Protocol of the Session on September 12, 2018

Die zweite Mär ist, es würde am Land Hessen liegen, dass dort noch nicht gebaut worden ist. Richtig ist doch, dass es eine U-Bahn-Planung unter dem Areal gibt. Aufgrund der U-Bahn-Planung war es jahrelang nicht möglich, dort ein Baurecht zu schaffen für ein entsprechendes Gebäude, weil man noch gar nicht wusste, wo das Fundament eines solchen Gebäudes hinkommen kann, weil das Planfeststellungsverfahren der Stadt Frankfurt für die U-Bahn-Linie ins Europaviertel lief. Auch das ist eine Tatsache, die man zur Kenntnis nehmen muss. Dem kann man ebenfalls entnehmen, dass das nichts mit dem Land zu tun hat, sondern dass es nun einmal die kommunale Planungshoheit ist, die über dieses Grundstück verfügt hat.

Meine Damen und Herren, außerdem möchte ich noch erwähnen, dass das, was Herr Schaus hier ausgeführt hat, überhaupt nicht weiterhilft. Sie haben wieder darauf verwiesen, dass nur durch den Bau von Sozialwohnungen die Dinge geregelt werden könnten. Herr Kollege Wagner hat vorhin darauf hingewiesen, dass Sie damals in Berlin, als Sie dort gemeinsam mit der SPD regierten, eine Gesellschaft verkauft haben. Er hat die Zahl nicht genannt. Deshalb benenne ich sie jetzt einmal. Damals sind 60.000 Wohnungen verkauft worden. Insofern sind Sie der Letzte, der sagen könnte, dass das, was wir machen, falsch sei.

Nun noch einmal zu Ihnen, Herr Schäfer-Gümbel. Sie haben eben gesagt, ich hätte erwähnt, wenn es darum gehe, dass Bebauungspläne aufgelegt werden, würden die Kosten eine Rolle spielen. Daraus haben Sie die Theorie geschmiedet, das würde doch zeigen, dass die Kommunen in Hessen zu wenig Geld hätten.

Richtig ist, heute haben die Kommunen in Hessen so viel Geld wie noch nie zuvor. Es geht also nicht um die Frage, ob die Kommunen mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet sind. Das sind sie in Hessen. Vielmehr geht es um eine ganz andere Frage. Es geht um die Frage, ob die Kommunen die Mittel so einsetzen, dass ein neuer Bebauungsplan mit einem Wohngebiet erstellt wird mit der Folge, dass diese Entscheidung dann für sie zu zusätzlichen Kosten führt, auch wenn sie diese Kosten tragen könnten. Die Situation ist eben die, dass die Bürger, die dort vielleicht schon wohnen, andere Vorstellungen und andere Wünsche haben, und die, die erst später in ein neues Baugebiet ziehen würden, natürlich heute noch nicht die Wähler sind und insoweit noch nicht ihre Interessen vorbringen können. Insofern geht es hier überhaupt nicht darum, dass die Kommunen in Hessen finanziell nicht gut ausgestattet sind. Vielmehr geht es nur darum, sich damit zu beschäftigen, wie man Kommunen motivieren kann, Bauland auszuweisen, was natürlich im Speziellen mit Kosten verbunden ist. Da geht es um eine Entlastung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Ich stelle fest, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.

Es wurde festgehalten, dass der Antrag der LINKEN, Drucks. 19/6760, und der Dringliche Antrag, Drucks. 19/6782, an den Umweltausschuss überwiesen werden.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein!)

Nein? Soll darüber abgestimmt werden?

(Günter Rudolph (SPD): Die tagen ja nicht mehr!)

Ich hätte jetzt gern einen Hinweis. Bei mir steht in dem Ablaufplan – –

(Günter Rudolph (SPD): Abstimmen!)

Gut. Dann stimmen wir darüber ab.

