Immer mehr Staaten gehen deshalb den Weg staatlicher Kontrolle statt staatlicher Verbote. Die Liste dieser Länder ist inzwischen lang, und sie wächst stetig. Zu nennen sind die Niederlande, Portugal, Tschechien, Belgien, Spanien, Schweiz, Uruguay, Chile, Israel, Bolivien und über 20 Bundesstaaten in den USA, in denen Cannabis oder Opiate zum medizinischen, kommerziellen oder privaten Gebrauch angekauft, besessen oder konsumiert werden dürfen.
Diese Länder trocknen endlich den riesengroßen Schwarzmarkt aus. Sie kontrollieren die Erzeuger und die Produkte; sie schöpfen Steuern ab und investieren in Prävention und Jugendschutz. Der Jugendschutz und die Hilfe sind doch das Wichtigste. Einen besseren Schutz Minderjähriger vor Tabak, Alkohol und anderen Drogen wird es nur geben, wenn man massiv in Jugendschutz, Aufklärung und Prävention investiert. Das ist und bleibt tatsächlich ein ernsthaftes Problem. Unser Antrag ist sehr ernst gemeint. Da muss noch viel mehr passieren, als der Staat im Moment leistet.
Erwachsenen und aufgeklärten Menschen kann ich Eigenverantwortung durchaus zumuten; ich muss erwarten, dass Erwachsene Hilfe suchen und bekommen, wenn sie sie brauchen. Aber Jugendliche vor Suchtgefahren zu schützen, egal ob es um Spielen, um das Internet oder um Suchtmittel geht, ist eine Aufgabe, bei der man vom Staat wesentlich mehr erwarten könnte, als er momentan zu leisten imstande ist.
Gestatten Sie mir zuletzt noch einige Bemerkungen. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ stand ein wunderbarer Artikel zu unserem Antrag. Der Autor bemerkte, die LINKE verstehe es meisterhaft, Anträge zu wichtigen Themen zu stellen, denen die meisten Fraktionen im Landtag eigentlich zustimmen müssten. Aber weil sie von der Opposition bzw. von der LINKEN kämen, würden die Anträge kategorisch und mit allerlei Verrenkungen abgelehnt.
Wie ich das finde, sei dahingestellt; denn es geht ja nicht um mich. Es geht um Kranke, denen aufgrund überholter Dogmen Medizin vorenthalten wird. Es geht um Hunderttausende Strafverfahren, die um nichts und wieder nichts geführt werden. Es geht um die Opfer des Drogenmissbrauchs, denen wir, statt ihnen Hilfe anzubieten, Strafen aufbürden.
Ich kann und muss akzeptieren, wenn die CDU aufgrund von meiner Meinung nach falschen Argumenten zu falschen Überzeugungen kommt. Aber dass FDP und GRÜNE kategorisch gegen gute Argumente und eigene Überzeugungen stimmen, macht Politik unglaubwürdig. Es ist schwer erklärbar, warum die GRÜNEN im Bundestag mit uns für die Entkriminalisierung eintreten und in Frankfurt zaghafte Versuche in diese Richtung unternehmen, aber im Landtag eine andere Position vertreten.
Ich komme sofort zum Ende. – Der Antrag, den Sie eingebracht haben, hat einen völlig falschen Duktus. Dort wird bei übermäßigem Konsum und erheblicher Gesundheitsschädigung eingestiegen, und es wird von „Süchtigen“ gesprochen. Das ist also alles Teufelszeug, das man am besten verbietet. Genau das ist nicht der Weg, den wir hier gehen sollten. Er verstellt uns den Blick auf das Thema.
Ein Satz noch, dann bin ich fertig. – Wenn es Ihnen wirklich um diese Menschen ginge, würden Sie nicht die 550.000 € nicht ausgeben, die ein Suchtprojekt braucht, um mit schwerstabhängigen Menschen weiterarbeiten zu können. Sie sind nicht bereit, sie einzustellen. Das ist Doppelmoral und völlig unvertretbar.
