Protocol of the Session on October 16, 2014

Herr Frankenberger, kommen Sie auch ganz milde zum Schluss.

Ich bin ganz milde, ja.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wo ist denn das Konzept, das dafür sorgt, dass die Bedürfnisse des ländlichen Raums im ÖPNV sinnvoll mit denen der Ballungsräume verknüpft werden? Außer der Fortsetzung der Politik von Schwarz-Gelb haben wir von der Landesregierung bisher nichts gehört. Wir sind gespannt auf Ihre Konzepte, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Frankenberger. – Für die CDU hat sich Herr Caspar zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! An Hessen führt kein Weg vorbei.

(Beifall bei der CDU – Michael Boddenberg (CDU): Besser kann man gar nicht einsteigen!)

Und an der Finanzierung der Verkehrsprojekte und der Verkehrsinfrastruktur führt auch kein Weg vorbei. Deswegen ist es richtig – dafür danke ich der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –, dass sie dies zu einem besonderen Tagesordnungspunkt gemacht haben, damit wir uns austauschen können.

Ich bin schon etwas verwundert, Herr Frankenberger. Da Sie verkehrspolitischer Sprecher sind und sich deswegen für die Verkehrsinfrastruktur bei uns im Land einsetzen sollten,

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

hätte ich erwartet, dass Sie aufgrund der Tatsache, dass Ihre Partei auch etwas mit der Bundesregierung zu tun hat, vielleicht mal etwas Druck in die Richtung machen würden, statt hier nur alles infrage zu stellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Frankenberger, Sie schimpfen auf zwei Minister. Aber der Haushaltsgesetzgeber auf Bundesebene ist nicht der Verkehrsminister, sondern – wie Sie wissen – der Bundestag. Im Bundestag gibt es eine Koalition aus zwei Fraktionen.

(Zurufe von der SPD: Drei!)

Ich habe noch nicht gelesen, dass Ihre Fraktion im Bundestag einen entsprechenden Antrag gestellt und eine Initiative ergriffen hat, um das, was der hessische Wirtschaftsminister mit den Vertretern der anderen 15 Bundesländer mit großem Engagement verhandelt hat, umzusetzen.

(Zuruf des Abg. Uwe Frankenberger (SPD))

Ich muss sagen: herzlichen Dank für das, was Sie geleistet haben. Sie haben sich sehr dafür eingesetzt, dass es erstens einen Konsens mit allen Bundesländern gibt und dass zweitens der Anteil Hessens erhöht wird. – Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank dafür, Herr Al-Wazir.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für ein Land wie Hessen, für das die Verkehrsinfrastruktur so wichtig ist, ist die Finanzierung ein ganz entscheidendes Thema. Dabei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Wir bekommen die Finanzierung von verschiedenen Seiten und brauchen sie auch. Bundesweit werden nunmehr 7,3 Milliarden € für den öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung gestellt. Wir hoffen, dass der Betrag demnächst erhöht wird. Die Mittel werden im Wesentlichen – es wurde erwähnt – durch die Autofahrer über die Mineralölsteuer aufgebracht. Es ist richtig, dass sie nicht nur in den Straßenbau fließen, sondern auch in den öffentlichen Personennahverkehr, wie es hier gemacht wird; denn wir konnten gerade gestern und können es auch heute

noch sehen: Wenn der Schienenverkehr nicht läuft, dann werden die anderen Verkehrsträger überlastet, und es läuft nicht mehr so gut. Daran kann man erkennen, dass Mobilität in Hessen nur über ein abgestimmtes System aller Verkehrsmittel möglich ist. Die Landesregierung und die sie tragende Koalition haben sich dieser Aufgabe besonders angenommen.

