Protocol of the Session on September 25, 2014

Frau Kollegin Hammann, seien Sie so lieb.

Ich komme zum Ende. – Wir müssen alle erkennen, dass Woolrec von einer modernen Recyclingfirma, die eine sachgerechte Verarbeitung von künstlichen Mineralfasern gewährleistet, meilenweit entfernt war. Wir sorgen, ebenso

wie diese Landesregierung, für Transparenz. Ich finde es gut, dass die IG Tiefenbach bei den Bodenproben überall eingebunden war, dass alle Gutachten zur Verfügung gestellt wurden.

Dies alles belegt aber deutlich, dass hier weder etwas vertuscht noch verharmlost wird. Es ist ein Problem dieses Unternehmens, bei dem wir weiter zur Aufklärung beitragen müssen. Das will diese Landesregierung. Deshalb unterstellen Sie der Landesregierung nicht eine „Vertuschung und Verharmlosung“, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann. – Das Wort hat der Abg. Lenders, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vertuschungen würde die FDP-Fraktion an dieser Stelle der Landesregierung nicht vorwerfen wollen. Aber man kann sicherlich auch nicht, wie es der Kollege Landau oder die Kollegin Hammann eben getan haben, darauf abheben, zu sagen, das Verfahren sei komplett abgeschlossen.

Meine Damen und Herren, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen das Unternehmen. Das Unternehmen wiederum erhebt Schadensersatzansprüche gegen das Land. Frau Hammann, das Unternehmen hat nicht aufgehört, zu produzieren. Vielmehr produziert es jetzt an einem anderen Standort. Wenn das alles stimmt, was Sie diesem Unternehmen unterstellt haben – kriminelle Energie, auf die Idee kann man kommen –, muss man schon einmal fragen, was die Landesregierung dazu tut, dass das Unternehmen nicht mit einer solchen kriminellen Energie weiter produzieren kann, wenn es auch nicht in Hessen ist. Wo nimmt die Landesregierung Kontakt zu ihren Kollegen auf und weist auf die in Hessen erhobenen Vorwürfe hin? Das gehört zur Pflicht einer Landesregierung.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Zu den Ängsten der Menschen: Ja, diese scheinen unbegründet zu sein. Das kann man durchaus sagen. Im Zusammenhang mit der Bürgerinitiative Tiefenbach: Da mögen Menschen schwierig sein. Aber der Vorwurf, den man den GRÜNEN machen muss, ist der, dass Bürgerinitiativen ihnen immer nur dann gut waren, wenn sie ihren politischen Interessen gedient haben.

(Beifall bei der FDP – Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch Unfug, Herr Lenders!)

Der Vorwurf, den man Ihnen machen muss, ist der, dass, wenn die Bürgerinitiative Sie in Regierungsverantwortung einmal etwas härter anfasst, Sie dann weglaufen und zumindest den Eindruck hinterlassen, sich der Diskussion nicht mehr stellen zu wollen. Das trifft im Fall der Bürgerinitiative Tiefenbach zu oder auch bei der Windkraft von Herrn Tarek Al-Wazir.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bürgerinitiativen scheinen nur dann gut zu sein, wenn sie den politischen Interessen dienen.

Meine Damen und Herren, wenn wir die Ergebnisse im Ausschuss und die Einlassungen der Mitarbeiter im Regierungspräsidium richtig verstanden haben, muss man sagen, dass die Kontrolle dort wohl mehr vom Schreibtisch aus stattgefunden hat. Das kann man machen. Aber in solch hochsensiblen Fällen in Anbetracht der erhobenen Vorwürfe nicht vielleicht einmal persönlich vor Ort aufzuschlagen – da darf man zumindest schon einmal nachfragen, statt zu sagen, hier sei alles in Ordnung gewesen, und der Sachstand sei einfach abgeschlossen. Das würde ein bisschen zu weit gehen.

