Ich will es nochmals unterstreichen: Nachhaltigkeit als grünes Prinzip wurde von uns schon immer auch und gerade in der Finanzwirtschaft eingefordert, weil sie die Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen einschließt. Nicht zulasten anderer, sondern in freier Eigenverantwortung sollen – ja, müssen – die politischen Entscheidungen und in ihrer Folge auch die finanzwirtschaftlichen Entscheidungen getroffen werden. Das bedeutet, dass die Folgen solcher Entscheidungen auch uns selbst treffen und sie damit aktuell finanziert werden müssen und dass wir heute nicht andere dazu verpflichten dürfen, sie zu tragen – kurz gesagt: Wer bestellt, darf nicht die Zeche prellen, sondern muss selbst bezahlen.
Wir alle wissen, dass das Prinzip des nachhaltigen Wirtschaftens und damit die generationengerechte Haushaltswirtschaft seit vielen Jahren nicht die Grundlage der Finanzpolitik des Landes war – übrigens auch nicht der Finanzpolitik fast aller öffentlicher Hände allerorten –, sondern dass vielmehr die Neuverschuldung in erheblichem Umfang als eine sehr probate Finanzierungsquelle diente.
Durch die kamerale Haushaltswirtschaft, die sich im Wesentlichen lediglich um den Cashflow innerhalb des Jahres kümmert, konnte der anwachsende Schuldenberg schnell und gern vergessen werden – zumal das stetig fallende Zinsniveau die Folgen des Schuldenwachstums faktisch unsichtbar machte. Obwohl der Schuldenberg immer weiter wuchs, wurde seine Wahrnehmung im Haushaltsplan immer schwieriger. Er verursachte nämlich immer niedrigere Zinskosten, obwohl die Schulden insgesamt immer weiter stiegen – ein Phänomen, welches übrigens bis heute anhält.
Schauen Sie es sich an: Lagen die Zinssätze für zehnjährige Anleihen im Jahr 2000 noch bei 6 %, so waren sie zehn Jahre später auf rund 3 % gesunken und liegen aktuell deutlich unter 2 %. Stellen Sie sich einmal vor, wie unser Jahresetat durch Zinsausgaben im Jahr 2015 ohne diese Entwicklung belastet wäre. Statt 1,1 Milliarden € müssten wir den mehr als doppelten Betrag, nämlich rund 2,6 Milliarden €, für Zinsausgaben kalkulieren. Das sind mehr als 1,5 Milliarden €, die einfach weg wären, für die es keinerlei Leistungen mehr gäbe, weil das Geld längst ausgegeben wurde; für Zinszahlungen kann man sich bekanntlich nichts Neues kaufen.
Ich will einen weiteren finanzwirtschaftlichen Aspekt ansprechen: Wir haben jüngst eine durchaus intensive Debatte in den Medien über die Verschuldungssituation des Landes erlebt. Der Auslöser dafür war die öffentliche Vorstellung des Geschäftsberichts 2013 durch den Finanzminister. Daraufhin wurde manch missverständlicher Zeitungsbericht formuliert, der durch seine Irrtümer aber dankenswerterweise letztlich deutlich machte, wie wichtig und richtig die Einführung der Doppik in der hessischen Haushaltswirtschaft war und ist.
Warum sage ich das? Nur mit der doppischen Buchführung und einer Bilanz nach handelsrechtlichen Vorschriften können wir die Vermögenslage des Landes für die Gegenwart und die Zukunft sachgerecht einschätzen. Nur dort werden nämlich die Vermögensbestände einerseits und Eigenkapital, Verbindlichkeiten und Rückstellungen andererseits umfassend dargelegt. Es kann schon einmal vorkommen, dass ein Journalist die Begriffe „Verbindlichkeiten“ und „Rückstellungen“ verwechselt oder ein Oppositionspolitiker Kulturgüter und Sammlungen nicht als Vermögenswerte anerkennen will. Solche Aussagen zeigen aber in meinen Augen, dass wir beginnen, uns in der Haushaltswirtschaft endlich auch stärker über Bestandswerte und nicht nur – in Treue zur gewohnten Kameralistik – über den Cashflow Gedanken zu machen. Und das ist gut so.
Es ist nämlich sehr zu begrüßen, dass immer mehr Akteure in der Doppik ankommen. Eine genauere Betrachtung der vorhandenen Substanz, der materiellen Grundlagen und ihrer Werte, ist schließlich ein ganz wichtiger Schritt zu ihrer Erhaltung. Damit rücken wir unserem Ziel des nachhaltigen Handelns in der Haushaltswirtschaft näher und verringern letztlich unseren Abstand zu einer wirklich nachhaltigen Politikgestaltung insgesamt.
Wenn wir schließlich noch die Wechselwirkungen zwischen Ergebnisrechnung und Vermögensrechnung beachten und Entscheidungen nicht nur in der Finanzwirtschaft umfassend – auch im Hinblick auf ihre Folgen für die Vermögenslage des Landes – prüfen und erst danach treffen, haben wir einen qualitativen Sprung zur nachhaltigen Haushaltswirtschaft hin tatsächlich geschafft.
