Antrag der Fraktion der SPD betreffend Anhörung zur Zukunft der Bewährungshilfe in Hessen – Drucks. 19/975 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine funktionierende Justiz und unser Rechtsstaat gehören zu den tragenden Säulen unseres Gemeinwesens. So ist die Justiz als dritte Gewalt im System der Gewaltenteilung zu Recht verfassungsrechtlich geschützt, und auch der sogenannte Justizgewährungsanspruch – der Anspruch, der es überhaupt erst garantiert, dass man sein Recht gerichtlich geltend machen und es, hoffentlich, auch gerichtlich durchsetzen kann – ist zu Recht verfassungsrechtlich geschützt.
Die Justiz ist also mit ihrer Rechtsstaatsgarantie ein wirklich unverzichtbarer Bestandteil einer gelungenen Demokratie. Sie ist ein zentraler Standortfaktor. Deswegen ist es so wichtig, dass wir alle für eine gut funktionierende Justiz Sorge tragen.
Was hingegen macht diese Landesregierung? Sie legt mit einem weiteren drastischen Personalabbau erneut die Axt an den Justizhaushalt an.
Waren es zu Beginn dieses Jahrtausends bereits 800 Stellen, folgten nun weitere 350 bis 400 Stellen. Den „Nachschlag“ mit einem weiteren Abbau von 122,5 Stellen sieht man in diesem Justizhaushalt.
Was bedeutet das konkret für die Arbeit in der Justiz und für den Bürger, der sein Recht gesetzlich durchsetzen will, oder für den Bürger, der Opfer einer Straftat geworden ist? Ich will das an einem Beispiel exemplarisch ausführen, nämlich am Beispiel der Staats- und Amtsanwaltschaften, die besonders hoch belastet sind: nach der sogenannten Belastungsquote PEBB§Y zu 140 % und mehr. Diese Belastungssituation führt dazu, dass trotz größter Anstrengungen der Bediensteten – das will ich hier herausstellen – die Zahl der Aburteilungen gesunken ist. Waren es im Jahr 2012 noch 61.358 Verurteilungen, so waren es im Jahr 2013 – die abschließende Zahl für 2014 haben wir nicht – nur noch 57.546. Wir haben es also mit einer sinkenden Anzahl von Verurteilungen zu tun.
Wir wissen auch aus Gesprächen mit Vertretern aus der Praxis, dass es in vielen Fällen zu Verfahrenseinstellungen kommt, obwohl man durchaus weiter ermitteln könnte und auch sieht, dass Verfahren miteinander verbunden sind. Dem könnte man anders nachgehen, wenn man die entsprechenden personellen Ressourcen hätte. Aber die Aktenberge wachsen, und die Belastungssituation ist immens. Gerade für bestimmte Bereiche jedoch, die uns nicht nur rechtspolitisch, sondern auch gesellschaftspolitisch bewegen müssen, etwa die Internetkriminalität – das sind Massenverfahren –, brauchen wir ausreichendes Personal, das gut qualifiziert ist, sodass auch bei diesen Massenverfahren entsprechend gearbeitet werden kann.
Das gilt auch für das Strafrecht. In vielen Bereichen wird auf den Privatklageweg verwiesen, obwohl in dem einen oder anderen Fall vielleicht noch hätte ermittelt werden können. Aber die Ressourcen fehlen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Eine effektive Kriminalitätsbekämpfung hat ihren Preis. Sie braucht hoch qualifiziertes, ausreichendes Personal, und sie ist nicht zum Nulltarif zu haben.
Ich möchte einen weiteren Bereich ansprechen, der für die Justiz in jüngerer Zeit von großer Bedeutung ist, dies aber auch in den nächsten Jahren sein und sogar zu einem Systembruch führen wird: die Einführung der elektronischen Akte. Sie wird kommen, weil sie bundesgesetzlich vorgeschrieben ist. Spätestens im Jahr 2022 ist sie das Kommunikationsmittel per se. Das ist die Zukunft.
Wir, die SPD, haben gesagt: Ja, dieser Weg wird eingeschlagen. – Aber wir haben aus folgenden Gründen immer vor zu viel Euphorie gewarnt: Wir wissen, dass die Einführung der elektronischen Akte gerade in der Justiz erheblicher Anstrengungen bedarf, auch im personellen Bereich; denn wir brauchen IT-Fachkräfte, die das bei den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und den Amtsanwaltschaften umsetzen. Es müssen Systembrüche vermieden werden. Wir haben es hier mit dem Justizgewährungsanspruch auf der einen Seite und mit hochsensiblen Daten auf der anderen Seite zu tun. Das heißt, die Datensicherheit muss gewährleistet sein.
Ich kann Ihnen ganz klar sagen – das ist auch das, was wir in den vielen Gesprächen, die wir mit Vertretern der Justiz führen, als Rückmeldung bekommen –: Wir brauchen bei diesem Systemwechsel, also bei der Einführung der elektronischen Akte, eigentlich nicht weniger, sondern mehr Personal.
Das Gegenteil ist aber der Fall. Das haben wir eben gehört. Ich kann Ihnen nur sagen, dass bei den Bediensteten, gerade was dieses Thema anbelangt, große Sorgen und Ängste bestehen. Es ist nicht so, dass sie sich der Aufgabe nicht stellen wollen, aber sie haben die große Befürchtung – Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln; reden Sie bitte einmal mit den Bediensteten –, dass neben der alltäglichen Arbeit und dem hohen Fallaufkommen auch das noch zu schultern ist. Sie wissen nicht, wie sie das machen sollen. Auch die im Haushalt eingestellten Mittel reichen dafür nicht aus; sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Da kann ich Ihnen nur sagen: Nehmen Sie die Sorgen und Ängste der Bediensteten ernst. Sie müssen die Bediensteten an dieser Stelle mitnehmen. Jetzt wurde ein Beirat geschaffen. Aber da werden die Bediensteten gerade einmal – na ja – angehört. Das ist viel zu wenig. Meine Damen und Herren, das ist der falsche Weg.
