Protocol of the Session on September 12, 2018

Eine Kleine Anfrage der GRÜNEN im Bundestag hat gezeigt: Im Jahr 2015 wurden bei 10 % der Kontrollen im Baugewerbe deutschlandweit Verstöße aufgedeckt. Damit weisen das Baugewerbe und das Baunebengewerbe die meisten Verstöße gegen das Mindestlohngesetz, gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und gegen die Lohnuntergrenze in der Leiharbeitsbranche auf. Alleine diese Zahlen müssen doch dazu führen, dass der Zoll, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, endlich ordentlich ausgestattet wird, damit die Menschen ihre Arbeit machen können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Ziel des Gesetzentwurfs der LINKEN ist auch die Förderung des Mittelstands. Allerdings werden sehr viele kleine und mittlere Unternehmen nicht in der Lage sein, die ganzen umfangreichen Anforderungen, die einzeln durchaus unterstützenswert sind, zu erfüllen: Förderung der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen, berufliche Erstausbildung und umweltverträgliche Beschaffung.

Im Einzelnen geht es um die Entscheidungen – einige Beispiele –: Bei der Beschaffung von Autos könnte man auf umweltfreundlichere Elektroautos setzen, dafür aber in Kauf nehmen, dass der Hersteller nicht aus Deutschland, sondern aus Asien kommt. Bei der Ausschreibung von ökologischen Baustoffen könnten die Leistungen möglicherweise nicht von einem mittelständischen Unternehmen kommen, aber dafür umweltfreundlich sein. Man könnte sich überlegen, ob man das Angebot eines kleinen ZweiMann-Architekturbüros in der Region annimmt, das regional verankert ist, aber keine nachweisbaren Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen ergreift, oder ob man ein großes Architektenbüro beauftragt, das, zumindest auf dem Papier, einen Frauenförderplan beschlossen hat.

Was ich damit sagen will, ist: Die Entscheidungen sind nicht immer einfach und so schwarz-weiß. Das ist für die Kommunen und Vergabestellen sicherlich nicht immer einfach zu handhaben. Ich denke, es macht deshalb Sinn, dass wir uns noch mehr um Beratungsangebote für diese Stellen kümmern,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

damit die Ausschreibenden in die Lage versetzt werden, Vergabekriterien auch wirkungsvoll einzusetzen. Das ist sicherlich die bessere Lösung, als jede Menge zusätzlicher Kriterien zur Pflicht zu erklären, die am Ende weder einhaltbar sind noch zu dem gewünschten Ergebnis führen.

(Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren, DIE LINKE meint, dass wir nur ein strengeres Vergabegesetz, eine strengere Tariftreueregelung und einen Landesmindestlohn benötigen,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wir wollen noch viel mehr machen! Wir fangen nur einfach an!)

damit alle Probleme, die wir auf den Baustellen und in anderen Gewerben haben, aus der Welt geschafft werden. So einfach ist das aber nicht.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich weiß!)

Es ist nicht so schwarz-weiß wie von Ihnen gemalt; und die Lösung der Probleme, die ich gar nicht bestreite, ist nicht so einfach wie von Ihnen suggeriert. Deshalb werden wir vor allem erst einmal den Gesetzentwurf der LINKEN ablehnen. Wir haben mit dem bestehenden Tariftreue- und Vergabegesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen, damit die Tariftreue, der Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen eine bessere Gewichtung erhalten, die Belange von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Handwerksbetrieben berücksichtigt werden und diesen nicht der Zugang zu Ausschreibungen versperrt wird. Das ist richtig; und wir werden die Ergebnisse der Evaluierung diskutieren, wenn sie vorliegen. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Heiko Kasseckert, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen im Zusammenhang mit dem hessischen Mittelstand eine Diskussion, die sowohl kleine Handwerksbetriebe als auch Unternehmen umfasst, die in der Zulieferung oder in anderen Branchen weltweit unterwegs sind. Was wir beklagen, ist, dass unser Mittelstand offenbar unter zu viel Bürokratie, unter zu vielen Hürden leidet. Die Antwort, die zumindest vonseiten der LINKEN für diese Problembeschreibung gegeben wird, ist ein Gesetzentwurf, der in das ohnehin vorliegende HVTG noch mehr Kriterien aufnehmen will. Dabei will ich noch gar nicht von der Mindestlohnregelung reden, die mit 12 € oder 12,50 € sogar deutlich über dem Mindestlohn des Bundes liegt. Dieser würde für den hessischen Mittelstand zusätzliche Hürden aufwerfen. Was wir daher brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine deutliche Erleichterung für den Mittelstand.

