Protocol of the Session on September 25, 2014

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das sind die Bilder, die aufgenommen wurden, als das Werk noch in Betrieb war. Das heißt aber, in diesem Land war es möglich, trotz Kontrollen und über Jahre hinweg gegen Schutz- und Sicherheitsauflagen zu verstoßen, ohne dass es auffliegen konnte. Die spannende Frage lautet: Warum war das möglich?

Ich diskutiere im Moment nicht darüber, dass das Werk jetzt stillgelegt ist. Ich diskutiere darüber, dass es zehn Jahre lang möglich war, so zu produzieren. An den Kontrollmechanismen hat sich in diesem Land nichts grundlegend verändert. Das bedeutet, dass diese Situation jederzeit und an jedem anderen Ort wieder passieren könnte. Das ist das Problematische.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht doch nicht nur um Tiefenbach. Es geht darum, wie kontrolliert wird, wer kontrolliert und wer die Gutachten erstellt. Es war möglich, dass jemand Gutachten erstellt hat, der selbst an der Erfindung des Produkts beteiligt war. Das finde ich an sich noch nicht einmal grundsätzlich verwerflich, wenn das nicht auf Dauer der einzige Gutachter gewesen wäre. Auch die Auswahl der Gutachter muss kritisch betrachtet werden.

Die Arbeit des eigenen Personals muss kritisch betrachtet werden, wenn ich feststelle, dass es auf der einen Seite Bilder gibt, dass das Tor offen steht, und zwar immer wieder und über längere Zeiträume, und auf der anderen Seite an Verstößen nichts festgestellt worden ist. Das finde ich dann doch sehr merkwürdig.

An der Stelle müssen wir noch einmal darüber nachdenken, ob wir unser Kontrollinstrument richtig nutzen, ob es personell richtig ausgestattet ist, ob die Leute die richtigen Qualifikationen mitbringen und ob die Kontrolldichte hoch genug ist. Das alles muss man an der Stelle noch einmal hinterfragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es muss natürlich zweifelsfrei geklärt werden, woher die Dioxinfunde tatsächlich kommen.

Ich finde es auch erstaunlich, dass wir einen Filmbericht haben, in dem ehemalige Mitarbeiter der Firma aussagen, es sei nie nach den Regeln produziert worden, nach denen hätte produziert werden müssen. Frau Ministerin, dass Sie darüber kein Wort verlieren, ist schon sehr bedenklich.

(Kurt Wiegel (CDU): Sie hat doch gar nichts gesagt!)

Entweder sind diese Menschen hoch kriminell – wir hatten eine Ausschusssitzung dazu –, indem sie Falschaussagen vor laufender Kamera machen. Dann muss man auch damit umgehen. Oder sie sagen die Wahrheit. Dann sind in der Vergangenheit Dinge passiert, die niemals hätten vorkommen dürfen und die man gründlich überprüfen muss. Das wäre Ihre Aufgabe an dieser Stelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich frage Sie: Haben Sie mit diesen Mitarbeitern gesprochen? Haben Sie sie befragt, warum sie diese Aussagen machen – und zwar jetzt? Haben Sie versucht, herauszufinden, ob es einen Wahrheitsgehalt dieser Aussagen gibt, oder nicht?

(Manfred Pentz (CDU): Sie haben sich anscheinend nur den Film angeschaut!)

Diese Dinge stehen doch im Raum. Sie sagen, das alles stimme nicht. Die Menschen vor Ort sagen etwas ganz anderes. Zwischen diesen beiden Polen muss irgendwo die Wahrheit liegen. Diese zu ermitteln, ist doch eine ganz wichtige und zentrale Aufgabe. Aber das ist offensichtlich nicht Ihr Thema.

(Manfred Pentz (CDU): Gucken Sie nicht so viel Fernsehen!)

Machen Sie sich einmal um meinen Fernsehkonsum keine Sorgen. Sie sollten vielleicht abends früher schlafen gehen, dann würden Sie morgens in den Sitzungen nicht einschlafen. Das wäre sehr hilfreich, Ihr Fernsehkonsum ist vielleicht fragwürdig.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Was für Sie hilfreich wäre, möchte ich hier lieber nicht sagen!)

An dieser Stelle muss aufgeklärt und festgestellt werden, woher das Dioxin rührt. Dioxine lagern sich im Fettgewebe ein. Lassen Sie doch die Menschen untersuchen. Versuchen Sie doch, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen, indem Sie die Auseinandersetzungen mit den Menschen vor Ort anders führen, als Sie sie tatsächlich führen.

(Clemens Reif (CDU): Doch nicht mit Ihnen!)

