Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die Sitzung fort. Es ist zwar im Saal noch etwas übersichtlich, aber wir fahren in der Beratung fort mit Tagesordnungspunkt 32:
Antrag der Fraktion der FDP betreffend geplantes Versorgungsstärkungsgesetz gefährdet eine verlässliche Gesundheitsversorgung der hessischen Bevölkerung – Drucks. 19/1626 –
Große Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Gesundheitsstandort Hessen – Drucks. 19/945 zu Drucks. 19/545 –
Frau Präsidentin, vielen Dank. Natürlich gibt es zu diesem Punkt auch eine Wortmeldung, weil den Freien Demokraten in diesem Hause die ärztliche Versorgung sehr wichtig ist; denn die ärztliche Versorgung, gerade die ambulante, ist in unserem Lande eine der zentralen Säulen unserer Gesundheitsversorgung. Das ist mit Sicherheit – so hoffe ich jedenfalls – jedem hessischen Parlamentarier wichtig.
Kollege Spies hat gerade gesagt, er sehe das auch so. Er ist als ehemaliger Krankenhausarzt in dem Bereich sicherlich auch ein Beispiel für den stationären Sektor. Aber, Herr Kollege Spies, uns geht es heute um den ambulanten Bereich. Der ambulante Bereich mit niedergelassenen Ärzten sorgt dafür, dass die Menschen in Hessen eine größtenteils wohnortnahe, hochwertige Versorgung mit Hausärzten auf der einen Seite, mit Fachärzten auf der anderen Seite, mit Ärzten ihres Vertrauens haben.
Gerade die persönliche Nähe – die Frage: „Ich kenne meinen Arzt, ich vertraue ihm“, da gibt es jahrelange Verbindungen, wir hatten das vorhin beim Punkt Kinderarzt – ist ein ganz wichtiger Baustein in unserer Gesundheitsversorgung. Ich bin deshalb, das darf ich für meine Fraktion ausdrücklich sagen, überrascht, verwundert, dass bei dem geplanten Anschlag, der an die ärztliche Versorgung in Hessen angelegt wird – –
2.700 Praxen können in unserem Land wegfallen. Das ist ungefähr die Hälfte der Praxen, die wir haben. Ich wundere mich schon, dass der Aufschrei gerade der Regierungskoalition und des Kollegen Grüttner, selbst Gesundheitsminister, hier so gering ist.
Ich hätte erwartet, dass dann, wenn Berlin gegen hessische Interessen arbeitet, in Hessen die Alarmglocke nach dem Motto: „Das lassen wir mit uns nicht machen“, geläutet wird. Wer sich die Geschichte anschaut, kann feststellen, Sie haben das eine lange Zeit ähnlich gesehen.
Herr Staatsminister Grüttner ist in seiner Rolle als Gesundheitsminister und Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz, lange Zeit auch in seiner profunden Rolle als ehemaliger Gesundheitsdezernent auf kommunaler Ebene wirklich ein Kenner dieser Szene. Er ist einer, der sich auskennt. Er hat deshalb auch seinen Einfluss in Berlin geltend gemacht, dass das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz – was man eigentlich nur mit Versorgungsschwächungsgesetz übersetzen kann – so nicht kommt. Da hat er recht gehabt,
weil das, was Berlin hier plant, eben nicht nur 2.700 Praxen das Aus bringen kann, sondern die Versorgung in Hessen deutlich verdünnt und verschlechtert. Was ist geplant für die Bürgerinnen und Bürger? – Es ist geplant, dass in den sogenannten überversorgten Regionen Arztsitze durch die Kassenärztliche Vereinigung mit dem Politikversprechen aufgekauft werden sollen
und müssen – vielen Dank –, damit diese Arztsitze aus den überversorgten Gebieten in den ländlichen Bereich transferiert werden. Sie können nachher einmal erklären, wie das laufen soll. Wir haben einmal versucht, uns das von den Kassenärzten erklären zu lassen. Die wissen zum Teil selbst nicht, was die Politik damit meint.
