Protocol of the Session on February 4, 2014

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Rentsch. Bitte.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon 18:20 Uhr; der Tag hat uns voll in Beschlag genommen. Ich will zunächst das wiederholen, was Herr Schäfer-Gümbel gesagt hat: Glückwunsch an die neue Regierung, eine gute Hand, die Dynamik, die man sicherlich

braucht, um dieses Land zu regieren, und vor allen Dingen gute Entscheidungen. Ein Kollege aus diesen Reihen sagte vorhin, als angekündigt wurde, was alles wir demnächst an runden Tischen klären sollten: Das könnte die neue „Stuhlkreis-Koalition“ werden; die klärt alles in einer Art Konfliktberatung.

Herr Ministerpräsident, haben Sie Verständnis dafür, dass wir zwar alles, was Sie anbieten werden, aufnehmen, uns als Opposition aber nicht nur von der Regierung bitten lassen werden, sondern selbst Themen setzen. Wir werden Sie auch einladen, und wir sind sehr gespannt, ob Sie diesen Einladungen folgen. Wir hätten ebenfalls ein großes Interesse an einer Zusammenarbeit.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Land wird von CDU und FDP – der alten Koalition – in einem hervorragenden Zustand übergeben: Die Jahresabrechnung ergibt Mehreinnahmen von über 400 Millionen €, der Arbeitsmarkt und die Existenzgründungsquote sind spitze, und die Entwicklung in Nordhessen – da haben wir alle geklatscht – ist hervorragend. Die Lehrerversorgung beträgt 105 %, und auch die Hochschulen sind zu erwähnen.

Das ist für uns Liberale auch der Maßstab, an dem wir Sie bei der Frage messen, ob Sie in der Lage sind – jedenfalls bei diesen Punkten –, das Land weiterhin in einem guten Zustand zu halten. Ich will nicht bestreiten, dass CDU und FDP an vielen Stellen unterschiedliche Auffassungen hatten. Aber ich kann mich über die Art und Weise der Zusammenarbeit in diesen fünf Jahren nicht beschweren, im Gegenteil. Ich glaube, dass wir viel für das Land geleistet haben. Das ist jetzt auch der Maßstab, an dem wir Sie messen werden.

(Beifall bei der FDP)

Es ist, wie man feststellt, wenn man das von außen betrachtet – Herr Minister Al-Wazir, Sie werden gestatten, dass wir das zur Kenntnis nehmen –, beachtenswert, dass es anscheinend an vielen Stellen einen, wie ich sagen möchte, Blickwechsel gegeben hat. Früher hat Herr AlWazir Herrn Bouffier so bezeichnet, wie es Frau Wissler und auch Herr Schäfer-Gümbel getan haben. Dem kann ich noch den Namen Prinz Charles hinzufügen. Das war auch eine der Formulierungen.

Ich habe mich gefragt, ob man sich jetzt – sozusagen nach Prinz Charles – als Tarek und Volker begegnet. Auch das wurde begrüßt. Ich kann davor nur warnen. Ich habe erlebt, was aus Guido und – wie hieß der andere? –

(Janine Wissler (DIE LINKE): Horst!)

Horst geworden ist. Horst gibt es noch, Guido gibt es nicht mehr. Insofern muss man an dieser Stelle aufpassen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war ein Spaß auch auf meine Kosten. Deshalb habe ich ihn erwähnt, Herr Kollege. – Deshalb ist diese Vertrautheit nicht ganz unproblematisch, wie man feststellt, wenn man sie von außen betrachtet. Nachdem die Union 2008 noch plakatiert hat: „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten verhindern“, ist man jetzt mittendrin in dieser Koalition. Da hat sich in Hessen vieles verändert.

