Protocol of the Session on July 16, 2014

Aus der Praxis heraus haben wir auch den Zeitpunkt für die Verwendung der Mittel ausgeweitet; denn teilweise war es nicht möglich, diese Gelder innerhalb von zwei Jahren zweckgebunden zu verwenden. Darüber hinaus haben wir einen neuen § 14 zur Regelung von Ordnungswidrigkeiten bei der Abgabe falscher Auskünfte in betrügerischer Absicht eingeführt.

Meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf zielt nicht darauf ab, langjährige Mieterinnen und Mieter aus ihren

Sozialwohnungen zu vertreiben. Es geht aber darum, eine Gerechtigkeitslücke zu schließen, damit für diejenigen, die trotz Anspruchs auf eine Sozialwohnung auf langen Wartelisten stehen, nun endlich etwas getan wird.

Im Grundsatz streben dies nun auch vier von fünf Fraktionen an. Den Dringlichen Entschließungsantrag, der soeben eingebracht wurde, nehme ich mit Freude zur Kenntnis. In der Tat sind alle dort benannten Grundsätze in unserem Gesetzentwurf enthalten. Wir können also sofort loslegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit unserem Gesetzentwurf liegt Ihnen ein gangbarer Weg für mehr Mietgerechtigkeit vor. Damit haben wir den Koalitionsfraktionen die mühsame Formulierungsarbeit abgenommen.

Lassen Sie uns also gemeinsam die Anhörung und die weiteren Beratungen im Ausschuss vornehmen, damit wir die Fehlbelegungsabgabe schon zum Jahreswechsel in Hessen wieder einführen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schaus. – Das Wort hat der Abg. Caspar, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schaus, ich finde es beachtlich, dass Sie den Koalitionsvertrag gelesen haben. Das ist nicht nur beachtlich, sondern auch gut. Der Koalitionsvertrag sagt aber nicht mehr aus als das, was Sie zitiert haben. Insoweit ist es richtig, dass man sich mit dem Thema beschäftigen muss.

So, wie wir es im Koalitionsvertrag stehen haben, werden wir einen Gesetzentwurf einbringen, der sich mit der Frage der Fehlsubventionierung im Wohnungsbau beschäftigt. Wenn wir als Koalition das im Koalitionsvertrag ankündigen, können Sie davon ausgehen, dass wir das auch machen und es insoweit nicht notwendig ist, dass Sie einen Gesetzentwurf einbringen. Sie können das gleichwohl tun. Es freut uns natürlich, wenn Sie die Dinge umsetzen wollen, die in unserem Koalitionsvertrag stehen. Ich hoffe, Sie tun das auch an anderen Stellen. Sie haben noch viel zu tun, wenn Sie uns helfen wollen, unseren Koalitionsvertrag umzusetzen.

Die Art und Weise, wie Sie das in diesem Gesetzentwurf umzusetzen versucht haben, ist aber für die Praxis nicht tauglich. Es geht damit los, dass das, was Sie mit diesem Gesetzentwurf vorgelegt haben, viel zu bürokratisch ist und für die Kommunen eine unglaubliche Belastung wäre. Ich finde es unmöglich, dass nach Ihren Vorstellungen die Fehlbelegungsabgabe bis zu 6,50 € pro Quadratmeter betragen darf, wie es in § 3 des Gesetzentwurfs steht. Das würde z. B. bedeuten: Wenn jemand eine Sozialwohnung hat und für diese eine Miete von 5,50 € pro Quadratmeter zahlt, dann hätte er insgesamt 12 € pro Quadratmeter zu bezahlen, wenn eine Abgabe in Höhe von 6,50 € pro Quadratmeter dazukommt. Das ist eine Politik, die die Mieter aus den Wohnungen hinausdrängt. Was soll es anderes sein? Wir finden, dass ein solcher Umgang mit den Mieterinnen und Mietern unerträglich und unanständig wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Marjana Schott (DIE LINKE): Gründliches Lesen wäre hilfreich!)

