Dringend notwendig sind auch einige andere Verbesserungen der hessischen Schullandschaft. Beispielsweise betrifft das den Ausbau der echten Ganztagsschule. Das hat auch Herr Degen schon angeführt. Was uns Schwarz-Grün mit dem ominösen Pakt für den Nachmittag verkaufen möchte, ist eine reine Mogelpackung. Es ist eine Mogelpackung, die genau von dieser Notwendigkeit ablenken soll. Herr Kultusminister, selbst die Bertelsmann Stiftung, die uns nun wahrlich nicht nahesteht – das wissen Sie –, fordert nicht erst seit diesem Jahr ein für jedes Kind einklagbares Recht auf einen Platz in einer gebundenen und rhythmisiert arbeitenden Ganztagsschule, in der sich Unterricht, Freizeitgestaltung, Üben, Sport und Spiel abwechseln. Die Schule soll in enger Kooperation mit Vereinen und sozialen Einrichtungen arbeiten.
Der große Unterschied zu Ihrem Pakt für den Nachmittag ist hier, dass alle Kinder gemeinsam diesen Schulalltag erleben und dass er als Ganzes pädagogisch konzipiert ist.
Natürlich ist er für die Eltern auch gebührenfrei. Sie jedoch wollen die Verantwortung für die Betreuung der Grundschulkinder und die Kosten dafür den Kommunen in die Schuhe schieben. Das machen wir nicht mit.
Vielmehr fordern wir mehr Lehrerinnen und Lehrer und andere pädagogische Kräfte für den Ausbau echter inklusiver Ganztagsschulen, inklusive eines Schulmittagessens.
Ein weiteres zentrales Anliegen, das wir entsprechend mit Änderungsanträgen zum Haushaltsentwurf unterlegen werden, ist der Ausbau der Schulsozialarbeit und die Einstellung von mehr Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Zu Beginn dieses Jahres hat der Verband der Kinderund Jugendpsychologen zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass immer mehr Grundschulkinder Stresssymptome aufweisen. Hier können Schulpsychologie und Schulsozialarbeit wichtige Arbeit leisten. Sie dürfen nicht reduziert werden, wie Sie es tun. Auch Herr Degen ist darauf eingegangen. Vielmehr muss das ausgebaut werden. Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter und Schulassistenten sind Teil der multiprofessionellen Teams, die jede inklusive Schule sowie jede Schule braucht, die eine werden will, und das sind, perspektivisch gesehen, alle hessischen Schulen.
Die Notwendigkeit multiprofessioneller Teams an allen Schulen wurde übrigens auch in der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe 3 zur individuellen Förderung und zur Inklusion im Bildungsgipfel noch einmal deutlich dargelegt. Wenn Herr Minister Grüttner da wäre, könnte er mein Zeuge sein.
Wenn man Inklusion breiter versteht, dann erschließen sich auch unsere Änderungsanträge für mehr Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache, die wir ebenfalls seit Jahren immer wieder stellen. Zu den sich jährlich wiederholenden Ergebnissen der Bildungsstudien gehört, dass Kinder mit Migrationshintergrund immer noch schlechtere Bildungserfolge verzeichnen.
Dafür ist ein bunter Strauß an Gründen verantwortlich. Das sind z. B. immer noch der durchschnittlich schlechtere soziale Status der Familie, die mangelnde Anerkennung und die mangelhafte schulische Förderung der Herkunftssprachen, Diskriminierung bei der Empfehlung der weiterführenden Schule und das Fehlen der echten Ganztagsschulen, die die Abhängigkeit des Schulerfolgs von den elterlichen Kompetenzen entkoppeln könnten. Natürlich ist das auch das Fehlen des Unterrichts Deutsch als Zweitsprache bis weit in die weiterführenden Schulen hinein. Das könnte die schlechteren, auch fachsprachlichen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund kompensieren helfen. Aber dafür müssten Sie Geld in die Hand nehmen.
Was fordern wir noch? – Wir fordern die tatsächliche Lernmittelfreiheit. Der Schulbesuch muss für alle Kinder und Jugendlichen unentgeltlich sein, und zwar auch ohne versteckte Kosten. Für Eltern mit geringem Einkommen ist schon die Einschulung mit immensen Kosten verbunden. Gelder für Kopierpauschalen, Klassenkassen, Reisekosten und Ausflugsgelder – all das ist für viele Eltern einfach nicht finanzierbar. Man hat mir gesagt – ich bin jetzt nicht mehr in dem Alter, in dem ich Kinder bekommen kann –, dass ein guter rückenschonender Schulranzen mindestens 100 € kostet. Dazu kommen dann noch das Mäppchen, die
Schulsportausrüstung, Pinsel und Wasserfarben usw. usf. Die Schule wird so zur Kostenfalle. Deshalb fordern wir die tatsächliche Lernmittelfreiheit für alle Schülerinnen und Schüler.