(Zurufe der Abg. Martina Feldmayer und Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Dorn, Sie können sich jetzt gern darüber aufregen. Aber es gehört natürlich zur Aufgabe der Landesregierung, sich einmal mit einer Bürgerinitiative auseinanderzusetzen, die z. B. Forderungen erhebt, den kompletten Boden zu sanieren. Dann muss eine Landesregierung mit diesen Menschen in Kontakt treten und sagen: Entschuldigung, das ist eine komplett überzogene Forderung, aber wir werden auf die Rechtslage hinweisen und mit euch die Ergebnisse durchgehen. – Dann muss man sich ein bisschen Zeit für die Ängste der Menschen nehmen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu der Feststellung, dass bei diesem Unternehmen nicht alles in Ordnung gewesen sein kann: Wir wissen bis heute nicht, wann das Unternehmen den Zeitpunkt verlassen hat, zu dem es die Grundlage für die Produktionserlaubnis hatte – sprich: die Verformung der Rohstoffe –, und wann ihm die Produktionsgrundlage entzogen werden musste. Diesen Zeitpunkt kennen wir bis heute nicht. Dass nun so getan wird, als haben man das alles im Griff und wisse über alles Bescheid, und alles sei überhaupt nicht bedenklich – also, meine Damen und Herren von den GRÜNEN: Ich möchte Sie erleben, würden Sie noch in der Opposition sein. Dass Sie nach einem Untersuchungsausschuss rufen würden, liegt auf der Hand.

(Beifall des Abg. René Rock (FDP) – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hätten das als Skandal par excellence bezeichnet und harte Vorwürfe gegen die Landesregierung erhoben.

Dass Sie nun einen anderen Blickwinkel haben, mag Ihnen gestattet sein. Aber zu sagen, hier sei alles in Ordnung – das geht so nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Umweltministerin, Frau Staatsministerin Priska Hinz.

Meine Damen und Herren, liebe Abgeordnete, sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben das Thema in dieser Woche

bereits in einer öffentlichen Ausschusssitzung behandelt. Ich bitte schon jetzt um Entschuldigung, dass ich wahrscheinlich länger als fünf Minuten brauchen werde; denn wir haben gut eineinhalb Stunden zu diesem Thema getagt, und es scheint mir, als sollte heute noch einmal einiges in der großen Runde erläutert werden.

Zunächst: Die Firma Woolrec ist aus meiner Sicht tatsächlich ein Unternehmen, das nicht nur gegen einige, sondern gegen viele Auflagen verstoßen hat. Nicht umsonst ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen dieses Unternehmen, auch gegen den Gutachter. Und, liebe Frau Schott, für Ermittlungen ist nicht die Umweltministerin, sondern in einem Rechtsstaat die Staatsanwaltschaft zuständig. Deswegen freue ich mich, dass dort die Ermittlungen im Gange sind, und ich hoffe auch, dass sie zu einem Ziel führen. Das ist das Erste.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Darum ging es aber gar nicht!)

Das Zweite. Die Ermittlungen gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RP sind – das ist meine Kenntnis bis heute – alle ohne Auflagen eingestellt. Herr Abg. Eckert, dies hat Regierungspräsident Witteck in der öffentlichen Ausschusssitzung auch so kundgetan.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Danke!)

Wenn Sie eine andere Kenntnis haben, Herr Abg. Eckert, dass dies nicht richtig ist und noch eine Ermittlung läuft, dann frage ich Sie, warum Sie diesen Vorhalt nicht auch in der öffentlichen Ausschusssitzung gegenüber dem Regierungspräsidenten gemacht haben. Dann hätten wir das sofort, auf der Stelle aufklären können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Sie sind in der Landesregierung! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich verstehe nicht, dass Sie damit hinter dem Berg halten. Ich weiß auch nicht, wen Sie damit vorführen wollen. Es wäre schlimm genug, wenn es weiterläuft. Aber wenn es so ist, dann ist es das gute Recht der Staatsanwaltschaft. Dann muss man gelassen abwarten, was solche Ermittlungen ergeben.

Das Nächste. Dass Sie hier sagen, Regierungspräsident Witteck selbst sei Kern des Problems, finde ich deshalb einigermaßen erstaunlich, weil die Genehmigung der Firma Woolrec im Jahr 2001/2002 gelaufen ist, und der Regierungspräsident Witteck ist seit 2009 im Amt. Also hat er mit der Genehmigung ursprünglich nichts zu tun. Deswegen finde ich diese Aussage, ehrlich gesagt, etwas schwierig.

Noch etwas zum Regierungspräsidium, weil ich glaube, dass das wichtig ist; denn hier waren die Kontrollen angesprochen, dass hier angeblich nicht kontrolliert wurde oder alles vorher der Firma bekannt war.

