Protocol of the Session on July 16, 2014

Das stammt aus der Rede unserer Bundeskanzlerin zur Eröffnung der Veranstaltung „Europe 14/14 – History Campus Berlin“ am 7. Mai dieses Jahres.

Ende letzten und auch noch Anfang dieses Jahres konnte man Stimmen vernehmen, die lauteten: Der Erste Weltkrieg ist lange her, das interessiert heute niemanden. – Die Realität ist, Gott sei Dank, eine andere. Viele Ausstellungen, Veranstaltungen und Lesungen für alle Altersgruppen, speziell aber auch für Schulklassen, beleben in Hessen die Kultur des Gedenkens. Die Buchhandlungen sind seit Monaten voll mit Literatur zum Ersten Weltkrieg. Wichtige Neuerscheinungen und Bestseller sind auf dem Markt.

Fernsehdokumentationen und Dokumentarfilme sind dankenswerterweise in vielen Sendern präsent. Städtische Museen, Heimatvereine und Geschichtsinteressierte vor Ort haben die Archive gewälzt und die Vergangenheit in unsere Gegenwart geholt. Ich nenne nur die soziale und wirtschaftsgeschichtliche Dimension des Krieges, die beispielsweise unsere Landeshauptstadt als Weltkurstadt nach 1914 vor größte Herausforderungen gestellt hat.

Es werden Ausstellungen von Künstlern der Moderne organisiert – das wurde angesprochen –, die ihre persönlichen Kriegserfahrungen mit Stilbrüchen verarbeitet haben. In unserem Hessischen Hauptstaatsarchiv sind übrigens zurzeit mehr als 200 zeitgenössische Druckgrafiken aus der Zeit ab 1914 zu sehen.

Das alles zeigt: Das Thema ist auf vielfältige Art und Weise präsent. Die Zahl der Menschen, die sich hier verantwortungsvoll engagieren, ist nicht erfasst. Das ist ein Engagement, das übrigens von vielen Menschen seit vielen Jahren ganz selbstverständlich ausgeübt wird. Ich denke dabei auch an die Kriegsgräberpflege, die Städtepartnerschaften oder die Gedenkstättenpflege. Für die Landesregierung – ich hoffe, auch für Sie – möchte ich den dort Engagierten meinen herzlichen Dank aussprechen.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für die Hessische Landesregierung ist das Gedenken an diese Ereignisse aber auch Anlass für eine Vielzahl eigener Bemühungen mit dem Ziel, für mehr Geschichtsverständnis und Interesse an den historischen Zusammenhängen gerade auch bei jungen Menschen zu werben. Wir sehen das im Kontext mit anderen Gedenkveranstaltungen, die letztlich den gesamten Zeitraum der europäischen Geschichte von 1914 bis heute ausmachen. Es geht dabei also auch um

den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren und den Mauerfall vor 25 Jahren. Das reicht bis hin zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit im kommenden Jahr, den wir bei uns in Hessen für die gesamte Bundesrepublik ausrichten dürfen.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich Folgendes hinzufügen: Wir dürfen nicht vergessen, dass vor 65 Jahren unser Grundgesetz in Kraft trat und sich Bundestag und Bundesrat konstituiert haben. Erst damit sind die Lehren aus den Brüchen der deutschen und der europäischen Geschichte gezogen worden. Das war die Konstituierung einer stabilen, demokratischen, parlamentarischen, sozialen und rechtsstaatlichen Ordnung, die sich mit der europäischen Einigung und der sozialen Marktwirtschaft zum Erfolgsmodell entwickelt hat.

Ich will darauf hinweisen, dass speziell hinsichtlich des Ersten Weltkriegs etliche Veranstaltungen durch uns und durch die Hessische Landeszentrale für politische Bildung bereits durchgeführt wurden oder geplant sind. Unsere Landeszentrale für politische Bildung wartet mit einem breit gefächerten Literatur- und Publikationsangebot für verschiedene Zielgruppen auf. Prominente Wissenschaftler und Autoren waren zu Gast oder werden noch zu hochrangigen Lesungen erwartet.

Die Landeszentrale hat bereits im Februar 2014 mit dem Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt ein großes und viel beachtetes Symposium zum Zeitalter der Weltkriege durchgeführt. Wir haben insbesondere mit anderen Ländern die Aktivitäten der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zum Europäischen Jahr der Zeitgeschichte unterstützt und dafür insbesondere hessische Schulen sensibilisieren können.

Mit anderen Worten: Unser ohnehin breites Angebot der Bildungsarbeit ist naturgemäß in diesem wichtigen Gedenkjahr besonders groß. Besonders wichtig ist uns dabei: Es muss anschaulich sein, um dadurch das Interesse der jungen Generation zu wecken.

Der Erste Weltkrieg wird bei uns in Deutschland häufig als Vorvergangenheit angesehen. Es gibt leider auch eine weitere Realität: Das ist das pure Desinteresse. – Ich kann nicht umhinkommen, diese kritische Bemerkung zu machen.