Damit sind wir beim nächsten Thema, bei dem Sie sich endlich bewegen sollten. Dabei geht es um die Fahrtkostenübernahme für alle Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur letzten, also zur 13. Klasse, und zwar nicht nur bis zur nächstgelegenen Schule mit dem avisierten Bildungsgang, sondern bis zur Schule der Wahl, die meist auch nicht viel weiter entfernt ist.
Noch etwas halten wir für sinnvoll: Das Land Hessen sollte sich an dem Schulobstprogramm beteiligen. Die jetzt bestehenden hessischen Programme zur gesunden Ernährung an den Grundschulen sind lediglich Beratungstage, die einmal jährlich stattfinden. Von dem Schulobstprogramm könnten viele Schülerinnen und Schüler täglich profitieren. Frau Kollegin Dorn von den GRÜNEN hat genau diese Forderung schon vor ein paar Jahren erhoben. Leider wurde unser Änderungsantrag dazu in diesem Jahr abgelehnt. Jetzt gäbe es noch einmal eine Chance.
Ich möchte noch ein paar Worte zu den beiden Anträgen sagen. Ich bin froh, dass wir dazu während einer Ausschusssitzung noch einmal fachlich ausführlicher reden können.
Auf keinen Fall möchten wir, dass das Thema „schulisch verantworteter Herkunftssprachenunterricht“ gegen das Thema „Herkunftssprache als zweite oder dritte Fremdsprache“ diskutiert wird. Wir halten nicht nur beides für notwendig, sondern sehen es als beste Ergänzung zueinander an. Erst so könnte tatsächlich davon gesprochen werden, dass die Anerkennung als Fremdsprachen dazu beitragen würde, Benachteiligungen zu verringern.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Degen hat uns gerade seine Ausfertigung des Einzelplanentwurfs vorgezeigt. Wir haben dort viele bunte Wimpel daran gesehen. Die lassen eigentlich vermuten, dass er sich sehr intensiv mit diesem Einzelplanentwurf beschäftigt hat. Deshalb verstehe ich nicht so recht, warum Sie gar nichts zum Inhalt des Einzelplanentwurfs gesagt haben. Das, was Sie hier von sich gegeben haben, hat leider nicht so viel mit dem Inhalt dieses Einzelplanentwurfs zu tun, sondern scheint mir doch eher Ihrer Fantasie zu entsprechen als dem, was wir dort niedergeschrieben haben.
Am Entwurf des Einzelplans 04 zeigt sich doch sehr deutlich, welch große Bedeutung die Schulpolitik für die schwarz-grüne Landesregierung hat.
Er bereitet den Boden für weitere Verbesserungen der Ausstattung unserer Schulen und für die Umsetzung unseres sehr ambitionierten schulpolitischen Programms. Daher kann ich nicht nachvollziehen, was Sie uns in Ihrer Rede vorgeworfen haben. Denn mit der Verabschiedung des vorliegenden Einzelplanentwurfs bringen wir die Umsetzung unserer sehr ambitionierten schulpolitischen Ziele von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weiter und entwickeln damit die Schulen in diesem Bundesland sehr viel weiter.
Maßgeblich für die Bewertung unserer Schulpolitik sollte es sein, dass wir uns nicht nur auf dem Erreichten ausruhen. Die 105 % sind genannt worden. Die 105-prozentige Lehrerversorgung in Hessen ist eine sehr gute Ausgangslage.
(Demonstrativer Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP) – Beifall der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Greilich, wir sind der Vorgängerregierung an dieser Stelle auch wirklich dafür dankbar, dass sie das eingeführt hat. Das erkennen wir durchaus an. Aber Sie wissen: Das Bessere ist der Feind des Guten, und wir möchten immer weiter besser werden.
Um die derzeitige Ausstattung noch weiter zu verbessern und um weitere wichtige Projekte anschieben zu können, ist es keine Leichtigkeit, die bisherige Stellenanzahl halten zu können. Denn in Zeiten der Schuldenbremse ist es eine sehr große Herausforderung, die Anzahl der Stellen, die wir derzeit im Schulsystem haben, zu halten und trotz zurückgehender Schülerzahlen die frei werdenden Stellen nicht aus dem System zu entfernen, sondern noch weiter in das System zu investieren, um weitere Schwerpunkte zu setzen.
