Protocol of the Session on April 29, 2015

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Da tut man sich nicht schwer, und der Kollege Dr. Bartelt sieht das genauso – das weiß ich –, auch wenn er einen starken Schwerpunkt auf die Zuständigkeitsfrage gelegt hat.

Herr Kollege, wir sind uns einig, dass über das, was man da bisher hört, kein Mensch glücklich sein kann. Die Neuregelung der Struktur des ärztlichen Bereitschaftsdienstes soll für die Patienten Verbesserungen bringen. Er soll effizienter sein, und es soll schneller gehen. Nach dem, was man über das hört, was am 1. Januar final in Kraft getreten ist – auch in der letzten Welle –, ist das aber nicht so. Man hört – Sie haben es beschrieben – vom Hals-Nasen-OhrenArzt, vom Gynäkologen und vom Hautarzt, die nun auch noch hausärztliche Aufgaben wahrnehmen sollen. Diese Tatsache kann einen nicht wirklich beruhigen. Deswegen muss man sich Gedanken darüber machen, ob die KVH tatsächlich den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Dieses ploppt aber nicht erst heute hoch. Ich kann nur sagen, dass das beim Gesundheitsminister ständig Thema war und er mehrfach darüber berichtet hat, dass er mit den Vertretern der KVH eindringlich darüber diskutiert, dass sie ihren Weg transparenter machen. Das ist richtig. Ich bedanke mich bei dem Minister auch dafür. Ich glaube, Schwarz-Grün ist da gut aufgestellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn Probleme in der Selbstorganisation der KVH auftauchen, muss sie sich der Kritik stellen, und dann muss sie transparent und selbstkritisch damit umgehen. Wir unterstützen dieses Verfahren ausdrücklich. Ich wiederhole auch, dass es entsprechende Befunde gibt. Ich nenne als Beispiel die Selbstversuche des hr: Wenn jemand ewig lange in der Warteschlange sitzt, ist das kein guter Zustand. Dann muss man das Problem benennen und – besser noch – diesen Tatbestand sofort ändern.

Deswegen fordern wir an dieser Stelle die KV in Hessen auf: Organisieren Sie Ihre Bereitschaftsdienste so, dass lange Warteschleifen vermieden werden. – Das ist doch selbstverständlich. Darin sind wir uns in diesem Haus alle einig.

Ich komme zum nächsten Punkt. Die Reform der Strukturorganisation hat dazu beigetragen, dass die Bezirke zusammengefasst wurden: Von 114 sind nur noch 41 Bezirke übrig geblieben, und 38 der 58 Bereitschaftsdienstzentralen – das muss man sich einmal überlegen – sind bereits jetzt in Krankenhäusern untergebracht. Es ist auch nicht per se schlecht, dass man in Krankenhäusern die Möglichkeit hat, den Bereitschaftsdienst in Anspruch zu nehmen, und kurze Wege hat, wenn man weiterbehandelt werden muss.

Ich will nur sagen, nicht alles daran ist falsch. Nehmen Sie die Telefonzentralen in Kassel und in Frankfurt: Da hockt nicht jeweils ein verschlafener Sicherheitsdienstmitarbeiter, sondern in Kassel sitzen 43 und in Frankfurt 76 Mitarbeiter, die sich um diese Frage kümmern.