Frau Kollegin, das war ein sehr langer letzter Satz. – Ich rufe Herrn Kollegen Rentsch auf, FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schott, das Problem bei Ihrem Vortrag war, dass Sie mit einer vorgefassten Position in eine Anhörung gehen wollen – angeblich ergebnisoffen. Das funktioniert eben nicht. Wenn man sich dieses schwierige Thema der Legalisierung von Cannabis anschaut – das ganze Thema weiche Drogen –, kann man feststellen, dass in vielen Fraktionen in diesem Haus darüber diskutiert wird, was dort richtig und was falsch ist.
Man kann es sich nicht so einfach machen, zu sagen, dass man den Königsweg kennt; denn vieles von dem, was wir dort erleben, ist schwer zu fassen. Auf der einen Seite haben wir eine Strafbarkeit, die gesetzlich geregelt ist. Ich habe in meiner Zeit als Rechtsreferendar in der Staatsanwaltschaft in einem Dezernat – Jugendschutz und Rauschgift – vier Monate lang Anklagen wegen des Besitzes von Cannabis schreiben dürfen. Ich glaube, keine einzige dieser
Anklagen ist weiterverfolgt worden, aber das Ganze hat eine Bürokratie in Gang gesetzt, die definitiv Fragen aufwirft.
Auf der anderen Seite wissen wir, dass bei vielen jungen Menschen der Besitz und der Konsum von Cannabis den Einstieg in eine Drogenkarriere bedeuten. Deshalb kann man nicht einfach sagen: Ich weiß, was richtig ist, und gehe zwar in eine Anhörung, nehme das Ergebnis aber vorweg. – Das ist auch der Grund, warum wir einen eigenen Antrag gestellt haben. Frau Kollegin Schott, voreingenommen in eine Anhörung zu gehen ergibt keinen Sinn. Vielmehr muss man in eine Anhörung ergebnisoffen gehen. Das wäre auch unsere Bitte.
Die Drogenbeauftragte hat heute Zahlen vorgelegt – das werden Sie mitbekommen haben –, die wieder einmal zeigen, dass Cannabis am Anfang vieler Drogenkarrieren steht. Auf der anderen Seite dürfen wir uns der Realität nicht verschließen. Viele Jugendliche konsumieren diese Droge. Es ist eine Droge unter vielen, die in Deutschland konsumiert werden. Alkohol ist mit Sicherheit die Droge, die – in weiten Teilen gesellschaftlich akzeptiert – am meisten konsumiert wird. Man darf schon die Frage stellen, ob der Staat dazu legitimiert ist, zu sagen, was gute und was schlechte Drogen sind. Das ist ein schwieriges Feld, wie man feststellt, wenn man sich die Gesundheitsgefährdungen ansieht, die vor allen Dingen vom Alkohol ausgehen.
Ich glaube, dass wir, der Hessische Landtag, gut beraten sind, dieses schwierige Thema gemeinsam aufarbeiten. Mit Sicherheit würde es, wenn man die Abstimmung freigäbe, in den Fraktionen zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen.
Ich will ausdrücklich sagen, ich halte es für richtig, dass die Frankfurter Gesundheitsdezernentin einen Vorstoß in Form eines Modellversuchs macht. Aber ich weiß nicht, ob er in der Konsequenz richtig ist. Ich gebe auch zu, dass die Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren mit Suchthilfeeinrichtungen gemacht habe, z. B. mit der Suchthilfeeinrichtung Fleckenbühl, die nicht nur in Mittelhessen, sondern auch in Frankfurt ein Domizil hat, mich eher dazu bewegen, zu sagen: Viele dieser Drogenkarrieren sind aufgrund des Konsums leichter Drogen, unter die Cannabis häufig subsumiert wird, entstanden. Deshalb warne ich davor, dass das gesellschaftlich weiter legitimiert wird. – Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die mit diesen Drogen sehr verantwortungsvoll umgehen.