Schauen Sie doch in § 3 Ihres Gesetzentwurfs. Da wird darauf hingewiesen, dass eine Ausgleichsabgabe von bis zu 6,50 € pro Quadratmeter erhoben werden soll.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Sie müssen auch die anderen Paragrafen lesen! Sie sollten nicht selektiv wahrnehmen!)

Das ist meiner Ansicht nach eine zusätzliche Abgabe in einer Höhe, die zu einem Umgang mit den Mietern führt, den wir nicht tolerieren würden und auch nicht für richtig halten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Solange wir das Prinzip der Objektförderung haben, d. h. nicht der Bedürftige, sprich: der Mieter, dessen Einkommen unter einer gewissen Grenze liegt, eine Unterstützung bekommt, sondern z. B. eine Wohnungsgesellschaft eine entsprechende Förderung erhält, um erstens Wohnungen zu erstellen und zweitens diese für Menschen vorzuhalten, deren Einkommen unter einer gewissen Grenze liegt, werden wir immer auch potenziell fehlbelegte Wohnungen haben. Das ist auch nachvollziehbar, denn es kann vorkommen, dass ein Mieter zu einem Zeitpunkt einzieht, zu dem sein Einkommen unter einer gewissen Grenze liegt, dass er dann aber aus dieser Einkommenssituation herauswächst. Denken Sie z. B. an eine Haushaltsgemeinschaft, die aus Studierenden besteht, die nach dem Studium ihrem akademischen Beruf nachgehen und dann natürlich sehr schnell die Einkommensgrenze überschreiten. Dann ist es natürlich sinnvoll, dass diese Gruppe eine entsprechende Abgabe leistet. Deswegen steht das auch in unserem Koalitionsvertrag.

Wir wollen aber nicht, dass die Abgabe so hoch ist, dass die Menschen aus den Wohnungen vertrieben werden. Die Menschen sollen selbst entscheiden, ob sie bereit sind, eine solche Abgabe zu zahlen, oder ob sie aus diesem Grund oder aus anderen Gründen umziehen wollen, eine solche Wohnung wieder freimachen wollen. Wir wollen das aber nicht in der Form machen, dass die Abgaben so hoch sind, dass da de facto ein Zwang ausgeübt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, insoweit können Sie davon ausgehen, dass wir das, was wir angekündigt haben, auch umsetzen werden. Natürlich bedarf es hier genauer Analysen, in welchen Kommunen diese Fehlbelegungsabgabe überhaupt einen Sinn macht, und deswegen sind Schnellschüsse die völlig falsche Politik. Sie von den LINKEN haben zwar einen Gesetzentwurf vorgelegt, schreiben aber selbst, dass die Erhebungsgemeinden durch eine Rechtsordnung festgelegt werden sollen. Insoweit wissen Sie selbst: Auch wenn wir Ihren Gesetzentwurf heute und hier verabschieden würden, würde es überhaupt nicht zur Einführung einer Fehlbelegungsabgabe kommen, weil, wie Sie selbst schreiben, erst eine Verordnung zu erstellen ist, die genau das machen müsste, was wir für notwendig halten, nämlich zunächst einmal zu ermitteln, in welchen Kommunen das überhaupt sinnvoll ist und in welchem Umfang sowie in welcher Höhe eine solche Abgabe sinnvoll ist.

Wir sind der Meinung, man sollte sich zuerst mit den Dingen beschäftigen; dann kann man gegebenenfalls einen Gesetzentwurfs einbringen, statt einen Schnellschuss zu machen. Sie haben gesagt: Wir haben euren Koalitionsvertrag gelesen, jetzt schreiben wir einmal einen Gesetzentwurf, wohl wissend, dass das, was wir eingebracht haben, überhaupt nicht tauglich und überhaupt nicht anwendbar ist. – Warten Sie auf unseren Gesetzentwurf. Der wird die Dinge sinnvoll, richtig und im Interesse der Betroffenen regeln. Deswegen können wir dem, was Sie als Schnellschuss vorgelegt haben und was im Einzelfall dazu führen würde, dass Mieter aus ihren Wohnungen geworfen werden, selbstverständlich nicht zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Caspar. – Nun eine Kurzintervention des Kollegen Hermann Schaus.