(Beifall bei der FDP)

Herr Wagner hat die ersten 17 Tage der Regierungszeit gelobt. 1.808 Tage bleiben noch. Wir werden schauen, ob Sie

die schaffen. Die letzten Tage waren für uns ganz interessant, weil es spannend ist, wenn eine Koalition die Transparenz auch auf sich anwendet und man öffentlich über Themen und Schwerpunkte diskutiert. Daran können wir teilhaben. Herzlichen Dank dafür.

Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger in Hessen den Anspruch an eine Regierung haben – egal wer sie regiert –, dass sie sagt, was sie will. Bei dem Thema Zwischenlager in Biblis wäre es z. B. schön – wir werden in dieser Woche noch darüber diskutieren –, wenn wir wüssten, was Sie dabei wollen. Der stellvertretende Ministerpräsident hat eine andere Auffassung als der Ministerpräsident, und möglicherweise gibt es auch eine gemeinsame Auffassung bei diesem Thema. Ich werde noch auf einige Themen zu sprechen kommen, bei denen der Dissens stärker im Vordergrund steht als der Konsens. Wir wollen eine Landesregierung, die weiß, was sie will. Das haben die Hessinnen und Hessen auch verdient.

(Beifall bei der FDP)

Das große Credo des Koalitionsvertrags ist: mehr verwalten als gestalten. – Wenn ich daran denke, was die GRÜNEN alles gefordert haben, einen Politikwechsel, es müsse frischer Wind in diese Landesregierung, es müsse alles anders und alles besser werden, dann stelle ich fest, es sind gerade diese GRÜNEN gewesen, die mit ihren Stimmen Volker Bouffier zum Ministerpräsidenten gewählt haben. Ich kann aus meinen fünf Jahren sagen, dass es eine richtige Entscheidung war. Ob es in den nächsten fünf Jahren auch noch richtig ist, weiß ich nicht. Wenn Sie sich an Ihren eigenen Forderungen messen lassen, ist das schon ein sehr ambitionierter Politikansatz, den Sie betreiben. Möglicherweise werden Sie Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Das müssen Sie dann mit Ihren Wählern ausmachen.

Wer sich die Gewichtung der Themen im Koalitionsvertrag anschaut, der muss sich schon wundern. Während im letzten Koalitionsvertrag die Themen Wirtschaft und Verkehr den größten Block ausmachten, ist das nun die Umweltpolitik. Sie ist deutlich doppelt so groß wie die Gewichtung der Bereiche Wirtschaft und Verkehr und Bildung. Die Umweltpolitik und ihre Schwerpunkte – das ist sicherlich von Grün gewollt, ob es auch von der Union so gewollt gewesen ist, kann ich schwer beurteilen – dominieren viele Bereiche. Sie dominieren beispielsweise die Landwirtschaftspolitik, in der wieder die Frage der ökologischen Landwirtschaft vor die konventionelle Landwirtschaft gestellt wird. Das habe ich in Hessen schon einmal gehabt. Die Einteilung in gute und böse Landwirtschaft ist nicht neu.

Das zieht sich durch viele Bereiche, in denen aus Ihrer Sicht Schwerpunkte gesetzt werden. Dazu kann ich nur sagen: Das hätten wir uns anders vorgestellt. Wir haben erwartet, dass das, was der Ministerpräsident angekündigt hat und das, was die Union als Schwerpunkte in ihrem Wahlprogramm hat – vielleicht kommt es auch noch, dann gilt aber der Koalitionsvertrag nicht –, umgesetzt wird. Ich will an einer Stelle das, was der Ministerpräsident gesagt hat, konkret herausgreifen.

