Herr Merz und liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie nehmen sich nicht mehr ernst, wenn Ihre Meinung schon vor dem Gipfel feststeht, auf dem wir eine Zwischenbilanz zu diesem Thema ziehen.
Wer einen Dialog will, der muss auch zuhören. Zuerst steht das Zuhören, und dann kommt die eigene Meinung, Herr Kollege Merz.
Von den 110 Landtagsabgeordneten waren nicht alle anwesend. Wer sich diese sechs Stunden angehört hat, der kommt nicht zu dem Urteil, dass in Hessen ein einziger Kindergarten geschlossen oder eine Öffnungszeit nach unten geschraubt worden ist. Sicher ist: Bisher sind erst 15 bis 20 % der Einrichtungen umgestiegen. Deswegen frage ich mich, wie fatalistisch man heute schon sein kann, wenn man weiß, man evaluiert ernsthaft.
Wer sich aber diese sechs Stunden angehört hat, der weiß, es gibt eine Fülle von Problemen. Der weiß aber auch, dass der Herr Minister zu jedem dieser Tagesordnungspunkte und Themenfelder aufgestanden ist und gesagt hat, was diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen tun werden. Wir werden uns dieser Themen und Probleme annehmen. Das ist gut so. Nichts bleibt so, wie es ist. Vieles wird sich verändern. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie aber glauben, das sei ein Placebo. Dann reden wir doch einmal über diese Placebos. Ist es für die SPD und die Opposition ein Placebo, dass wir im KiföG 10 Millionen € für die Inklusion nachbessern, für die Kinder mit Behinderungen? Das wird dazu führen, dass die Kommunalen Spitzenverbände, gemeinsam mit den freien Trägern, die Lücke schließen können, damit kein Kind mit Behinderungen außen vor bleibt. Da reden die SPD und die Opposition von Placebo?
Meine verehrten Damen und Herren, Sie können gerne sagen, es passiert Ihnen da zu wenig. Aber Sie müssen zugeben, dass dieses KiföG in seiner dritten Lesung nicht das war, was es in der ersten Lesung war. Wir haben das kritisiert, und Gott sei Dank wurde nachgesteuert, damit nicht 20 % fachfremdes Personal eingesetzt wird.
Die Gruppengrößen für unter Dreijährige wurden von 16 auf zwölf nach unten verbessert. Das geschah schon in der dritten Lesung. Es wird auch weitere Verbesserungen geben. Als GRÜNE haben wir damals kritisiert, dass die Grundschulkinderbetreuung außen vor gelassen wurde, dass die Inklusionsfrage nicht gelöst wurde, wir haben Probleme im ländlichen Raum und bei den Öffnungszeiten kritisiert. Deshalb forderten wir einen Gipfel oder einen runden Tisch.
Mit dieser Pressekonferenz stellen wir, CDU und GRÜNE, die dieses Land regieren, spätestens mit der Anwesenheit des Ministers fest: Wir werden dieses Gesetz evaluieren. Wenn es Probleme bei Öffnungszeiten gibt oder im ländlichen Raum bei kleinen Gruppen – wie bei dem mittlerweile legendären Lorsbacher Hummelchen –, dann werden diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen bereitstehen und nachsteuern. Das ist schon bei der Inklusion passiert und ebenso bei der Stichtagsregelung.
Es wird so sein, dass die Kommunen länger Anträge für Investitionen stellen können. Damit können weitere 15 Millionen € abfließen. Es wird auch eine zweite Stichtagsregelung geben, die dazu führen wird, dass für die Betriebskosten weitere 6 Millionen € nachgesteuert werden können. Dies verdanken wir der Landesregierung und dem Sozialminister Grüttner. Es wird also 15 Millionen € und dann 6 Millionen € nochmal dazu gegeben. Da kann man doch nicht vom Placebo reden oder davon, dass hier heiße Luft gewälzt wird.
Da kann man doch nicht davon reden, dass es keine Veränderung gibt. Murks bleibt nur dann Murks, Herr Kollege Merz, wenn er nicht geändert wird. Das Einzige, was sich hier nicht ändert, ist Ihre Position.