Da sagt der Kollege Bartelt: Das ist das Problem. – Nein, Herr Kollege Bartelt, wenn die Politik solche unsinnigen Regelungen macht, dass der Arztberuf von Jahr zu Jahr unattraktiver wird, muss man sich nicht wundern, dass Ärzte nicht mehr in die Arztpraxen gehen. Ich freue mich über Sie, der Sie hier im Hessischen Landtag sitzen, Sie sind ein kompetenter Kollege.
Aber wir würden uns freuen, wenn die Ärzte mittlerweile wieder die Versorgung der Menschen in Hessen übernehmen würden, anstatt Politik zu machen. Da gehören sie hin.
Wir wollen Ärzte in den Ärztepraxen. Wir wollen, dass sie die Menschen in Hessen versorgen, und wir wollen nicht unsinnige Regelungen, die diesen Berufsstand von Jahr zu Jahr unattraktiver machen. Was wird mit diesen Arztsitzen, die aufgekauft werden müssen, passieren? Die Politik, die Große Koalition in Berlin, verspricht, die würden dann in die sogenannten unterversorgten Gebiete, wo es zu wenige Ärzte gibt, transferiert werden.
Wie sieht die Realität aus? – Die Realität sieht so aus, dass die Arztsitze natürlich auch mit einem Arzt besetzt werden müssen. Und man muss sich gut überlegen, warum das so ist. Es gab viel Übereinstimmung zwischen Herrn Grüttner und uns, warum Ärzte nicht in die Fläche gehen: weil die finanziellen Voraussetzungen, die Rahmenbedingungen für viele Mediziner einfach unattraktiv sind, sodass sie zum
Auch die Generation Y spielt hier eine Rolle. Ein völlig anderes Berufsbild wird eigentlich gefordert. Deshalb ist das, was hier planwirtschaftlich geplant ist, nicht nur ein Rohrkrepierer, sondern auch eine Täuschung der Patientinnen und Patienten in Hessen. Das wird nämlich nie so stattfinden. Und Sie von der Großen Koalition und den Vertretern hier im Hessischen Landtag wissen das, dass das nie stattfinden wird.
Was wird denn passieren? – Passieren wird, dass die KV, die Kassenärztliche Vereinigung, die Vereinigung der Vertragsärzte in Hessen, diese Sitze aufkaufen wird. Dann sagt die Politik: Na ja, die können ja widersprechen, da gibt es gute Möglichkeiten. – Wir werden sehen, wie viele Fälle vor den Landessozialgerichten landen und wie viele Fälle juristisch bestritten werden. Eine Katastrophe, was dort geplant ist. In der Realität wird es dazu führen, dass viele dieser Arztsitze einkassiert werden und in irgendeiner Form im stationären Bereich landen werden.
Das heißt, die Menschen in einer Randregion in Hessen, die irgendwo in der Fläche wohnen, müssen sich demnächst im Krankenhaus behandeln lassen, weil es keinen Arzt mehr gibt, der dort behandelt. Herr Kollege Grüttner, es ist zum Schluss – wo ich eigentlich Ihre Unterstützung erwarte – das, was Ulla Schmidt und die Sozialdemokraten seit Jahren hier planen: den ambulanten Bereich kaputt zu machen und die Krankenhäuser an dieser Stelle zu stärken. Das kann doch nicht in unserem Interesse sein.
Wer sich diese Karte anschaut – diese Karte ist rot-grün mit schwarzen Strichen, es passt eigentlich alles –, wird feststellen, die roten Stellen sind alles Gebiete, wo angeblich eine Überversorgung stattfindet. Das heißt, da gibt es mehr Ärzte, als die Berechnung vorsieht. Und das heißt, dort ist eine Überversorgung.
Wie sieht die Realität aus? – Herr Kollege Bartelt wird es nachher sicherlich aus seinem Bereich einmal sagen. Es ist genau so: Auch die jetzt bestehenden Facharztpraxen sind an vielen Stellen überfüllt, weil natürlich, erstens, eine große Nachfrage nach qualifizierten Medizinern vorhanden ist. Das ist so, Gott sein Dank. Zweitens lassen sich viele Menschen, wenn sie z. B. in den Ballungsgebieten arbeiten, die also hin- und herpendeln – nehmen Sie z. B. die Rhein-Main-Region –, nicht in ihrem Heimatort behandeln, sondern dort, wo sie arbeiten. Es ist auch sinnvoll, dass das so ist.