Aber ich wiederhole: Wenn es Kritik daran gibt und die Warteschleifen nachweislich zu lang sind, ist davon auszugehen, dass ein Fehler im System vorliegt, und dann muss dieser Fehler revidiert werden. So einfach kann es manchmal sein.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Frau Schott, ich will noch eines zur Relativierung sagen; denn ich finde es beunruhigend, wie Sie es machen: Der Bereitschaftsdienst ist kein Notfalldienst. Das will ich noch einmal sagen. Wenn die Menschen draußen im Land durch diese Diskussion das Gefühl haben, sie können, wenn sie zu Hause einen massiven Notfall haben, niemanden erreichen, ist das ein Problem.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Doch, dieser Eindruck wird erweckt: Was ist, wenn jemand massives Herzstechen bekommt, die Besinnung verliert und man plötzlich niemanden mehr erreicht? Das ist grober Unfug. Man wählt nach wie vor die 112, und dann ist, so, wie wir es kennen, der Rettungswagen in zehn oder zwölf Minuten vor Ort. Man sollte nicht den Eindruck erwecken, dass dies in Gefahr sei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Notfallversorgung in Hessen ist nicht in Gefahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es geht um den Bereitschaftsdienst. Es geht darum – ich wiederhole es –, dass eine vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten gewährleistet ist. Das heißt, es geht um eine Grauzone: Man fühlt sich nicht wohl und überlegt sich, ob man das noch bis Montag aushält oder ob man gleich behandelt werden muss. Da gibt es natürlich Wartezeiten – zu Recht, sagt die Landesregierung –, genauso wie es in den Sprechstundenzeiten Wartezeiten gibt. Das wird man nicht gänzlich vermeiden können.

Aber diesen Eindruck will ich hier nicht erwecken – deswegen betone ich das noch einmal –: Wenn die KVen eine Reform machen, die zu einer Verschlechterung der Versorgung führt, sie also eine Strukturreform durchführen, die die Qualität der ärztlichen Versorgung tatsächlich gefährdet, wenn sie fachfremde Ärzte in die Pflicht nehmen, hausärztliche Aufgaben zu übernehmen, und wenn es zu langen Wartezeiten kommt, müssen wir alle, das gesamte Haus, daran Kritik üben. Dieses Signal kann heute vom Landtag ausgehen. Sie müssen sich stärker der Kritik stellen, und sie müssen die Fehlentwicklungen revidieren und die Defizite beseitigen. Daran darf doch kein Zweifel bestehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Probleme sind schon seit Monaten bekannt. Ich gebe auch da eine Empfehlung: Seit acht Tagen liegt die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von Dr. Spies und Herrn Gremmels, SPD, vor.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist aber keine Lösung!)

Viele Befürchtungen sind darin schon entkräftet worden. Das muss man auch einmal sagen. Zum Beispiel wurde befürchtet, dass es eine massive Zunahme der Zahl der Rettungsdienstfahrten oder eine Inflation bei der Zahl der Notaufnahmen geben würde. Schauen Sie sich die Bilder an. Mal sind Anstiege zu verzeichnen, mal gehen die Zahlen wieder runter. Es hat sich dort also keine massive Gefährdungslage eingestellt. Ich bitte Sie, in der Debatte etwas zur Versachlichung beizutragen.

Die aufgrund der Neustrukturierung eingetretene Situation ist keine wünschenswerte; sie ist kritikwürdig. Aber wir sollten in diesem Haus alles unternehmen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sich, wenn es jemandem in diesem Land schlecht geht, niemand um ihn kümmert. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Ich komme zum Schluss. Ich betone noch einmal: Wenn die KVen den Eindruck erwecken, sie seien unfehlbar, haben sie etwas falsch verstanden. Selbstorganisation und Selbstverwaltung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das heißt, dass sie sich auch der öffentlichen Kritik stellen und ihre Haltung gegebenenfalls so revidieren müssen, dass sich niemand mehr Sorgen zu machen braucht, wenn es ihm einmal schlecht geht. Das muss das Signal sein, das heute gegeben wird.

Ich bin mir sicher, CDU und GRÜNE sind sich bei dieser Position ganz einig. Wir fordern die KVen auf, aktiv Stellung zu dieser Kritik zu nehmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Das Wort hat der Abg. Florian Rentsch, Fraktionsvorsitzender der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Veränderung beim ärztlichen Bereitschaftsdienst hat uns nicht heute, anlässlich des Antrags der Linkspartei, zum ersten Mal beschäftigt, sondern wir haben uns, im Gegenteil, schon sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Ich will darauf hinweisen, dass, wenn ich mich recht erinnere, Kollege Spies, Kollege Rock und ich als einzige Abgeordnete kamen, als die Kassenärztliche Vereinigung in Wiesbaden eine Informationsveranstaltung mit den Abgeordneten dazu gemacht hat.