(Beifall bei der CDU)

Wir sehen in der Analyse, dass sich an den Ausschreibungen öffentlicher Aufträge zunehmend weniger Unternehmen des Mittelstands beteiligen. Daher müssen wir uns die Frage stellen: Woran liegt das? Liegt das daran, dass unsere Ausschreibungen nicht mehr attraktiv sind; oder liegt es vielleicht daran, dass die Bürokratie, die Nachweise, die Kriterien, die wir in der Vergangenheit immer mehr aufgestockt haben und die notwendig sind, um sich an solchen Ausschreibungen zu beteiligen, für ein kleines mittelständisches Unternehmen deutlich zu stark sind? – Ich glaube, Letzteres ist der Punkt. Deshalb kann ein Gesetzentwurf, wenn wir über eine Weiterentwicklung des HVTG reden, wie ihn DIE LINKE vorgelegt hat, nicht die Lösung sein, zumal dieser zusätzliche Hürden aufwirft und am Ende zu dem Ergebnis kommt: Wir brauchen sogar, um diese zusätzlich aufgelegten Hürden zu bewältigen, eine neue Behörde, die am Ende prüft, ob diese Hürden eingehalten werden.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über eine Reform reden, wenn wir über mittelstandsfreundliche Politik reden, brauchen wir ein Weniger an Staat und nicht ein Mehr.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Ja!)

Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf – auch viele der Anzuhörenden haben in der Anhörung deutlich gemacht, dass sie an dem Gesetzentwurf der LINKEN Kritik üben – selbstverständlich ablehnen. Wir werden ihn ablehnen müssen, weil er nicht dem entspricht, was wir wollen. Wir wollen den Mittelstand fördern. Wir wollen vernünftige Rahmenbedingungen haben. Wir wollen auch aus der Evaluierung, die jetzt zu dem Teil der Tariftreue eingeleitet worden ist, lernen. Der Gesetzentwurf besteht ja aus zwei Teilen; das eine sind die Vergabekriterien, und auch daran gibt es Kritik. Diese nehmen wir ernst und wollen sie in einer Überprüfung genau untersuchen.

Das andere ist der Teil der Tariftreue. Wir haben im Jahr 2014 beispielsweise auch noch Nachhaltigkeitskriterien mit aufgenommen. Auch davon wurde von den Kommunen zwar wenig Gebrauch gemacht, es ist aber eine Kannregelung, die es den Kommunen ermöglicht, an dieser Stelle Schwerpunkte zu setzen. Aber die Evaluierung des Tariftreueteils ist eingeleitet worden, und deshalb ist der Gesetzentwurf meiner Meinung nach nicht nur verfrüht und

vom Inhalt her völlig überzogen, sondern geht sogar an der Realität vorbei.

Wir warten ab, was die Evaluierung bringt. Wir wollen es in der neuen Legislaturperiode einführen und eine generelle Überprüfung des HVTG einleiten mit dem Ziel – das sage ich an dieser Stelle deutlich –, dass wir mittelstandsfreundliche Politik machen wollen. Wir wollen ein Vergabegesetz, das diejenigen, die einen Auftrag bekommen, an die Kriterien bindet, die in dem Gesetz festgelegt sind, dass sie diese auch einhalten. Wir kennen und kritisieren die Beispiele wie jeder hier im Haus: diese Subsubsubunternehmen oder auch die Schwarzarbeit, die wir erleben und die wir sogar auf Baustellen – das muss ich selbstkritisch sagen – in Verantwortung des Landes festgestellt haben. Das ist nicht das, was wir wollen. Das muss unterbunden werden; und dem muss in aller Härte entgegengetreten werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das Ergebnis kann nicht sein, dass wir sagen: „Wir machen das in der Ausschreibung mit zusätzlichen erschwerenden Kriterien“, sondern das Ergebnis muss sein, dass wir diejenigen verpflichten, die einen Auftrag bekommen. Dabei ist die Präqualifikation aus unserer Sicht ein wesentlicher Teil. Derjenige, der sich an öffentlichen Aufträgen beteiligt, muss vorher einen Nachweis erbringen, dass er in der Folge all diese Kriterien erfüllt – mit der Konsequenz, dass er, wenn er sie nicht erfüllt, von allen öffentlichen Aufträgen auszuschließen ist. Wenn dies jedem Spieler auf diesem Spielfeld klar ist, dann glaube ich, dass wir eine viel stärkere Konzentration auf die tatsächliche Umsetzung dieser Kriterien erfahren werden.

Was Sie vorschlagen, liebe Frau Wissler, was Ihr Gesetz beinhaltet, das geht uns deutlich zu weit. Wie gesagt, es ist nicht nur der Mindestlohn, sondern es ist auch das Überborden, das Aufbauen weiterer Kriterien. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Es ist eine Flut von Detailvorschriften, die auch vonseiten der Kommunen, die die ausschreibenden Stellen sind, kritisiert wurde.

