Ich bin ganz ehrlich: Ich finde, man könnte in Bezug auf HEUREKA auch einmal über die Verteilung der Mittel reden. Ich bin selbst Frankfurterin, wie Sie, aber ich halte es schon für ein Problem, wenn in Frankfurt von „Harvard am Main“ geredet wird und woanders der Putz von der Decke bröckelt. Ich bin schon der Meinung, dass man eine regional etwas ausgewogenere und gerechtere Verteilung der HEUREKA-Mittel – Kollege May aus Waldeck-Franken
berg nickt – hätte hinkriegen müssen. Deswegen muss man über die Verteilung von HEUREKA in der Vergangenheit auch kritisch reden.
Nun, die Verhandlungen über den neuen Hochschulpakt sollen spätestens im Januar 2015 zu Ende geführt worden sein. Ich bin sehr gespannt, wie die einzelnen Hochschulen die Ergebnisse und auch die vorgestellten Eckdaten bewerten. Ich bin auch sehr gespannt darauf, ob es diesmal Verhandlungen auf Augenhöhe geben wird, nachdem es bei den Verhandlungen des letzten Hochschulpakts – Frau Kühne-Hörmann wird sich erinnern – doch ein paar Probleme gegeben hat, weil die Hochschulpräsidenten nicht so wollten, wie die Ministerin damals wollte, aber dann die Ministerin aufgezeigt hat, wo die engen Grenzen der Hochschulautonomie bei dieser Frage sind. Deswegen hoffe ich schon, dass die Verhandlungen diesmal in einer anderen Art und Weise und einem anderen Stil stattfinden. Herr Minister, viel Erfolg dabei.
Seit Jahren kämpfen die Hochschulen um eine Erhöhung der Grundfinanzierung; denn nur so kann es überhaupt eine Planungssicherheit und eine Verlässlichkeit geben, und nur so kann man auch die prekären Beschäftigungsverhältnisse einigermaßen eindämmen. Aber die tief liegenden Probleme in der Hochschulfinanzierung bleiben.
Meine Damen und Herren, wir haben die Schwierigkeit, dass die Forschung an den Hochschulen mittlerweile zu einem großen Teil von Drittmitteln abhängig ist. Das Aufkommen von Drittmitteln an den Hochschulen hat sich von 1995 bis 2010 verdreifacht, die Grundmittel sind aber im gleichen Zeitraum nur um gut 30 % angewachsen. Das heißt, das Verhältnis von Grundmitteln, die eine eigenmotivierte Forschung ermöglichen, zu wettbewerblichen Drittmitteln hat sich dramatisch verschoben, und das ganz besonders in den Fächern der Naturwissenschaften, der Technik und der Lebenswissenschaften. Inzwischen wird dort an vielen Orten ausschließlich auf Drittmittelbasis geforscht. Ganze Hochschulen strukturieren sich nach dem Bedarf der Drittmitteleinwerbung, und Drittmittel sind auch ein ganz entscheidendes Kriterium zur Personalauswahl geworden. Damit rücken natürlich auch kritische Wissenschaften in den Hintergrund.
Natürlich sind die Drittmittel nicht alles Mittel aus der Industrie, sondern zum Teil auch öffentliche Mittel, die anders verteilt werden. Aber es ist einfach kein demokratischer und transparenter Prozess mehr. Der Wettbewerb um die Finanzierung wurde zum Leitmotiv in der Wissenschaftspolitik. Aber man muss klar sehen, dass Drittmittelgeber in der Regel klare Vorstellungen haben, was am Ende bei einer Forschung herauskommen soll, nämlich Ergebnisse, die für sie von Nutzen sind. Deswegen sagen wir, Forschung darf nicht allein nach ökonomischer Verwertbarkeit ausgerichtet werden. Sie verstehen Forschungspolitik als Teil der Wirtschaftsförderung. Wir sagen: Wir brauchen an den Hochschulen eine freie Möglichkeit, zu forschen. Hochschulen müssen auch in der Lage sein, Projekte abzulehnen, und dürfen nicht finanziell vollkommen abhängig von Drittmitteln sein.
Die Verdrittmittelung führt eben auch dazu, dass Forschung und Lehre immer weiter auseinanderdriften, dass sie nicht mehr als Einheit begriffen werden, und sie führt zu einer zunehmenden Abhängigkeit. Wenn an einigen Hochschulen etwa ein Drittel des Gesamthaushalts aus
Drittmitteln besteht, muss man schon fragen: Wie frei sind sie dann von den Interessen ihrer Geldgeber? Wie frei können Hochschulen unter diesen Umständen wirklich forschen?