Ich empfehle den Kollegen von CDU, den GRÜNEN und der Linkspartei, einmal direkt in den Dialog einzutreten. Kollege Spies hat das wahrgenommen. Es war eine kontroverse Diskussion, die wir dort geführt haben. Aber Fakt ist: Wenn sich die KVH anbietet, sollte man nicht nur Anträge im Landtag stellen, sondern man sollte den Diskurs suchen und es sich nicht ganz so einfach machen, wie Sie es getan haben. Ich glaube, das ist notwendig.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin froh, dass meine Fraktion am 30. März 2015 eine sehr ordentliche Anfrage zu dem Thema „Veränderungen und Probleme im ärztlichen Bereitschaftsdienst“ gestellt hat. Ich habe es nämlich, offen gesagt, hier noch nie gern gesehen, wenn wir allein aufgrund von Zeitungsberichten und medialen Ereignissen diskutiert haben. Vielmehr glaube ich, es ist richtig, dass die Landesregierung ihrer Aufgabe nachgeht, indem sie sich mit den Problemen befasst, über die öffentlich diskutiert wird. Herr Kollege Bocklet, das ist doch völlig unstreitig.

Jedenfalls hatte ich aufgrund des Gesprächs, das wir mit Vertretern der KVH geführt haben, das Gefühl, dass man in der KVH selbst ein großes Interesse daran hat, über diese Fragen zu diskutieren. Ich habe bei den Terminen, die wir dort hatten, nicht den Eindruck gewonnen, dass man bei der KVH völlig die Rollläden heruntergelassen hatte, im Gegenteil. Die Veränderung beim ärztlichen Bereitschaftsdienst ist eben etwas anderes, als im ChampionsLeague-Halbfinale oder im Pokalhalbfinale einen Elfmeter zu schießen. Das ist etwas anderes; das ist ein Mammutprojekt.

(Holger Bellino (CDU): Das tut jetzt aber weh! – Weitere Zurufe)

Ja, da haben Sie recht. Das muss man auch können, wie wir gestern erfahren haben.

Herr Kollege Rentsch, bleiben Sie bitte bei der Sache.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Präsident, Sie müssen sehen, dass gestern Rot verloren und Schwarz-Gelb gewonnen hat. So etwas soll es in Deutschland auch noch geben. Das ist nicht völlig falsch.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Rentsch, das kommt selten vor. Machen Sie bitte weiter.

(Allgemeine Heiterkeit)

Auch das ist nicht ganz falsch. Aber dabei gibt es Ausnahmen. – Deswegen ist es, was das Thema ärztlicher Bereitschaftsdienst betrifft, eine Mammutaufgabe, so etwas neu zu organisieren. Ich glaube, das darf man erst einmal an die Seite stellen.

Wir haben heute einmal getestet – ich habe diese Möglichkeit leider vor einigen Wochen privat nutzen müssen –, wie lange man beim ärztlichen Bereitschaftsdienst braucht, um durch die Hotline zu kommen. Das sind natürlich nur Stichproben. Damals habe ich nicht lange gebraucht. Das Gefühl hatte ich jedenfalls nicht. Heute haben wir weniger als 40 Sekunden gebraucht – 39 Sekunden –, um nach der Eingabe der Postleitzahl jemanden von der Hotline am Telefon zu haben. Wenn das die Durchschnittszeit wäre – was ich nicht beurteilen kann –, wäre das sehr gut.

Ich glaube aber, dass es richtig ist, dass man diesen Fragen nachgeht. Natürlich muss das Land als Rechtsaufsicht in dieser Frage diesen Themen nachgehen. Ich habe aber, ehrlich gesagt, bei dem Gesundheitsminister, Kollegen Grüttner, nicht das Gefühl, dass er dieses Thema links liegen lässt. Im Gegenteil.

Eine Sache will ich hier noch einmal klar feststellen: Es sich so einfach zu machen – zu sagen: „Na ja, wir haben eine bestimmte demografische Entwicklung in unserem Land. Wir haben die Situation, dass wir im ländlichen Raum immer weniger Ärzte haben. Wir führen in diesem Landtag auch Diskussionen über die Frage, was man machen kann, um den ärztlichen Dienst in Hessen auch in der ländlichen Region attraktiver zu machen“ –, dazu gehört dann auch, dass man sich über den ärztlichen Bereitschaftsdienst Gedanken macht; denn das ist einer der Punkte – die Kollegen aus der Gesundheitspolitik wissen und kennen das –, der Mediziner möglicherweise davon abhält, in die ländliche Region zu gehen: weil dort ein erhöhtes Aufkommen an Bereitschaftsdienst auf sie zukommt.

(Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Deshalb finde ich es richtig, dass wir diese Frage diskutieren. Ich muss sagen, so habe ich auch den Kollegen Spies verstanden. Ich finde es richtig, dass die Kassenärztliche Vereinigung sich darüber Gedanken macht, wie man auch den ärztlichen Beruf, zu dem der Bereitschaftsdienst gehört, im ländlichen Bereich anders strukturieren kann. Das einmal als erste Klammerbemerkung.

Fakt ist, dass man dabei zu unterschiedlichen Modellen kommen kann. Ich habe einen Modellversuch an der Bergstraße unterstützt – Kollege Grüttner weiß es, Kollege Spies auch –, der ähnlich wie im Lahn-Dill-Kreis die Bündelung zwischen dem Notdienst, dem Rettungsdienst und dem ärztlichen Bereitschaftsdienst vorgenommen hat; man kann schließlich die Frage diskutieren, ob Patienten in ei

ner Notlage wirklich in der Verfassung sind, aus den verschiedenen Telefonnummern die richtige zu wählen. Ich glaube schon, dass es richtig wäre, dieses Modellprojekt, das wir damals forciert haben, auch wieder in den Blick zu nehmen, weil es an vielen Stellen – gerade auch in dieser sehr schwierigen Situation – vor allen Dingen für die Patienten zu einer Erleichterung geführt hat, nach dem Motto: Es gibt eine Nummer, und ein Callcenter entscheidet zum Schluss, welches der richtige Weg ist, also ob man noch zum Bereitschaftsdienst fahren kann oder ob er kommen muss, und ob es eher eine Zuständigkeit des Notarztes oder eines Rettungswagens ist. Ich glaube, das sind alles Verästelungen, bei denen viele der Besucher heute hier überfordert wären, wenn man sie danach fragen würde, was man dort richtig wählt, wie auch viele von den Landtagskollegen. Insofern ist das eine Debatte, die man jetzt wieder neu beginnen kann.

Aber zurück zur Frage, wie wir mit dem Thema weiter umgehen. Ich glaube, dass es Sinn macht, dass die Landesregierung jetzt zunächst einmal die Anfragen beantwortet, die im Geschäftsgang sind. Ich schlage auch vor, dass wir hier den Diskurs mit der Kassenärztlichen Vereinigung weiter forcieren und führen. Gesundheitsminister Kollege Grüttner tut das. Aber auch das Parlament hat die Möglichkeit, sich dort einzubringen. Wir alle haben ein gemeinsames Interesse daran, dass das in Hessen funktioniert. Das gehört aber auch in die Debatte: An einigen Stellen, höre ich, funktioniert es, und an einigen Stellen, das höre ich auch, funktioniert es nicht. Jetzt muss man der Sache auf den Grund gehen: Woran hängt es, wenn es nicht richtig funktioniert? Ich gebe zu, insgesamt ist mir reine Medienberichterstattung dafür zu wenig, und deshalb ist jetzt die Landesregierung am Zug, die Anfragen der Parlamentarier in dieser Debatte zu beantworten. Wenn wir Zahlen, Daten, Fakten haben, dann führen wir die nächste Diskussion darüber, was aus unserer Sicht in dieser Frage richtig oder falsch ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Grüttner. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man so manches Drumherum weglässt, sieht man, der vorliegende Antrag, über den wir diskutieren, befasst sich mit einem ausgesprochen wichtigen Thema, einem Thema, das auch nicht neu ist, mit dem sich einige hier schon eine ganze Weile beschäftigen. Herr Dr. Spies, ich prognostiziere einmal, auch nach der Sommerpause werden wir hier im Hessischen Landtag noch gemeinsam mit Ihnen über dieses Thema diskutieren.