Protocol of the Session on July 16, 2014

Deshalb setzt das Landesprogramm WIR neue Akzente und nimmt damit eine Neubestimmung der hessischen Integrationspolitik vor. Mit dem Programm WIR gestalten wir eine aktive Integrationspartnerschaft zwischen dem Land Hessen und den Kommunen. Trotz des ambitionierten Konsolidierungskurses der Landesregierung realisieren wir ein Förderprogramm Integration mit mehr als 3 Millionen € für diesen Bereich.

Uns ist wichtig, dass Integration nicht nur als Projektarbeit verstanden wird, sondern sie zählt durch einen Prozess der kulturellen Öffnung zur kommunalen Regelaufgabe. Wir unterstützten diesen Prozess mit Personal, mit innovativen Projekten, die wir fördern, mit niedrigschwelliger Sprachförderung und der Qualifikation ehrenamtlicher Integrationslotsen. Diese ehrenamtlichen Integrationslotsen – heutiger Stand immerhin ca. 1.000 Frauen und Männer –,

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

überwiegend mit Migrationshintergrund, repräsentieren momentan 45 unterschiedliche Sprachen, nehmen Zugewanderte an die Hand und helfen und unterstützen. Ich möchte denen, aber auch insgesamt allen Bürgerinnen und Bürgern, die vor Ort eine hervorragende Integrationsarbeit mit realisieren, meinen allerherzlichsten Dank aussprechen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Meine Damen und Herren, mit WIR wollen wir landesweit eine kommunale Willkommens- und Anerkennungskultur etablieren, die sowohl eine Chance als auch eine große Herausforderung für die Zukunftsfähigkeit unseres Bundeslandes darstellt.

Vielfalt ist eine wichtige Voraussetzung für unseren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg. Unsere Gesellschaft profitiert von kultureller Vielfalt. Aus dieser Vielfalt entstehen immer wieder beachtenswerte innovative Ideen.

Vielfalt setzt sich aber auch Unterschieden und Konflikten aus. Diese gilt es offen zu benennen; denn erst die Auseinandersetzung mit diesen Widersprüchen und das kritische Reflektieren sind der Motor für gesellschaftliche Entwicklungen. Das ist mitunter sehr anstrengend, aber auch absolut notwendig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist wichtig, Integration nicht nur auf Menschen mit Migrationshintergrund zu beschränken. Das erfordert vielmehr von allen Bürgerinnen und Bürgern eine große Veränderungsbereitschaft. Dabei gilt es, Verunsicherungen nachzugehen und sie durch konstruktiven Dialog zu überwinden.

Der Name des Programms WIR verdeutlicht bereits eine Zielsetzung. Es gilt, in einem Prozess der gemeinsamen

Identitätsfindung auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in unserem Bundesland zu entwickeln.

Meine Damen und Herren, es ist sehr wichtig, uns eindeutig als Einwanderungsland zu definieren und auch so zu handeln.

So sehen auch die realen Zahlen aus. Deutschland schrumpft und altert in einem schnelleren Tempo, als das in anderen Industrieländern der Fall ist. Deutschland ist das zweitälteste Land der Welt. Dabei stehen wir erst am Anfang der Auswirkungen einer immer älter werdenden Gesellschaft. Wir haben die geringste Geburtenrate in Europa. Gleichzeitig fehlen dem hessischen Arbeitsmarkt in den nächsten 15 Jahren bis zu 600.000 Fachkräfte.

Wenn wir diesen demografischen Wandel bewältigen wollen und unseren wirtschaftlichen Erfolg und unsere Lebensqualität sichern wollen, sind wir auf Zuwanderung, auf Integration und auf gleichberechtigte Teilhabe aller angewiesen. Das heißt: Wir müssen ausgehen von den tatsächlichen besonderen Bedürfnissen Zugewanderter, aber auch von den Bedürfnissen der aufnehmenden Gesellschaft.

In vielen Gesprächen mit unseren Kommunen hat sich herausgestellt, dass das Programm WIR exakt den Bedarf vor Ort trifft.

Ein deutlicher Beweis dafür ist auch, dass 32 der insgesamt 33 kreisfreien Städte, Sonderstatusstädten und Landkreise zugesichert haben, dass sie in diesem und im nächsten Jahr WIR-Koordinatorinnen und -Koordinatoren mit unserer Unterstützung einstellen wollen. Schon in diesem Jahr nehmen 26 Städte und Landkreise dieses Angebot wahr. Wir subventionieren die Stellen mit bis zu 50.000 €.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine ganz wesentliche Unterstützung des geplanten Aufbaus einer Willkommens- und Anerkennungskultur in der Fläche. Wir werden dabei auf die konkreten Bedingungen vor Ort abstellen und sie mit berücksichtigen.