Frau Schott, was mir bei Ihnen insgesamt zu kurz kommt, ist der Jugendschutz. Eines muss doch klar sein: Das, worüber wir diskutieren, darf nie dazu führen, dass insgesamt der Eindruck erweckt wird, Drogen seien sozusagen ein legitimer Teil dieser Gesellschaft, und man sollte sein Leben auch unter Einfluss von Drogen verbringen können. Ich glaube vielmehr, gerade bei Kindern und Jugendlichen haben wir als Gesetzgeber die Verantwortung, besonders aufmerksam zu sein und alles dafür zu tun, dass sie so weit wie möglich vor dem Einfluss von Drogen geschützt werden können. Das muss unser Ziel sein.
Ich glaube, dass Sie hier einen richtigen Punkt angesprochen haben: die Strafverfolgung. 120 Strafrechtsprofesso
ren – sehr renommierte, muss man sagen – haben den Vorschlag gemacht, das Verbot des Drogenkonsums als gescheitert anzusehen. Sie sagen, der Gesetzgeber müsse auch im strafrechtlichen Sinne umdenken; denn das, was wir dort machen, auch die Beauftragung von Polizei und Strafverfolgungsbehörden, führt überhaupt nicht zu dem Ziel, dass der Drogenkonsum eingeschränkt wird. Vielmehr ist er in den letzten Jahren und Jahrzehnten eher gestiegen.
Außerdem geben wir Menschen, die sich im Untergrund bewegen und die diese Drogen verkaufen – auch das ist ein Thema, das definitiv auf die Tagesordnung einer Anhörung gehört –, die Möglichkeit, massiv an dieser Situation zu verdienen.
Darüber muss man diskutieren: Wie kann man das abwägen? Ist es richtig, Leute in die Illegalität zu treiben und ihnen letztendlich ein Umfeld zu bieten, wo sie – Frau Wissler rief das vorhin dazwischen; da bin ich ihrer Meinung – für diese Drogen Preise bezahlen müssen, die sehr hoch sind, weil sie im illegalen Bereich aktiv sind? Ich glaube, dass genau dies ein Punkt ist, über den auch in einer Anhörung zu diskutieren sein wird.
Wir sind nicht die Einzigen, die dieses Thema besprechen. Es gibt eine Reihe von Ländern, die dieses Thema angegangen sind; über die kontrollierte Abgabe in den USA habe ich vorhin mit Herrn Kollegen Dr. Spies gesprochen. Es gibt verschiedene Modelle, wie das Ganze gelöst werden kann. Ich sage Ihnen trotzdem: Ich weiß nicht, was richtig und was falsch ist, weil es für beide Seiten sehr gute Argumente gibt. Deswegen sind wir als Hessischer Landtag gut beraten, einmal etwas Neues zu probieren, ein Thema, das in allen Fraktionen in diesem Hause wahrscheinlich zu unterschiedlichen Positionen führt, in einer Anhörung zu besprechen und in diese Anhörung ergebnisoffen zu gehen.
Wie ich glaube und hoffe, gibt es den gemeinsamen Konsens, nämlich den Kinder- und Jugendschutz als Priorität Nummer eins nach vorne zu stellen und all die anderen Fragen klären zu wollen, nämlich: Wie kann es sein, dass wir in diesem Bereich eine Strafverfolgung haben, die zu mehr Bürokratie, aber nicht zum Ziel führt? Wie kann man das Thema Gesundheitsschutz angehen? Wie kann man das Thema Einsatz von Cannabis – Frau Kollegin Schott hat es gesagt – im Rahmen der kontrollierten Abgabe für Schwerstkranke ermöglichen, usw.?
