Protocol of the Session on February 6, 2014

Noch etwas: Ja, der Protest, den wir GRÜNE mit unterstützt haben, war in großen Teilen berechtigt; aber in großen Teilen waren das auch Befürchtungen. Jetzt frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Wenn diese Befürchtungen auf den Prüfstand kommen, durchleuchtet werden, wenn jetzt ein Qualitätsmonitoring durchgeführt wird und wir von den einzelnen Einrichtungen genau auf Punkt und Komma erfahren werden, wo der Schuh drückt, wo unter Umständen bei einer kleinen Einrichtung Existenznot besteht, wo unter Umständen Qualitätsstandards aufgrund der Finanzierung abgesenkt werden mussten, und wir das jetzt, ab sofort, mit einem Qualitätsmonitoring durchführen, wenn wir bereit sind, nachzusteuern, dann nehmen wir doch die Befürchtungen ernst und bearbeiten sie vonseiten der Landesregierung ganz gezielt qualitativ und mit großem Augenmaß. Was spricht dagegen? Wovor haben Sie eigentlich Angst?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Als Sozialarbeiter war ich bei einem großen Träger der Kinder- und Jugendarbeit tätig. Ich weiß, es gibt vieles, was man in der Kinderbetreuung noch weiter verbessern muss. Aber wir haben die Finanzpolitik im Genick und brauchen einen ausgeglichenen Haushalt. Ich gebe offen zu, für mich als Sozialpolitiker wäre noch mehr wünschenswert gewesen. Ich kann mir da vieles vorstellen, angefangen beim Betreuungsschlüssel. Aber ich will auch nicht verschweigen, dass wir schon jetzt festgelegt haben, die Sprachförderung zu verbessern. Das sagen wir schon heute, vor dem Gipfel. Wir werden über eine verbindliche Tandemvereinbarung auch dafür sorgen, dass die Übergänge von Kindergärten zu Grundschulen noch besser werden.

(Manfred Pentz (CDU): Sehr gut!)

Das sind schon erste Schritte. Ich sage Ihnen, wir halten noch mehr für wünschenswert. Das hat aber auch etwas mit Prioritätensetzung zu tun. Es wäre unglaublich gewesen, wenn diese Einrichtungen behinderte Kinder tatsächlich nicht mehr aufgenommen hätten, und es wäre unklug gewesen, wenn in diesem Land wenig in der Grundschulkinderbetreuung passiert wäre. Das kostet uns round about 100 Millionen €. Es ist eine finanzpolitisch kluge Entscheidung, die Schwerpunkte dort zu setzen. Darauf bin ich stolz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich komme zu dem Thema „Was ist wünschenswert?“. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich habe mir natürlich angeschaut, was Sie sich am 2. September 2013, kurz vor der Wahl, in Ihrem neunseitigen Papier gewünscht haben. Ich wiederhole, was ich schon vor der Wahl gesagt habe: Wir teilen Ihre Auffassungen nicht an jedem einzelnen Punkt. Beispiel: die Gruppenpauschale. Sie haben im März eine Tournee durch Hessen gemacht. Da möchte ich noch einmal auf den Punkt „Verhalten vor und nach der Wahl“ verweisen. Liebe Kollegen von der SPD, in dem neunseitigen Papier steht, was Sie sich wünschen und was Sie umsetzen wollen. Auf Seite 7 heißt es: „Wir werden die Förderung der Kinderbetreuung erhöhen.“

Applaus. „In welchem Umfang dies erfolgen kann, können wir erst nach einem Kassensturz sagen.“

(Gernot Grumbach (SPD): Na klar!)

So kann auch ich alles vom Himmel herunter versprechen. Sie waren ja nie in der Situation, sagen zu müssen, was Sie als Erstes, Zweites und Drittes tun werden. Sie versprechen allen alles – nach dem Motto „Wir sammeln alle ein“. Aber was Sie nach der Wahl tun, ist eine andere Frage. Wir GRÜNE haben vor der Wahl gesagt, was wir nach der Wahl tun wollen. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Weil wir das gesagt haben, haben wir wahrscheinlich nicht alle Stimmen aus dem linken Lager bekommen. Wir haben bestimmte Schwerpunkte gesetzt: auf Inklusion, auf Schulkinderbetreuung, in Teilen auf eine Weiterentwicklung innerhalb der Kindergärten mittels Sprachförderung, Tandems und mit vielem anderen mehr. Wir haben uns also schon vor der Wahl Gedanken gemacht, was finanzierbar ist.

(Zurufe von der SPD)

Wir haben vor der Wahl etwas versprochen, und nach der Wahl halten wir es – gemeinsam mit unserem neuen Koalitionspartner. Mehr Kinderbetreuung und bessere Kinderbetreuung: Das wird auch in Zukunft unser Ziel als GRÜNE sein. Dafür treten wir ein.

