Protocol of the Session on March 5, 2015

Ich möchte das Thema hier gar nicht weiter vertiefen. Ich glaube, es ist bei allen Fraktionen deutlich geworden, wie wichtig das Thema ist und wie wir auftreten müssen, damit flächendeckend geimpft wird. Ich freue mich darauf, vom Minister zu hören, was das Land Hessen alles an Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger leistet. – Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Jürgen Lenders (FDP) sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rock, vielen Dank. – Als letzter Redner für die Fraktionen erhält Herr Kollege Spies für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne Zweifel ist der Anlass für diese Aktuelle Stunde ein überaus tragischer und bedauernswerter Todesfall eines Kindes. Doch darf die Aktualität dieser Berichterstattung nicht darüber hinwegtäuschen – das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden –, dass Infektionskrankheiten, insbesondere virale Erkrankungen, als Todesursache bei Kindern eine absolute Rarität sind. Kinder in diesem Land sterben an Unfällen und an Suiziden weitaus häufiger als an Infektionskrankheiten.

Unsere Aufmerksamkeit auf einen einzelnen konkreten Fall zu lenken und dem an dieser Stelle eine solche Bedeutung zu geben, läuft Gefahr, darüber hinwegzutäuschen, an welchen Stellen weitaus mehr Handlungsbedarf zum Schutz unserer Kinder bei gesundheitlichen Fragen angebracht ist.

Die Impfquote in Hessen ist – so sagt es uns das Robert Koch-Institut – weitgehend durchschnittlich. Sie liegt geringfügig darüber. Darüber wollen wir uns nicht streiten. An dieser Stelle bleibt es aber ein bisschen enttäuschend – bei der Intensität, mit der in Hessen die Impfung eingefordert wird, nämlich durch das Kindergesundheitsschutz-Gesetz, das wir damals in großer Einmütigkeit getragen haben, das aber leider schon bei seiner ersten Novelle keine Evaluation zu den Wirkungen vorzeigen konnte –, dass Hessen trotz dieser Gesetzgebung nur knapp über dem

Durchschnitt der Impferfolge liegt. Dies sollte ein Anlass sein, noch einmal zu überprüfen, warum eigentlich nicht bis auf das 1 % – Herr Bocklet hat das eben erwähnt – der grundsätzlichen Impfverweigerer immer noch eine Differenz besteht. Immerhin 6 % der hessischen Kinder sind bei Einschulung nicht adäquat geimpft oder haben keinen Impfausweis, 1 % Verweigerer – bleibt noch eine ziemlich große Zahl, die man erreichen könnte, wenn man denn einmal schauen würde, an welcher Stelle das Gesetz, das in Hessen geltendes Recht ist, nicht adäquat umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

An dieser Stelle sei ein weiterer Blick gestattet. Es gibt Bundesländer, die sind uns an diesem Punkt weit überlegen. Die erreichen eine Vorlage des Impfausweises von 98 %, im Unterschied zu 94 % in Hessen. Die erreichen Masernimpfquoten von fast 99 %.

Und wer ist das? Das sind alles die neuen Bundesländer, die eine lange Tradition in intensiver Pflege des öffentlichen Gesundheitsdienstes haben.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

Auch in Hessen gab es einmal einen Gesetzentwurf der verehrten Kollegin Schulz-Asche für einen Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Das ist schon ein paar Jahre her. Dort sollten gerade die Aspekte der Prävention und der Kommunikation eines Public-Health-orientierten Ansatzes einen sehr viel stärkeren Raum einnehmen, als wir das heute haben. Man kann argumentieren – unzureichende Impfungen sind selten; dem würde ich zustimmen –, dass man besser sein kann, als wir es sind, und dass das insbesondere dort ist, wo der öffentliche Gesundheitsdienst eine sehr viel stärkere Position und andere Tradition hat als bei uns. Das sollte uns zu denken geben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zum Schluss. Natürlich ist es schön, wenn der Hessische Landtag appelliert – dem schließe ich mich voll und ganz an, liebe Kollegin –, jeder möge geimpft sein. Lieber Marcus Bocklet, ich bin nicht maserngeimpft, denn ich bin Jahrgang 1962, da gab es das noch nicht. Die Empfehlungen für die Impfung von Kindern unter 24 Monaten sind noch neueren Datums als die frühen Sechzigerjahre. Ohne Zweifel ist das ein großer Fortschritt.