Deswegen halten wir es nicht für zielführend, wenn Hochschulen in Hessen miteinander um Drittmittel konkurrieren – auch noch um öffentliche Drittmittel –, wobei sie in Hessen auch um staatliche Mittel miteinander konkurrieren. Was wir brauchen, ist eine regional ausgewogene Hochschulfinanzierung.
An der Stelle will ich auch sagen: Es reicht eben nicht aus, die QSL-Mittel beizubehalten. Das ist gut und richtig. Aber was wir doch bräuchten, wäre eine Dynamisierung, weil wir heute eine ganz andere Anzahl von Studierenden haben als 2008, als die QSL-Mittel eingeführt wurden. Deswegen finde ich, auch hier muss man noch einmal drangehen und nicht einfach sagen: „Wir behalten bei, was ist“, und sich dafür feiern lassen.
Natürlich bringen die Forschungsvorhaben im Rahmen von LOEWE, mit denen sich die Landesregierung so gern brüstet, viele gute und innovative Ergebnisse. Aber auch LOEWE führt zu einer immer weiteren Verdrittmittelung der hessischen Hochschulen und heizt den wirtschaftlichen Wettbewerb von Bildungseinrichtungen untereinander an. Deshalb brauchen wir wirklich eine Schwerpunktlegung auf die Grundfinanzierung. Sie brüsten sich jetzt damit, dass Sie 26 Millionen € mehr in die Grundfinanzierung stecken. Ich will nur einmal sagen: Das sind 26 Millionen € für 13 Hochschulen im Land, und das in einer Situation, wo die Hochschulen immer höhere Studierendenzahlen stemmen, wo die Betreuungsrelationen schlechter werden und wo damit natürlich auch die Ausbildungsqualität schlechter wird.
Letztlich ist es kein Verdienst des Wissenschaftsministers in Hessen, dass es jetzt etwas mehr Geld für die Hochschulen gibt. Insgesamt kann man feststellen, dass die Hochschulen dennoch unterfinanziert sind. Wir müssen uns wirklich anschauen, wie die Hochschulfinanzierung aussieht, wenn die Grundfinanzierung immer weiter geschwächt wird und stattdessen die Abhängigkeit von Drittmitteln immer stärker wird. Da sagen wir: Wir brauchen sehr viel mehr Geld an den Hochschulen, damit sie die Aufgaben leisten können, die jetzt gerade auf sie zulaufen.
Ich finde, wir brauchen auch eine bessere Finanzierung der sozialen Infrastruktur. Die Studentenwerke müssen dringend besser ausgestattet werden. Viele Studierende sind angewiesen auf Wohnheime, auf kostengünstiges Essen in der Mensa, auf Kinderbetreuung und Beratungsangebote. Die Landeszuschüsse zu den Studentenwerken liegen mittlerweile unter 10 %. Das heißt, der Großteil der Studentenwerke wird faktisch über die Studierenden bezahlt, nämlich über ihre Semesterbeiträge und dann natürlich auch über die Preise, die sie bezahlen.
Hier ist ganz besonders die Wohnsituation ein Problem. Der Hessische Rundfunk hat vor einigen Tagen dankenswerterweise sehr ausführliche Zahlen dazu veröffentlicht. Demnach stehen unmittelbar vor Beginn des Wintersemesters noch 5.700 Studierende auf Wartelisten für einen Wohnheimplatz. Viele müssen in den ersten Tagen auf Notquartiere ausweichen und sich mit einem Klappbett im Schlafsaal begnügen. An einigen Orten sind sogar diese Notschlafplätze bereits belegt.
Gerade in Frankfurt haben wir einen ganz enormen Mangel an Wohnheimplätzen: Im bundesweiten Schnitt finden 10 bis 12 % der Studierenden einen Platz im Wohnheim, in Frankfurt sind es gerade mal 6 % – und da sind die Kirchen und Stiftungen, die auch studentisches Wohnen anbieten, schon mitgezählt. In Frankfurt stehen über 50.000 Studierenden gerade mal etwas mehr als 3.000 Wohnheimplätze zur Verfügung. Aktuell befinden sich dort 2.000 Studierende auf der Warteliste, aber im Bau bzw. in der Planung sind nur 500 neue Plätze.
Das ist in anderen Städten ähnlich. In Marburg stehen 800 auf der Warteliste, hier sind ganze 60 neue Plätze geplant. Das heißt, viele Erstsemester sind gezwungen, zu Hause wohnen zu bleiben und lange Strecken zu pendeln, was nicht gerade dazu führt, dass das Studium angenehmer wird, oder auch nicht dazu führt, dass Abbrecherquoten gesenkt werden, was Sie gern möchten.