Drittens. Was wird in den Ballungsgebieten passieren, wenn diese Arztpraxen wegfallen? Es wird dort ein Arztmangel eintreten. Denn irgendwo müssen die Patienten hin, die jetzt auf der Warteliste sind. Sie sagen dann: Ich bekomme bei meinem Facharzt keinen Termin. – Insofern ist es eine abstruse Vorstellung, die die Große Koalition in Berlin hierzu hat.
Ich werfe der CDU nicht vor, sich das Ganze ausgedacht zu haben. Das hat sie sich nicht ausgedacht. Aber ich werfe der CDU vor, dass sie diese planwirtschaftlichen Instrumente mitträgt und dass das, was sich das Bundesgesundheitsministerium seit Jahrzehnten vorstellt, nämlich das
Ganze sozusagen vom Reißbrett aus zu steuern und die Planwirtschaft zu perfektionieren, von den Stimmen der Union unterstützt wird.
Die Freien Demokraten sagen: Wir wollen nicht nur, sondern wir sind aus juristischen Gründen zutiefst davon überzeugt, dass dieser Gesetzentwurf in den Bundesrat muss. Er ist zustimmungspflichtig. Denn ein solches Gesetz würde die Situation vor Ort ganz klar maßgeblich verändern. Sie müssen dann den Leuten vor Ort erklären, warum die Arztpraxis nicht mehr besetzt ist. Sie ist es nicht, weil dieser Sitz nicht vom Ballungsraum in die Fläche transferiert werden kann, weil der Arzt nämlich nicht mitgeht, auch wenn der Sitz der Kassenarztpraxis verlagert wird.
Meine Damen und Herren, Sie müssen vor allen Dingen eine Sache bedenken. Das ärgert mich. Wir haben in diesem Landtag schon mehrfach über die Frage diskutiert, wie man den Arztberuf attraktiver machen kann. Man macht den Beruf des Arztes sicherlich nicht attraktiver, indem man ihn weiter bürokratisiert und seine Ausübung durch schriftlich ausformulierte Gesetze erschwert. Das, was Sie mit dem Versorgungsstärkungsgesetz vorhaben, wird genau eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die Ärzte sein. Es wird eine Bürokratisierung geben. Das wird den Arztberuf weiter unattraktiv machen.
Herr Grüttner, anstatt das zu forcieren, was Sie in einigen Bereichen, wie ich finde, völlig zu Recht versucht haben – Sie wollten mit Modellversuchen den ländlichen Raum für Ärzte wieder attraktiv machen –, und sich zu überlegen, wie ein Rahmen aussehen kann, der dafür sorgt, dass die Ärzte wieder in der Fläche arbeiten wollen, sorgen Sie mit Ihrer Zustimmung innerhalb des CDU-Bündnisses letztendlich dafür, dass mit dem Versorgungsstärkungsgesetz der Arztberuf weiter bürokratisiert werden wird. Er wird weiter unattraktiv werden. Das ist nun die völlig falsche Antwort auf die Herausforderungen, die wir in den nächsten Jahren haben werden.
Herr Kollege Spies, es ist völlig in Ordnung, dass man unterschiedliche Auffassungen hat. Sie waren schon immer der Meinung, dass ein medizinisches Versorgungszentrum nach dem Vorbild eines anderen Landes sehr viel geeigneter für die Versorgung ist. Ich habe das immer bestritten, weil ich nicht glaube, dass das zum Schluss günstiger ist. Aber ich habe es auch deshalb bestritten, weil ich von vielen Patientinnen und Patienten weiß, dass sie den direkten Kontakt zu dem Arzt ihres Vertrauens pflegen wollen.
Sie wollen nicht, dass ihnen der Arzt wie im Krankenhaus zugewiesen wird. Da behandelt gerade der, der Dienst hat. Vielmehr wollen sie weiterhin das persönliche Verhältnis pflegen. Ich glaube, dass dieses Arzt-Patienten-Verhältnis etwas ist, das die Politik beachten sollte, wenn sie solche Spielchen am Reißbrett vollzieht. Dieses Verhältnis sollte man nicht unterschätzen.
Die Krone setzt dem Ganzen die Vorstellung auf, die wir mit den sogenannten Terminservicestellen haben. Die Poli