Aber wenn wir hier appellieren, Menschen sollen geimpft sein, dann lautet doch die Frage: Was heißt das eigentlich für das politische Handeln des Landes? Der Landtag sollte ein bisschen mehr Anspruch an sich selbst stellen, als nur einen Appell an die Bürger zu richten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Heißt das also, dass der Herr Staatsminister gleich ankündigen wird, dass die Mittel, die sehr bescheiden sind, für Aufklärungsmaßnahmen im Gesundheitswesen und die Mittel für die HAGE aus diesem Anlass und aufgrund des Appells aufgestockt werden? Heißt das, dass das Land sich für deutliche Verbesserungen im Präventionsgesetz des Bundes im Hinblick auf die Verstärkung der Impfquote einsetzen wird? Heißt das, dass die Mittel für die Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung erhöht werden? Und heißt das, dass wir diesem Appell auch praktische Geltung verschaffen, indem wir die Regelungen des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Hin

blick auf eine Stärkung der Impfquote verändern? – All das wäre die Aufgabe des Landtags, jenseits eines wohlmeinenden Appells. Ich bin gespannt, was der Herr Staatsminister uns dazu zu sagen hat.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Spies. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Grüttner. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unabhängig von aktuellen Diskussionen in der Öffentlichkeit auf der Grundlage von Erkrankungen oder eines Todesfalles ist das Thema Aufklärung und Impfung als Prävention – natürlich ist Impfung Prävention – permanent Gegenstand der Aktivitäten der Hessischen Landesregierung, und ich weiß, dass das auch ein permanentes Anliegen und Gegenstand der Aktivitäten der diese Landesregierung tragenden Fraktionen ist. Das ist nicht einmalig, sondern das ist eine Daueraufgabe.

An dieser Stelle will ich schon sagen: Es geht nicht allein um Impfungen gegen Masern oder gegen Röteln und Mumps, sondern die Letalität bei Kindern und auch bei Erwachsenen ist und muss Gegenstand unserer jeweiligen Diskussionen sein. Wir müssen immer wieder darauf hinweisen – das ist eben nochmals durch den Katalog der durch die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts empfohlenen Impfungen deutlich geworden –, dass der Prozess nicht einmalig und abgeschlossen ist, sondern ständig wiederholt werden muss, auch bis in das hohe Erwachsenenalter hinein.

Deswegen ist beispielsweise der Appell, dass auch Erwachsene prüfen müssen, ob sie noch ausreichenden Impfschutz – beispielsweise gegen Kinderlähmung – haben, ein Appell mit großer Ernsthaftigkeit. Denn häufig setzt man das gar nicht mehr in Verbindung mit dem Erwachsenendasein und versichert sich nicht des ausreichenden Impfschutzes.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Und wo kam das in der Regierungserklärung vor?)

Frau Schott, wissen Sie, ich verstehe es, Oppositionsrhetorik muss halt sein, dass man immer versucht, anzugreifen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das stimmt doch gar nicht!)

Aber manchmal greift man dann auch daneben, und das tun Sie bei diesem Thema im Moment. Ich meine, das ist ein Thema, bei dem man nicht in den parteipolitischen Streit hineinkommen sollte, sondern bei dem man versuchen muss, aus den Erfahrungen, die man gemacht hat, zu lernen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daran hat sich außer Ihnen auch jeder Redner hier gehalten. Ich gehe auch auf das ein, wozu mich Herr Spies aufgefordert hat Stellung zu nehmen. Dazu werden Sie noch einiges hören.

Aber ich will das wirklich in einen breiteren Rahmen stellen. Denn natürlich bekommt man dieses Thema, aufgerüttelt durch aktuelle Ereignisse, wieder in die Präsenz. Deswegen muss man solche Situationen nutzen, in denen man Gehör findet.

Mein Petitum ist: Das muss ein Dauerthema sein. Aufklärung, Sensibilisierung müssen Dauerthemen sein.

Es geht um den öffentlichen Gesundheitsdienst. Beim Thema Impfquoten sehen wir ein klares, unterschiedliches Verhältnis zwischen den neuen Bundesländern und den alten. Das liegt aber nicht an der Stärke des öffentlichen Gesundheitsdienstes, sondern das liegt auch daran, wie in den früheren Zeiten in den neuen Bundesländern mit Menschen umgegangen worden ist, inwieweit sie noch eine freie Entscheidung hatten. Dort müssen wir das Thema Impfpflicht nicht nochmals diskutieren oder hätten es nicht diskutieren müssen. Ich sage ganz bewusst: Das will ich auch in der heutigen Diskussion nicht fordern.