Als bemerkenswertes Beispiel möchte ich hier das Thema Besoldungserhöhung ansprechen; Kollege Schmitt sprach ja in einem anderen Zusammenhang davon. Eine Erhöhung der Bezüge um 1 % bedeutet im jährlichen Cashflow, also kameral betrachtet, rund 70 Millionen € an Mehrausgaben. Für die Pensionsrückstellungen ergibt sich hieraus aber eine siebenfach größere Erhöhung von rund 490 Millionen €. Das macht zum einen die finanzielle Folgewirkung einer solchen Entscheidung klar, zeigt zum anderen aber auch, verehrter Kollege Schmitt, dass ein in der Bilanz ausgewiesener gestiegener Rückstellungsbedarf noch lange nichts mit politischen Fehlentscheidungen zu tun haben muss, wie von der Opposition – in dem Fall von Ihrem Geschäftsführer – kürzlich kritisiert wurde.
Meine Damen und Herren, ich denke, die Ausführungen unterstreichen sehr deutlich die unbestreitbare Notwendigkeit, die jährliche Neuverschuldung zu beenden und perspektivisch den entstandenen Schuldenberg wenigstens ein Stück weit abzutragen. Genau dies geschieht durch unsere schwarz-grüne Haushaltspolitik. Der Finanzminister hat es Ihnen schon eindrücklich dargestellt.
Ab dem Haushaltsjahr 2015 wird die Nettokreditaufnahme um ein Fünftel des Betrags von 2014 gekürzt. Das sind rund 230 Millionen €. Das ist genau der Wert, den uns das Gesetz zur Ausführung von Art. 141 der Verfassung des Landes Hessen, insbesondere der dortige § 11, vorgibt. Diesen halten wir im kommenden Jahr selbstverständlich ein und werden wir auch in den Folgejahren einhalten.
Aber damit bin ich mit meinem finanzwirtschaftlichen Teil der Rede beim Finanzplan angelangt, der mit zur Beratung aufgerufen ist. Wer sich die Mühe macht, in dieses Zahlenwerk ein bisschen genauer hineinzuschauen, und sich die Erläuterungen anschaut, wird schnell bestätigt finden, wie ernst es die Koalition mit dem Abbau der Neuverschuldung meint. Selbstverständlich wurde für das Jahr 2015 – ich sagte es gerade – als Schuldengrenze, als obere Grenze für eine Nettokreditaufnahme, nicht der Wert der Finanzplanung von 2013 beibehalten, sondern der niedrigere Wert, der sich aus dem zitierten Gesetz ergibt.
Das heißt umgekehrt aber nicht – deswegen betone ich das –, dass in den kommenden Jahren immer der im Gesetz genannte Wert angestrebt wird. Das Gesetz wird natürlich stabil eingehalten, aber wir wollen den geplanten Abbaupfad für die Neuverschuldung schneller gegen null führen und ihn bereits zum Ende dieser Wahlperiode, also für das Jahr 2019, auf eine ehrliche Null gebracht haben. Das tun wir übrigens unabhängig von der in der Sache völlig unzutreffenden Kritik, die der Kollege Schmitt soeben genau zu diesem Abbaupfad vorgetragen hat. Die Zahlen des Finanzplans hinterlegen das eindrücklich.
Meine Damen und Herren, vielleicht haben Sie noch nicht alle bemerkt – jedenfalls bei der Opposition scheint es so zu sein –, dass der Finanzplan dieser Regierung den früheren Zahlenwerken und dem ihm damals gegebenen Untertitel eines „Märchenbuchs“ überhaupt nicht mehr entspricht, sondern dass die zukünftige Entwicklung im Gegenteil sehr sorgfältig und risikobewusst eingeschätzt und geplant wird.
An einem Punkt können Sie dies exemplarisch nachvollziehen. In der Übersicht 8, der Darstellung der Einnahmen und Ausgaben 2014 bis 2018 nach Arten – das ist entsprechend dem Schema des Stabilitätsrats dargestellt –, finden Sie unter der Gruppierungsnummer 97 die bei Haushältern so besonders beliebten globalen Mehr- bzw. Minderausgaben.
Dort waren in der Vergangenheit immer wieder, spätestens ab dem zweiten Jahr der Planungsperiode, Beträge mit negativem Vorzeichen zu finden. So auch im Plan vom letzten Jahr.
Das bedeutete, dass die geplante Summe aller Ausgaben schlicht zu groß war, um mit der Summe aller Einnahmen – wohlgemerkt: einschließlich der Neuverschuldung – in Übereinstimmung gebracht werden zu können. Dann nahm man einen Abzug der globalen Minderausgaben vor. Mit dem Minuszeichen vor der jeweiligen Zahl wurde also das Prinzip „die Hoffnung stirbt zuletzt“ in die Berechnung des Finanzplans einbezogen, ganz nach dem Motto: „Wir wissen zwar nicht, wie und wo, aber irgendeine Möglichkeit, weniger Geld auszugeben, wird sich doch wohl finden lassen“. Das entspricht im Wesentlichen der Rede des Kollegen Schmitt, die wir gerade gehört haben.