Wir müssen auch bedenken, dass wir es weiterhin mit steigenden Studierendenzahlen zu tun haben. Das hat die Prognose der Kultusministerkonferenz noch einmal klargemacht. Wir haben keine kurzfristige Situation, dass wir hier einen Studierendenberg haben, der wieder kleiner wird, sondern hier ist die Landesregierung gefordert, langfristig mehr Wohnheimplätze zu schaffen.
Sie sagen, Sie hätten in den letzten vier Jahren insgesamt 2.162 Wohnheimplätze geschaffen. Aber wenn man sich anschaut, wie viele Studierende wir in den letzten vier Jahren zusätzlich zu verzeichnen haben, dann stellt man fest, dass das seit dem Wintersemester 2010 rund 30.000 sind. Es gibt 30.000 Studierende mehr, aber nur 2.162 neue Wohnheimplätze. Das ist ein ganz klares Missverhältnis.
Ich hätte mir schon gewünscht, dass die GRÜNEN ihre Forderungen aus ihrem Wahlprogramm, nämlich 10.000 Studienplätze zusätzlich zu schaffen und ein Sofortprogramm gegen Wohnungsmangel aufzulegen, in den Koalitionsvertrag hineingebracht hätten. Das haben Sie leider nicht geschafft. Sie wollten ein Sofortprogramm zur Schaffung a) von mehr Studienplätzen und b) von mehr Wohnheimplätzen auflegen. Beides findet sich leider nicht im Koalitionsvertrag. Beides haben Sie leider nicht hineinverhandelt bekommen.
Herr Minister, die Studentenwerke brauchen endlich höhere Zuschüsse. Es geht nicht nur darum, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu verbessern, sondern auch die soziale Infrastruktur. Denn gerade Studierende, die nicht aus reichen Familien kommen, sind darauf dringend angewiesen.
Ich will noch ein paar Sätze zur Novellierung des Hochschulgesetzes sagen. Dazu haben Sie fast nichts gesagt.
In den letzten Jahren wurde die Demokratie innerhalb der Hochschulen enorm geschwächt. Wir fordern die Reduzierung des Einflusses der Hochschulräte auf eine beratende Funktion. Aber laut Koalitionsvertrag soll die Macht des Hochschulrats sogar gestärkt werden. Bislang wird der Präsident vom Senat gewählt. Künftig soll eine vom Hochschulrat und dem Senat paritätisch besetzte Findungskommission einen Wahlvorschlag machen.
Ich kündige jetzt schon an, dass wir auch bei dieser Novelle des Hochschulgesetzes beantragen werden, die Macht der Hochschulräte zu beschneiden. Wir wollen mehr Demokratie an den Hochschulen. Wenn wir über Autonomie und einen Autonomieprozess reden, kann es nicht sein,
dass die ganzen zusätzlichen Kompetenzen nur auf das Präsidium und den Hochschulrat verlagert werden. Das muss den demokratischen und Selbstverwaltungsgremien zugutekommen.
Ich kündige an, dass wir beantragen werden, eine Zivilklausel im Hochschulgesetz festzuschreiben. Viele Hochschulen haben das bereits in ihren Satzungen verankert. Die Hochschulen sind dem Frieden verpflichtet. Deswegen muss die Rüstungsforschung an den Hochschulen verboten werden.
Herr Minister, Ihre Ernennung zum Wissenschaftsminister hat nicht gerade Begeisterung ausgelöst, auch bei Ihnen selbst nicht. Es schwang ein bisschen mit, dass hier ein in Ungnade gefallener Innenminister degradiert werden soll. Ehrlich gesagt, finde ich, das ist ein fatales Signal an die Hochschulen. Denn das Wissenschaftsministerium ist kein Verschiebebahnhof.
Auch bei den Studierenden und den Lehrenden hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Denn einem Wissenschaftsminister, der in seiner Zeit als Innenminister für eine ziemlich autoritäre Law-and-Order-Politik stand und der den gewaltsamen Polizeieinsatz bei Blockupy zu verantworten hat, trauen viele Studierende offenbar nicht zu, viel Gespür für freie und emanzipatorische Bildung zu haben.
Wie ich gelesen habe, wurden Sie bei Ihrem Antrittsbesuch an der Frankfurter Universität schon mit Protesten der Studierenden begrüßt, obwohl Sie damals noch keine fünf Tage im Amt waren. Dazu kann ich nur sagen: Respekt. Das hat nicht einmal Frau Kühne-Hörmann geschafft, und nie war im Beliebtheitsranking der Wissenschaftsminister bundesweit immer auf dem letzten Platz.
