Ich war gestern am Flughafen bei den Streikenden vor Ort. Kollege Schäfer-Gümbel war auch da. Wir haben mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geredet. Die berichten, dass Ryanair mit Befristungen arbeitet, mit Leiharbeit, mit kurzfristigen Versetzungen, dass es – bekanntermaßen – keinen Tarifvertrag gibt und dass es Vollzeitbeschäftigte gibt, die weniger als 1.000 € im Monat Grundgehalt haben.
Meine Damen und Herren, damit wird der Mindestlohn unterlaufen. Davon kann man nicht leben; und mit diesen
Dumpinglöhnen werden natürlich auch die Löhne anderer Fluggesellschaften gedrückt. Deshalb kann es dem Landtag natürlich nicht egal sein, was hier passiert; und deswegen ist es wichtig, dass der Landtag hier ein Zeichen setzt.
Wenn mir eine streikende Beschäftigte erzählt, dass sie Sorgen hat, weil sie die Miete nicht bezahlen kann, weil Gehaltszahlungen einfach ausbleiben, da sie krank geworden ist, sodass sie kaum die Möglichkeit hat, über die Runden zu kommen, oder solche Details, dass beispielsweise Flugbegleiter das Wasser an Bord zum gleichen Preis kaufen müssen wie die Passagiere, und zwar vollkommen egal, wie lange der Flug dauert und wie viel Verspätung es gibt, dann geschieht dies bei einem Unternehmen, das hoch profitabel ist. Ryanair hat im Geschäftsjahr 2017/2018 1,5 Milliarden € Nettogewinn gemacht; und der Gewinn steigt jährlich um Hunderte Millionen.
Die Beschäftigten aber dann mit Monatsgehältern von 1.000 € oder weniger abzuspeisen, ist vollkommen inakzeptabel. Daher kann die Politik natürlich nicht wegschauen. Dieses Geld wird auf Kosten der Steuerzahler erwirtschaftet; und es wird auf Kosten der Sicherheit sowie der Beschäftigten erwirtschaftet.
Dazu, dass jetzt Michael O’Leary, der Chef der Fluglinie, die Forderungen der Beschäftigten als „aberwitzig“ bezeichnet, kann man nur sagen: Im Gegenteil, das Verhalten dieses Unternehmens ist aberwitzig, und es ist in Teilen rechtswidrig.
Das kann man nicht hinnehmen. Man kann auch nicht hinnehmen, dass die Beschäftigten jetzt mit Jobstreichungen und damit, dass die Jobs ins Ausland verlagert werden sollen, eingeschüchtert werden, weil sie ihr Streikrecht wahrnehmen. Das Streikrecht ist in Deutschland ein Grundrecht; es gilt auch für die Beschäftigten von Ryanair. Das hat Ryanair zu akzeptieren, meine Damen und Herren.
Aber Ryanair unterläuft das Streikrecht durch Einschüchterungen, durch Erpressungen und Drohungen. Schon in der Vergangenheit ist das Unternehmen damit aufgefallen, dass es das deutsche Sozialrecht unterläuft. Es kann doch nicht sein, dass Menschen, die an einer deutschen Basis arbeiten, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalten. Das kann nicht sein. Es darf nicht sein, dass Menschen, die krank sind, nach Dublin zitiert werden und dort gefeuert werden, weil sie krank sind. So etwas dürfen wir nicht zulassen. Deutsches Arbeitsrecht gilt; und es gilt auch für Ryanair.
Das übt auch Druck auf die Arbeitsplätze am Flughafen insgesamt aus. Es geht auch um die anderen Beschäftigten dort. Es geht darum, dass Ryanair unter anderem mit kürzeren Umlaufzeiten, nämlich 25 Minuten, nach Frankfurt gelockt wurde. Natürlich geht das buchstäblich auf den Rücken der Beschäftigten bei den Bodenverkehrsdiensten.