Wir wollen Mobilität in Hessen haben. Wir wollen Mobilität für alle haben, und wir wollen sie in Hessen überall haben. Das geht nur mit einer guten Finanzausstattung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben der Frage der Bundesmittel ist es natürlich auch so, dass wir darüber nachdenken müssen, wie wir die Dinge noch weiter verbessern. Für den öffentlichen Personennahverkehr war es eine erhebliche Verbesserung, dass wir Strukturen geschaffen haben, um mit Ausschreibungen zu Wettbewerb zu kommen. Hierfür möchte ich ganz besonders dem früheren Wirtschaftsminister, Dr. Rhiel, danken, der maßgeblich daran mitgewirkt hat, dass wir in Hessen diese Strukturen aufgebaut haben.

Entscheidend ist, dass wir mit jedem Euro, den wir in das System hineinstecken, einen möglichst guten Effekt erzielen. Durch Ausschreibungen und Wettbewerb ist es möglich geworden, dass mit den gleichen Mitteln mehr Verkehrsdienstleistungen angeboten werden können. Auch das ist ein intelligentes System, das uns allen heute nutzt.

Ich möchte einen weiteren Aspekt ansprechen, dem wir uns auch verstärkt widmen sollten, nämlich die Quote derjenigen, die Fahrleistungsbetrug begehen – das, was man als Schwarzfahren bezeichnet –, zu verringern. Wenn wir allein im Gebiet des RMV 1 % weniger Schwarzfahrer hätten, stünden 8 Millionen € mehr an Einnahmen zur Verfügung. Wenn man bedenkt, dass geschätzt 15 % der Fahrgäste schwarzfahren, dann sieht man, dass es noch erhebliche Potenziale gibt. Die müssen in den nächsten Jahren ausgeschöpft werden. Ich bin dem RMV dankbar dafür, dass er sich dieser Aufgabe verstärkt annimmt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die müssen mehr Personal einstellen!)

Herr van Ooyen, da geht es nicht nur um mehr Personal. Die Frage ist auch, wie die Kontrollen gemacht werden. Wenn die Kontrolleure schon von Weitem sichtbar sind, ist die Kontrolle nicht ganz so erfolgreich. Hier wird man darüber nachdenken müssen, wie die Dinge verbessert werden können, so wie es von anderen Verkehrsverbünden auch gemacht wird.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genauso wie vor Radarfallen Schilder aufgestellt wurden!)

Hierbei müssen und sollten wir noch mehr tun. All das sollte unter dem Aspekt eines mobilen Hessen stehen. Die Verkehrsmittel sollten so aufeinander abgestimmt sein, dass derjenige, der einen bestimmten Wunsch hat, nämlich von Punkt A zu Punkt B zu kommen, unabhängig davon, welches Verkehrsmittel er nutzt, möglichst schnell von dem einen Ort zum anderen kommen kann, das Ganze natürlich wirtschaftlich und klimafreundlich. Das sind die Dinge, die wir für sinnvoll und geboten halten.

In diesem Zusammenhang ist die Initiative unseres Wirtschaftsministers genau richtig, sich dafür einzusetzen, vom Bund höhere Mittel zu erhalten. Dass wir als Union Ge

spräche mit unseren Bundestagskollegen führen werden, versteht sich von selbst. Wir würden von der SPD auch erwarten, sich in dieser Frage etwas mehr einzubringen und es nicht dabei zu belassen, nur vom Rednerpult aus etwas zu sagen. Reichen Sie entsprechende Initiativen und Schreiben ein. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Kopien davon zukommen lassen. Damit können Sie uns überzeugen, dass Sie nicht nur reden, sondern auch handeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Caspar. – Für DIE LINKE hat sich Frau Wissler zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst einmal finde ich es sehr erfreulich, dass wir darin übereinstimmen, dass der öffentliche Personennahverkehr in Hessen unterfinanziert ist. Richtig ist auch, dass die Große Koalition im Bund die Regionalisierungsmittel erhöhen sollte. Da reden wir über das Geld, das das Land als Zuschuss für den ÖPNV aus der vom Bund erhobenen Mineralölsteuer erhält, seit der regionale Schienenverkehr mit der Bahnreform in die Hände der Länder gelegt wurde. Leider erschöpft sich darin der Lösungsansatz, den Schwarz-Grün uns heute vorlegt: Sollen „die da in der Bundesregierung“ mal machen, wir können weiter nichts tun.