Herr Minister, auch wenn es nicht gerade Ihr Traumjob zu sein scheint, stehen Sie trotzdem in der Verantwortung, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen. Schaffen Sie studentischen Wohnraum, der bezahlbar ist. Sorgen Sie für gute Arbeitsbedingungen im Mittelbau. Sorgen Sie dafür, dass die Professorinnen und Professoren gut arbeiten können. Sorgen Sie dafür, dass es für die Studierenden in Hessen gute Bedingungen gibt.
Warten wir es einmal ab. Herr Schwarz, am Ende der Legislaturperiode können wir noch einmal darüber reden. Wenn Sie das jetzt schon wissen, dann haben Sie, glaube ich, seherische Fähigkeiten. So viel zu sehen war da noch nicht; aber wenn Sie irgendwelche Talente haben, in die Zukunft zu sehen, ist das toll.
Die Hochschulen brauchen eine solide Grundausstattung. Sie brauchen Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Die hohe Anzahl Studierender ist kein vorübergehendes Phänomen. Es wird in den nächsten zehn Jahren keinen Rückgang der Zahl der Studierenden geben. Das ist allgemein bekannt. Es ist ein politisches Ziel, die Quote der Studierenden langfristig zu erhöhen. Deswegen muss man die Bedingungen dafür schaffen.
Wer die Hochschulen nicht besser ausstattet, raubt Tausenden jungen Menschen das Recht auf ein Studium. Denn am
Ende werden viele Menschen durch den Numerus clausus und durch Hochschulzulassungsbeschränkungen gar nicht die Möglichkeit haben, das zu studieren und als Beruf auszuüben, was sie möchten. Das trifft vor allem diejenigen, die es im deutschen Bildungssystem ohnehin schwer haben. Das verschärft noch die soziale Auslese.
Herr Minister, ich finde, wenn Sie Begeisterung für Wissenschaft und Forschung wecken wollen, dann sollten Sie nicht über Wettbewerb und wirtschaftliche Verwertbarkeit reden, sondern Sie sollten als Erstes einmal über die großen Errungenschaften der Wissenschaft reden und auch darüber, dass der freie Zugang zu Bildung ein Grundpfeiler der Demokratie ist. – Vielen Dank.
Frau Wissler, danke. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr May, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu Wort gemeldet.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Wissler hat mich direkt angesprochen und gesagt, die GRÜNEN hätten mehr von ihrem Wahlprogramm durchsetzen sollen. Im Wahlprogramm der GRÜNEN steht tatsächlich die Einrichtung 10.000 zusätzlicher Studienplätze.
Wir reden heute über den Hochschulpakt 2020 und über die Steigerung während der zweiten Phase. Über die dritte Phase kann ich noch nichts sagen; denn da kenne ich die Verwaltungsvereinbarung noch nicht. Das kommt dann noch hinzu.
In der zweiten Phase wird es 99 Millionen € mehr geben. Unter der Bedingung, dass pro Studienplatz 12.000 € ausgezahlt werden, sind wir schon bei rund 8.000 Studienplätzen.
Sie hätten das besser wissen können. Einen Tag nach Ende der Weltmeisterschaft saßen wir bei den Präsidenten der Fachhochschulen zusammen. Dort haben wir über den notwendigen Ausbau der Zahl der Studienplätze gesprochen. Sie hätten deshalb wissen müssen, dass wir darüber weit hinausgehen.
Hinsichtlich der Zahl der Wohnheimplätze habe ich Sie schon darauf hingewiesen, dass Frau Ministerin Hinz und diese Koalition da noch einiges vorhaben und dieses Problem aktiv angehen. Im Übrigen hat Ihnen das auch der Minister gesagt.
Dann haben Sie noch gefragt: Was hätte Schwarz-Grün eigentlich ohne die Millionen Euro für die Bildung aus dem Bund gemacht? – Ich habe schon Herrn Grumbach dargestellt, dass das nicht so trivial ist. Ich habe dabei nach Hamburg geschaut.
Jetzt schauen wir einmal, was das Land Brandenburg macht, in dem die LINKEN wieder mit in der Regierung sind. Das Land Brandenburg bekommt etwa 37 Millionen € BAföG-Mittel erstattet. Davon gehen an die Hochschulen bloß 5 Millionen €. Es sind bloß 5 Millionen € von etwa 37 Millionen €.
Von daher kann man sagen: So ganz trivial ist das, was wir hier machen, wohl nicht. Vielmehr zeigt es, dass man wohl auch den politischen Willen dazu haben muss. Den politischen Willen stellen Sie hier immer einmal dar. Aber ich denke, Sie sollten diese Nachhilfestunden lieber der LINKEN in Brandenburg geben. Die haben es nötiger als wir. Denn wir machen unsere Hausaufgaben.