Herr Kollege Caspar, ich weiß nicht, wie oft Sie das Wort Schnellschuss verwendet haben, wahrscheinlich zehnmal, gefühlt etwa hundertmal. Ich will Sie davon in Kenntnis setzen, dass das mitnichten ein Schnellschuss ist. Wir arbeiten seit einem Jahr an diesem Gesetzentwurf. Wir haben ihn auf Praxistauglichkeit erprobt. Insofern ist er nicht im stillen Kämmerlein entstanden, sondern das Resultat einer Entwicklung. Egal, wie es ausgeht: Ich werde mir zumindest zur zweiten Lesung Ihres Gesetzentwurfs die Mühe machen, einen Vergleich zwischen unserem und Ihrem Entwurf vorzunehmen.

Weil Sie leider nur selektiv gelesen haben und ausschließlich die Ausgleichszahlungen bei einer Überschreitung der Einkommensgrenze um 200 % angesprochen und von „Mietervertreibung“ gesprochen haben, will ich Ihnen Folgendes noch einmal deutlich machen. Nehmen wir als Beispiel eine junge Familie mit zwei Kindern. Für eine solche Familie liegt die Einkommensgrenze im sozialen Wohnungsbau im Moment bei 42.760 € brutto im Jahr. Eine Fehlbelegungsabgabe würde bei einer Überschreitung um mindestens 50 % fällig werden, also bei 64.110 € pro Jahr. Eine Abgabe in Höhe von 6,50 € pro Quadratmeter würde erst bei einem Jahresfamilieneinkommen von 128.200 € greifen. Ich glaube nicht, dass jemand mit einem solchen Einkommen in einer Sozialbauwohnung lebt, aber wir können gerne über diese Bestimmung reden. Erst bei einem solchen Jahreseinkommen würde die von Ihnen zitierte Abgabe in der Höhe greifen.

Ich will Sie auch darüber in Kenntnis setzen, dass ich gesagt habe – das ist auch in § 9 des Gesetzentwurfs eindeutig geregelt –, dass bei der Ermittlung der Höchstbeträge immer die ortsübliche Vergleichsmiete herangezogen wird. Das sieht unser Gesetzentwurf so vor.

Werfen Sie keine Nebelkerzen, sondern lesen Sie den Gesetzentwurf von vorne bis hinten, nicht selektiv. Wir erfüllen alle Kriterien – –

Kollege Schaus, das Kriterium der Redezeit müssen auch Sie erfüllen.

Einen letzten Satz, Herr Präsident. – Wir erfüllen mit unserem Gesetzentwurf alle Kriterien, die Sie in Ihrem Entschließungsantrag fordern. Wir stimmen diesem Antrag mit großer Freude zu. Das ist linke Professionalität.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Kollege Caspar, bitte.

Herr Kollege Schaus, Sie haben darauf hingewiesen, ich ging davon aus, dass dieser Gesetzentwurf ein Schnellschuss ist. Selbstverständlich, bei der Qualität des Gesetzentwurfs kann man nur davon ausgehen, dass er ein Schnellschuss ist.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie dafür ein Jahr gebraucht haben – wie Sie jetzt sagen –, zeigt das, wie Sie arbeiten. – So viel zu dem Thema Schnellschuss.

(Holger Bellino (CDU): Das ist noch wohlwollend interpretiert!)

Ein anderer Punkt ist, Sie haben eben gesagt, das, was in § 3 Ihres Gesetzentwurfs steht, nämlich eine Fehlbelegungsabgabe in Höhe von 6,50 € pro Quadratmeter, würde nur für die Einkommensgrenzen der Leute gelten, die gar nicht in Sozialwohnungen seien. Wenn das so ist, zeigt es doch, wie unsinnig Ihr Gesetzentwurf ist; denn das soll genau diejenigen erfassen, die in den Wohnungen leben und deren Einkommen über den Grenzen liegen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Haben Sie den Gesetzentwurf wirklich gelesen? Das kann nicht sein! Ich kann es nicht glauben!)