Wir wollen in der neuen Legislaturperiode an dieses HVTG offen herangehen, sowohl an die Vergabekriterien als auch an den Bereich der Tariftreue. Wir wollen, am Mittelstand orientiert, etwas machen. Wir wollen aus den Erfahrungen lernen, die wir haben. Wir wollen etwas weiterentwickeln und verbessern, und wir wollen nicht mit der Aufnahme von noch mehr Kriterien verschlechtern. In diesem Sinne lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab, warten, wie gesagt, auf das Ergebnis der Evaluierung und sind in der neuen Legislaturperiode offen und konstruktiv für die Fortschreibung dieses HVTG. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, lieber Heiko Kasseckert. – Das Wort hat Herr Kollege Lenders von der FDP-Fraktion. Bitte sehr, mein Lieber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kinkel, ich wollte noch kurz darauf eingehen, dass Sie in dem Gesetz

entwurf der LINKEN handwerkliche Fehler kritisiert haben. Ich würde so etwas einer Oppositionsfraktion immer nachsehen, schließlich hat man als Oppositionsfraktion nicht ein Ministerium im Rücken. Dass dann vielleicht nicht jedes Komma richtig ist, versteht sich eigentlich von selbst. Aber lassen wir das; das würde ich durchaus nachsehen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Meine Damen und Herren, wo Frau Kinkel aber recht hat, ist bei all dem, was eben von Frau Kollegin Wissler angeführt wurde, quasi ökologische Kriterien mit hineinzunehmen, die Beschaffung fairer und nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen. Das ist im hessischen Vergabegesetz bereits alles möglich. Für uns als Freie Demokraten hat das mehr Fragezeichen aufgeworfen, als dass es irgendeine Frage beantwortet hätte.

Solche Gesetze sind gerade für kleine und mittelständische Unternehmen gedacht. Sie können aber diese Kriterien überhaupt nicht mehr erfüllen. Mit dem, was DIE LINKE zusätzlich fordert, würde sie sie sozusagen von Vergaben der öffentlichen Hand ausschließen. Selbst für mittelständische und große Unternehmen hat es am Ende nur dazu geführt, dass es ein Geschäftsmodell für Zertifizierer geworden ist, nichts anderes.

(Beifall bei der FDP)

Es ist die Frage, wo es das in Hessen tatsächlich gegeben hat, dass Produkte, die nicht fair gehandelt waren, in Ausschreibungen gekommen sind oder, wenn nachhaltige Produkte gefordert waren, andere geliefert wurden. Es ist immer nur eine Frage für Zertifizierer, für eine Präqualifikation. Selbst große und mittelständische Unternehmen können einer solchen Nachweispflicht überhaupt nicht nachkommen. Ich glaube, dass das nicht notwendig ist, es hat zu viel Bürokratie mit sich gebracht. Nehmen wir einmal den Wohnungsbau, es macht alles nur teuer. Meine Damen und Herren, das ist einfach nicht zielführend.

Ich würde gerne auf eine weitere Forderung der LINKEN eingehen, die Wertgrenze für Aufträge von derzeit 10.000 € auf 500 € abzusenken. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, ich glaube nicht, dass Sie diese Forderung tatsächlich ernsthaft aufrechterhalten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): 90 % der Aufträge liegen unter 10.000 €!)

Meine Damen und Herren, wer so etwas fordert, muss auch gleichzeitig sagen, wie er dieses Aufblähen einer Bürokratie dann finanzieren will.

Es ist für die Behörden nicht mehr handelbar. Man mag so etwas nett vor einer Landtagswahl fordern. Frau Wissler, bei aller Liebe, schauen wir einmal nach Thüringen, ob es da ähnliche Vorgaben gibt. Ich glaube, nicht. Selbst wenn ein LINKER in diesem Land jemals Verantwortung tragen würde, würde er das tatsächlich umsetzen? – Es ist schlichtweg nicht praktikabel. Hier würden staatliche Stellen staatliche Stellen kontrollieren. Das ist unmöglich, das ganze System würde explodieren.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dann die andere Forderung, es müsse alles überwacht und überprüft werden, durch das Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes würde alles un

terlaufen. Dabei geht es vor allem um den Mindestlohn und die Forderung nach einem landeseigenen Mindestlohn.

Frau Wissler, wir haben seinerzeit schon einmal Ihr Vergabegesetz diskutiert. Das war zu dem Zeitpunkt, als es auf Bundesebene noch keinen gesetzlichen Mindestlohn gab. Den haben wir aber jetzt. Seinerzeit hatten schon viele die Rechtsauffassung vertreten, dass ein landeseigener Mindestlohn nicht umsetzbar, nicht verfassungskonform sei. Die anderen sagten, er sei so lange möglich, wie es keinen bundeseinheitlichen Mindestlohn gebe. – Den gibt es aber jetzt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Aber es haben ihn doch drei Bundesländer!)

Frau Wissler, bloß weil er nicht beklagt wird, heißt es nicht, dass er rechtskonform ist.

(Lachen des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Frömmrich, wollen Sie einen landeseigenen Mindestlohn? – Ich glaube, nicht.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, ich wundere mich über Ihre Schlussfolgerung!)

Ich glaube, dass die bundesrechtlichen Vorschriften absolut ausreichend sind.