In einer aktiven Integrationspartnerschaft wird die Zusammenarbeit des Landes und der Kommunen ausgebaut. Wir beschränken uns nicht nur auf die Weitergabe von Fördermitteln, sondern werden im engen Schulterschluss mit den Kommunen in Beratung und fachlicher Begleitung gemeinsam eine zukunftsweisende Integrationsarbeit des Landes Hessen voranbringen.

Gerade Menschen, die in Deutschland zugewandert sind, benötigen eine Orientierungshilfe. Deshalb ist es lobenswert, wenn die Stadt Wiesbaden ein Informationsnetzwerk aufbaut, damit sich die Zugewanderten so schnell wie möglich in der neuen Heimat Wiesbaden zurechtfinden.

Die aktive Integrationspartnerschaft bezieht sich aber nicht nur auf das Verhältnis von Land und Kommune. Wir stehen auch in einem direkten Dialog mit Vereinen und Verbänden. So verfolgt z. B. der Landkreis Offenbach mit unserer Unterstützung das Ziel, die Feuerwehr und die Rettungsdienste interkulturell zu öffnen und damit den Zugewanderten auch ein Willkommensangebot zu erschließen.

Ich muss Sie an die Redezeit der Fraktionen erinnern, Herr Staatssekretär.

Ich bin gleich fertig. – Meine Damen und Herren, Integration geht uns alle an. Jede und jeder muss dabei ihren und seinen Beitrag leisten. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima der gegenseitigen Wertschätzung und des Respekts, um auch unseren Wirtschaftsstandort Hessen zukunftsfähig zu machen. Nur so bewahren wir den sozialen Frieden und tragen zur Verhinderung von Parallelgesellschaften bei. Daher unternehmen wir auch auf der Bundesebene alles, damit die Öffnung in Richtung Integrationskurse für Asylbewerber und Flüchtlinge erfolgt.

Meine Damen und Herren, abschließend stelle ich fest: Die Handwerkskammer Wiesbaden hat recht, wenn sie mit dem Slogan „Bei uns im Handwerk kommt es nicht darauf an, woher Du kommst, sondern wohin Du willst!“ wirbt. Die Integrationspolitik der Landesregierung mit ihren sehr ehrgeizigen Arbeitszielen ist dann erfolgreich, wenn immer mehr Bürgerinnen und Bürger davon überzeugt sind, dass nicht nur die Herkunft zählt, sondern vor allem eine gemeinsame Zukunft aller Menschen in Hessen. Lassen Sie uns bitte fraktionsübergreifend an diesem Ziel gemeinsam arbeiten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Dreiseitel. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Ich gehe davon aus, dass wir beide Anträge, sowohl den Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/638, als auch den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucks. 19/690, an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss überweisen werden. – Gut.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 9 auf:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Zehntes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) – Drucks. 19/585 zu Drucks. 19/477 zu Drucks. 19/394 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Berichterstatterin ist Frau Abg. Faeser. Ich bitte Sie um Berichterstattung.

Gerne, Frau Präsidentin. – Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimme der Fraktion DIE LINKE, den Gesetzentwurf in dritter Lesung abzulehnen.

Vielen Dank. – Ich rufe Herrn Schaus von der Fraktion DIE LINKE auf. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bereits in zwei Lesungen hier inhaltlich über den Gesetzentwurf gesprochen. DIE LINKE hat diese dritte Lesung zu unserem Gesetzentwurf aus einem einfachen Grund beantragt. Wir wollen nämlich deutlich machen, dass wir genau heute die Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten im Einsatz endlich beschließen könnten: so, wie es sinnvoll wäre; so, wie es in den meisten anderen zivilisierten Ländern ganz normal ist

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sind wir nicht zivilisiert?)

in den anderen zivilisierten Ländern, habe ich gesagt, Herr Irmer; Sie müssen zuhören –; so, wie es Amnesty International seit Jahren fordert und in immer mehr Bundesländern eingeführt wird; und ganz einfach so, wie es Schwarz-Grün eigentlich auch im Koalitionsvertrag stehen hat.

Nach jahrelangen Debatten, und nachdem das nun angeblich auch bei Schwarz-Grün in Hessen Konsens ist, hat DIE LINKE dazu bereits im Mai dieses Jahres einen Entwurf eingebracht. Er kommt, wie Sie wissen, aus der Brandenburger Praxis und sollte eigentlich zwischen allen Parteien Konsens sein. Das Parlament hätte das bereits im Juni mit den Betroffenen und Sachverständigen beraten und dann auch heute verabschieden können.