Jetzt sagt der Herr Degen, nichts wegzunehmen sei nicht schon ein Mehrwert an sich. – Dazu muss ich sagen: Wir haben ein Landeshaushaltsdefizit von 720 Millionen €. Im nächsten Haushalt werden wir viele schmerzhafte Einschnitte vornehmen müssen. Wir werden einige Dinge tun, die nicht sonderlich populär sind. Wenn wir sagen, im Kultusbereich verzichten wir auf den Stellenabbau, den wir sonst überall machen müssen, und Sie uns dann sagen, das sei nichts wert – dann sagen Sie doch einmal, was Sie mehr machen würden und woher Sie es nehmen wollen. Sich einfach nur hierhin zu stellen und zu sagen: „Wenn wir dran wären, dann gäbe es noch ein paar Dutzend Stellen mehr“, ohne zu sagen, woher dieses Geld kommen soll, das nenne ich unredlich. Daher war das nicht besonders überzeugend, was Sie hier abgeliefert haben.
Daher bin ich der Koalition sehr dankbar, dass sie die Schwerpunktsetzung im Schulbereich vorgenommen hat. Damit ermöglicht sie es, den Schulbereich von den Stellenkürzungen auszunehmen. Dadurch stehen, gerechnet pro
Schüler, immer mehr Ressourcen zur Verfügung. Die Betreuungsrelation – Stellen pro Schüler – wird immer besser. Das ist ein sehr hoher Wert, der sich auch im Vergleich der Länder sehen lassen kann.
Wir machen das aus tiefster Überzeugung, denn wir wissen: Eine gute Schule, eine immer besser werdende Schule ist nicht nur ein Gewinn für die wirtschaftliche Entwicklung, sie ist auch ein Gewinn für die persönliche Entwicklung eines jeden Schülers, der dort unterrichtet wird. Sie ist ein Gewinn für die kulturelle, persönliche und demokratische Entwicklung in unserem Land. Daher ist jeder Euro, den wir hier relativ mehr einsetzen, gut eingesetzt. Es ist eine hervorragende Maßnahme dieser Landesregierung, den Kultusbereich derart zu privilegieren, wie sie es tut.
Während also Jahr für Jahr die Schülerzahl weiter zurückgeht und damit die Anzahl der zu bildenden Klassen immer kleiner wird, bleiben die Stellen im System erhalten. Die frei werdenden Stellen werden von der schwarz-grünen Koalition zu wichtigen Schwerpunktsetzungen genutzt.
Es ist eben nicht so, dass wir bei Punkten, die Sie und auch Frau Cárdenas angesprochen haben, nichts tun. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wir setzen zusätzliche Stellen für die Umsetzung der Inklusion ein. Denn wir möchten erreichen, dass alle diejenigen Eltern, die das wünschen, ihr Kind inklusiv beschulen lassen können. Dieses Ziel ist durchaus ambitioniert. Dafür müssen wir mehr Stellen einsetzen, das ist vollkommen klar. Uns ist klar: Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif. Wir sind der festen Überzeugung, dass Inklusion gelingen muss. Und dafür setzen wir Stellen ein, die jetzt frei werden. Ich glaube, das ist die Anstrengung wert.
Ein weiterer Punkt ist die Bildungs- und Betreuungsgarantie. Herr Kollege Degen, dazu haben Sie gerade gesagt, das sei eine Sparnummer. Auch Frau Kollegin Cárdenas hat das als „Mogelpackung“ bezeichnet. Ich halte das für ziemlich maßlos.
Denn mit der Bildungs- und Betreuungsgarantie schaffen wir ein Angebot für alle Eltern, hessenweit, in der Grundschule von 7:30 bis 17 Uhr ein Betreuungsangebot zu erhalten.
Es schafft ein Angebot für alle Eltern anstatt für wenige privilegierte. Das ist meines Erachtens Bildungsgerechtigkeit.
Damit schaffen wir wichtige Aspekte für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Während Sie sich auf wenige Einzelmaßnahmen beschränken wollen, schaffen wir Weichenstellungen für das ganze Land.
Damit fangen wir im nächsten Jahr in sechs Pilotregionen an. Sie sagen, die Eltern in Darmstadt, Kassel, Frankfurt, in den Landkreisen Darmstadt-Dieburg, Gießen und Berg
straße würden keine Bildungsgerechtigkeit erfahren. – Vor Ort sehen die Leute das anders und freuen sich darauf, das umsetzen zu können, auch die kommunale Seite; teilweise sind auch Sozialdemokraten beteiligt.