Protocol of the Session on February 4, 2014

wir kennen das aus der Polizeichefaffäre, dass es nachträglich gefertigte Vermerke gibt –, bin ich ziemlich sicher, dass der klare und eindeutige Dringliche Antrag, den SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 28. Februar 2013 mit der Drucks. 18/7072 unter der Überschrift „Ministerin Puttrich muss Verantwortung übernehmen und zurücktreten“ gemeinsam eingebracht haben, deutlich schärfer ausgefallen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Frau Puttrich, ich will Ihnen klar sagen: Das Thema ist nicht vorbei. Wenn Sie glauben, dass wir uns damit begnügen, diese Form der Akteneinsicht sozusagen abzuhaken und, obwohl alle wesentlichen Fragen noch nicht beantwortet sind, zu sagen: „Das ist jetzt gut“,

(Günter Rudolph (SPD): Das ist noch ausbaufähig!)

kann ich Ihnen garantieren: Das wird ganz sicherlich nicht der Fall sein. Biblis wird uns in diesem Haus noch mehrfach beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Es liegt an Ihnen, Ihrer Aufklärungspflicht nachzukommen und mitzuwirken.

Ich will damit zu dem vorletzten Punkt meiner Ausführungen kommen: zu dem Thema Gerechtigkeit. Ich will mich, mit Blick auf aktuelle Ereignisse und auch mit Blick auf die Redezeit, ganz bewusst auf zwei wesentliche Punkte konzentrieren.

Wir haben in den Sondierungsgesprächen einen der schwierigsten Punkte erreicht, als es um die Finanzen ging. Wir Sozialdemokraten haben nicht umsonst mehrfach – immer wieder – einen Kassensturz gefordert. Ich glaube, dass wir insgesamt sehr produktive und konstruktive Gespräche über die Finanzlage hatten.

Wir haben diesen Kassensturz mit Blick auf das Thema Länderfinanzausgleich, mit Blick auf das Thema Kommunaler Finanzausgleich und mit Blick auf das Thema der sogenannten demografischen Dividende beim Personal gefordert. Wir sind uns einig, die Schuldenbremse ist einzuhalten. Ich will allerdings noch einmal sagen, es geht um eine Einnahmen- und eine Ausgabenverantwortung.

(Lothar Quanz (SPD): Genau das!)

Dass der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung auf den Bund verweist nach dem Motto: „Der Bund muss seinen Verpflichtungen nachkommen“, ist schon mutig angesichts dessen, was wir in den Koalitionsverhandlungen zur Bildung der Großen Koalition diskutiert haben und wie

wir es diskutiert haben. Ich weiß nämlich, welche Parteien in den Koalitionsverhandlungen auf der Bundesebene ausdrücklich nicht bereit waren, mit uns ernsthaft über eine andere Form der Steuerverteilung und über eine Steuerreform zu verhandeln. Das waren CDU und CSU. Insofern können Sie sich an der Stelle keinen schlanken Fuß machen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich spreche das Thema deshalb an, weil Sie heute wieder angefangen haben, über den Länderfinanzausgleich zu reden. Ich sage ausdrücklich: Ja, der Länderfinanzausgleich muss reformiert werden. Da gibt es überhaupt keinen Dissens.

Wir haben mehrfach über die Frage gestritten, wie der richtige Weg dahin aussieht. Ich nehme gern noch einmal die Botschaft auf, die Sie im Wahlkampf formuliert haben: Wenn wir bei der Klage zum Länderfinanzausgleich erfolgreich sind, werden wir anschließend die Gebührenfreiheit für die Kitas einführen. – Das waren Ihre Worte.

Nun haben wir in den Sondierungsgesprächen durch qualifizierte Äußerungen des Finanzministers Schäfer gelernt – daher stammt übrigens die Formulierung: „Das muss ein Missverständnis gewesen sein“ –, dass, wenn das Bundesland Hessen mit seiner Klage beim Bundesverfassungsgericht erfolgreich ist, eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass wir verhandeln müssen, weil die dort nur Leitsätze formulieren. Das führt dazu, dass wir wahrscheinlich nicht vor 2018 – wenn es gut läuft und wir erfolgreich sind – Einnahmen in irgendeiner Form daraus generieren.