So richtig ich es finde, dass die Regionalisierungsmittel erhöht werden müssen, machen Sie es sich doch etwas einfach. Denn das Land kann natürlich auch selbst Geld in die Hand nehmen und dafür sorgen, dass der ÖPNV gestärkt wird. Andere Länder tun das. Hessen steckt überhaupt kein eigenes Geld in den ÖPNV. Ich will darauf hinweisen, dass dies ein Punkt ist, den die GRÜNEN immer kritisiert haben, als sie noch in der Opposition waren. – Frau Müller nickt. Es ist ein Punkt, den Sie immer gemeinsam mit uns kritisiert haben. Da frage ich mich: Warum ändern Sie das nicht? Warum sorgen Sie nicht dafür, dass Hessen endlich auch Landesgeld in den ÖPNV steckt? – Das ist das Allererste, was die Landesregierung machen könnte.

(Beifall bei der LINKEN)

Derzeit verteilen Sie nur die Bundeszuschüsse und den Kommunen zustehende Gelder weiter. Um es in der Autosprache zu sagen: Wir haben Bundes- und Kreisstraßen, verzichten wir also auf die Landesstraßen. – Genau das ist das Problem, dass von der Landesregierung finanziell nichts beigetragen wird. Wenn der Bund jetzt die Erhöhung der Regionalisierungsmittel ablehnt und Sie sagen: „Wir haben es ja versucht“, dann ist das einfach zu wenig.

Ich freue mich, dass es ein einstimmiges Votum bei den Verkehrsministern gegeben hat, aber ich befürchte, dass dieser Appell an Schäubles Wahnsinnsprojekt „Schwarze Null – auch wenn alles zusammenbricht“ scheitern wird. Sein Staatssekretär hat das letzte Woche beim parlamentarischen Abend in Berlin auch schon gesagt und hat dem Vernehmen nach der Forderung der Bundesländer nach einer Erhöhung der Regionalisierungsmittel für 2015 bereits eine Absage erteilt.

Da können Sie heute so viel appellieren, wie Sie wollen. Solange sich die Große Koalition nicht dafür einsetzt, dass es mehr Geld gibt, müssen wir auf Landesebene schauen, was wir machen können, und nicht nur mit dem Finger nach Berlin zeigen. Es ist richtig, dort mehr Geld einzufordern. Aber auch hier muss etwas passieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Da muss ich schon ein paar Worte zu dem Kollegen Frankenberger sagen. Ich habe Ihrer Rede sehr aufmerksam zugehört. Sie haben über Herrn Schäuble und Herrn Dobrindt gesprochen, und dass die beiden Arbeitsverweigerung betreiben würden. Ich habe mich kurz gefragt, wer in Berlin eigentlich regiert. Die SPD kann sich auch nicht völlig aus der Verantwortung herausnehmen. Es ist immerhin Ihr Koalitionspartner. Ein Vorwurf wie „Arbeitsverweigerung“ ist ein heftiger Vorwurf. Ich würde mir wünschen, dass die SPD im Bund genug Kraft und Autorität hat, diese beiden Minister dazu zu bringen, dass sie ihre Arbeit erledigen, wenn Sie diese Bundesregierung unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe nichts dagegen, dass sich der Ministerpräsident als stellvertretender CDU-Vorsitzender bei der Ministerpräsidentenkonferenz oder bei wem auch immer dafür einsetzt, dass es mehr Geld gibt. Die SPD ist aber auch an der Großen Koalition beteiligt. Weil Sie es so ausgeführt haben, habe ich im Koalitionsvertrag der Großen Koalition noch einmal nachgelesen. Leider findet sich dort kein Wort zur Frage der Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Darin steht nur, dass es eine Einigung mit den Ländern geben soll. Dabei wird aber auch gesagt, die Länder müssten einen „effizienten Mitteleinsatz“ nachweisen.