Damit hat Fraport Ryanair gelockt – leider mit Rückendeckung der Landesregierung. Deshalb ist dieser Streik für Hessen wichtig. Er ist wichtig für den Arbeitsplatzstandort Flughafen Frankfurt am Main. Wenn Unternehmen wie Ryanair damit durchkommen, sinnvolle Standards abzusenken, dann können wir hier zwar weiterhin Sonntagsreden auf die guten Arbeitsplätze am Frankfurter Flughafen halten, aber eigentlich können wir uns das dann auch sparen. Wenn wir ein derartiges Lohndumping am Frankfurter Flughafen haben, werden dadurch alle Beschäftigten verlieren.
Die Streikenden kämpfen also nicht nur für sich selbst. Sie streiken nicht nur für etwas mehr Lohn. Sie kämpfen für Anerkennung, sie kämpfen gegen das System Ryanair, und sie kämpfen dafür, dass das deutsche Arbeitsrecht nicht unterlaufen wird. Deshalb ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen, und der Hessische Landtag muss klarmachen: Das sind Verhältnisse, wie wir sie nicht wollen. – Wir müssen als Gesetzgeber klarstellen: Wer schwerpunktmäßig hier arbeitet, wer die hohen Lebenshaltungskosten in Frankfurt bezahlt, für den muss auch deutsches Arbeits- und Sozialrecht gelten.
In diesem Sinne wünschen wir den Streikenden viel Erfolg und Durchhaltevermögen. Wir wünschen einen langen Atem. Lasst euch nicht einschüchtern. Alles Gute für euch. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als wir diesen Antrag zur vorgerückten Stunde noch auf die Tagesordnung genommen haben, habe ich mich gefragt: Wollen wir das jetzt wirklich wieder machen? Wollen wir uns als Hessischer Landtag wieder in einen Tarifkonflikt einmischen? – Ich habe dann den Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gesehen und gesagt: Mit dem Antrag ist eigentlich wirklich alles gesagt, was man im Landtag zu diesem Thema sagen sollte. – Deswegen werden wir diesem Antrag auch zustimmen. Dem Antrag von den LINKEN und der SPD werden wir nicht zustimmen können.
Ich will Ihnen dies durchaus erklären, gerade weil heute auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da sind. Ich komme nicht auf die Idee, mit Ryanair zu fliegen. Als Passagier, als Kunde halte ich das Geschäftsgebaren für unseriös. Ich denke dabei oft an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sage mir: Das möchte ich nicht noch unterstützen, indem ich ein Flugticket kaufe. – Meine Damen und Herren, woher weiß ich denn das? – Das weiß ich aus Veröffentlichungen. Ich bin noch nie mit diesem Unternehmen geflogen, aber ich bekomme das angetragen.
Nun stellen Sie hier einen Antrag und wollen hierzu eine Debatte führen, um eine möglichst große Transparenz zu schaffen. Meine Damen und Herren, diese Botschaft erreicht – das geht jetzt über die Kameras aus diesem Raum hinaus – aber eben nicht nur mich, sondern auch viele andere Kunden.
Es ging jedes Mal schief, wenn die Politik anfing, sich in Tarifstreitigkeiten einzumischen. Ich nenne Ihnen nur einmal zwei Beispiele:
Ich habe dezidiert eine Meinung dazu, wie Ryanair mit seinen Beschäftigten umgeht. Ich halte die Tarifauseinandersetzung für richtig und wichtig. Ich glaube auch, dass wir, gerade was die Tarifauseinandersetzung anbelangt, starke Gewerkschaften brauchen. Es überrascht Sie vielleicht, wenn dies ein Liberaler sagt. Wir brauchen starke Gewerkschaften, die auch durchsetzungsstark sind. Ich glaube auch, dass die Europäische Union hier einmal ihrer Verpflichtung nachkommen und festlegen müsste, wie es in Europa denn mit einheitlichen Sozialstandards aussieht. All das kann man gut diskutieren.