Es gab nach den Akten sowohl angekündigte Kontrollen als auch unangekündigte Kontrollen. Dies ist üblich bei Firmen: angekündigte und unangekündigte Kontrollen. Der Regierungspräsident Witteck hat, nachdem es Vorwürfe gab, dass der Firma vorher mitgeteilt wird, dass es Besuche und Kontrollen gibt, von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – auch dies hat er noch einmal in der Ausschusssitzung in dieser Woche vorgetragen – bis hin zu Fahrern eidesstattliche Erklärungen eingeholt, und alle haben in die

sen eidesstattlichen Erklärungen mitgeteilt, dass sie keine Daten herausgegeben haben.

Ich glaube, das ist das, was ein Behördenchef machen muss und machen kann. Zu anderen Mitteln kann man nicht greifen, weil das ansonsten bedeuten würde, dass die Mitarbeiter sich wirklich strafrechtlich schuldig gemacht hätten. Aber das ist dann wirklich eine Frage der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu Olfen. Die Landesanstalt für Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen hat zum Freisetzungsverhalten des im Winter/Frühjahr 2012 in Olfen lagernden Woolits das Regierungspräsidium Gießen informiert, das anschließend im März 2012, also sobald es davon Kenntnis hatte, eine Beprobung der Halde und der laufenden Produktion in der Anlage Braunfels-Tiefenbach veranlasst hat. Außerdem wurden die Mengenbilanzen der Firma Woolrec überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die ursprüngliche Rezeptur für die Woolit-Herstellung offensichtlich geändert worden war und damit ein Verstoß gegen die Produktanerkennung und den Bescheid vorlag.

Daraufhin hat das RP Gießen mit Bescheid vom 18. Mai 2012 untersagt, Woolit, das nicht der Spezifikation des Anerkennungsbescheides entsprach, als Produkt an die Ziegelindustrie abzugeben. Also hat das RP direkt auf das reagiert, was in Olfen erkannt wurde. Ich denke, dass man dies anerkennen muss. Im Übrigen wurde der Firma dann auch die Anerkennung entzogen.

Am 26. September 2012 ist die Stilllegung der Firma Woolrec angeordnet worden, und am 4. Februar 2013 wurde dann auch der öffentlich-rechtliche Vertrag geschlossen, in dem die Firma Woolrec GmbH mit sofortiger Wirkung auf die Genehmigung zum Betrieb der Behandlungsanlage in Braunfels-Tiefenbach verzichtet hat. Dass sie jetzt trotzdem eine Schadenersatzklage machen, ist das eine. Aber auf jeden Fall ist 2012 behördlicherseits die Genehmigung bereits entzogen worden.

Ich glaube, auch dies ist ein richtiger Schritt bei dem Thema Woolrec und dem, was die Firma sich geleistet hat, weil sie eben nicht so produziert hat, wie das ursprünglich von ihr beantragt war und wie es genehmigt worden war.

Dann möchte ich zu den Bodenuntersuchungen kommen. Auch davon kann ich Sie leider nicht entlasten; denn Sie haben gesagt, es müsse Transparenz in das ganze Thema hinein. Daher will ich Ihnen jetzt die Transparenz geben: Nicht der Regierungspräsident und auch nicht das Regierungspräsidium haben höchstselbst Bodenproben genommen und untersucht, sie haben auch nicht Gemüseproben genommen und untersucht

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Warum nicht?)

das sage ich Ihnen jetzt –, sondern haben es in Auftrag gegeben, und zwar bei Gutachtern und Instituten, die etwas davon verstehen. Denn ein RP kann das nicht selbst machen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Weil die Kapazitäten im Land nicht vorhanden sind! Es werden Stellen abgebaut! – Lebhafte Gegenrufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, das Wort hat die Frau Ministerin.

Ich befürchte, ich muss Ihnen einmal unter vier Augen erklären, wie eine Landesverwaltung aufgebaut ist und dass das Regierungspräsidium kein Labor ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Frau Ministerin, ich bin seit 40 Jahren mit dem öffentlichen Dienst vertraut! Ich brauche dieses Vieraugengespräch nicht! – Michael Boddenberg (CDU): Er will, dass Institute verstaatlicht werden! Das wird ja immer schlimmer!)

Das RP Gießen hat die Hessische Landesanstalt für Umwelt und Geologie beauftragt, Bodenproben aus dem Umfeld der Firma Woolrec auf Dioxine, Furane, PCB, PAK, PCP, Schwermetalle, Arsen und künstliche Mineralfasern zu untersuchen. Gutachten gab es dann am 06.11.2012 und am 27.03.2013. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmenwerte für Dioxine in der Bundes-Bodenschutzverordnung nicht annähernd erreicht werden.