Gut, dass Sie das heute fordern, aber noch besser wäre gewesen, wenn die SPD in den Koalitionsverhandlungen für die Große Koalition genau diese Forderungen auch im Koalitionsvertrag durchgesetzt hätte. Dann müssten sich Dobrindt und Schäuble auch daran halten. Dann hätten wir dieses Problem nicht.

Es ist bitter nötig, dass wir den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen. Er ist ein Grundpfeiler der Verkehrswende, die wir dringend brauchen. Die Verkehrswende fordert nicht nur einen Erhalt, sondern einen Ausbau des vorhandenen Angebots. Da muss man deutlich sagen: In Hessen fährt der öffentliche Personennahverkehr auf Verschleiß. Die Leidtragenden sind die Fahrgäste, weil die Taktung geringer wird, weil die Qualität schlechter wird, weil die Bahnen zum Teil überfüllt sind. Die Leidtragenden sind aber auch die Beschäftigten, und die Leidtragenden sind die Menschen, die im ländlichen Raum leben und von Verkehrsleistungen einfach abgekoppelt werden.

Auch wenn man mit den Verbünden redet, stellt man fest, dass die Situation ziemlich dramatisch ist. Das ist keine neue Situation. Das ist die Situation, die der Landesregierung bekannt ist. Es gab eine Studie, die bei PwC in Auftrag gegeben worden ist, wonach wir in den nächsten Jahren eine Deckungslücke von 140 Millionen € haben werden. Die Frage ist: Wie will die Landesregierung diesen Problemen entgegnen?

Vonseiten der Landesregierung und der Verbünde wird gerne von dem beeindruckenden Fahrgastzuwachs in absoluten Zahlen gesprochen. Und es wird oft gesagt, das sei ein Erfolg des ÖPNV. Natürlich ist es auch gut und wichtig, dass viele Menschen den ÖPNV nutzen. Aber auf der

anderen Seite muss man leider sehen, dass auch der Autoverkehr immer weiter wächst, sich der Anteil zueinander also kaum verändert, sondern generell einfach mehr Menschen unterwegs sind. Deswegen muss es doch das Ziel sein, den Anteil des ÖPNV am Verkehrsaufkommen deutlich zu erhöhen, wie es z. B. auch die hessische Nachhaltigkeitsstrategie vorsieht.

Und nicht nur unter Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten ist der ÖPNV-Ausbau wichtig und notwendig. Feinstaub, Schadstoffe und Lärm führen zu Gesundheitsschäden. Deshalb muss auf der einen Seite der Verkehr reduziert werden. Auch das ist ein wichtiger Punkt, nicht nur nach dem Motto „An Hessen führt kein Weg vorbei“ zu verfahren, sondern auch Konzepte zur Verkehrsvermeidung und -reduzierung zu diskutieren, um die Schadstoff- und Lärmbelastung zu verringern, statt immer wieder beispielsweise Einzelhandelsgeschäfte auf die grüne Wiese zu verlegen und immer mehr Pendler zu bekommen.

Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch die Belastungen, die vom Verkehr selbst ausgehen: Die vielen Pendler, die morgens nach Frankfurt pendeln, jubeln morgens, wenn sie auf der A 5 im Stau stehen, nicht: „Jippie, ich bin mobil!“, sondern das ist eine Form von erzwungener Mobilität, weil man sich teilweise die Mieten in Frankfurt nicht leisten kann und gezwungen ist, in die Stadt hinein zu pendeln. Deshalb muss der Verkehr reduziert und vor allem auch auf die Schiene verlagert werden.