In der nächsten Legislaturperiode wird also nichts daraus. Deswegen ist es richtig, darauf hinzuweisen und zu sagen: Wir brauchen einen anderen Länderfinanzausgleich. – Aber zur Redlichkeit gehört auch, zu sagen, dass er uns in dieser Legislaturperiode nicht helfen wird. Sie gehen selbst davon aus, dass daraus nichts wird.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig werden wir aber die Anforderungen beim Kommunalen Finanzausgleich haben. Ich bin sehr gespannt auf das, was Sie im Ergebnis liefern, abgesehen davon, dass Sie mit allen Beteiligten reden wollen.

Ich glaube, dass es nach wie vor richtig ist, dieses Thema offensiver anzugehen. Dazu gehört für uns nach wie vor, dass ein Kassensturz gemacht wird. Ich glaube im Übrigen auch, dass es dem neuen Koalitionspartner hilft, wenn ein wirklicher Kassensturz gemacht wird. Das, was Sie an Zahlen bisher vorgestellt haben, nehme ich Ihnen – seien Sie mir nicht böse – nicht ab. Angesichts dessen, was wir in den Sondierungsgesprächen gehört haben, nehme ich Ihnen die Mengen, die Zahlengerüste und die Haushaltsrahmendaten schlicht nicht ab.

(Beifall bei der SPD)

Ich will das ganz zugespitzt formulieren: Entweder sind wir Sozialdemokraten in den Sondierungen behumst worden, oder die Öffentlichkeit wird behumst. Ich weiß nicht, wer am Ende der Betroffene ist. Aber das, was Sie vorgestellt haben, passt mit dem, was wir, jedenfalls bisher, gehört haben, ausdrücklich nicht zusammen. Deswegen werden wir Ihnen die Gelegenheit geben, einen Kassensturz zu machen.

Ich will außerdem sagen, dass es richtig und notwendig ist, das Thema Steuerhinterziehung und ihre Bekämpfung wei

ter hochzuhalten. Ich sage das ausdrücklich auch mit Verweis auf aktuelle Fälle. Für mich ist der Rücktritt des Staatssekretärs in Berlin die einzig mögliche und logische Konsequenz aus den Vorfällen, die er selbst zu verantworten hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage in aller Klarheit: Für uns ist Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt. Das bleibt auch so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir erwarten, dass Sie bei dem Thema Bekämpfung der Steuerhinterziehung alle Anstrengungen unternehmen, um das möglich zu machen. Deswegen lassen wir es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie über – ich sage es einmal so – Formelkompromisse im Koalitionsvertrag den Eindruck erwecken, als wollten Sie eine bestimmte Aktivität an den Tag legen, während Ihre Regelung im Kern so beschaffen ist, dass Sie es am Ende gar nicht können.

Sie schreiben im Koalitionsvertrag, Sie wollten sich zukünftig wieder am Ankauf von Steuer-CDs beteiligen. Dann kommt die entscheidende Einschränkung: Sie wollen das nur machen, wenn garantiert ist, dass niemand eine Strafverfolgung vornimmt.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun müssen Sie mir einmal erklären, wie das möglich sein soll. In der Schweiz heißt es, dass der Verkauf solcher Daten eine Straftat ist.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Darüber ist hier mehrfach diskutiert worden. Eine der Begründungen dafür, warum der Ministerpräsident und der Finanzminister im vergangenen Jahr keine CDs gekauft haben, lautete: Wir sind nicht sicher, dass ein hessischer Steuerbeamter, der im Urlaub die Grenze zur Schweiz überquert, dort nicht verhaftet wird, weil er an einer Straftat beteiligt war. – Das werden Sie auch in Zukunft nicht ändern können; denn die Schweiz wird ihre Gesetze selbst machen.