Herr Ministerpräsident, der Frankfurter Flughafen – ich glaube, das ist zwischen uns unstreitig – und seine zentrale Bedeutung für das Land waren immer Streitgegenstand im Landtag. Dazu gibt es unterschiedliche Positionen, und wir werden darum noch lange streiten. Ich sage eines: Wer hier verkündet, dass die Entwicklung des Frankfurter Flugha

fens in diesem Land nicht gefährdet ist, und gleichzeitig dem Flughafengegner die Verantwortung für dieses wichtige Infrastrukturprojekt überträgt, macht garantiert einen großen Fehler in diesem Land. Wir werden uns anschauen, was Sie dort machen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Herr Kaufmann freut sich schon über diese Aussage. Herr Kaufmann, wissen Sie, Sie bringen schon den Minister in große Probleme. Sie haben beispielsweise bei der Änderung des Planfeststellungsbeschlusses vollmundig etwas verkündet, was Ihr stellvertretender Ministerpräsident in einem Zeitungsinterview schon wieder zurücknehmen musste. Als Abgeordneter, der nun schon lange in diesem Parlament sitzt, kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Sie das so weitermachen, ist das vielleicht für die Opposition gut. Ob es für Ihren Minister und für das Land gut ist, wenn Sie Rechtstatbestände, die eigentumsgleich garantiert sind, drohend infrage stellen nach dem Motto: „Wir werden das ändern, wenn ihr nicht gehorcht“? Das ist eine Art von Politik, die wir in Hessen auch schon einmal erlebt haben und die ich eigentlich nie wieder erleben wollte.

(Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Auf was spielen Sie da gerade an?)

Es gibt viele Überraschungen, na klar. Ich finde es gut, dass Tarek Al-Wazir zu Kassel-Calden gesagt hat: Wir müssen dem Flughafen erst einmal eine Chance geben. – Das ist das, was wir immer gehofft haben. An dieser Stelle ist er im Ministeramt angekommen. Ich finde es richtig, dass auch die Hoffnung das mitgestaltet. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die brauchen Sie auch bei diesem Thema.

(Beifall bei der FDP)

Genauso gibt es aber auch sehr ernste Themen, bei denen wir uns aus guten Gründen Sorgen machen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Kollege Boddenberg, das war etwas, was uns auch verbunden hat. Wir hatten fest vor, den Schulen in Hessen mehr Freiheit zu geben. Das Landesschulamt hatte nicht nur als Idee, Verwaltung zu konzentrieren und einzusparen, sondern auch dafür Sorge zu tragen, das, was bisher in kommunaler Herrschaft passierte, nämlich die Bevormundung der Schulen, zurückzudrehen.

Nachdem Sie das Landesschulamt nun zur Abteilung IV des Kultusministeriums machen wollen, sind wir sehr gespannt – man wird sehen, wie viel das einspart, das ist sozusagen ein anderes Etikett, aber die Grundidee bleibt –, ob Sie in Zukunft weiter dafür Sorge tragen, dass Schulen in Hessen wirkliche Freiheit haben.

Ich bin aufgeschreckt, als Herr Wagner in der gemeinsamen Fernsehsendung sagte, man wolle nun die Rolle des Kultusministeriums darin suchen, dass es vor Ort moderierend eingreife. Die FDP und auch die Union – zumindest in früheren Zeiten – wollten nicht, dass dieses Kultusministerium Entscheidungen der Schulen vor Ort konterkariert oder lenkt, sondern dass dieses Kultusministerium einen Rahmen dafür setzt, dass freie Entscheidungen in den Schulen getroffen werden können. Das muss das Ziel sein.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte nicht, dass Wiesbaden den Schulen Hinweise gibt, dies oder jenes zu tun: Kehr lieber zu G 9 zurück, sonst kommt die Strafe aus Wiesbaden. – Das sollte nicht das Credo hessischer Kultuspolitik sein. Das deutet sich dort jedoch an.

Bei der Frage der Lehrerversorgung bin ich sehr gespannt. Sie haben sich viel vorgenommen, nachdem einiges aus den Koalitionsverhandlungen herausgesickert ist. Ich halte es ausdrücklich für richtig, an dieser Stelle nicht zu sparen. Die Schwerpunktsetzung in der Bildung ist die absolut richtige. Sie werden jedoch den Hessinnen und Hessen auch erklären müssen, was die Verkürzung der Arbeitszeit bedeutet. Herr Schäfer-Gümbel hat recht mit seiner Aussage, dass Sie noch nichts gespart haben.

