Protocol of the Session on November 27, 2014

Da lässt sich der rechtspolitische Sprecher der LINKEN, Herr Wilken, mit den Worten zitieren:

Farbbeutel an der EZB-Fassade und andere Formen des zivilen Ungehorsams dürfen nicht davon ablenken, dass es ein zentrales politisches Anliegen gibt: Die Verarmungspolitik von Europäischer Zentralbank und Bundesregierung muss beendet werden.

(Beifall bei der CDU – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ein solches Zitat ist unerträglich. Da wird von Herrn Wilken schlicht verharmlost, dass rund 100 Aktivisten den Zaun der EZB überwunden und das gläserne Hauptportal des Neubaus großflächig mit Farbeiern beworfen haben. Dazu posierten meist vermummte Menschen mit Transparenten, auf denen sie eine Störung der Eröffnungsfeier der EZB im kommenden März ankündigten. – Wer so etwas als „zivilen Ungehorsam“ verharmlost, als eine normale Form demokratischen Protestes abtut oder gar für rechtmäßig befindet, der kann doch nur bei den LINKEN zum rechtspolitischen Sprecher gewählt werden.

(Lachen des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ich sage das ganz bewusst: Es ist eine Schande, dass so jemand über seine linke Fraktion hinaus auch noch als Vizepräsident des Hessischen Landtags aktiv sein kann und dieses Parlament repräsentiert.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie haben ihn doch gewählt!)

Ich schäme mich, Sie in diese Position mit gewählt zu haben. Das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wie die Polizei mitteilt, habe man wegen der Erstürmung des EZB-Geländes Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs und schweren Hausfriedensbruchs gegen Unbekannt aufgenommen. Die Polizei machte Videoaufnahmen, was erfreulicherweise schon Festnahmen von Tatverdächtigen nach sich zog. Die EZB will Strafanzeige gegen die Randalierer erstatten, die Zaun, Bauzaun und Fassade beschädigten. – Wenn das für die LINKEN und Herrn Wilken zur friedlichen Demonstrationskultur gehört, zeigt das doch, welches Verhältnis man dort zum Eigentum anderer und zur Sachbeschädigung hat.

(Beifall bei der CDU)

Die Polizei stellt dem überwiegenden Teil der Demonstranten ein gutes Zeugnis aus: Sie hätten den Protest kreativ innerhalb des gesetzlichen Rahmens vorgetragen. Das ist gut so. Umso deutlicher aber muss man sich doch von der kleinen Gruppe derer abgrenzen, die Krawall machen, Eigentum beschädigen und Polizeibeamte verletzen. Nach Behördenangaben wurden elf Polizisten verletzt, drei davon so schwer, dass sie dienstunfähig sind.

Meine Damen und Herren, wir bedauern es sehr, dass es Verletzte gab. Gezielte Angriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind nicht zu akzeptieren. Gewalt ist in und bleibt keine Protestform.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wünschen – und damit komme ich zum Schluss – allen, insbesondere auch den verletzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, eine baldige Genesung. Eine solche Stellungnahme würde ich mir auch von Herrn Wilken wünschen, aber darauf darf man vermutlich vergeblich warten. Ich frage Sie: Gehört es auch zum zivilen Ungehorsam, Polizisten gewalttätig anzugreifen? Und was unternehmen Sie, damit dies bei den weiteren Blockupy-Protesten nicht wieder geschieht?

Ich würde mir das gleiche Engagement von den LINKEN beim Thema Gewalt gegen Polizeibeamte wünschen, wie sie es auch bei der Debatte um Gewalt gegen Frauen gezeigt haben. Gewalt ist zu ächten, immer und überall. Sie haben jetzt Gelegenheit, Stellung dazu zu nehmen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Das Wort hat Frau Abg. Ypsilanti, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der FDP, die Veranstaltung von Blockupy am Wochenende nur auf die Frage von Polizeistrategien, Gewalt und Krawall zu reduzieren, ist eindeutig zu kurz und wird dem Anliegen von Blockupy nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Um aber überhaupt keine Irritation entstehen zu lassen, kann ich für meine Fraktion auch sehr eindeutig sagen: Wir

tolerieren keine Gewalt und bedauern die Verletzungen, die es am Wochenende gegeben hat;

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der LINKEN)

denn wir wissen, dass Gerechtigkeit nicht über Gewalt hergestellt werden kann. Gleichzeitig gilt aber auch der Ausspruch von Martin Luther King, den ich zu den Zuständen in den USA gelesen habe: Aufstände sind die Sprache derjenigen, die nicht gehört werden. – Will heißen: Wer Aufruhr verhindern will, muss auch hinhören. Wenn gesellschaftliche Verwerfungen aufgrund krasser Ungerechtigkeiten entstehen, kann Gewalt auch eskalieren. Wir kennen es aus den Banlieues in Paris, aus den sozialen Brennpunkten in London, aus Athen und in den letzten Tagen aus Amerika.

Liebe Kollegen von der FDP, wir teilen auch nicht Ihr Urteil, dass die Deeskalationsstrategie der Polizei am Wochenende nicht gewirkt hätte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ich kann Ihnen aus meinen Beobachtungen am Wochenende in Frankfurt bestätigen, dass diese Veranstaltungen von guten Inhalten geprägt werden – das war das Anliegen von Blockupy – und viel entspannter stattfinden konnten als in den Jahren zuvor.