Ich sage noch einmal: Heute ist sicherlich nicht der letzte Tag der Diskussion, ob alles so gut ist, wie es heute zu sein scheint. Das ist aber auch nicht der Anspruch, den wir GRÜNEN erhoben haben. Wir haben nicht gesagt, das sei der Weisheit letzter Schluss. Diese Arroganz werden wir auch in den nächsten fünf Jahren nicht an den Tag legen.

(Zurufe von der SPD)

Ich glaube aber, dass das ein wesentlicher Schritt ist, eine deutliche Verbesserung der Kinderbetreuung in Hessen – für die kleinen und für die größeren Kinder. Wir haben an viele Punkte gedacht. Deswegen ist das der Beginn und nicht das Ende. Ich bin froh darüber, dass wir diese entscheidenden Schritte gehen. Ich bin aber sicher, dass das nicht die letzten Schritte sein werden. Deshalb bin ich froh darüber, dass wir es so machen, wie wir es jetzt machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Das Wort hat der Abg. Merz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten zweieinhalb Tagen ziemlich viele Möglichkeiten erlebt, sich um Kopf und Kragen zu reden. Diese war eine weitere.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LIN- KEN)

Ich habe mir das Thema nicht ausgesucht, aber da wir auf Antrag und auf Wunsch der Kollegen von den LINKEN jetzt über das KiföG reden müssen, reden wir auch dar

über. Es ist über einen Verlust an Glaubwürdigkeit zu reden. Es ist über Versuche der Täuschung und der Selbsttäuschung zu reden, und es ist von Kompromissen zu reden, von guten und von schlechten.

Der Kollege Wagner, der offensichtlich die politische Erbschaft seines Namensvetters angetreten und in der Erbmasse den Kollegen Irmer gefunden hat,

(Manfred Pentz (CDU): Werden Sie doch nicht persönlich! Reden Sie zur Sache!)

hat am Dienstag sinngemäß gesagt: Wir möchten nicht so sehr an dem gemessen werden, was wir vor der Wahl gesagt haben, sondern wir möchten an dem gemessen werden, was wir nach der Wahl tun. – Er hat am Dienstag und erneut heute früh auf die Notwendigkeit von Kompromissen hingewiesen. Selbstverständlich hätte sich diese Notwendigkeit auch uns gestellt. Aber an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN gerichtet – geben Sie es an den Kollegen Wagner weiter, er ist gerade nicht anwesend –: Die Qualität eines Kompromisses bemisst sich auch an dem, was man ursprünglich gewollt, gesagt und aufgeschrieben hat – vor allen Dingen aus der Sicht derjenigen, denen man etwas gesagt und versprochen hat und die das geglaubt haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Zweitens bemisst sich die Qualität eines Kompromisses natürlich auch daran, was der erzielte Kompromiss in der Sache dazu beiträgt, ein Problem zu lösen oder eben nicht zu lösen.

In beiderlei Hinsicht, sowohl was das Messen an dem Anspruch als auch was das Messen an dem Lösen tatsächlicher Probleme angeht, muss man sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, das, was Sie in diesen Koalitionsvertrag geschrieben haben, das, was Sie in Ihrem Antrag andeuten, und das, was sich in beiden Reden widergespiegelt hat, ist kein guter Kompromiss, auch kein schlechter Kompromiss, sondern kampflose Kapitulation –

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

jedenfalls dann, wenn man sich daran erinnert, wie Sie nach anfänglichem Zögern die Backen aufgeblasen haben, als Sie gemerkt haben, dass in dem Thema KiföG, wie es damals auf dem Tisch lag, mehr Sprengstoff steckte, als Sie ursprünglich erwartet hatten. Das war der Moment, an dem Sie aufgehört haben, über den zentralen Punkt zu reden, nämlich über die Frage des Zusammenhangs zwischen dem Finanzierungsmechanismus auf der einen Seite und der standhaften Weigerung des Landes auf der anderen Seite, zusätzliches Landesgeld für die Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen – jedenfalls über die 100 Millionen € hinaus, zu deren Zahlung das Land gezwungen worden ist. Das ist übrigens ein Punkt, den Sie in der Antragsbegründung mittlerweile unterschreiben; auch das habe ich einmal anders gehört. Das war der zentrale Punkt. Um den haben Sie sich lange herumgemogelt, weil Sie in der Tat – das weiß ich auch aus persönlichen Gesprächen – der Meinung waren, dass es in Frankfurt ganz prima läuft und das, was für Frankfurt gut ist, immer auch für das ganze Land gut ist. Das ist nämlich die Perspektive der GRÜNEN in der Kinderbetreuungspolitik: Immer ist es Frankfurt, nie der ländliche Raum.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deswegen weise ich das zurück, was in den Sondierungsgesprächen gesagt worden ist, dass dieser Finanzierungsmechanismus nämlich eine Form der Abwehr sei, überkommene Strukturen zu finanzieren, und sage: Das Aufrechterhalten einer Struktur der Kinderbetreuung auf dem flachen Land, auch bei kleinen Trägern, war aus der Sicht der GRÜNEN nach der Wahl eine überkommene Struktur.