Aber in einer Tarifauseinandersetzung macht ein Parlament eben auch eines: Es stellt viel Öffentlichkeit her. Es zeichnet von einem Unternehmen ein Bild, das die Politik am Ende auch mit zu verantworten hat. Dieser Verantwortung müssen sie sich dann auch stellen, wenn es zu Einschlägen kommt, weil die Kunden reagieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir uns heute, am Ende der Tagesordnung, in Form von Dringlichen Entschließungsanträgen noch einmal den Themen „Ryanair“ und „Aktuelle Vorkommnisse bei Ryanair“ widmen. Erstmalig haben Piloten und Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter der Fluggesellschaft in einem 24-Stunden-Streik die Arbeit niedergelegt, um für höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Auch sind die nächsten Streiks bei Ryanair schon angekündigt worden. Die Flugbegleitergewerkschaften werden am 28. Oktober – nein, das war ein anderes Datum, am 28. September –
in Spanien, in Italien, in Portugal und in den Beneluxstaaten die Arbeit niederlegen. Das Mittel des Streiks wurde gewählt, weil die Verhandlungen mit dem Management und dem Unternehmen Ryanair nicht weiterkommen.
An dieser Stelle muss man sich einmal vergegenwärtigen, woher dieses Recht kommt. Das Streikrecht wurde 1949 als Grundrecht in Art. 9 Abs. 3 unserer Verfassung niedergeschrieben und ist dadurch mit höchstem Normenschutz versehen. Deshalb ist ganz klar: Streik ist ein legitimes
Mittel im Rahmen der Tarifautonomie und ein gutes Recht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Gewerkschaften. Das muss jeder Arbeitgeber respektieren, der in Deutschland tätig ist.
Was gar nicht geht, ist, die Beschäftigten unter Druck zu setzen und zu drohen, einzelne Maschinen oder Jobs abzuziehen, falls die Streiks ausgeweitet werden. Ich zitiere aus der Pressemitteilung des Unternehmens vom letzten Dienstag, dem 11. September:
These threatened strikes can only damage Ryanair's business in Germany, and if they continue, will lead to base cuts and job cuts for both German pilots and cabin crew, particularly at some secondary German bases.
Sehr geehrte Damen und Herren, das ist Erpressung. Das gefährdet unser Streikrecht. Das ist so schlicht nicht hinnehmbar.
Auch nicht tolerierbar ist das Verhalten des Unternehmens, öffentlich einen Keil zwischen diejenigen, die streiken, und diejenigen, die ihre Arbeit nicht niederlegen, zu treiben. Ich habe großen Respekt vor den Streikenden, die sich diesen Drohungen von Ryanair widersetzen. Ich habe auch Verständnis dafür, dass z. B. eine Forderung der Gewerkschaften lautet, dass ein Mediator aus Deutschland in diesen Konflikt eingeschaltet werden soll.
Sehr geehrte Damen und Herren, in unserer sozialen Marktwirtschaft gehört es dazu, dass die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geachtet werden. In einer sozialen Marktwirtschaft muss auch verantwortungsvoll mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgegangen werden. Dazu gehört ordentliche Bezahlung, dazu gehören faire Arbeitsbedingungen, Mitbestimmungsrechte und ein Diskurs mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Insbesondere, aber nicht nur, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollte jedes Unternehmen ein Eigeninteresse haben, dies zu tun.
Keiner von uns hat sich Ryanair am Frankfurter Flughafen gewünscht. Wir konnten es uns aber auch nicht aussuchen. Ich habe heute recherchiert, bei Flugpreisen in Höhe von 7,82 € von Frankfurt-Hahn nach London wundert es mich nicht – das ist weniger, als eine Packung Fairtrade-Kaffeebohnen kostet –, dass niemand in der Lage ist, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich zu bezahlen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir sprechen uns gegen einen Dumpingwettbewerb am Frankfurter Flughafen aus, der auch eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber den anderen Fluglinien darstellt, die mit Ryanair im Wettbewerb stehen. Wir sind überzeugt, dass es ernsthafte Verhandlungen zwischen beiden Vertragspartnern geben muss, dass die Interessen ausgeglichen werden und faire Arbeitsbedingungen nach deutschem Arbeits- und Sozialrecht auch bei ausländischen Fluggesellschaften gelten müssen. – Vielen Dank.