Ich lasse zuerst über den Antrag der LINKEN, Drucks. 19/6760, abstimmen. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wer enthält sich? – Die Fraktion der SPD. Somit ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Dann lasse ich abstimmen über den unter Tagesordnungspunkt 62 vorliegenden Dringlichen Antrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend erfolgreiche soziale Wohnungspolitik in Hessen fortsetzen, Drucks. 19/6782. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – SPD, FDP und DIE LINKE. Somit ist dieser Antrag angenommen worden.

Ein Hinweis: Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Fahrverbote verhindern, Hersteller in die Pflicht nehmen – Verbraucher sind nicht für Handlungsunfähigkeit der Landesregierung verantwortlich, Drucks. 19/6784. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Antrag unter Tagesordnungspunkt 64 aufgenommen und kann, wenn nicht widersprochen wird, zusammen mit Tagesordnungspunkt 36, Entschließungsan

trag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aufgerufen werden. – Es wird nicht widersprochen. Dann machen wir das so.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Hessisches Gesetz für soziale und ökologische Kriterien, Tariftreue und Mindestlohn bei Vergaben (Vergabekriteriengesetz – HVKG) und zur Aufhebung des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes (HVTG) – Drucks. 19/6742 zu Drucks. 19/6166 –

Die Berichterstatterin ist Frau Abg. Barth. Ich bitte Sie, die Berichterstattung vorzunehmen.

Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, GRÜNEN und FDP gegen die Stimme der LINKEN bei Enthaltung der SPD, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

Vielen Dank, Frau Kollegin Barth. – Die erste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Bitte schön, Frau Kollegin. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei dem Thema der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und der Tariftreue geht es um grundsätzliche Fragen: Wollen wir in einem Land leben, in dem Umweltstandards und Menschenrechte nichts gelten, wenn man ein paar Euro im Verkauf sparen kann? Wollen wir in einem Land leben, in dem jeder mit seiner Arbeitsleistung immer darum konkurrieren muss, ob nicht noch jemand anderes kommt, der für noch etwas weniger Geld noch länger arbeiten würde? Wollen wir in einem Land leben, in dem Menschen trotz Arbeit Angst vor Armut haben müssen?

Wir sagen Nein. Wir sagen: Der Staat muss seine Möglichkeiten nutzen, um hier steuernd einzugreifen und das Wirtschaftsleben so zu flankieren, dass gute Arbeit und ökologische Standards auch eingehalten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier kann das Vergabegesetz ein wichtiges, mächtiges Werkzeug sein, um Dinge zum Positiven zu verändern. Denn die öffentliche Hand ist der mit Abstand größte Auftraggeber der Privatwirtschaft und hat eine enorme Marktmacht, die für Verbesserungen genutzt werden sollte. Mehr als 15 % des Bruttoinlandsprodukts gehen auf öffentliche Aufträge zurück. Während immer mehr Konsumenten immer öfter genau hinschauen, was sie kaufen und bestellen, und dabei eben nicht nur auf den Preis achten, sondern z. B. darauf, ob es Bioprodukte oder Fair-Trade-Produkte sind, hat sich der größte Player in Hessen, nämlich die öffentliche Hand, überhaupt keine verbindlichen sozialen und ökologischen Mindeststandards für seine Aufträge gegeben.

Genau das ist das Problem, finde ich. Denn jemand, der in seinem Unternehmen ausbildet, der fair einkauft, der seine Mitarbeiter vernünftig bezahlt, der ökologisch nachhaltig arbeitet und der das Ganze beim Angebot dann auch seriös einpreist, wird von der gängigen Ausschreibepraxis benachteiligt. Das kann nicht sein. Deswegen brauchen wir ein vernünftiges Tariftreue- und Vergabegesetz.

(Beifall bei der LINKEN)

Lange Subunternehmerketten sind gerade bei Bauaufträgen eher die Regel als die Ausnahme. Am Ende steht dann oft ein Scheinselbstständiger.