Ich habe ihn gelesen, und ich habe Ihnen eben auch zugehört. Wenn Sie nicht dazwischenrufen würden, könnten Sie vielleicht auch zuhören.

Wenn Sie selbst hier sagen, diese Einkommensgrenzen werde es gar nicht geben, muss ich fragen: Wenn es die gar nicht gibt, warum gibt es dann aus Ihrer Sicht einen Regelungsbedarf im Gesetz? Warum schreiben Sie das in den Gesetzentwurf? Auch das zeigt, wie unsinnig es ist, was Sie diesem Parlament vorlegen. Deswegen meine ich, Sie haben mit Ihrer Kurzintervention gezeigt, wie Sie arbeiten, und Sie haben die Qualität des Gesetzentwurfs hier noch einmal allen klargemacht. Das ist ein Grund mehr, warum wir ihn ablehnen werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Ein neues „Wir“!)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Siebel, SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ein kleines bisschen verwundert über die Diskussion bis zum jetzigen Zeitpunkt; denn wenn ich es richtig überblicke, sind vier von fünf Fraktionen dieses Landtags dafür, die Fehlbelegungsabgabe wieder einzuführen. Das, was die Kollegen bisher vorgeführt haben, ist eine ziemlich typische Oppositions-Regierungs-Rhetorik, mit der Sie nicht in die Tiefe des Gesetzentwurfs gedrungen sind, sondern Sie haben irgendetwas gesucht, in dem man herumstochern und das man noch einmal kritisieren kann.

Nach Auffassung der SPD-Fraktion gehen der vorgelegte Gesetzentwurf und im Übrigen auch der Antrag meiner Fraktion, der mit diesem Tagesordnungspunkt beraten wird, in die richtige Richtung. Aber es fehlt – das ist, bitte schön, noch nicht gesagt worden – ein Gesamtkonzept. Das ist nicht so sehr der Fraktion DIE LINKE vorzuwerfen, sondern eher der Landesregierung. Wir diskutieren momentan über einen wichtigen, aber relativ kleinen Teil. Die Frage ist jedoch: Wo ist das Gesamtkonzept der Landesregierung?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass wir eine neue Landesregierung haben. Deswegen sage ich noch einmal zwei Sätze zur Geschichte der Fehlbelegungsabgabe. Wir hatten eine Fehlbelegungsabgabe in Hessen. Die Landesregierung hatte angekündigt, sie abzuschaffen. Dann hat der damalige Minister Posch gesagt – die Älteren unter uns erinnern sich noch an ihn –: Nein, wir belassen es bei der Fehlbelegungsabgabe. – Ein neuer Minister hat sie dann abgeschafft, übrigens zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Kommunen überhaupt nicht mehr darauf einstellen konnten. Da herrschte ein ziemliches Tohuwabohu. Es ist richtig, wenn dieses Tohuwabohu jetzt beendet wird, und ich finde, dass der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ein gutes Mittel dafür ist.

Ich bin erst einmal froh, dass wir uns im Wesentlichen darüber einig sind, dass die Fehlbelegungsabgabe ein probates Mittel ist, um Kommunen die Möglichkeit zu geben, zweckgebundene Einnahmen zum Bau von Sozialwohnungen zu generieren. Genau dort setzt eine Kritik an dem Gesetzentwurf der LINKEN an. Demnach soll es nämlich – zumindest so, wie ich den Gesetzentwurf gelesen habe – eine gewisse Zwangsbeglückung der Kommunen zur Einführung der Fehlabgabe geben.

Auch unklar ist eine Formulierung in dem Antrag der Koalitionsfraktionen. Unter Punkt 2.d heißt es dort:

Die Kommunen sollen bei der Erstellung der neuen gesetzlichen Regelungen über die Fehlsubventionierungsabgabe eng eingebunden werden.

Für die Sozialdemokratie steht fest: Ja, wir brauchen die Fehlbelegungsabgabe; aber die Kommunen müssen das Recht haben, sich des Mittels der Fehlbelegungsabgabe zu bedienen oder sich seiner eben nicht zu bedienen.

(Beifall bei der SPD)