Ich will das nicht unbedingt am Alter festmachen. Wir beobachten zunehmend eine Mentalität, die vieles, was unsere Gesellschaft an Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Wohlstand und Frieden zu bieten hat, einfach nur als Selbstverständlichkeit hinnimmt. Das ist sozusagen ein geschichtliches Vegetieren in der Gegenwart ohne Bezug zu der Vergangenheit und ohne gesellschaftspolitische Perspektive.

Die Befassung mit der Geschichte soll und darf kein Selbstzweck sein. Frau Feldmayer hat schon darauf hingewiesen: Wenn man nicht weiß, wo man herkommt, weiß man auch nicht, wo man hin will. Wenn ich nicht weiß, dass Frieden und Freiheit bedroht sein können, dann entwickle ich auch kein eigenes Engagement, mich für diese wichtigen Werte einzusetzen.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nichts ist schlimmer als eine Erlahmung, ja, ich sage, eine Ermattung unserer Demokratie. Vor 100 Jahre sind Millio

nen junge Menschen anfangs mit großer Begeisterung in diesen Ersten Weltkrieg geschickt worden. 10 Millionen Soldaten starben, ebenfalls starben fast 7 Millionen Zivilisten.

100 Jahre später, im Mai dieses Jahres, durften Millionen junge Menschen in einem freien und geeinten Europa gemeinsam ein Parlament wählen. Das ist die Dimension, um die es geht. Das sollten wir angesichts des Sterbens in den Weltkriegen des letzten Jahrhunderts in der politischen Debatte wieder stärker deutlich machen.

Wahr ist aber auch Folgendes: Zu Beginn des Jahres 2014 haben wir uns auf ein rein intensives Gedenkjahr vorbereitet. Niemand von uns hat sich darauf eingestellt, dass uns im Frühjahr 2014 die Annektierung der Krim oder die Verschärfung des Nahostkonfliktes beschäftigen würde. Es zeigt sich: Der Frieden ist immer, überall und jederzeit Bedrohungen ausgesetzt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede möchte ich noch zwei kurze Bemerkungen machen. Diese Wendung der internationalen Politik im Jahr 2014, bei der teilweise nationalstaatliche Mechanismen und Instrumente, die schon lange als vergessen galten, uns wieder vor Augen geführt wurden – ich denke da an die Ukraine –, zeigt uns: Wir brauchen den Dialog. Wir brauchen eine auf Diplomatie und Erhaltung des Friedens ausgerichtete Gemeinschaft. Herr van Ooyen, wir brauchen aber auch die Fähigkeit, uns angemessen zu verteidigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Gegen wen denn?)

Freiheit, Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nicht selbstverständlich, sondern müssen immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden, notfalls im wahrsten Sinne des Wortes. Wir sollten die zahlreichen historischen Gedenktage, auch zum Mauerfall und zur Deutschen Einheit, immer wieder zum Anlass nehmen, uns dessen bewusst zu sein. Dazu ist es nötig, dass wir anschaulich, aber auch emotional die junge Generation mit unserer jüngeren deutschen Geschichte des gesamten 20. Jahrhunderts konfrontieren

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das machen wir!)

und eine aktive Auseinandersetzung um die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft führen. Wir müssen das unmissverständlich einfordern. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Staatsminister Wintermeyer, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Es ist vorgeschlagen, die beiden Anträge Drucks. 19/636 und Drucks. 19/677 dem Hauptausschuss zu überweisen. – Das ist so. Dann wird es auch so gemacht.

Dann haben Sie auf Ihren Plätzen noch den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Fehlsubventionierungsabgabe in Hessen, Drucks. 19/688. Die Dringlichkeit wird bejaht? – Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 80 und kann, wenn keiner wider

spricht, gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 35 zum selben Thema aufgerufen werden. – Okay, das machen wir so.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen – Drucks. 19/629 –

Das Gesetz wird vom Kollegen Hermann Schaus, DIE LINKE, eingebracht.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mit der Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe eröffnen wir den Kommunen die Möglichkeit, ihre zweckgebundenen finanziellen Handlungsspielräume für den Bau und Erhalt von preisgünstigem Wohnraum zu stärken.

So steht es klar und wörtlich im Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN in den Zeilen 3928 bis 3930. Obwohl die Koalition bereits seit sechs Monaten im Amt ist und es eigentlich ein Leichtes wäre, auf der Grundlage des Mitte 2011 ausgelaufenen Gesetzes einen neuen Gesetzentwurf einzubringen, ist bisher nichts passiert. Deshalb machen wir der Koalition jetzt „Beine“ und bringen heute unseren Gesetzentwurf zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen in den Landtag ein.