Da bin ich bei einem weiteren entscheidenden Punkt. Uns ist die Meinung der Beschäftigten auch in der Justiz sehr wichtig.
Deshalb ist es falsch, dass Sie die Mitwirkungsrechte der Personalvertretungen, aber auch im Richtergesetz beschnitten haben. Das will die hessische SPD ändern; denn wir brauchen Bedienstete, die gehört werden, die beteiligt werden. Auch das macht einen öffentlichen Dienst aus, und deshalb wollen wir als SPD das ändern.
Ich möchte zwei Beispiele nennen, die für die Justiz von besonderem Interesse sind und die dringend geändert werden müssten. Aber auch dazu machen Sie hier keine Aussage. Das Erste ist die neue Verwaltungssteuerung, SAP R/3. Als dies eingeführt worden ist, ist ein Rechtsprechungsprodukt geschaffen worden; aber die Justiz ist bis zum heutigen Tag mit diesen Dingen viel zu sehr überfrachtet. Das müsste an dieser Stelle zurückgenommen werden. Das würde viele personelle Ressourcen freisetzen und viele Steuergelder einsparen. Das wäre der längst überfällige richtige Weg.
Zweiter Punkt: die Verwaltung der Gerichtsgebäude und Behördengebäude durch das Hessische Immobilienmanagement. Wir hören überwiegend, dass dieses System der Verwaltung und Untervermietung durch das Hessische Immobilienmanagement in den meisten Fällen nicht gut funktioniert, dass hohe fiktive Zahlungen an das Hessische Immobilienmanagement in den Haushalt eingestellt werden, aber dass das tatsächliche Handling und die Verwaltung eben nicht funktionieren. Da müsste man sich wirklich Gedanken machen, wie man das für die Justiz, für eine zufriedene Mitarbeiterschaft in der Justiz, ändert und zu einem positiven Ergebnis führt.
Meine Damen und Herren, ich möchte zu einem weiteren wichtigen Punkt kommen, nämlich dem Strafvollzug, wo aus unserer Sicht in diesem Haushalt wichtige Veränderungen, aber auch wichtige Akzente fehlen. So wissen wir, dass wichtige Bauprojekte, etwa die Renovierungsarbeiten an der JVA Kassel 1, aber auch die dringend erforderliche Werkhalle bei der JVA Weiterstadt, damit die Strafgefangenen wirklich Arbeit bekommen, dass wichtige Baumaßnahmen für einen guten Behandlungsvollzug auf die lange Bank geschoben werden. Das ist grundverkehrt; denn wir brauchen die entsprechenden Räumlichkeiten, zum einen für die Gefangenen, aber auch für die Bediensteten, damit dort ein qualitativ hochwertiger Strafvollzug abgebildet werden kann.
Ich habe jetzt nur zwei Beispiele herausgegriffen. Was Weiterstadt anbelangt, dort sitzen zumeist Strafgefangene ein. Wir als SPD sagen, dass die Arbeit das wichtigste Resozialisierungselement für die Strafgefangenen ist. Wenn dort durch eine fehlende Werkhalle die Arbeitsplätze nicht zur Verfügung gestellt werden, dann ist aus unserer Sicht eine ganz wichtige Maßnahme nicht möglich. Das muss dringend geändert werden.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass für uns Sozialdemokraten ein guter Behandlungsvollzug das A und O ist. Wie sieht es aber in der Praxis aus? Die Strafvollzugsbediensteten müssen vielfältigste Aufgaben wahrnehmen. Ihre Aufgaben sind in den letzten Jahren schwieriger und komplizierter geworden.
Ich komme gleich zum Schluss. – Bei Einzelbelegung müssen Haftraumkontrollen und vermehrte Überwachungen vorgenommen werden. Es gibt mehr psychisch Auffällige. Zusätzliche administrative Aufgaben wie die Dienstplanabrechnung, wachsende Zahlen der Ausführung zum Arzt und ein hoher Krankenstand belasten den allgemeinen Vollzugsdienst. Auch hier wird Personal abgebaut. Dabei ist das Personal wirklich unsere Ressource für einen guten
Frau Kollegin Hofmann, ich bitte Sie wirklich, zum Schluss zu kommen. Die Kollegen Ihrer Fraktionsführung machen schon ein böses Gesicht in Richtung Präsidium, und das wollen wir natürlich nicht akzeptieren. Das wissen die auch, böse Gesichter gibt es bei uns nicht.
Der vorgelegte Justizhaushalt dieser Landesregierung ist ein Schlag ins Gesicht vieler Bediensteter im Justizvollzug, bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Amtsanwaltschaften. Er ist inhaltlich blutleer. Deshalb wird er nicht die Zustimmung der SPD-Landtagsfraktion erlangen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Letzte muss ich zutiefst zurückweisen, dass der Einzelplan 05 blutleer sei, liebe Kollegin Hofmann. Aber ich gestehe Ihnen zu, dass man Ihnen das wahrscheinlich so vorgeschrieben hat, weil es für die Pressemitteilung am Ende ganz gut kommt, so einen Satz zu sagen.