Protocol of the Session on March 4, 2015

einem Team zusammen und reden über die einzelnen Fälle. Das ist ein sehr professionelles Vorgehen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es angeführt – auch ich will es noch einmal deutlich machen –: Wichtig ist der präventive Ansatz der Häuser des Jugendrechts, dass man sich nicht nur anschaut: „Wie verfolgen die eine Straftat?“, sondern dass man sich auch fragt: Wie können wir zukünftige Straftaten verhindern und dabei die vorhanden Netzwerke nutzen?

Ich komme zum Schluss, indem ich auf den wichtigsten Aspekt neben dem Lob hinweise, nämlich auf die Frage – die auch Sie gestellt haben –, wie es weitergeht. Für uns, die SPD, ist klar, dass es nach dem Erfolg des Hauses des Jugendrechts eigentlich wünschenswert wäre, wenn man in allen größeren Städten Hessens, z. B. in Darmstadt, in Kassel und in Marburg, oder in jedem Landgerichtsbezirk Häuser des Jugendrechts hätte. Das wäre sehr wünschenswert. Aber das ist natürlich kostenintensiv. Das muss ich an der Stelle leider auch sehr deutlich sagen. Deshalb lautet unserer Vorschlag – ich glaube, der ist realisierbarer –, die Erkenntnisse aus den positiven Erfahrungen der Häuser des Jugendrechts in die Praxis der anderen Gerichtsbezirke zu transferieren. Das ist übrigens eine Forderung, die auch der Landesverband der Jugendgerichtshilfe seit Langem erhebt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die hessische SPD hat die Idee der Häuser des Jugendrechts nach Hessen gebracht. Sie unterstützt diese Idee und will sie weiterentwickeln. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Dr. Wilken, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem wir jetzt das Urheberrecht geklärt haben – ob es bei der CDU oder der SPD liegt –, will ich, was das Lob betrifft, doch noch etwas Wasser in den Wein schütten. Immer wieder wird nämlich in Bezug auf die Häuser des Jugendrechts die – ich sage es einmal so – Stammtischparole geäußert: Je schneller die Strafe auf eine Tat folgt, desto besser, desto weniger Kriminalität haben wir im Nachgang.

Das Problem ist, dass die Ergebnisse der gesamten Kriminalitätsforschung dem widersprechen. Je schneller bei Jugendlichen eine Bestrafung erfolgt, desto wahrscheinlicher wird eine Verlängerung der Kriminalitätskarriere. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen, wenn Sie das „je schneller, desto besser“ immer wieder loben. Das Gegenteil ist der Fall.

(Florian Rentsch (FDP): Wo haben Sie das gelesen?)

Zweite Bemerkung. Die beste Prävention, um Jugendliche und junge Erwachsene von einer kriminellen Karriere abzuhalten, besteht darin, ihnen Chancen zu bieten und die Armut zu bekämpfen, damit sie überhaupt nicht erst straffällig werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dritte Bemerkung. Ein Problem, auf das wir schon seit Längerem immer wieder hinweisen und auf das vor allem die Jugendgerichtshilfe immer wieder hinweist, ist, dass wir bei dieser Vermengung der Institutionen und der Personen im Haus des Jugendrechts ein Datenschutzproblem haben. Grundsätzlich dürfen Informationen nur unter Mitwirkung des betroffenen Jugendlichen und gegebenenfalls seiner Sorgeberechtigten erhoben, verarbeitet und genutzt werden, und dies nur, soweit es zur Erfüllung des jeweiligen Auftrags notwendig ist. Der Auftrag der Jugendhilfe im Strafverfahren gilt weiterhin: Die Jugendgerichtshilfe ist ein Fachteam der Jugendhilfe und nicht der Justiz. Deswegen müssen die Daten bei der Jugendhilfe bleiben.

(Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Eine letzte Bemerkung. Frau Hofmann, da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu: Wir sind einer Meinung darin, dass wir stärker am Täter-Opfer-Ausgleich arbeiten müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Kollege Dr. Wilken, vielen Dank. – Das Wort hat Frau Abg. Karin Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die bestehenden Häuser des Jugendrechts, das in Wiesbaden und insbesondere das in Frankfurt, sind ein Erfolgsmodell. Auch wenn der Erfolg viele Mütter hat, sind wir froh, dass wir in diesem Hause eine breite Mehrheit für die Weiterentwicklung haben; denn was zählt, ist das Ergebnis.

Deswegen begrüßen wir es außerordentlich, dass Ende März das größte Haus des Jugendrechts in Frankfurt im Mertonviertel öffnen wird. Gerade in den Problembezirken ist es durch eine enge Zusammenarbeit von Polizei, Jugendhilfe und Fachstaatsanwaltschaft sehr wichtig, die Probleme schon im Vorfeld von Gerichtsverhandlungen zu lösen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Durch die bisherige Arbeit der beiden Häuser des Jugendrechts zeigt sich, dass dies ein erfolgreiches Konzept zur Haftvermeidung, Prävention und für den Täter-Opfer-Ausgleich ist – er wurde schon mehrfach erwähnt. Erst kürzlich sagte der neue Leiter der Staatsanwaltschaft Frankfurt, dass die Häuser des Jugendrechts auch bei der Prävention islamischen Terrors einen wichtigen Beitrag leisten. In den Häusern des Jugendrechts würden Jugendlichen in Gesprächen Werte vermittelt. So könnten auch jene erreicht werden, von denen bekannt sei, dass sie sich in der Salafistenszene tummeln. Ich denke, ein besseres Argument kann man derzeit nicht liefern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Aber die Häuser des Jugendrechts sind natürlich auch für alle anderen Jugendlichen, die an der Schwelle zur Kriminalität stehen, eine gute Einrichtung. Mit unserem gemeinsamen Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen wir zum einen die erfolgreiche Arbeit würdigen, zum anderen aber auch das Signal setzen, dass eine Fortführung der Arbeit auch an anderen Orten – wie eben noch

einmal gefordert – vom Landtag ausdrücklich gewünscht ist.

Das Besondere an den Häusern des Jugendrechts – auch das wurde schon mehrfach gesagt –, besteht in der sowohl räumlich als auch inhaltlich engen Zusammenarbeit aller staatlicher Institutionen – mit Ausnahme des Gerichts –, die für Jugendstrafverfahren zuständig sind. Das heißt, Jugendhilfe, Jugendgerichtshilfe, Polizei und die Staatsanwaltschaft sowie gegebenenfalls die freien Träger sind – wir haben uns das in Frankfurt-Höchst einmal angeschaut – in einem Gebäude untergebracht und arbeiten eng zusammen. Das klappt hervorragend. Alle arbeiten gemeinsam an dem Ziel, Jugendliche und damit auch die Opfer vor weiteren Straftaten zu bewahren.

Das Ziel, auf strafrechtlich relevantes Verhalten von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden zeitnah und mit abgestimmten Maßnahmen, welche auch die individuelle Lebenssituation berücksichtigen, zu reagieren und so weitere Straffälligkeit zu vermeiden, wird in den Häusern des Jugendrechts auf jeden Fall erreicht. Gerade bei jugendlichen Ersttätern ist eine zeitnahe Reaktion auf die Tat wichtig, um sie an der Schwelle der Kriminalität abzuholen und vor weiterer Straffälligkeit zu bewahren. Deswegen liegt der Schwerpunkt dabei auch auf der Präventionsarbeit, die gemeinsam mit den anderen Kooperationspartnern entsprechende Hilfsangebote für die Jugendlichen bereitstellt, um Wiederholungstaten zu vermeiden. Es werden eine Drogen- und Suchtberatung, eine Schuldnerberatung sowie eine Schul- und Ausbildungsberatung durch freie Träger angeboten. All das wurde schon gesagt. Aber es kann nicht oft genug wiederholt werden; denn es ist wirklich eine gute Sache, und von hier aus soll das deutliche Signal an die Häuser und die Mitarbeitenden gesandt werden, dass ihre Arbeit auch gewürdigt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Die ersten Vorbereitungen wurden 2008 begonnen. Zurückzuführen sind sie nach meiner Kenntnis auf eine Expertenkommission zur Verbesserung der rechtlichen und tatsächlichen Instrumentarien zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. Auch wenn die Häuser des Jugendrechts erfolgreich arbeiten, ist der bessere Weg natürlich immer der – da gebe ich Herrn Wilken recht –, Jugendliche davor zu bewahren, überhaupt kriminell zu werden. Wenn aber jegliche Anstrengung in Jugendsozialarbeit und in Form von Jugendhilfemaßnahmen versagt haben, muss das Versäumte unter anderem in den Häusern des Jugendrechts aufgefangen werden.