Das Erste, was diese Regierung gemacht hat, ist die Ankündigung gewesen, die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten auf 41 Stunden zu reduzieren. In der Bildung wird das 2.000 Lehrerstellen einfordern. Wie Sie das kompensieren wollen, haben Sie heute nicht gesagt. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch und nicht auf vollmundige Reden.

(Beifall bei der FDP)

Das Gleiche gilt für die Wissenschaft. Wir haben in diesem Land gemeinsam vereinbart, dass Bildung in diesem Land ein Kernpunkt ist. Wenn man für die Hochschulen Mittel streckt, ist das doch nichts anderes, als dass man in mehr Jahren weniger ausgibt. Das kann man auch kürzen nennen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Sie strecken die Mittel. Was ist das denn sonst? Ich bin bei Ihnen, dass wir über Konzepte streiten werden. Wir werden eigene Konzepte einreichen, so wie es die GRÜNEN vorher in der Opposition auch gemacht haben. Sie müssen sich aber auch an der Frage orientieren, was Sie früher selbst verlangt haben – hier liegt uns vor allem an der Union. Das Sparen halte ich für ausdrücklich falsch. Die Hochschulen sind unser bildungspolitisches Asset auch im Wettbewerb mit den anderen Ländern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen Weg können wir nicht unterstützen.

(Beifall bei der FDP – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo sparen wir denn?)

Die großen Herausforderungen, die dieses Land vor sich hat, liegen sicherlich in der Finanzpolitik. Herr Kollege Wagner, ich will ausdrücklich sagen, dass ich bei Ihnen bin. Es ist aber keine große Leistung, die Verfassung einhalten zu wollen. Das ist die Verpflichtung dieser Regierung. Sie werden natürlich einen Haushalt ohne Schulden machen, sollten Sie so lange regieren. Das verlangt die Verfassung von Ihnen. Das ist kein freiwilliges Geschenk der GRÜNEN an die Bürger in unserem Land, sondern es ist die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen, die wir in diesem Land haben. Mehr, aber auch nicht weniger, darf man von Ihnen nicht erwarten. Wir werden jedoch genau schauen, ob Sie das auch ohne Mogeln schaffen. Der Weg ist von uns beschritten worden, die klare Richtlinie ist vorgegeben worden.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na ja!)

Natürlich ist es so, fragen Sie die Kollegen der Union. – Jetzt muss dieser Weg weitergeführt werden. Wir werden uns anschauen, ob nach der Vergrößerung des Sozialbudgets und anderer grüner Lieblingsthemen dieser Weg weitergegangen wird. Die Verfassung wird von diesem Landtag beachtet werden müssen. Die Verfassungsänderung ist von den Bürgerinnen und Bürgern verlangt worden. Wir werden genau darauf achten, ob Sie auf die schönen Worte auch kluge Taten folgen lassen.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich gibt es neben der Finanzpolitik an vielen Stellen Wirtschaftsprobleme und Themen, die auch Lieblingsthemen der GRÜNEN waren. Ich bin sehr gespannt, wie sich das mit den Positionen der Union, die wir bisher kannten, verträgt.

Lieber Walter Arnold, neben der Tatsache, dass die Änderung des § 121 HGO für uns alle spannend werden wird, kann ich nur die Kritik des hessischen Handwerks an dieser Stelle unterstreichen: Mehr kommunale Betätigung führt sicherlich nicht zu besseren wirtschaftlichen Bedingungen. – Wir erleben als Kommunalpolitiker, wie viel Irrsinn passiert, wenn Kommunen sich wirtschaftlich betätigen. Das wird mit Sicherheit nicht besser werden, wenn wir die Grenze des § 121 HGO aufweichen.

(Beifall bei der FDP)