Protocol of the Session on September 13, 2018

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sehen, die Hessische Landesregierung hat in dieser Legislaturperiode eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Steuerkriminalität eingenommen – sei es bei der Bekämpfung inländischer Steuerkriminalität wie auch bei der Verstärkung nationaler und internationaler Steuergerechtigkeit.

Wir schützen dadurch nicht nur unser demokratisches System und unsere Gesellschaft, sondern erwirtschaften auch mehr Mittel, die zukünftig zum Wohle der Hessinnen und Hessen eingesetzt werden können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollegin Arnoldt, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Darauf sind wir stolz. Wir werden den Kampf gegen Steuerkriminalität entschieden und auf allen Ebenen weiter führen. Ehrliche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler können sich darauf verlassen: Hessen ist und bleibt ein Land der Steuergerechtigkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Schalauske, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde der CDU heißt heute: „Hessen weiterhin entschieden im Kampf gegen Steuerkriminalität“. Ich finde, das ist ein kurioser Titel.

In den Medien war zu lesen, dass das Finanzministerium sich endlich auch mit dem letzten der vier Steuerfahnder geeinigt hat, der zwangspsychiatrisiert und aus dem Dienst entfernt wurde, weil auch er der Meinung war, die Hessische Landesregierung behindere die Arbeit der Steuerfahndung. Auch wenn es nun eine Einigung gibt, bleibt diese Affäre ein ganz dunkler Fleck in der Geschichte des Landes Hessen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Insofern stellt sich schon die Frage, wofür diese Landesregierung „weiterhin entschieden“ kämpft. Bisher haben Sie sich kaum über Symbolpolitik hinaus für den Kampf gegen Steuerkriminalität eingesetzt. Ich denke an die Steuer-CDs, die in der Vergangenheit regelmäßig andere Bundesländer ankaufen durften. Ich will das auch noch einmal ganz klar sagen: Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sind Straftatbestände und keine Kavaliersdelikte.

(Beifall bei der LINKEN)

Konzerne und Vermögende begehen damit Diebstahl am Gemeinwohl und am Gemeinwesen. Die öffentliche Hand verliert jährlich durch Steuerbetrug mehr als 30 Milliarden €, so die Schätzung der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Deswegen ist der Kampf gegen Steuerkriminalität zu wichtig, als dass man ihn auf Symbolpolitik beschränkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will es auch anerkennen, im Wahljahr hat die CDU das Thema Steuergerechtigkeit entdeckt. Unserer Forderung nach mehr Steuerfahndern und Betriebsprüfern, die wir immer wieder in die Haushaltsberatungen eingebracht haben, sind Sie nach vielen Jahren endlich mit dem Haushalt nachgekommen. Allerdings haben Sie gleichzeitig den Ausbau der Ausbildungskapazitäten verschlafen, was, wie ich hörte, in Rotenburg mittlerweile erhebliche Probleme bei der Unterbringung der Anwärterinnen und Anwärter bereitet.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Auch die angeblich zusätzlichen Stellen für Steuerfahnder, die Sie jetzt erwähnen, sind ein alter Hut. Oder habe ich den Nachtragshaushalt, in dem Sie wirklich zusätzliche Stellen schaffen, verpasst? – All das, was Sie uns hier und heute präsentieren, ist doch längst beschlossen. Beim Blick in den Haushaltsplan wird deutlich, dass es sich offensichtlich nicht um zusätzliche Stellen handelt, sondern lediglich um die Hebung und Umwidmung anderer Stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Steuerverwaltung wird also nicht entlastet, sondern die Überlastung lediglich anders verteilt. Sosehr es mich freut, dass die Steuerfahndung gerade in den Bereichen gestärkt

wird, wo der Personalbedarf am größten ist, interessiert mich auch, welche Stellen und deren Aufgaben dann wegfallen.

Infolge des Brexits, das erwähnen Sie hier immer wieder, wollen Sie zahlreiche Banken an den Finanzplatz Frankfurt locken. Insofern ist es natürlich gut und richtig, wenn Sie dann endlich einige Spitzenkräfte einstellen, um Großverfahren am Finanzplatz Frankfurt zu führen. Warum sind das aber keine zusätzlichen Stellen, meine Damen und Herren?

Hessen braucht eine starke Finanzverwaltung. Dazu gehören sicherlich auch diese und in Zukunft weitere Spitzenkräfte in Großverfahren, aber eben auch genügend Stellen in allen Ämtern. Es geht hier um 50 Stellen. Zum anderen darf man aber annehmen, dass auch diese Stellen über kurz oder lang deutlich mehr Geld bringen, als sie kosten werden.

Kurzum: Bisher ist Ihr Beitrag in dieser Legislaturperiode im Kampf um Steuergerechtigkeit, 50 Stellen zu heben. Dabei hatten Sie zu Beginn der Legislaturperiode angekündigt, viel mehr zu tun. Das ist auch genannt worden, z. B. bei der Grunderwerbsteuer. Da hört man immer nur, dass sich etwas tun soll, erreicht hat man bislang gar nichts. Noch immer sind die sogenannten Share Deals mehr als nur ein Ärgernis für ehrliche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Bei der Digitalsteuer kommt man nicht voran. Weiter können große Konzerne wie Apple, Google oder Facebook ihre Steuern nahe null drücken. Vor zehn Jahren, auch daran muss erinnert werden, am 15. September 2008, beantragte die Bank Lehman Brothers Insolvenz. Es war der Beginn einer tiefen Krise des Finanzmarktkapitalismus, die bis heute nicht überwunden ist, aber folgenschwere soziale Probleme nach sich gezogen hat. Gab es zunächst Rufe nach Regulierung, liefen die Geschäfte dann doch weiter, als wäre nichts passiert.