Vor einigen Jahren gab es das plakative Extrembeispiel. Sie erinnern sich: Auf einer Baustelle, auch noch der Nassauischen Heimstätte, in Wiesbaden hat ein rumänischer Subsubsubsubsubunternehmer seine Beschäftigten um ihren Lohn geprellt. Sie haben teilweise einen Stundenlohn von 1 € und teilweise gar keinen Lohn mehr erhalten. Stundenlöhne von 1 €: Wir reden hier nicht über Bangladesch, sondern über die Landeshauptstadt Wiesbaden.

Immer wieder hören wir von solchen Zuständen bei den Wanderarbeitern, insbesondere aus Ost- und Südosteuropa, wie zuletzt am Frankfurter Flughafen, wo diese Menschen am Ende von langen Subunternehmerketten stehen, sodass mehrere Firmen am Auftrag verdienen und am Ende Menschen für Hungerlöhne arbeiten oder sogar ganz um ihren Lohn geprellt werden.

Diese Entwicklungen führen auch dazu, dass Hessen zuletzt den mit Abstand geringsten Durchschnittsstundenlohn in der Baubranche unter den westdeutschen Bundesländern hatte. Das haben wir auch in der Anhörung zum Vergabegesetz gehört. – Atmen Sie ruhig durch, Herr Al-Wazir. Sie können ja danach etwas dazu sagen.

Obwohl der Immobilienmarkt hier besonders boomt und die Lebenshaltungskosten hier besonders hoch sind, sind die Entwicklungen der Löhne in der Baubranche im Vergleich zu den anderen Ländern weit unterdurchschnittlich. Genau dies zu ändern, ist die Zielsetzung dieses Vergabegesetzes.

Wir wollen zum einen die Subunternehmerketten kappen. Maximal drei beteiligte Firmen – dann muss Schluss sein. Damit können wir Zustände wie die vorhin geschilderten zumindest eindämmen und abbremsen. Generell werden enge Anforderungen an Subunternehmer und einen fairen Umgang mit diesen gestellt. Das haben wir in den Gesetzentwurf aufgenommen.

Wir wollen die Generalunternehmerhaftung endlich ins Gesetz hineinschreiben; denn sonst bleibt dieses Gesetz ein zahnloser Tiger. Wer einen öffentlichen Auftrag erhält, ist für seine ausgewählten Nachunternehmer verantwortlich. Alle eingesetzten Beschäftigten, auch von Subunternehmern und Leiharbeitsfirmen, müssen gemeldet werden. Wenn dann Verstöße bekannt werden, müssen die ursprünglichen Auftragnehmer geradestehen. Das würde die Situation der Beschäftigten verbessern und auch die Auswahl der Unternehmen beeinflussen.

Meine Damen und Herren, außerdem sehen wir in unserem Gesetzentwurf einen Landesmindestlohn von 12 € vor. Das ist etwa der Mindestbetrag, der zeitlebens nötig ist, um im Alter eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erhalten. Wir finden: Wer für das Land Hessen arbeitet, ob auf einer Baustelle oder anderswo, der sollte mindestens 12 € pro Stunde erhalten. Das würde uns gut anstehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da diese Firmen in der Regel nicht nur für das Land Hessen tätig sind – gut; es gibt auch im Baubereich Firmen, die fast nur oder sogar ausschließlich für die öffentliche Hand bauen –, hätte dieser Mindestlohn auch eine ausstrahlende Wirkung über die direkten Aufträge des Landes hinaus. Natürlich müssen höhere Tariflöhne ungeachtet dessen weiter gelten.

Ähnliche vergabespezifische Landesmindestlöhne gibt es übrigens in anderen Bundesländern, z. B. in Berlin mit 9 €, in Mecklenburg-Vorpommern mit 9,54 € und in Schleswig-Holstein mit 9,99 €. Das sind alles Länder mit niedrigeren Lebenshaltungskosten als Hessen. Deshalb denken wir, dass 12 € das Minimum sind, gerade auch beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet.