Das ist das Ziel. Ich betone aber auch: Ich will vor dieser Anhörung keine Vorfestlegung haben, die schon zu einer Entkriminalisierung führt, sondern wir müssen genau überlegen, ob das der richtige Weg sein kann.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb passt eine Anhörung auch sehr gut zum Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN. Herr Kollege Wagner, ich will das aufnehmen, weil die GRÜNEN immer gesagt haben, als auch wir in der Regierungsverantwortung waren: Lasst uns Anhörungen machen. – Ich glaube, dass Sie an der Stelle recht haben. Wir sollten bei diesem Thema alle über unseren Schatten springen. Lassen Sie uns gemeinsam klüger werden.
Es spricht nichts dagegen, in diesem Hause gemeinsam Experten anzuhören und gemeinsam zu überlegen, ob man daraus Konsequenzen ziehen kann. Vielleicht gibt es bei diesem Thema auch ganz unterschiedliche Mehrheiten,
über die Fraktionsgrenzen hinweg. Es kann ja sein, dass man auch in den Fraktionen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.
Was man aber nicht machen sollte, ist das, was Sie in Ihrem Antrag versuchen, das Thema auf die Bundesebene zu delegieren. Wir haben eine eigene Verantwortung. Die Stadt Frankfurt gehört zu Hessen. Frau Heilig gehört zu den hessischen GRÜNEN. Deshalb macht es, glaube ich, auch Sinn, dass wir in diesem Landtag mit Frau Heilig über diese Fragen diskutieren: Was will sie mit ihrem Modellversuch? Was hat sie damit vor? Macht es Sinn, dass wir diesen Modellversuch möglicherweise als Land unterstützen? – Wir haben eine eigene Verantwortung. Vor dieser können wir nicht weglaufen. Berlin regiert nicht in Hessen.
Herr Rentsch, das habe ich nicht zu entscheiden. – Würden Sie mir, da Sie die Unvoreingenommenheit vor Anhörungen betont haben, zugestehen, dass Ihr Fraktionskollege, Herr Greilich, in die von ihm initiierte Anhörung zum Thema Salafismus völlig unvoreingenommen reingeht?
Herr Kollege Schaus, wir gehen bei diesem Thema absolut unvoreingenommen rein. Das darf ich Ihnen aber auch sagen: Wir haben zu den Themen Rechtsstaat und Verteidigung des Rechtsstaats eine feste Meinung. Ja, bei allem, was dazu führt, dass dieser Rechtsstaat unterlaufen wird, bin ich voreingenommen. Das werde ich nämlich mit aller Kraft verhindern. – Herr Kollege Schaus, das unterscheidet uns.
Ich war gerade beim Koalitionsvertrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen geblieben. Auf Seite 80 ihres Koalitionsvertrags haben die Koalitionsfraktionen eine Vereinbarung getroffen, mit der sie aus meiner Sicht offenlassen, dass sie mit diesem Thema verantwortungsvoll umgehen und klüger werden wollen. Deshalb ist eine gemeinsame Anhörung ein wunderbares Mittel, um bei diesem Thema voranzukommen, auch in Verantwortung für unsere Gesellschaft in Hessen.
Lassen Sie uns diesen Versuch unternehmen. Springen Sie über Ihren Schatten. Ich glaube, die GRÜNEN würden,
wenn sie könnten, gern mitmachen. Machen Sie doch einfach mit. Seien Sie einmal mutig, und zeigen Sie, dass Sie dafür offen sind, hinzuzulernen und klüger zu werden. Das kann in diesem Hause niemandem schaden.
Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Bocklet von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was ich mir am meisten wünsche, ist eine sachliche und fachliche Diskussion. Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen, dass mit dem heutigen Erscheinen eines Wochenmagazins mit dem Titel „Die bekiffte Republik“ kein Beitrag dazu geleistet wird, dieses Thema sachlich zu diskutieren. Es werden alte, polarisierende Positionen betont. Was wir bei dem Thema Cannabis aber brauchen, ist eine sachliche und weitsichtige Politik.