Ich meine, ein Finanzminister, der sich ernsthaft den Kampf gegen Steuerkriminalität auf die Fahnen schreiben will, der an einem der wichtigsten Finanzplätze Europas tätig ist, sollte nicht 50 weitere Stellen in der Steuerfahndung als großen Wurf verkaufen, sondern sich mit aller Kraft für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, einer Strafsteuer für Steuervermeidung in Steueroasen, für ein Ende der Steuerflucht öffentlicher Landesunternehmen wie Fraport in Steueroasen einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für den Kampf für Steuergerechtigkeit braucht es viel mehr als warme Worte und schöne Bilder. Ein glaubwürdiger Einsatz für Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit sieht jedenfalls anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Dr. h.c. Hahn.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich muss diesmal sowohl in Inhalt wie auch in Ideologie meinem Vorredner sehr ernsthaft widersprechen. Ich woll

te eigentlich mit der Feststellung beginnen, dass wir alles schon ein paarmal hinter uns gebracht haben. Es ist schon ein paarmal über dieses Thema diskutiert worden. Das, was heute abgejubelt wird, wird zum dritten oder zum vierten Mal abgejubelt.

(Zurufe von der LINKEN)

Herr Schalauske, dazu haben Sie meiner Meinung nach auch geredet. Ich bin schon ein wenig überrascht darüber, dass Sie jetzt sagen, das sei alles ganz neu, und sie würden jetzt endlich in die Puschen kommen.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): Das habe ich gar nicht gesagt!)

Für uns ist das ein aufgewärmter kalter Kaffee, der auf die Tagesordnung gesetzt worden ist, damit man vor der Landtagswahl noch einmal zeigen kann, was man in einigen Punkten vollkommen zu Recht, aber schon mehrfach abgefeiert, geleistet hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was uns darüber hinaus wundert, ist, dass ausschließlich die Steuerverwaltung bejubelt wird. Wir leben in einem Rechtsstaat. Die Steuerverwaltung ist nie und nimmer die dritte Gewalt. Die Steuerverwaltung ist die zweite Gewalt. Das ist auch gut so. Als die FDP noch mit in der Landesregierung war, sind solche Sachen immer gemeinsam vom Finanzministerium und vom Justizministerium bearbeitet worden. Das gehört sich auch so.

(Beifall bei der FDP)

Für die dritte Gewalt ist organisatorisch das Justizministerium zuständig – es ist noch nicht einmal durch die Hausspitze vertreten, es interessiert sich offensichtlich überhaupt nicht mehr dafür. Es wird alles den Steuerleuten, der Steuerfahndung übergeben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das irritiert Freie Demokraten sehr.

(Beifall bei der FDP)

Ich will daran erinnern – das Datum wird Thomas Schäfer besser im Kopf haben als ich, es muss auf alle Fälle nach 2010 gewesen sein, vorher war er noch nicht Minister –, dass wir gemeinsam aufgetreten sind und festgestellt haben, dass die bisherigen Organisationsstrukturen beim Thema Lehman und anderen so nicht mehr funktionieren können. Es war nicht nur das Thema Lehman, das uns so motiviert hat, sondern es waren andere Steuertricks, die unter dem Stichwort „Steuervermeidungsstrategien“ aufgebaut worden sind – leider auch noch von einem Menschen, der lange Zeit Mitarbeiter der hessischen Steuerverwaltung gewesen ist.

Das hat dazu geführt, dass wir eine engere Zusammenarbeit vereinbart haben, dass wir zusätzlich Personal eingestellt und zusätzlich technisches Gerät beschafft haben. Hier wird also nur das zu Recht weitergeführt, was damals begonnen worden ist. Dass wir uns jetzt das dritte Mal darüber unterhalten müssen, ist offensichtlich einem Mangel an anderen Themen geschuldet.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, einen weiteren Widerspruch wird Dr. Thomas Schäfer noch intensiver behandeln können als ich. Es handelt sich um die Frage, ob in den zehn Jahren nach Lehman nichts passiert ist. Das haben Sie ja behauptet: Es gehe alles so weiter wie vorher, es habe sich nichts verändert. – Ich habe da eine vollkommen

andere Wahrnehmung. Wenn Sie einmal ein bisschen den Wirtschaftsteil der Zeitung lesen würden, und nicht nur das SED-Kampfblatt,

(Lachen bei der LINKEN)

dann wüssten Sie vielleicht auch, dass sich da sehr viel verändert hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das hat etwas mit Basel zu tun – da gibt es Basel I, II, III –, das hat etwas mit der Umstrukturierung der Bankenaufsicht zu tun. Das hat etwas mit den Stresstests zu tun, die jede größere europäische Bank alle drei Jahre durchlaufen muss.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, die sind sehr schwierig!)

Aus diesem Grunde hat sich ja das Banken- und Sparkassen- und Volksbankensystem auch in der Bundesrepublik Deutschland bereits verändert: weil es eine Reihe von Sicherungssystemen gegeben hat, die insbesondere kleinere Kreditinstitute nicht mehr leisten können, die sich deshalb mit größeren Kreditinstituten zusammengefunden haben.