Herr Kollege, Ihre Kritik – ich wiederhole mich gerne –, wir hätten das Gesetz sicherlich anders geschrieben, brauche ich nicht zu wiederholen. Wir sind nämlich nicht mehr im Jahre 2013, sondern im Juli 2014. Ich sage es noch einmal: Es gibt Kritikpunkte, die vorgetragen wurden. Worüber redet man sonst sechs Stunden lang? – Diese Kritikpunkte wurden aufgenommen. Sie wurden notiert. Es wurde zugesagt, dass man über sie nachdenkt. Das hat der Staatssekretär gesagt, das hat der Staatsminister gesagt, das haben die sozialpolitischen Sprecher der Fraktionen gesagt.
Herr Merz, was Ihnen letztlich bleibt, ist die Frage, ob die Kopfpauschale pro Kind zielführend ist oder nicht. In Ihrem Antrag sagen Sie unter Punkt 4 doch selbst: Es wird
tatsächlich Träger geben, die vom KiföG profitieren. – Haben Sie dann doch die Größe, wenigstens abzuwarten, wer davon profitiert und wer darunter leidet. Wer darunter leidet, dem soll geholfen werden. So lautet die Zusage der Hessischen Landesregierung. Was bleibt denn dann noch, Herr Merz?
Was bleibt als Fazit? Kinderbetreuung ist nicht statisch. Kinderbetreuung wird sich immer verändern müssen. Sie wird sich an die Bedürfnisse der Familien, der Eltern anpassen müssen. Es wird immer wieder Probleme geben, ob hinsichtlich der Öffnungszeiten, ob hinsichtlich der Gruppengrößen. Es wird Fragen freier und kommunaler Trägern geben. Es wird die Frage sein, ob die Finanzierungsströme richtig laufen. Wir haben aber im Kern des Gesetzes an vielen Punkten nachgesteuert, z. B. bei der Nachmittagsbetreuung, einem der größten Programme dieser Hessischen Landesregierung. Wir werden für eine Nachmittagsbetreuung an den Grundschulen sorgen. Wir haben bei der Inklusion nachgesteuert. Wir werden darauf achten, dass auch die Stichtagsregelung geändert wird, dass das erleichtert wird, damit die Kinderbetreuung in Hessen gut und auf qualitativ hohem Niveau stattfinden kann. All das haben wir innerhalb von sechs Monaten dokumentiert.
Ich finde, wir sind auf einem guten Weg. Ich finde, es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an. Aber: Kommen Sie raus aus der alten Schmollecke. Wir schreiben das Jahr 2014. Lassen Sie uns das Notwendige gemeinsam machen – so, wie viele Akteure am runden Tisch bereit waren, zu sagen: Wir beenden die alten Grabenkämpfe, wir arbeiten gemeinsam für unsere Kinder in diesem Land.
Diese Landesregierung … [hat] sage und schreibe fünf Jahre gebraucht, um diesen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Herausforderungen einer aktuellen, zukunftsgewandten Kinderbetreuung auch nicht annähernd gerecht wird. Das ist zutiefst blamabel.
Dieser Satz stammt leider nicht von mir, sondern von Marcus Bocklet. Das war sein Schlusswort bei der dritten Lesung.
Jetzt sagt er: Wir haben nicht mehr das Jahr 2013, sondern das Jahr 2014. Seitdem ist die Welt anders geworden, die Welt ist besser geworden, und alles ist großartig. – Ich frage mich nur, was anders geworden ist, was besser geworden ist und was so großartig geworden ist.
Wir haben ein Gesetz, von dem die damalige Landesregierung sagte und die neue Landesregierung sagt, es sei ganz großartig. Auf der anderen Seite haben sich nur 15 % der Einrichtungen innerhalb eines halben Jahres entschieden, sich dieses Gesetzes zu bedienen. Wenn das Gesetz so großartig wäre, wenn es für alle Erleichterungen brächte, wenn es allen, wie es angekündigt war, mehr Geld brächte, dann hätten sich doch schon ab dem ersten Tag alle Einrichtungen darauf gestürzt. Das ist doch völlig logisch. Überall gibt es Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Wenn die Einrichtungen also eine Chance gesehen hätten, wenn die Kommunen eine Chance gesehen hätten, sich durch dieses neue Gesetz besserzustellen, dann hätten sie doch keinen Tag gezögert. Sie hätten doch im Januar begonnen, sich damit auseinanderzusetzen, und wären zum Start des neuen Kindergartenjahres startklar gewesen, um nach den neuen Regelungen zu arbeiten.
