Protocol of the Session on October 16, 2014

Das ist einmal was Neues. Macht, was ihr wollt. Also gut, okay, an den Ausschuss – machen wir nachher nach der Aussprache.

Dann rufe ich jetzt den ersten Redner auf. Das ist der Kollege van Ooyen, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Volker Bouffier hat zur Eröffnung der diesjährigen Buchmesse das Hohelied des freien Handels gesungen

(Manfred Pentz (CDU): Das ist auch richtig so!)

und ausführlich Werbung für das höchst umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA gemacht. Seine Ausführungen wurden von den Anwesenden mit einer Mischung von Erstaunen und großer Skepsis zur Kenntnis genommen.

Das ist eigentlich nicht verwunderlich. So nimmt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Thema Freihandelsabkommen wie folgt Stellung:

Wir sorgen uns insbesondere um die Buchpreisbindung für gedruckte und elektronische Bücher. Beim TTIP sind die Interessen der weltgrößten Internetkonzerne involviert, die allesamt auch Online-Buchhandelsplattformen betreiben und für die die Buchpreisbindung sehr wohl ein Handelshemmnis auf dem Weg, den europäischen Markt vollständig zu erobern, sein kann. Schlechte einschlägige Erfahrungen mit dem aggressiven Geschäftsgebaren der großen Vier gibt es bereits zur Genüge. Themen wie die Buchpreisbindung stehen sicher nicht im Zentrum des Freihandelsabkommens und sind leider gerade deshalb geeignet, am Ende als Verhandlungsmasse unter die Räder zu kommen.

Die Buchpreisbindung ist eine wesentliche Fördermaßnahme im kulturellen Bereich. Durch die Buchpreisbindung gewinnen alle. Der Kunde zahlt für ein Buch überall denselben Preis. Darüber hinaus wird eine vielfältige Buchhändlerlandschaft erhalten.

Erst Mitte September dieses Jahres hatte Amazon in Deutschland eine Unterlassungserklärung abgeben müssen, künftig keine Bücher mehr unterhalb der gebundenen Ladenpreise zu verkaufen. Vorausgegangen war ein Rechtsstreit über zwei Instanzen. Viele Literaten, Verlage und Kulturschaffende

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

haben Bedenken hinsichtlich des Freihandelsabkommens zwischen Europa und USA bekundet. Bücher haben einen kulturellen Eigenwert, der geschützt werden muss, und können nicht auf einen reinen Handelsaspekt reduziert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Europäische Kommission konsultiert jedoch in vorauseilendem Gehorsam bereits hinsichtlich einer Überprüfung bestehender Mehrwertsteuerrechtsvorschriften zu öffentlichen Einrichtungen und Steuerbefreiungen für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten. Direkter Bestandteil der Verhandlungen sind Güter, die online vertrieben werden. Dazu gehören nach der internationalen Warenklassifikation auch elektronische Bücher. Auch hier fordert Amazon bereits eine Ausnahme von der Buchpreisbindung für E-Books.

Sogenannte audiovisuelle Dienstleistungen sind zwar vom Verhandlungsmandat voraussichtlich – ausgenommen im Gegensatz zu dem Kulturbereich im Ganzen. Diese Ausnahme war aber auf Druck Frankreichs aus den EU-Verhandlungsmandaten herausgenommen worden. Nach der Interpretation der Kommission kann der audiovisuelle Bereich aber jederzeit wieder aufgegriffen werden.

Nach Medienberichten hat die US-amerikanische Seite bereits ein Papier zu audiovisuellen Dienstleistungen eingebracht, nach dem die Verhandlungen dann weiter forciert werden sollen. Dabei geht es auch um die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu den audiovisuellen Medien gehört oder vielmehr zur Telekommunikation. Und darüber wird im Rahmen von TTIP ohnehin verhandelt.