Sie haben zwar drei Gesetzeslesungen lang und in vielen Diskussionen und Veranstaltungen viel Getöse gemacht, aber Sie haben nicht über diese Punkte geredet. Sie haben immer über die Gruppengröße geredet, Sie haben immer über die Personalschlüssel geredet, Sie haben über viele andere Dinge geredet, und Sie haben vor allen Dingen den in Stein gemeißelten Satz gesagt: Murks bleibt Murks, das KiföG muss zurückgenommen werden. – Das haben Sie noch in der dritten Lesung gesagt. Die Versuche, das nachträglich zu qualifizieren, gehen an der Sache vorbei. Genau das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der Kollege Wagner hat uns gefragt: Warum glauben Sie uns nicht, dass wir mit dem runden Tisch etwas erreichen werden? – Ich sage Ihnen, warum wir das nicht glauben, warum wir vor allen Dingen der rechten Seite dieses Hauses nicht glauben.

(Zuruf von der FDP)

Sie regieren ja Gott sei Dank nicht mehr mit.

(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der FDP)

Irgendein Gutes hatte die Wahl dann doch.

(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)

In diesem Hause hat am 8. März der „Runde Tisch Kinderbetreuung“ stattgefunden. Das war die mündliche Anhörung zum KiföG. Sie alle waren da. Sieben Stunden lang haben wir darum gerungen, was in der Kinderbetreuung angezeigt ist. Was ist dann passiert? Es war so, als wenn man einem Ochsen ins Horn gepetzt hätte, weil nach unserer damaligen gemeinsamen Überzeugung die vorgenommenen Korrekturen im Grunde nur eine Frontbegradigung waren, z. B. die Bestimmung, dass 20 % der Beschäftigten Fachkräfte sein müssen. Der Rest war Kosmetik. Das war, wenn ich mich recht erinnere, unsere gemeinsame Überzeugung. Weil das so ist, glauben wir nicht mehr daran, dass bei runden Tischen mit der rechten Seite dieses Hauses etwas herauskommen kann.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Kollege Wagner hat zweitens gefragt, was denn so falsch daran sei, die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen. Daran ist gar nichts falsch. Ich will daran erinnern, dass sich im letzten Jahr 140.000 Menschen in diesem Lande per Petition an den Hessischen Landtag gewendet und an der Diskussion beteiligt haben, wie eine vernünftige Kinderbetreuung aussehen könnte. Nichts hat es genützt. Deshalb glauben wir auch an diesem Punkt nicht daran, dass sich dadurch etwas zum Besseren wenden wird.

(Clemens Reif (CDU): Abwarten!)

Auch der Antrag, den Sie jetzt vorgelegt haben, ist in der Tat nicht geeignet, meinen Glauben in die GRÜNEN zu stärken. Sie unterschreiben jetzt alles, was zu den Glaubensbekenntnissen der rechten Seite dieses Hauses gehört – ohne Widerspruch.

(Zurufe von der CDU)

Die platzbezogene Finanzierung ist sozusagen das Credo, und alles, was aus diesem Finanzierungsmechanismus, verbunden mit der Unterfinanzierung, folgt – was zumindest wir in der Debatte immer sauber herausgearbeitet haben –, bleibt unangetastet. Sie unterschreiben das Märchen von den substanziell angehobenen Landesmitteln.

Sie haben noch etwas zur Tandembildung formuliert. Ich frage mich, warum das nicht schon längst passiert ist. Ich habe vor ein paar Jahren kritisiert, dass auf der Kultusseite die Mittel dafür halbiert worden sind.

(Manfred Pentz (CDU): Sie haben es schon immer gewusst!)

Sie haben etwas über Sprachförderung hineingeschrieben, als ob man das besonders betonen müsste. Wir haben in der Enquetekommission sauber herausgearbeitet, dass das gemacht werden muss. Das ist eine platte Selbstverständlichkeit und im Zusammenhang mit dem KiföG auch eher ein Randproblem – im Zusammenhang mit dem KiföG, nicht aber im Zusammenhang mit Kinderbetreuung und frühkindlicher Bildung.