Stattdessen tun sie es eben nicht, sondern sie warten, zögern, rechnen, überlegen, sind unsicher, sagen, sie wissen nicht, wie sie die Personalplanung gestalten sollen, haben große Schwierigkeiten, haben Versuche durchgeführt, die nicht funktionieren, rechnen nochmals und kommen zu dem Ergebnis, dass ihre Räume zu klein sind oder dass sie Personal abbauen müssen – oder gar beides. Es ist eben nicht so, dass alle Beifall geklatscht und gesagt haben: Jetzt, ein halbes Jahr nach der Verabschiedung des Gesetzes, ist alles gut. – Ganz im Gegenteil.
Frau Wiesmann, Kinderbetreuungseinrichtungen sind natürlich keine Institutionen, bei denen man Gewinne erwartet. Die Frage ist: Wie viel muss man investieren, um eine gute Kinderbetreuung sicherzustellen? Darüber kann man sich trefflich streiten. Dann muss man schauen, was man an Möglichkeiten hat, was es an Bedarf gibt und wie man das Ganze in Einklang bringt.
Dann aber sollte man doch zugeben, dass es genau darum geht – nicht etwa um Qualitätsverbesserungen. Es ging hier doch darum, dass wir eine Förderlogik hatten, die so nicht mehr aufrechtzuerhalten war bei dem Druck, den die Kommunen aufgrund der Mindestverordnung gemacht hatten, die dazu geführt hat, dass sie mehr Personal einstellen mussten, von dem zugesichert worden war, dass es von der Landesregierung finanziert werden würde. Das ist nicht passiert. Das mussten die Kommunen einklagen. Aufgrund des Ergebnisses dieser Klage, dass nämlich entschieden worden ist, die Kommunen haben dieses Geld zu bekommen, ist ein Druck entstanden, der dazu geführt hat, dass sich die Förderlogik völlig verändert hat.
All die Probleme, mit denen wir jetzt zu kämpfen haben, über die wir jetzt reden, all die Probleme, die die Kindertageseinrichtungen haben, sind wegen Ihres Gesetzes entstanden. Die Einrichtungen schlagen sich jetzt mit Dingen herum, mit denen sie sich vorher nicht herumschlagen mussten. Sie müssen sich jetzt Gedanken über Personalbemessungen machen, die sie sich vorher nicht machen mussten – und zwar in Richtung Einengung, nicht Ausweitung. Das ist doch das Problem, das wir haben.
Frau Wiesmann, Sie sagen, die wenigsten Kinder werden die langen Öffnungszeiten in Anspruch nehmen. Das ist ganz sicher so. Die Öffnungszeiten sind wirklich sehr, sehr lang. Aber gerade sie machen den Einrichtungen doch Pro
bleme. Diese langen Öffnungszeiten gehen doch on top der Regelarbeitszeit. Für sie muss extra Personal vorgehalten werden. Das heißt, diese Zeiten sind zwar weniger nachgefragt, dafür aber teurer. Daraus ergibt sich die Problematik, dass man genau hinschauen muss, will man sicherstellen, dass Eltern mit kleinen Kindern ganztags arbeiten können. Es muss Möglichkeiten geben, von der Kita zur Arbeit und von der Arbeit zur Kita zu kommen, wenn Arbeitsstelle und Kita nicht direkt nebeneinanderliegen. Für diese speziellen Fälle brauchen wir extrem lange Öffnungszeiten. Diese müssen für die Einrichtungen aber finanzierbar sein. Genau das wird doch beklagt, denn an der Stelle gibt es Schwierigkeiten.
Sie sagen: In jedem Einzelfall, in dem es ein Problem gibt – ich erinnere an das viel zitierte Hummelchen –, finden wir eine Sonderlösung. Sie machen sich viel Mühe, Sonderlösungen zu finden für ein Problem, das Sie zuvor geschaffen haben.