Damit meine ich nicht nur die Vorgängerregierung, sondern auch Sie. Die Art und Weise, wie Sie jetzt mit den Menschen in Tiefenbach umgehen, führt nicht dazu, verlorenes Vertrauen zurückgewinnen zu können. Ganz im Gegenteil, es führt dazu, dass die Menschen sagen: Hier wird genauso weiterregiert, wie es vorher war. Unsere Gesundheit interessiert keinen, unsere Interessen interessieren keinen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Schott, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sie können diesen Politikstil fortsetzen, oder Sie können eine Kehrtwende machen und den Menschen an der Stelle entgegenkommen und versuchen, Vertrauen zurückzugewinnen. Ich würde Ihnen das im Interesse von uns allen sehr wünschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Hammann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Eckert, vorweg: Wir nehmen die Angst der Menschen vor Ort sehr ernst. Das haben wir in der Opposition getan, und das tun wir jetzt auch in der Regierungskoalition.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, Sie sollten hier ein bisschen abrüsten. Sie sollten der Landesregierung nicht sagen, sie müsse eine „unerträgliche Verharmlosung und Vertuschung beenden“. Auch als wir noch in der Opposition waren, hatten wir nicht den Eindruck, dass irgendetwas verharmlost oder vertuscht würde.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Wir hatten sehr viele Sitzungen des Umweltausschusses. Seit 2012 hat uns die Firma Woolrec in vielen Ausschusssitzungen beschäftigt. In diesen Ausschusssitzungen haben wir kritische Fragen gestellt. Das war und das ist auch gerechtfertigt gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie wissen, dass wir von Anfang an, als wir gehört haben, dass in diesem Unternehmen etwas nicht in Ordnung ist, diesem Unternehmen sehr kritisch gegenübergestanden haben. Wir sind froh, dass es dieses Unternehmen dort nicht mehr gibt und sie dort nicht mehr produzieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Auch die Berichterstattung des hr hat unser Misstrauen doch nur bestätigt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau, was folgt daraus?)

Viele dieser Vorwürfe, die vom hr vorgetragen wurden, das wissen Sie aber doch auch, sind Vorwürfe, die wir in den früheren Sitzungen des Umweltausschusses auch schon diskutiert haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Stimmt!)

Das waren die Fragen und Vorwürfe: Hat sich Woolrec nicht um die Sicherheitsbestimmungen geschert? Wurde der Betrieb vom Regierungspräsidium aus vor Kontrollen gewarnt? – Das waren die Themen, die uns in den Ausschusssitzungen beschäftigt haben. Wir haben auch zu Recht die gesundheitlichen Belastungen, die die Menschen in dieser Region durch den Betrieb dieses Unternehmens hatten, hinterfragt. Wir müssen doch feststellen, das werfe ich Herrn Eckert ein bisschen vor, dass er auf diese Ergebnisse in keiner Weise eingegangen ist. Das, was uns an Untersuchungsergebnissen vorliegt – da sage ich: Gott sei Dank –, hat nicht belegt, dass die Böden oder die Lebensmittel hoch belastet sind. Ich sage: Gott sei Dank, dass das nicht so ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es war richtig, dass Regierungspräsident Witteck noch einmal zu den alten und auch zu den neuen Vorwürfen Stellung bezogen hat. Die alten Vorwürfe habe ich eben genannt. Das waren die Fragen, ob vorab informiert wurde und wie hoch die Belastungen waren. Die neue Frage lautete, wie das Produkt hergestellt wurde, ob es per Hand

oder maschinell hergestellt worden ist. Auch dazu wurde der Regierungspräsident befragt.

Von unserer Seite können wir feststellen, wenn eine Anlage zur Produktion dieses Produkts zugelassen wurde und alle technischen Komponenten mit der Herstellung übereingestimmt haben, dann konnte man doch keinen Zweifel an der Produktionsweise hegen. Das wurde sehr klar und sehr deutlich dargestellt.

Was für uns in dem gesamten Prozess und überall erkennbar ist, ist die Tatsache, dass die Firma Woolrec auch vor offensichtlich kriminellen Handlungen nicht zurückgeschreckt ist und das Regierungspräsidium in vielen Bereichen ganz arglistig getäuscht hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben alle erfahren, dass aufgrund der Vorwürfe die Kontrolle noch einmal intensiviert wurde. Es wurde auch ganz schlüssig dargestellt, dass das Unternehmen Woolrec wie kein anderes Unternehmen kontrolliert wurde. Alle Kontrollen wurden intensiviert, und es gab angekündigte und unangekündigte Kontrollen.

Zum Vorwurf, ob es denn Mitarbeiter gegeben habe, die dort schon frühzeitig aus dem Regierungspräsidium heraus das Unternehmen gewarnt hätten: Auch dem ist nachgegangen worden. Es wurde eine eidesstattliche Erklärung von allen Mitarbeitern verlangt, in der sie ausgeschlossen haben, das Unternehmen vorgewarnt zu haben. Ich denke, in diesem Bereich kann man einfach nicht mehr tun. Gerade aufgrund dieser Informationen und der Aktivitäten können wir – und konnten wir schon damals nicht – ein Fehlverhalten vonseiten des Regierungspräsidiums eben nicht feststellen. Ich sage es noch einmal: Wir sehen die betrügerischen Handlungsweisen dieses Unternehmens.

Was man aber nicht tun kann, ich habe es eingangs bereits gesagt, ist, Ergebnisse aus Untersuchungen zu negieren. Sie können doch nicht den untersuchenden Unternehmen – beispielsweise TÜV SÜD, TÜV Rheinland zu Fragen der Arbeitssicherheit, oder auch die Untersuchungen durch das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie oder die Untersuchung durch den Landesbetrieb Hessisches Landeslabor zu Lebensmitteln, Pflanzen und Böden in der Umgebung, die Untersuchungen auf Dioxine und Furane bei Trauben, Äpfeln und Tomaten, die aus den Gärten entnommen wurden – unterstellen, sie seien geschmiert worden. Das sind Ergebnisse, die uns beruhigen konnten, als sie uns vorgelegt wurden.

Ich sage es noch einmal deutlich: Der Aktionswert bei Lebensmitteln von 0,3 pg pro Gramm wurde deutlich unterschritten. Es gab keinerlei Überschreitung der Maßnahmenwerte im Bereich Tiefenbach, was die Bodenuntersuchungen angeht.

Frau Kollegin Hammann, seien Sie so lieb.