Wir fordern weitere Selbstverpflichtungen der Unternehmen ein, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewerben. Dazu gehört die gleiche Bezahlung von Leiharbeitern. Außerdem soll berücksichtigt werden, ob Unternehmen ausbilden. Kleine und mittelständische Unternehmen sollen verstärkt eingebunden werden. Wir wollen soziale und ökologische Standards bei Vergaben endlich verpflichtend machen, ebenso die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen, die die Bundesrepublik zwar schon seit Langem ratifiziert, aber nicht in die entsprechenden Gesetze aufgenommen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbstverständlich müssen die Leistungen auch umweltschonend erbracht werden; denn es nützt der öffentlichen Hand überhaupt nichts, wenn sie zwar günstig einkauft, die gesamtgesellschaftlichen Kosten, beispielsweise durch Umweltzerstörung und durch Klimawandel, am Ende aber höher sind und die öffentliche Hand darauf sitzen bleibt.

All das klappt leider nicht auf freiwilliger Basis. Deshalb haben wir in unserem Gesetzentwurf eine starke Prüfbehörde vorgesehen, die aktiv kontrolliert und sanktioniert.

Wir haben ein gültiges Vergabegesetz, das 2014 mit schwarz-grüner Mehrheit novelliert wurde. Das Problem mit diesem Gesetz ist, dass es so tut, als würde es soziale und ökologische Kriterien anlegen und die Einhaltung von Tariflöhnen einfordern. Es ist aber ein absoluter zahnloser Tiger, wie auch schon der DGB und Einzelgewerkschaften in der Anhörung zu dem Gesetzentwurf damals gesagt haben; denn soziale und ökologische Kriterien in Ausschreibungen zu fordern, geschieht auf freiwilliger Basis, eine echte Tarifbindung gibt es nur im Bereich des ÖPNV, und das wenige, das festgeschrieben wird, wird de facto überhaupt nicht kontrolliert.

Sie haben damals hier gesagt – ich erinnere mich genau, Herr Minister –: Der Markt wird das schon selbst kontrollieren, weil die Mitbewerber genau hinschauen, eine Kontrollbehörde sei überdimensioniert. – Das haben wir schon damals kritisiert; denn mit Selbstverpflichtungen zu arbeiten, ist absurd. Das ist ein bisschen so, als würde man sagen: Jeder Autofahrer muss eine Selbstverpflichtung unterschreiben, dass er sich an die Straßenverkehrs-Ordnung hält, dann brauchen wir keine Kontrollen mehr. – Ich denke, das ist weltfremd. Aus diesem Grunde brauchen wir eine starke Prüfbehörde, die kontrolliert, ob die Unternehmen das einhalten, wozu sie sich verpflichtet haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man all das nicht hat, dann ist es doch kaum überraschend, dass die tatsächlichen Auswirkungen dieses Gesetzes kaum wahrnehmbar sind.

Zurzeit sind wir in der zweiten Lesung. Wir hatten mittlerweile eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf, und da wurde von vielen Anwesenden bemängelt, dass die Evaluation des momentan gültigen Gesetzes überfällig sei. In der Anhörung gab es im Wesentlichen drei Meinungen. Die einen haben gesagt: Lasst das aus dem Vergabegesetz heraus, das ist alles vergabefremd; möglichst Deregulierung und möglichst wenig Steuern. – Das kann man vertreten, aber das ist nicht unsere Position.

Zum Zweiten gab es Unternehmensverbände und auch Kommunen, die sich vor mehr Bürokratie fürchten und meinen, bei niedrigeren Schwellenwerten und mehr Kriterien entstehe mehr Aufwand und werde mehr Personal benötigt. – Das stimmt. Ein wirkungsloses Gesetz wie Ihres verursacht keinen Aufwand, aber dann braucht man es auch nicht.

Die dritte Gruppe waren die, die von dem Gesetzentwurf positiv betroffen wären. Hier gab es zwar an der einen oder anderen Stelle Detailkritik oder Verbesserungsvorschläge, aber im Wesentlichen eine große Zustimmung von den Gewerkschaften und vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Hessen.

Damit hat sich der Eindruck bestätigt, dass das Gesetz aus dem Jahre 2014 die drängenden Probleme nicht beseitigt und in der Praxis eben keine wahrnehmbaren Auswirkungen hat.