Das Haus in Wiesbaden gibt es seit 2010, das in Frankfurt seit 2011. Die bestehenden Häuser wurden durch die Kriminologische Zentralstelle in Wiesbaden in Kooperation mit der Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Justus-Liebig-Universität in Gießen evaluiert. Es steht also alles auf einem guten Fundament. Deswegen sind wir froh, dass wir jetzt die Häuser ausbauen können.

Interessant ist es auch, noch einmal die Zahlen der zurückgehenden Jugendkriminalität zu nennen. Auch wenn das kein kausaler Zusammenhang ist, ist das eine enorme Leistung, wenn das Haus des Jugendrechts einen Beitrag dazu leisten konnte: Im Jahr 2012 sank hessenweit die Zahl von 6.518 Verurteilungen gegen Jugendliche und Heranwachsende auf 5.457 Verurteilungen. Das ist eine ganz beachtli

che Zahl. Deswegen sollten wir dieses Erfolgsmodell weiter ausbauen. Ich freue mich auf die breite Unterstützung in diesem Hause.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Müller, herzlichen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Florian Rentsch, Vorsitzender der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! An Kollegin Müller und an alle Vorrednerinnen und Vorredner: Ich denke, wir sollten uns die Debatte „Wer hats erfunden?“ sparen. Ich glaube, das wird die Frau Ministerin gleich sagen: Ihr Vorgänger, Kollege Hahn, hat dieses Thema als Minister der FDP in Hessen forciert.

(Lachen und Zurufe von der CDU)

Ich sage gleich noch etwas dazu. Das kommt noch. – 1999 ist das erste Haus des Jugendrechts eingeführt worden: in Baden-Württemberg von Herrn Prof. Dr. Goll, auch FDP-Mitglied. Aber Frau Kollegin Kühne-Hörmann übernimmt das jetzt und setzt das fort. Das finde ich gut und richtig. Frau Kollegin Kühne-Hörmann, ich kann nur sagen, das sehen wir doch gemeinsam so, oder? Ich hoffe es.

(Zurufe der Ministerin Eva Kühne-Hörmann und des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Prima. – Deswegen: Wenn Sie etwas Richtiges fortsetzen können, ist es doch in Ordnung, wenn wir das begrüßen. Insofern sind wir einer Meinung, das ist nicht so häufig der Fall. Das finde ich schon einmal schön und sinnvoll.

(Beifall des Abg. René Rock (FDP))

Deshalb gibt es doch an dem Konzept nichts zu deuteln. Das Konzept ist richtig. Ich habe bisher nur etwas von Kolleginnen und Kollegen gehört, die das Ganze auch so sehen; denn es ist ganz klar – viele der Juristen wissen das, und auch ich kann das aus meiner Zeit bei der Jugendstaatsanwaltschaft bestätigen –: Fakt ist, dass die Strafe in diesem Bereich unmittelbar auf die Tat folgen muss. Außerdem ist richtig, dass wir es schaffen, die verschiedenen Institutionen, die im Bereich der Prävention, der Sozialarbeit und der Jugendhilfe aktiv sind, gemeinsam mit den Strafverfolgungsbehörden zu verzahnen.