Dies könnte man jetzt auch als plankonforme Wiedergabe des gern erinnerten Satzes betrachten: „Das Geheimnis des Sparens liegt im Verzichthalten“. Oder man könnte das Ganze als eine Vorabveranschlagung einer Haushaltssperre bezeichnen. Jedenfalls dokumentierte dieses Prinzip die Realitätsferne der damaligen Finanzplanung. Sie war eben echt märchenhaft.
Meine Damen und Herren, jetzt schauen Sie doch bitte in die aktuelle Drucksache, in den Finanzplan 2014 bis 2018. Auf Seite 65 finden Sie unter der Gruppierungsnummer 97 für die Jahre 2016 ff. Beträge, die sich auf insgesamt 520 Millionen € summieren.
Was Sie allerdings nicht finden – Herr Kollege Schmitt –, ist das berüchtigte Minuszeichen. Es handelt sich folglich um die Planung möglicher Mehrausgaben, also um eine echte Risikovorsorge, und nicht um eine „Quantifizierung der Ratlosigkeit“.
In diesem Falle macht das Vorzeichen den Unterschied. An diesem Punkt erkennen Sie exemplarisch den Paradigmenwechsel in unserer Finanzplanung.
Drittens. Wir orientieren die Finanzplanung mit Sorgfalt an den erwartbaren Entwicklungen und ihren Risiken und fokussieren sie auf eine Absicherung der Konsolidierungsziele.
In einer finanzpolitischen Debatte, wie wir sie in der ersten Lesung des Haushaltsplanentwurfs traditionell führen, sollten diese Punkte eigentlich, zumindest unter den Haushältern, Konsens sein. Sie sind es offensichtlich aber leider nicht, wie wir bereits vom Kollegen Schmitt gehört haben und wahrscheinlich vom Kollegen der FDP – ich vermute, der haushaltspolitische Sprecher, Herr Kollege Hahn, wird sprechen – noch hören werden. Von ihm kennen wir bislang nur seine schriftlichen Presseerklärungen.
Meine Damen und Herren, nach diesen öffentlichen Äußerungen – das sage ich ganz offen – bin ich ein bisschen verunsichert. Beide Kollegen haben die Inhalte des vorliegenden Haushaltsplanentwurfs und den aktuellen Finanzplan erkennbar überhaupt nicht verstanden.
Das mag Vorsatz aus politischen Gründen sein oder auch ganz andere Gründe haben, jedenfalls fallen eine inhaltliche Auseinandersetzung und ein sachbezogener Streit um die beste Alternative unter diesen Voraussetzungen nicht ganz leicht. Man weiß nämlich nicht, an welcher Stelle man ansetzen muss und was man wie und noch einmal von Anfang an erklären müsste, damit es denn verstanden wird.
Herr Kollege Schmitt hat den Haushaltsentwurf schon am 8. Oktober als „politisches Armutszeugnis der schwarz
grünen Landesregierung“ bezeichnet und gleichzeitig Mehrausgaben sowie Einsparungen gefordert. Gestern hat der Kollege Schmitt aufgrund der öffentlichen Äußerungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds Steuererhöhungen gefordert. Dabei hat er aber ganz offensichtlich vergessen, dass er dort, wo die Steuererhöhungen beschlossen werden müssten, nämlich in Berlin, mitregiert, nicht er persönlich, aber seine Partei, und dass davon in der Koalitionsvereinbarung für die Berliner Politik nichts zu finden ist. Das heißt, dass sich in diese Richtung nichts bewegt. Das hindert ihn aber gar nicht daran, dies in Wiesbaden lautstark zu fordern.
Das Steuerrecht muss in seiner konkreten Ausgestaltung den Anforderungen und Ausprägungen unserer modernen Gesellschaft in einer globalisierten Welt gerecht werden.
Nur, Herr Kollege Schmitt, dann tun Sie doch etwas. Dann engagieren Sie sich doch. Dann tragen Sie es doch dort vor, wo die Steuern festgesetzt werden. All die Punkte, die Sie genannt haben, gehören auf die Berliner Diskussionsebene. Aber was passiert stattdessen? Hier wird gefordert, die schwarz-grüne Landesregierung und der Ministerpräsident sollen für den Kollegen Schmitt die Kastanien aus dem Feuer holen. Ich meine, das ist ein netter Auftrag. Ich glaube aber nicht – jetzt ist er zwar nicht mehr hier –,
dass dies eine politisch erfolgreiche Forderung ist. Herr Kollege Schmitt, da würde ich doch meinen, man sollte es selbst machen.