und dabei auch sonst noch einige Schwächen zu korrigieren sind. Lassen Sie es uns dieses Mal richtig machen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass wir uns etwas mehr Zeit gelassen hätten, meine Damen und Herren von der LINKEN, liebe Janine Wissler. Es geht nicht darum, wer hier „Erster“ schreien darf, es geht darum, dass wir endlich ein wirkungsvolles Gesetz schaffen, welches Dumpinglöhne verhindert und Missbräuche einschränkt, ein Gesetz, welches die endlosen Ketten von Subsubsubunternehmen, die inzwischen alle größeren Baustellen unseres Landes dominieren, durchbricht.

Hier komme ich auch zum Punkt. Das beste Gesetz nutzt nichts, wenn es nicht wirkungsvoll kontrolliert wird.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ein Beispiel für ein gutes Gesetz, aber versagende Kontrolle haben wir gerade vor drei Wochen im Frankfurter Europaviertel gesehen. Sie haben es schon angesprochen. Gesetzlich ist hier eigentlich alles auf dem Gleis: Wir haben einen für allgemein verbindlich erklärten Mindestlohn von etwas über 11 €. Wir haben das Arbeitnehmerentsendegesetz, welches auch adäquate Sanktionen vorsieht. Meine Damen und Herren, was aber nutzt das, wenn die Arbeiter erst auf die Straße gehen müssen, damit es überhaupt auffällt, dass diese Gesetze hier nicht eingehalten werden? Offensichtlich fehlen hier Kontrollmechanismen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der Zoll kann das sicherlich nicht alleine leisten, denn auch dort ist die personelle Ausstattung nicht ausreichend. Auch sollten wir schon vorher ansetzen, damit der Zoll gar nicht mehr so viel aufdecken muss. Glauben Sie im Ernst, dass die Subsubunternehmer, die hier gegen Gesetze verstoßen und gegen die jetzt wahrscheinlich auch ermittelt wird, in zwei Jahren überhaupt noch existieren?

Sie wissen genau: Diese Baustelle ist kein Einzelfall. Seit Jahren geht es auch auf Baustellen der öffentlichen Hand genauso zu. Beispiele, so sie denn entdeckt werden, gehen immer wieder durch die Presse.

Über genau diesen Punkt – wie wir wirkungsvolle Kontrollmechanismen etablieren können – möchte die SPD nochmals genauer nachdenken. Deshalb hätte ich mir aus aktuellem Anlass gewünscht, dass wir hier etwas überlegter vorgehen, statt nur die alten Gesetzentwürfe wieder aus der Schublade zu holen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Außerdem ergibt es aus unserer Sicht keinen Sinn, hier einen Mindestlohn von 10 € pro Stunde aufzurufen, wenn wir uns im Bund auf 8,50 € geeinigt haben. Das macht die Sache nicht einfacher.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir haben uns nicht geeinigt!)

Herr Schaus, aber diese Einigung besteht doch. Wir können hier nicht mit verschiedenen Beträgen agieren.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Da wir leider zu den letzten drei Bundesländern gehören, die noch kein Tariftreuegesetz haben, heißt das auch: Es gibt viele Bundesländer, die uns voraus sind. Von deren Erfahrungen, deren Best-Practice-Beispielen können wir profitieren, ehe wir ein Gesetz beschließen, welches entscheidende Mängel hat. Lassen Sie uns gemeinsam nachdenken, wie z. B. eine einzurichtende Prüfbehörde oder Kontrollstelle auszugestalten ist. Auch die Prüfintensität und weitere Details sollten wir konkretisieren, bevor wir an dieser Stelle einen zahnlosen Tiger schaffen.

Wir sind auch bei Ihnen – an die Adresse der LINKEN –, was die Aufnahme sogenannter vergabefremder Kriterien anbelangt. Denn wir sind mit Ihnen der Meinung, dass ein Engagement in der Ausbildung oder hohe Maßstäbe beim Umweltschutz – um nur zwei Bereiche zu nennen – keine Wettbewerbshemmnisse sind, sondern Punkte, die zu einem Wettbewerbsvorteil führen sollten, wenn sich ein Bieter hier vorbildlich verhält.

Liebe Kollegen der CDU, es sind doch meist die mittelständischen und lokalen Unternehmen, die hier vorbildlich sind und die Sie mit Ihren Gesetzen fördern wollen. Das sind die Unternehmen, die ausbilden. Wollen Sie das nicht honorieren? Aber nur, wenn diese Kriterien in die Angebotsbewertung einfließen, schaffen wir es, wirtschaftliche Anreize für hohe Standards zu bieten.

Herr Klose, das sollten wir übrigens gleich hier im Gesetz festschreiben und nicht erst den weiteren Trägern ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Gern steigen wir in die Beratung ein. Auch wir wünschen uns zeitnah eine Novellierung des vorliegenden Vergabegesetzes, denn das ist unvollständig und enthält gravierende Fehler.

In der generellen Zielrichtung ist der heute vorliegende Gesetzentwurf in unserem Sinne. Ein Teil daraus stammt auch aus dem letzten SPD-Gesetzentwurf, den wir vor Ihnen verfasst haben. Aber einige Punkte sollten wir noch, aktuellen Erkenntnissen folgend, weiterdenken und verändern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Barth. – Meine Damen und Herren, das war die erste Rede unserer Kollegin Elke Barth in diesem Hause. Herzlichen Glückwunsch, das hast du gut gemacht.

(Allgemeiner Beifall)

Nächster Redner ist der Kollege Lenders von der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wissler, auch wenn Sie die Themen immer wieder penetrieren – das gehört im politischen Geschäft dazu –, werden sie bei Ihnen dem Inhalt nach nicht unbedingt richtiger. „Der Billigste muss nicht unbedingt der Günstigste sein“ – das ist eine Binsenweisheit, und genau das gibt auch das geltende Vergabegesetz her. Diese These, dass grundsätzlich immer an den Billigsten vergeben werden muss: Eigentlich hatte ich gehofft, dass wir mit den Beratungen zum gültigen Vergabegesetz mit dieser These aufgeräumt hätten. Aber es dient wohl Ihren politischen Zwecken, diese Missinformation permanent zu penetrieren.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))