Wir aber sind in einer Situation, in der wir sensibilisieren und aufklären müssen. Da gehören schon Entwicklungen, die wir festgestellt haben, auf die Tagesordnung. Deswegen kann man auch sagen: Ja, wir sind einen guten Schritt gegangen. Sehen Sie sich allein den Bereich der zweiten Masernimpfung an, die letztendlich den vollen Impfschutz bietet. In den Jahren 2005 bis 2012 haben wir die Quote bei den zweiten Masernimpfungen von etwas mehr als 70 % auf rund 94 % gesteigert. Das ist ein gewaltiger Fortschritt. Denn damit geht das einher, was auch Herr Kollege Bocklet gesagt hat: Man muss immer auch sagen, nicht impfen bedeutet nicht nur eine Eigen-, sondern auch eine Fremdgefährdung. Es gehört zu einer solidarischen Gesellschaft dazu, auch auf den anderen, auf den Nächsten zu achten und nicht nur allein auf sich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht also um den öffentlichen Gesundheitsdienst. Wir sind im Moment im Gespräch mit den Gesundheitsämtern – da muss man sehen, wo die Verantwortlichkeiten angesiedelt sind –, wie wir hier noch weiter aufklären können und auf die Wichtigkeit des Impfens hinweisen können.

Im Übrigen: Wenn Sie sich den beschlossenen Haushalt ansehen, dann stellen Sie fest, dass auch die Mittel für die HAGE erhöht worden sind. Sicherlich wird die HAGE in ihren Gremien einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, zu entscheiden, wie diese erhöhten Mittel einzusetzen sind.

Herr Minister, ich darf Sie auf die Fraktionsredezeit hinweisen.

Ich will noch auf einige Aktivitäten eingehen, die wir unternehmen, ohne dass man vielleicht von ihnen weiß.

Wir haben das Kindergesundheitsschutz-Gesetz, das die UUntersuchungen verbindlich macht. Bei der Aufnahme in Kindergemeinschaftseinrichtungen gibt es die Verpflichtung, empfohlene Impfungen nachzuweisen oder schriftlich zu erklären, dass Impfungen abgelehnt wurden; dann weiß man, gegen welche Krankheiten nicht geimpft wurde.

Diese hessischen Regelungen sollen in das Präventionsgesetz des Bundes überführt werden. Wir werden uns mit dem Entwurf des Präventionsgesetzes intensiv auseinandersetzen in der Hoffnung, dass wir hier eine entsprechende Zustimmung erhalten.

Ein Punkt ist überhaupt noch nicht erwähnt worden. Wir stellen als Land Hessen große finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Impflücken bei Bevölkerungsgruppen, die vom Gesundheitssystem nicht vollständig erreicht werden, zu schließen, beispielsweise im Rahmen der humanmedizinischen Sprechstunde in Frankfurt. Wir führen in dieser Fragestellung außerdem permanent Diskussionen mit den Hebammenverbänden, weil von den Hebammen ein entscheidender Beitrag geleistet werden kann, um Impfungen an Kindern vorzunehmen. Insofern brauchen wir uns nicht zu verstecken. Wir haben viel erreicht. Wir können aber noch besser werden.

Fast jeder kann dazu beitragen, dass wir alle, insbesondere aber die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, geschützt sind. Impfen tut not, und Impfen ist wichtig. Dieser Appell sollte heute von diesem Landtag ausgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich weise der Ordnung halber darauf hin, dass den Fraktionen jeweils zwei Minuten Redezeit zugewachsen sind. Mir liegen aber keine Wortmeldungen vor, und ich will mit dieser Mitteilung auch gar keine provozieren.

Ich stelle fest, dass damit die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 47, abgehalten ist.

Ich teile Ihnen mit, dass sich die Fraktionsgeschäftsführer über eine Änderung des Ablaufes geeinigt haben. Danach gehen wir jetzt in die Mittagspause. Um 14 Uhr wird die Sitzung fortgesetzt, wie vorgesehen, mit Tagesordnungspunkt 34. Es schließt sich – entgegen der bislang vorgesehenen Reihenfolge – der jetzt verschobene Setzpunkt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an. Das sind die Tagesordnungspunkte 35 und 49. Der Bericht des Unterausschusses Datenschutz zu dem Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten und zu der Stellungnahme der Landesregierung wird entsprechend um eine Stunde geschoben, wie sich der gesamte Ablaufplan insgesamt um eine Stunde verschiebt.

Ich hoffe, dass ich das richtig verstanden und wiedergegeben habe.

Wir sehen uns, wie vorgesehen, nach Ablauf der Mittagspause um 14 Uhr wieder. Bis dahin ist die Sitzung unterbrochen.

(Unterbrechung von 12:43 bis 14:02 Uhr)

Meine Damen und Herren, nehmen Sie bitte wieder Platz. Ich eröffne die Sitzung nach der Mittagspause und rufe den Tagesordnungspunkt 34:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Entsorgung von Abfällen aus der Kaliindustrie: Arbeitsplätze und Umwelt sichernde Entsorgung erarbeiten – Ver