Vor allem aber besteht die Gefahr, dass über die im Abkommen vorgesehenen Investorenschutzrechte private Konzerne Klage z. B. gegen die Buchpreisbindung oder gegen die Filmförderung oder die ermäßigte Mehrwertsteuer als vermeintliche außertarifliche Hemmnisse eröffnen werden. Kultur ist mehr als eine Ware und kann nicht allen marktwirtschaftlichen Kriterien zum Opfer fallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Europäische kulturelle Errungenschaften und Entwicklungsmöglichkeiten werden durch das Freihandelsabkommen ohne Not in Gefahr gebracht. So beklagen die USA Maßnahmen zur Förderung der europäischen Kultur im Film- und Rundfunkbereich. – Ich war ganz angetan von der Filmpreisverleihung der hessischen Filmbranche, die von Hessen gefördert wird. Es ist sehr beeindruckend, was dort geschaffen wird. All das wäre nicht mehr möglich.

(Beifall bei der LINKEN – Minister Tarek Al-Wa- zir: Der Willi war da, oder?)

Ich war da.

(Minister Tarek Al-Wazir: Auch mit Smoking?)

Ich habe keinen Smoking.

(Heiterkeit der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Zuruf: Das passt auch nicht zum blauen Hemd!)

Meine Damen und Herren, das Wort hat ohne Smoking der Kollege van Ooyen.

Die deutsche Filmproduktion ist zu fast 40 % von staatlicher Förderung abhängig. Frankreich, Italien, Polen und Spanien regeln z. B. gesetzlich den Sendeanteil von europäischen und landessprachlichen Produktionen am Programm. Auch der Doppelcharakter von Medien als Kulturund Wirtschaftsgüter und die Rolle des Rundfunks als Kulturinstitutionen müssen wir wahren.

In der schnell wachsenden Kultur- und Kreativwirtschaft befinden sich viele Kulturschaffende in einer prekären sozialen und Arbeitssituation. Das Freihandelsabkommen würde zu mehr Druck und noch mehr Prekarisierung führen. Das geplante Freihandelsabkommen gefährdet den Schutz und die Vielfalt der Kulturgüter. Der besondere Charakter von Gütern und Leistungen im Kultur- und Medienbereich muss auch weiterhin gewährleistet werden.

Kollege van Ooyen, mit oder ohne, aber es langt.

Deshalb gibt es für uns nur eine logische Konsequenz: Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP müssen sofort gestoppt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege van Ooyen. – Das Wort hat der Abg. Clemens Reif, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Buchhandel in Deutschland ist vielfältig. Rund 3.200 Buchhandlungen sorgen für ein einzigartiges kulturelles Angebot. Etwa 31.000 Beschäftigte sorgten im Jahr 2013 für einen Umsatz von knapp 10 Milliarden €. Und damit stellt der Buchhandel natürlich auch eine erhebliche wirtschaftliche Größe im Bereich von Kultur, von Wissen und von Bildung dar.

Lieber Herr van Ooyen, nur eines müssen wir feststellen: Die Europäische Kommission hat bereits Mitte Juli klargestellt, dass die Buchpreisbindung, die europäische Verkäufer ebenso wie außereuropäische betrifft, nicht von TTIP betroffen sein wird; denn sie diskriminiert niemanden und richtet auch keine unfreien Barrieren gegen andere Verkäufer auf – sei es vor oder bei erfolgtem Markteintritt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihres Antrags hätte es nicht bedurft, wenn Sie sich informiert hätten.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Eines muss ich natürlich auch bemerken: dass Sie sich bei der Buchpreisbindung auf ein Gesetz aus dem Dreikaiser

jahr 1888 und auf Otto von Bismarck berufen, das ist schon sehr, sehr bemerkenswert.

Lieber Herr van Ooyen, man kann zu der Buchpreisbindung stehen, wie man will. Aber durch die Buchpreisbindung wird aus Sicht der LINKEN gerade der einkommensschwache Bevölkerungsteil hinsichtlich Bildung, Wissen und Literatur nicht privilegiert. Insofern müssten Sie im Grunde genommen ein leidenschaftlicher Gegner der Buchpreisbindung sein.