Wir haben nach der zweiten Lesung erneut den Versuch gestartet, wenigstens zu einer mündlichen Anhörung im Innenausschuss zu kommen. Dies wurde erneut von der Mehrheit abgelehnt – plump und pauschal, wie ich meine. Das ist eben die Arroganz der Macht. Es gibt also keinen neuen Stil – aber dieses Thema hatten wir im Hessischen Landtag gestern schon, meine Damen und Herren –, zumindest keinen besseren Stil. Wieder wurde Fundamentalverweigerung betrieben – und damit das genaue Gegenteil von dem, was Sie bei Regierungsantritt angekündigt hatten.

Die Koalition hat also zum zweiten Mal öffentliche Gespräche mit den Betroffenen und Sachverständigen abgelehnt. Stattdessen beschränkt die Landesregierung ihre Beteiligung an einer Verordnung auf den Hauptpersonalrat der Polizei. Dies mag nach den Bestimmungen des Hessischen Personalvertretungsgesetzes korrekt sein. Bei einer solch einschneidenden und für die Polizistinnen und Polizisten wichtigen Angelegenheit ist uns dies aber zu wenig. Es ist sozusagen der Versuch, eine stille, eher defensive Einführung einer Kennzeichnungspflicht bei hessischen Polizeibeamtinnen und -beamten vorzunehmen, und das finden wir falsch. Eine offensive Strategie, eine offensive Bekennung zu dieser Position, auch nach außen, und eine öffentliche Diskussion hätten wir sehr begrüßt, auch aufgrund einer gesellschaftlichen Debatte.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend sagen: In den meisten zivilisierten Staaten der Welt, Herr Irmer, gibt es eine Kennzeichnung der Polizei im Einsatz. Es ist deshalb eine zentrale Forderung von Bürgerrechtlern. Mehr und mehr setzt sich das in den Bundesländern durch. Nach Brandenburg und Berlin ist nun auch Rheinland-Pfalz gefolgt. Das ist ein guter Weg. Das erhöht die Transparenz der Polizeiarbeit und ermöglicht die Auf

klärung von Vorwürfen, wie sie auch in Hessen immer wieder geäußert wurden.

Befürchtungen aufseiten der Polizei, wonach eine Kennzeichnung die Identifikation als Privatperson und damit das Nachstellen durch Straftäter ermöglicht, sind nachweislich in den anderen Bundesländern nicht eingetreten. Im Gegenteil, die Kennzeichnung wird dort sehr positiv aufgenommen, und das hätten wir auch gerne mit den Vertreterinnen und Vertretern der Polizei, ihren Gewerkschaften und den Organisationen hier im Hessischen Landtag diskutiert.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Unser Gesetzentwurf war pragmatisch, er hätte nach einem breiten Dialog heute beschlossen werden können. Aber die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen wollten diesen Dialog mit Betroffenen und Sachverständigen nicht. Das ist in der Form unangemessen und in der Sache nach wie vor daneben.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Faeser von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, in der dritten Debatte können wir es relativ kurz machen. Ich will hier noch einmal kurz erläutern, warum die SPD der Auffassung ist, dass kein Bedarf für eine isolierte hessische Lösung bei der Kennzeichnungspflicht der Polizei besteht, sondern eine bundeseinheitliche Regelung angezeigt wäre – zuvörderst aus dem Grunde, dass hessische Polizeibeamte bereits eine taktische Kennzeichnung haben.

(Beifall bei der SPD)

Man kann bereits jetzt bis auf die Einheit herunter identifizieren, welche hessischen Beamten gemeint sind. Deswegen gibt es an dieser Stelle kein isoliertes Problem in Hessen. Wenn man aufgrund von Bürgerfreundlichkeit und Transparenz insgesamt bei geschlossenen Einsätzen von Kennzeichnungspflicht reden möchte, dann müsste man eine bundeseinheitliche Regelung nehmen. Denn meistens sind bei Großeinsätzen viele Polizisten aus unterschiedlichen Bundesländern dabei.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch drei Sätze zu dem sagen, was mich inzwischen wirklich berührt, nachdem wir die Debatte so geführt haben. Sie haben sich hier leider – das muss ich in Richtung CDU und GRÜNE sagen – von einem parlamentarischen Verfahren verabschiedet, wie es üblich ist. Es gab eine Fraktion, DIE LINKE, die einen Gesetzentwurf eingebracht hat und eine Anhörung dazu haben wollte, und zwar nur eine mündliche, weil es bereits schriftliche Stellungnahmen gab. Das haben Sie leider verweigert. Ich finde diesen Stil unterirdisch und eine Missachtung der parlamentarischen Gepflogenheiten.