Ich glaube, was wir mit dem Haus des Jugendrechts geschafft haben, ist für die jungen Menschen, die vielleicht zuerst einmal auf die schiefe Bahn geraten sind, ein unglaublich wichtiger Punkt, um alles zu versuchen, diese schiefe Bahn wieder in eine gerade zu verwandeln. Deshalb ist das Konzept ein so wichtiges und gutes. Auch wenn zurzeit nicht ganz so viele Kollegen der CDU hier sind, schätze ich es, dass die Union das Thema zum Setzpunkt gemacht hat, weil wir natürlich alle gemeinsam dafür sorgen müssen, dass diese gesellschaftlichen Probleme – –

(Holger Bellino (CDU): Mehr als bei euch!)

Holger, nur absolut mehr als bei uns. Aber in der Relation gesehen muss ich leider sagen: Wenn einer Fraktion ein solches Thema wichtig und einen Setzpunkt wert ist, wür

de man sich schon vorstellen, dass diese dann stärker vertreten ist; denn – ich glaube, da besteht Einigkeit zwischen der CDU und der FDP – wir müssen angesichts der Entwicklungen in dieser Gesellschaft alles dafür tun, dass wir für junge Menschen, die in eine kriminelle Karriere eintreten, den Einsatz aller staatlichen Institutionen, die wir haben, bündeln und dass wir alles versuchen, diesen Weg wieder zu einem richtigen zu verändern.

Deshalb: Mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass wir an vielen Stellen eine Veränderung der Täterbilder haben und dass es schneller eine Bereitschaft gibt, gewalttätig zu werden: gewalttätig gegenüber gleichaltrigen Personengruppen, aber z. B. auch gegenüber Schwächergestellten in der Gesellschaft. Das sind auffällige Phänomene, die auf jeden Fall einer Antwort bedürfen. Ich muss sagen, da muss der Rechtsstaat genau hinschauen. Er kann so etwas bei Jugendlichen in der Verbindung mit Präventionsmaßnahmen, mit Sozialarbeit und damit, was der Staat an Präventionsmöglichkeiten hat, nicht immer dulden. Herr Kollege Dr. Wilken, ich will für die Freien Demokraten sagen, welche Studien Sie dort zitiert haben, würde mich einmal interessieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ich – als Jurist – kenne keine einzige Studie, die besagt: Lasst die Täter bitte weitermachen, damit sie, wenn sie genug Zeit hatten, auf ihre schiefe Bahn, also den Weg in die Kriminalität, zu kommen, diesen Weg auch noch fortsetzen können, und der Staat muss beide Augen zudrücken.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was für eine abstruse Rechtsstaatsauffassung ist das, die die Linkspartei hier vertritt? Das sind wir seit den letzten Tagen gewöhnt. Ich brauche nur daran zu denken, was die Linkspartei über Herrn Nemzow in den Medien gepostet hat – nach dem Motto, der Mann sei an dem Mord, der ihm widerfahren ist, selbst schuld, weil er in früheren Zeiten eine so furchtbare Politik gemacht hat. Was für ein Gesellschafts- und Menschenbild steckt da bei dieser Linkspartei dahinter? Das würde mich wirklich einmal interessieren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es richtig – ich komme wieder auf dieses wirklich wichtige gesellschaftliche Thema zurück –, alles dafür zu tun, dass wir das Thema jetzt forcieren. Frau Ministerin, ich finde es richtig, dass Sie weiter den Weg gehen, zu versuchen, zu gestalten, dass wir gerade in Frankfurt, an einem Ort, wo wir natürlich eine Reihe von Fällen haben, mit einem weiteren Haus des Jugendrechts genau das machen, was wir auch schon in Wiesbaden begonnen haben, nämlich wirklich auf Prävention zu setzen.