Ich meine, die Bundesrepublik ist seit den Sechzigerjahren mehr als 130-mal Investitionsabkommen beigetreten. Die Buchpreisbindung existiert trotz dieser Freihandelsabkommen immer noch. Das heißt also, dass, wie bei anderen Problemen auch, die Sorgen des Buchhandels lediglich ein Vehikel für den Populismus sind, den Sie als LINKE gegen das Freihandelsabkommen darlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, es handelt sich bei Ihnen um einen unreflektierten Antiamerikanismus, der blind bei jeder sich bietenden Gelegenheit dargestellt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen der Abg. Willi van Ooyen und Hermann Schaus (DIE LINKE) – Hermann Schaus (DIE LINKE): Es gibt außer uns noch Millionen, die das genauso sehen!)

In unverantwortlicher Weise werden hier Sorgen für politische Zwecke instrumentalisiert.

Der Buchhandel steht in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa in der Tat vor erheblichen Problemen. Das ist das Problem der Marktkonzentration. Es gibt das Problem der gewaltig aufkommenden Konkurrenz im Internet und der Digitalisierung der Inhalte. Das befindet sich alles jenseits der Frage nach dem Urheberrecht. Beispielsweise sind die steigenden Absatzzahlen der Hörbücher und der elektronischen Bücher ein Hinweis darauf. Das heißt, der Buchhandel muss sich diesem geänderten Konsumverhalten, das mit TTIP nichts zu tun hat, unbedingt anpassen, sonst wird er ähnlichen Problemen begegnen, wie sie die Musikindustrie vor einigen Jahren schon hatte.

Ich möchte etwas Weiteres ansprechen. Die Europäische Union wird bei den TTIP-Verhandlungen die kulturelle Vielfalt auf sehr unterschiedliche Weise schützen. Herr van Ooyen, aus diesem Grund sind audiovisuelle Dienstleistungen ausdrücklich von den Verhandlungen ausgenommen. Es ist nicht so, wie die Befürchtungen meinen, dass das noch da drinnen steht. Gesetze zum Schutz dieser Vielfalt, etwa bei Produkten des Films und der Fernsehprogramme, werden durch die USA nicht infrage gestellt.

Damit ist auch der öffentlich-rechtlich finanzierte Rundfunk in Deutschland ebenso umfassend abgesichert wie die verschiedenen Regelungen zur Filmförderung. Das ist ein gewaltiger Hinweis, wenn man weiß, dass die Amerikaner mit öffentlich-rechtlich finanzierten Rundfunk- und Fernsehanstalten überhaupt nichts anfangen können. Das gilt für die Filmförderung ebenso. Die Filme werden in Amerika frei finanziert. So etwas wie bei uns gibt es in der Vereinigten Staaten nicht. Insofern ist das ein großartiger Erfolg.

Herr Kollege Reif, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Ein solches Freihandelsabkommen würde für Unternehmen und Verbraucher große Chancen bieten. Verhandlungen vertragen keinen Populismus, sondern brauchen sorgfältige Analyse.

Ich möchte Ihnen vorschlagen, dass Sie bei den demnächst anstehenden Verhandlungen eines Freihandelsabkommens mit Russland ebenso kritisch herangehen und ebenso ordentlich die Kritik darlegen. Damit wären Sie in der Lage, Ihre Unabhängigkeit einmal darzustellen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Martina Feld- mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Reif, vielen Dank. – Das Wort erhält Frau Abg. Beer für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE versucht heute Morgen wieder einmal, ihr altbeliebtes Schreckgespenst des Freihandels heraufzubeschwören. Herr van Ooyen, wir haben diese Diskussion schon ein paar Mal geführt. Ich freue mich eigentlich immer wieder darüber, weil es mir Gelegenheit gibt, klarzumachen, dass Sie lediglich zum Zwecke der Verängstigung versuchen, hier Unwahrheiten in den Raum zu stellen. Heute geschieht das im Zusammenhang mit Fragen zu Kulturgütern, der Buchpreisbindung und auch der audiovisuellen Medien.