Mit unserem Gesetzentwurf ist es möglich, den Kommunen ein wichtiges Instrument zum Bau zusätzlicher Sozialwohnungen zurückzugeben und zudem endlich wieder eine Gerechtigkeitslücke zwischen den vielen unversorgten Anspruchsberechtigten und denjenigen zu schließen, die erheblich über der Einkommensgrenze liegen, aber weiterhin in ihrer Sozialwohnung verbleiben wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach Angaben der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage aus dem Jahr 2012 waren hessenweit mehr als 40.000 Familien als Anspruchsberechtigte für eine Sozialwohnung registriert. Studien des Pestel Instituts, Hannover, aus dem Jahr 2011 kommen sogar zu dem Ergebnis, dass in Hessen bis zu 280.000 Haushalte grundsätzlich Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Bei diesen Zahlen konnten die gestiegenen Einkommensgrenzen nach dem Hessischen Wohnraumfördergesetz noch gar nicht berücksichtigt werden. Auch der Wohnungsbedarf von 227.000 in Hessen Studierenden ist dabei nicht berücksichtigt.

Viele Sozialwohnungsberechtigte haben schon vor dem Gang zum Wohnungsamt aufgegeben. Sie lassen sich erst gar nicht registrieren, sondern versuchen es gleich auf dem privaten Wohnungsmarkt mit erheblich teureren Mietpreisen. Nicht selten kommt es vor, dass Familien mehr als 50 % ihres monatlichen Einkommens alleine für ihre Miete aufbringen müssen.

Zudem verschärft sich die Situation weiter, denn hessenweit fallen jährlich rund 3.200 Sozialwohnungen aus der Sozialbindung, ohne dass ausreichend neue Sozialwohnungen gebaut werden. So ist es zu erklären, dass sich der Sozialwohnungsbestand in Hessen seit 1991 von über 200.000 auf rund 110.000 Wohneinheiten nahezu halbiert

hat. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen, wenn hier nicht endlich massiv gegengesteuert wird.

Deshalb fordern wir schon seit Jahren, ein hessisches Sonderprogramm von jährlich 12 Millionen € zum Bau von 4.000 Sozialwohnungen aufzulegen, damit wenigstens der jährliche Verlust an Sozialwohnungen aufgehalten werden kann. Von einem Zuwachs ist da noch gar nicht die Rede.

Meine Damen und Herren, auch deshalb legen wir Ihnen heute mit unserem Gesetzentwurf einen weiteren Baustein für eine nachhaltig finanziert und gerechte Wohnungspolitik vor. Mit dem ersatzlosen Auslaufen des alten Gesetzes zum 30.06.2011 gingen den hessischen Kommunen jährliche Einnahmen von 18 Millionen € verloren. Auch wenn das Land die politische Verantwortung für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum innehat, sind es doch vorwiegend die Kommunen, die über ihre Wohnungsbaugesellschaften für eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt sorgen können.

Meine Damen und Herren, in Hessen haben wir unterschiedliche Mietpreisentwicklungen. Während in den ländlichen Regionen, insbesondere in Nord- und Mittelhessen, die Nachfrage nach preisgünstigen Wohnungen oft befriedigt werden kann, ist dies im Rhein-Main-Ballungsraum sowie in allen Groß- und Universitätsstädten ganz anders. Gerade hier soll mittels einer Fehlbelegungsabgabe ein stärkerer Neubau von Sozialwohnungen unterstützt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach unseren Berechnungen stünden dadurch den Kommunen jährlich rund 20 Millionen € zweckgebundener Mittel zur Verfügung.

Unser vorgelegter Gesetzentwurf orientiert sich sowohl am ausgelaufenen Gesetz als auch am Wohnraumfördergesetz. Er wurde gemeinsam mit Praktikern aus den Kommunen an die veränderte Rahmengesetzgebung angepasst und an einigen Stellen verbessert.

So haben wir die Einkommensgrenzen und auch die Ausgleichsbeträge angepasst. Statt wie bis 2011 bei 40 % müssen die Einkommen neu um mindestens 50 % über der Grenze liegen, bevor eine Abgabe von 1 € pro Quadratmeter Wohnfläche zu entrichten ist. Darüber hinaus haben wir die sozialen Staffeln von 20 % auf 25 % erhöht und gleichzeitig die Tabelle bis auf 200 % erweitert. Dennoch wollen wir an einer Begrenzung der Abgabe, die maximal die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigen darf, festhalten.

Die Frist zur Überprüfung der Einkommensgrenzen soll weiter bei drei Jahren liegen. Allerdings haben wir zum Zweck einer laufenden Bearbeitung einen schrittweisen Start der Überprüfungen, nach dem Baujahr der Sozialwohnungen, vorgesehen. In der Praxis führt dies zu festen Stellen in den Wohnungsämtern und ersetzt so eine alle drei Jahre wiederkehrende Saisonarbeit.

Aus der Praxis heraus haben wir auch den Zeitpunkt für die Verwendung der Mittel ausgeweitet; denn teilweise war es nicht möglich, diese Gelder innerhalb von zwei Jahren zweckgebunden zu verwenden. Darüber hinaus haben wir einen neuen § 14 zur Regelung von Ordnungswidrigkeiten bei der Abgabe falscher Auskünfte in betrügerischer Absicht eingeführt.