Deswegen sage ich: Stehen Sie dazu. Sie wollen sich eigentlich nicht am Ankauf beteiligen. Dann sagen Sie es auch, und tun Sie nicht so, als ob Sie Aktivitäten an den Tag legen wollten, die Sie im Ergebnis gar nicht zeigen können, wie Sie einräumen müssen, wenn Sie sich selbst ernst nehmen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Wagner, wenn Sie etwas anderes meinen, können Sie es gleich darstellen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

Aber im Koalitionsvertrag heißt es klipp und klar, dass es einen Ankauf von Steuer-CDs nur geben wird, wenn eine Strafverfolgung von Steuerbeamtinnen und Steuerbeamten ausgeschlossen ist. Das können Sie im Fall der Schweiz nicht garantieren. Das heißt übersetzt – intellektuell klar und redlich –, dass Sie sich dann nicht daran beteiligen werden. Wenn Sie es anders meinen, können Sie es heute klären. Dann wären wir ein kleines Stückchen vorangekommen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe schon gesagt, dass ich es an ders meine! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, wir werden Ihnen bei dem Thema Bekämpfung der Steuerhinterziehung und der Steuerflucht weiter Druck machen.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt für die Ausbildung, die Einstellung von Steuerfahnderinnen und Steuerfahndern und auch für die bundesgesetzlichen Regelungen, wobei wir hier beispielsweise die klare Position vertreten, dass die strafbefreiende Selbstanzeige bei Beträgen oberhalb der Bagatellgrenze fallen muss. Das, was wir in diesen Tagen hören, ist ein super Beispiel dafür – im Übrigen auch für die Veränderungen der Fristsetzungen bei Steuerstraftaten mit Auslandsbezug.

(Beifall bei der SPD)

Dass Prominente sozusagen den wirtschaftlichen Ertrag aus 20 Jahren mit nach Hause nehmen und sich freikaufen können, indem sie für zehn Jahre nachzahlen, halte ich mit dem Gerechtigkeitsgefühl der Menschen für nicht vereinbar. Ich hoffe, Sie an unserer Seite zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Es gäbe noch viele Anmerkungen zu dem zu machen, was am heutigen Tag hier verlesen wurde. Wir werden in den nächsten Jahren – bis zu fünf Jahre können es sein – viele Gelegenheiten haben, über das zu diskutieren, was Sie hier vorschlagen. Ich bleibe dabei: Wir messen Sie nicht an dem, was Sie heute hier verlesen haben. Wir messen Sie nicht an dem, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag verschriftlicht haben. Vielmehr werden wir Sie vor allem daran messen, was Sie in der Realität machen. Der Alltag wird Sie wahrscheinlich schneller einholen, als Sie glauben. Wir werden Sie konstruktiv und kritisch begleiten.

Herr Ministerpräsident, wir werden der Regierung dort, wo es ein ernsthaftes und redliches Ansinnen gibt, Fragen mit uns zu besprechen, ausdrücklich die Hand reichen. Aber wir sagen auch klar: Demokratie braucht Alternativen. Wir werden diese Alternativen hier immer wieder dokumentieren. Wir werden uns nicht darauf reduzieren lassen, nur mit Ja oder Nein und gelegentlich vielleicht auch mit einer Enthaltung auf Positionen der neuen Koalitionsfraktionen zu reagieren.

Wir werden als hessische Sozialdemokratie sehr deutlich dokumentieren: Wir sind und bleiben die Partei der Arbeit und der Gerechtigkeit. Das sind die beiden wesentlichen Antriebsfedern, die unsere Politik ausmachen. Wir werden das aus unserer eigenen Kraft und aus unserer eigenen Position heraus ableiten. Das, was Sie veranstalten, ist ein Experiment. Das wissen Sie selbst. Wie das ausgeht, weiß kein Mensch. Das ist heute auch nicht zu entscheiden. Mein Eindruck ist, dass die Hauptlinien Ihres Koalitionsvertrags Dissens, Vertagung und in Teilen faule Kompromisse sind.

Wir sind sehr gespannt, ob Sie das zentrale Infrastrukturprojekt, das Sie in Ihrem Koalitionsvertrag mit Ihren Gipfeln und Gipfelchen, mit Ihren Kaffeekränzchen, mit Ihren runden Tischen, mit Ihren Konventen, und was es noch so alles geben wird, mit Bürgerbeteiligung und vielem mehr auf den Weg gebracht haben, die lange Bank sein wird, auf die Sie möglichst viele Themen schieben können.

(Beifall bei der SPD)