Mit Blick auf meine Vorredner bin ich mir gar nicht so sicher, ob Sie überhaupt wissen, was am Wochenende bei dieser Veranstaltung alles geboten und auf die Beine gestellt wurde.

(Zuruf)

Da haben sich mehrere Hundert Menschen jeden Alters getroffen, vor allem aber auch junge Menschen aus vielen Ländern Europas: aus Griechenland, Zypern, Spanien, Belgien, Holland usw.

(Florian Rentsch (FDP): Das waren nicht die Bundesjugendspiele, sondern gewalttätige Proteste!)

Die haben sich in Frankfurt getroffen und an 18 verschiedenen Orten in dieser Stadt – im Gewerkschaftshaus, in Bürgerhäusern, in Cafés, in Buchläden, aber natürlich auch auf offenen Plätzen – Workshops veranstaltet und ganz lebhaft diskutiert.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Auch das muss man zur Kenntnis nehmen, wenn man über Blockupy redet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was waren die Themen, was hat die Leute dort beschäftigt? Es waren die Krise in Europa und ihre Folgen, was das mit Europa macht, und die Frage, welche Wege wieder aus dieser Krise herausführen.

Es haben sich Leute drei Tage zu Workshops verabredet. Ich will Ihnen einmal die Themen aufblättern. Sie haben zu klären versucht, was Austeritätspolitik und ihre Folgen in Deutschland und in Europa sind und welche Wege aus der Krise führen können. Es ging um Armutsentwicklung. Es ging um Gentrifizierung der Städte. Es ging um Wohnraummangel. Es ging um Klimagerechtigkeit. Es ging um

Gemeingüter. Es ging auch um TTIP und den Zusammenhang mit der Krise. Es ging um Migration und Binnenmigration in Europa. Es ging um die Frage unternehmerischer Hochschule, und ob sie vielleicht gescheitert ist. Es ging um Degrowth. Es ging um antikapitalistische Perspektiven. Es ging um Solidarität mit Rojava. Es ging um den Konflikt in der Ukraine, und – das muss uns ganz besonders interessieren – es ging auch immer wieder um das Verhältnis zwischen Bewegung, Parteien und Regierungen.

Meine Damen und Herren, das waren lebhafte und engagierte Diskussionen. Sie wurden in großer Solidarität untereinander geführt. Dort waren Leute aus den Krisenländern: Aktivisten und Aktivistinnen aus Griechenland und Spanien. Die haben aus eigener Erfahrung berichtet, und es war schon erschütternd, zu hören, wie es sich anfühlt, wenn die Zukunft hoffnungslos aussieht, wenn die Familien ihre Wohnräume und die Eltern ihre Jobs verlieren, wenn die Jugend sich fragt: „Gibt es einen Ausbildungsplatz, und was habe ich eigentlich für eine Zukunft in Europa?“, wenn die Hälfte der Jugendlichen in Europa keine Ausbildungsplätze mehr findet. Sie fragen sich: „Wie sehen eigentlich in meiner Heimat die Zukunftschancen aus? Muss ich auswandern und in ein anderes Land emigrieren?“ Auch das ist zurzeit Realität in Europa, jenseits aller abstrakten Sanierungskonzepte, meine Damen und Herren.

Ich fand schon überwältigend, was das Bündnis in ehrenamtlicher Arbeit auf die Beine gestellt hat, was für ein breites Spektrum von Problemlagen in Europa aufgeblättert wurde und welche Strategien und Alternativen diskutiert wurden.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie sollten etwas zu den Straftaten sagen! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Zuhören!)

Meine Damen und Herren von der CDU, natürlich wurde auch über Widerstand gegen diese Verhältnisse diskutiert. Das ist auch klar. Wenn man diese krassen Ungerechtigkeiten nicht hinnehmen will, dann muss es auch darum gehen: Wie werden wir in Zukunft für die Gerechtigkeit in diesen Ländern sorgen?

Aber was uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern – das will ich hier auch vortragen, weil es mich schon immer bewegt hat – wirklich zu denken geben muss, ist das tiefe Misstrauen dieser Menschen gegenüber politischen Institutionen, gegenüber Regierungen, gegenüber Parteien, aber auch gegenüber den Medien.

Frau Kollegin Ypsilanti, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Ich bin gleich fertig. – Sie haben kein Zutrauen zu der etablierten Politik, die ihrer Meinung nach keine Antwort auf ihre Ängste hat, auf ihre Nöte, aber auch auf ihre Hoffnungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss uns umtreiben. Diesen Unmut, dieses Misstrauen müssen wir ernst nehmen. Auf den Veranstaltungen am Wochenende ist es zumindest artikuliert worden.

Andere gehen in die Wahlenthaltung. Aber was heißt es für unsere Demokratie, wenn nur noch die Hälfte aller Men

schen wählt? Wenn wir nicht wollen, dass politische Rattenfänger dort ihre Gefolgschaft organisieren, dann müssen wir diesen Menschen zuhören. Wir müssen mit ihnen reden und sie ernst nehmen. Wir dürfen sie nicht auf Krawallmacher reduzieren.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ypsilanti. – Das Wort hat Herr Abg. Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Rede des Kollegen Greilich gehört hat, der braucht sich nicht zu wundern, warum die FDP in der Situation ist, in der sie ist,

(Florian Rentsch (FDP): Bitte einmal eine neue Platte!)